Protocol of the Session on March 22, 2001

Meine Damen und Herren, ich eröffne die 35. Sitzung der Bürgerschaft (Landtag). Ich begrüße die anwesenden Damen und Herren sowie die Zuhörer und die Vertreter der Presse. Folgende Gruppen sind anwesend: eine Gruppe Spätaussiedler und eine elfte Klasse eines Politikleistungskurses des Schulzentrums Bürgermeister-SmidtSchule in Begleitung unseres ehemaligen Kollegen Harald Neujahr. Herzlich willkommen!

(Beifall)

Außerdem ist anwesend eine neunte Realschulklasse des Schulzentrums Butjadinger Straße. Auch Sie heiße ich herzlich willkommen!

(Beifall)

Ich wünsche Ihnen einen informativen und spannungsreichen Vormittag. Gemäß Paragraph 21 der Geschäftsordnung gebe ich Ihnen folgenden Eingang bekannt: Klimaschutz durch Energieeinsparung und Ökostrom, Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen vom 21. März 2001, Drucksache 15/674. Gemäß Paragraph 21 Absatz 1 unserer Geschäftsordnung muss das Plenum zunächst einen Beschluss über die Dringlichkeit des Antrags herbeiführen. Wer einer dringlichen Behandlung des Antrags seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen! Ich bitte um die Gegenprobe! Stimmenthaltungen? Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt einer dringlichen Behandlung zu.

(Einstimmig)

Ich schlage Ihnen vor, diesen Antrag mit Tagesordnungspunkt 21, Ökostrom für Bremen, zu verbinden. Ich höre keinen Widerspruch. Die Bürgerschaft (Landtag) ist dann damit einverstanden. Wir treten in die Tagesordnung ein.

Fremdsprachlichen Unterricht in der Grundschule beginnen

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 6. März 2001 (Drucksache 15/645)

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Lemke.

Die gemeinsame Beratung ist eröffnet.

Als erster Redner hat das Wort der Abgeordnete Bürger.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Aufgrund des zusammenwachsenden Europas und der zunehmenden Internationalisierung und Globalisierung vieler Lebensbereiche, unter anderem Freizeit, Wirtschaft, Berufe, muss das Erlernen von Fremdsprachen zum selbstverständlichen Handwerkszeug in der Schule werden. Fremdsprachenkenntnisse sind Voraussetzung für berufliche und private Mobilität, und Sie kennen das Wort, dass Fremdsprachen Türen öffnen können.

Berufliche Chancen im internationalen Wettbewerb setzen die Beherrschung von Fremdsprachen voraus. Die Berufswelt fordert sogar zwei bis drei Fremdsprachen. Das Beherrschen von Fremdsprachen wird im einundzwanzigsten Jahrhundert zu einer Schlüsselqualifikation wie Lesen, Schreiben und Rechnen werden. Ich möchte aber an dieser Stelle ausdrücklich betonen, dass die klassischen Kulturtechniken trotz Sprachenlernens nicht vernachlässigt werden dürfen.

(Beifall bei der CDU)

Mit Fremdsprachen in der Grundschule wollen wir einen weiteren Schritt machen zu mehr Qualität und praktischer Verwertbarkeit der schulischen Ausbildung im Sinne der Schüler. Das Erlernen einer Fremdsprache ist eines der Elemente, die eine kindund leistungsgerechte Grundschule zukunftsfähig machen werden. Außerdem passt dieser Schritt, meine Damen und Herren, besonders zum Europäischen Jahr der Sprachen, das in diesem Jahr durchgeführt wird.

Zahlreiche Kindergärten im Land Bremen haben die Initiative zur Frühbegegnung mit Fremdsprachen ergriffen. Dies sollte dann, meine Damen und Herren, auch in der Grundschule fortgesetzt werden können. Herr Senator, hier bedarf es eines Konzeptes, einer Absprache zwischen Kindergärten und Schulen. Die Begegnung mit Fremdsprachen sollte so früh wie möglich beginnen. Studien machen deutlich, dass Fremdsprachen von Kindern im frühen Lebensalter am leichtesten und nachhaltigsten erlernt werden. Lernfähigkeit und Lernfreude sind dann noch besonders ausgeprägt.

In der vierten Klasse der Schule Freiligrathstraße konnten wir beobachten, Frau Hövelmann, der Senator und ich waren dort, mit wie viel Spaß und Freude die Kinder bei der Sache waren. Wenn wir dies so fortführen können, dann, meine ich, sind wir einen großen Schritt weitergekommen, was das Erlernen von Fremdsprachen angeht.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Kinder, meine Damen und Herren, gehen in jungen Jahren eben unbeschwerter und ohne Vorurteile an das Erlernen einer Fremdsprache heran. Die Kinder an der Grundschule sind sehr viel motivierter, haben keine Sprechangst, die erst später mit der Pubertät einsetzt, und entwickeln besonders leicht eine gute Aussprache – auch dies konnten wir bei unserem Besuch beobachten –, denn das Sprechvermögen der Kinder wird zu einem besonders günstigen Zeitpunkt ihrer Entwicklung gefördert. Es ist notwendig, dass der Senat bis zum 1. Juli ein Konzept zur Einführung eines fremdsprachlichen Unterrichts in der Grundschule zum Schuljahr 2002/2003 vorlegt.

Die CDU-Fraktion hatte Anfang Dezember letzten Jahres eine Anhörung zu diesem Thema durchgeführt. Daraufhin ist diese Initiative, dieser Antrag dann auch entstanden. Bei der Anhörung, meine Damen und Herren, hatten sich folgende Eckpunkte herauskristallisiert, und die lassen Sie mich in sieben Punkten kurz darstellen!

Erstens: In den ersten beiden Schuljahren soll handlungsbezogen, erlebnis-, themen- und situationsorientiert eine Berührung mit einer Fremdsprache im Rahmen der bestehenden Stundentafel möglich sein. Wichtig ist, dass die Kinder eine positive Erfahrung erleben, das Weiterlernen der Fremdsprache und ein frühzeitiges Verständnis für die Kulturen anderer Länder geweckt wird.

Zweitens: In den Klassen drei und vier sollte das Erlernen der Fremdsprache behutsam systematisiert werden. Ein lehrplanbezogener Anschluss, Herr Senator, an die Curricula der Orientierungsstufe und eine Überarbeitung der Fremdsprachen insgesamt, das will ich ausdrücklich betonen, müssen durchgeführt werden.

Drittens: Die in der Grundschule begonnene Fremdsprache muss in der Orientierungsstufe und in den weiterführenden Schularten möglich sein. Die Einführung einer Fremdsprache in der Primarstufe muss in ein ganzheitliches Fremdsprachenkonzept eingebettet sein. Wir können nicht losgelöst im Kindergarten, in der Grundschule und dann im weiterführenden Bereich Fremdsprachen vermitteln, sie stehen sonst nebeneinander, und es muss klar sein, Herr Senator, was als Ziel und Leistungshöhe am Ende der Klasse vier mindestens erreicht werden soll. Um eine hinlängliche Vergleichbarkeit und Gleichheit zu erreichen, wird in erster Linie das Fach Englisch für eine Frühbegegnung in Betracht kommen. Wir denken aber auch an Französisch und Spanisch, diese Sprachen werden heute schon in Grundschulen den Kindern nahe gebracht.

Viertens: Da es sich bei diesem Vorhaben um eine wichtige Weichenstellung handelt, muss eine entsprechende Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern durch Fort- und Weiterbildung sichergestellt werden. Natürlich ist auch daran zu denken, dass

bei weiteren Neuanstellungen eventuell auch Grundschullehrer mit dem Fach Englisch, die gibt es ja durchaus, eine Berücksichtigung finden sollen.

Fünftens: Die erforderlichen personellen und materiellen Ressourcen müssen aufgezeigt werden, insbesondere wenn in den Klassen drei und vier ein ein- oder zweistündiger Unterricht erteilt werden soll. Da streiten sich die Sprachwissenschaftler, was notwendig ist. Es gibt einige, die sagen, einstündig reiche aus. Nach meinem Dafürhalten, aber auch bei unserer Anhörung ist deutlich geworden, dass die Fachleute eher an ein zweistündiges Unterrichtsfach denken, das dann verteilt auf eine Woche, zwei Mal, Dienstag und Freitag als Beispiel, auch den entsprechenden Abstand hat, damit die Vergessensrate nicht allzu hoch wird.

Herr Senator, ein Wort zu den Ressourcen! Bei einem Gespräch im Institut Français hat die Leiterin ihre Mitarbeit und Unterstützung bei der Umsetzung der Fremdsprachenfrühbegegnung zugesagt. Sie sollten, Herr Senator, dieses Angebot annehmen, genauso wie das Angebot vom Deutschen Roten Kreuz, das in der Freiligrathstraße noch einmal erneuert worden ist. Wir sind allerdings auch der Auffassung, Herr Senator, dass Sie Verbindung aufnehmen sollten zum Instituto Cervantes, das auch Kompetenz hat, was die spanische Sprache angeht. Ich finde, wenn eine solche Kompetenz vorhanden ist, dann sollten Sie sie auch nutzen. Gegebenenfalls lässt sich ja dann die eine oder andere Mark bei der Gelegenheit auch einsparen.

Sechstens: Zu klären wird auch die Frage sein, wann die zweite Fremdsprache begonnen werden soll, bei dem verkürzten Bildungsgang bis zum Abitur ist das für die sechste Klasse, ich hätte beinahe gesagt, schon fast zur Regel geworden. Da stellt sich die Frage: Wie wird das in Zukunft generell sein? Wie lang wird die „Laufzeit“ der ersten Fremdsprache sein, und kann dann eventuell oben, in Klasse neun oder zehn, etwas zugunsten der zweiten Fremdsprache gekürzt werden, Herr Senator, oder zur Einführung einer dritten Fremdsprache? Diese Fragen müssen geklärt werden, ich glaube aber, das wird auch die Erfahrung zeigen, wie zu verfahren sein wird.

Siebtens: Herr Senator, wir sind der Überzeugung, dass Sie wohl auf KMK-Ebene auch eine Initiative dahin gehend ergreifen sollten, um zu klären, wie die Rahmenbedingungen zukünftig, was Fremdsprachen lernen angeht, aussehen können, denn ein Nebeneinander in allen Bundesländern zu verschiedenen Konditionen und zu verschiedenen Rahmenbedingungen halten wir für problematisch. Ein Umzug von Eltern mit schulpflichtigen Kindern müsste auch in Zukunft gesichert sein. Das wird aber immer schwieriger, wenn man bei den Fremdsprachen nicht zu einer, ich will nicht sagen, einheitlichen Lösung, das würde man nicht hinbekommen, aber

doch zu Rahmenbedingungen kommt, die akzeptabel sein müssten.

Herr Senator, die Arbeit sollten Sie sofort aufnehmen. Bitte lassen Sie keine wertvolle Zeit bei der Umsetzung zu diesem Antrag verstreichen, wie wir das leider damals bei der Einführung der verlässlichen Grundschule beobachten mussten, da ist wertvolle Zeit verstrichen!

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das ist ja nicht wahr!)

Ich bitte Sie, dies sofort anzupacken,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Pure Polemik! – Heiterkeit bei der CDU)

damit wir keine Zeit verlieren und dies auch in Ruhe umgesetzt werden kann. – Herzlichen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Ehmke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zu Beginn, Herr Bürger, darf ich vielleicht kurz auf die verlässliche Grundschule eingehen, weil Sie damit gerade geschlossen haben! Ich erinnere mich noch gut, wie auch die CDU-Fraktion vor wenigen Tagen in diesem Hause die verlässliche Grundschule als Erfolgskonzept der großen Koalition dargestellt hat. Ich finde, dabei sollten wir auch so bleiben und das jetzt nicht im Nachhinein noch wieder schlecht reden.

(Beifall bei der SPD – Abg. E c k h o f f [CDU]: Das unterscheidet uns von den Ju- sos, Herr Ehmke!)

Ja, Herr Eckhoff, darüber können wir bei Gelegenheit einmal diskutieren, das ist jetzt, glaube ich, nicht notwendig!

Herr Bürger hat auf wesentliche Punkte hingewiesen, im Interesse der Zuhörerinnen und Zuhörer möchte ich sie jetzt hier nicht alle wiederholen. Dass Fremdsprachen immer wichtiger werden im Zusammenhang mit der Internationalisierung, dass sie eine Basis für Europakompetenzen sind, dass der Zugang möglichst früh beginnen soll, da sind wir uns völlig einig, ich möchte dies jetzt nicht noch einmal im Detail ausführen.

Herr Bürger, Sie haben darauf hingewiesen, dass bereits mehrere Kindergärten Frühbegegnungen mit Fremdsprachen praktizieren. Das ist richtig! Auch an mehreren Schulen findet gegenwärtig im Rah––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

men von Arbeitsgruppen ein Zusatzangebot Frühbegegnung mit Fremdsprachen statt. Uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es vor dem Hintergrund von Chancengleichheit extrem wichtig, dass wir dieses Angebot für alle Kinder, für alle Schülerinnen und Schüler ausbauen und dass es nicht auf einem Standpunkt stehen bleibt, wo einige wenige als Zusatzangebot diese Qualifikation erwerben können und andere davon ausgeschlossen sind. Wir wollen, dass alle Schülerinnen und Schüler an der Frühbegegnung mit Fremdsprachen teilhaben können.

(Beifall bei der SPD)

Herr Bürger, Sie haben ebenfalls hingewiesen auf die Bedeutung des Englischen. Die Bedeutung des Englischen möchten wir an dieser Stelle überhaupt nicht bestreiten, aber trotzdem ist es Auffassung der SPD-Fraktion, dass intensiv geprüft und darüber nachgedacht werden muss, in welchen Formen die Möglichkeit gefunden wird, auch andere Sprachen im Rahmen der Frühbegegnung einzuführen,

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

denn es geht ja im Rahmen der Frühbegegnung vor allem auch darum, einen Zugang zu einer fremden Sprache zu erwerben, weniger darum, direkt ganz viele Vokabeln auswendig zu lernen.

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Das hat Herr Bürger aber gesagt!)

Das ist wunderbar, dann sind wir uns ja auch da einig!

Ich möchte mit Erlaubnis des Präsidenten aus dem Schriftstück von Professor Dr. Michael Wendt von der Universität Bremen zitieren: „Wer keine Wahl hat, hat die Qual später. Kritische Bilanz und Vorschläge zu einer zukunftsorientierten Schulsprachpolitik“. Hierin stellt er dar: „Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Englischkenntnisse in der heutigen Welt unverzichtbar sind, aber auch keine andere Sprache ersetzen.“ Ich denke, das ist die Grundlage, auf der wir da agieren müssen und auf der wir dort Konzepte entwickeln müssen. Das wird ja auch entsprechend eingefordert.