Protocol of the Session on February 21, 2001

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Das bestreitet hier doch gar keiner!)

Sie haben gesagt, das sei Blödsinn, Herr Eckhoff!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Das sind doch Selbstverständlichkeiten, die Sie hier ge- sagt haben!)

Das ist keine Selbstverständlichkeit! Sie möchten gern in bestimmte Kästen sortieren, und das ist nicht mein Ziel!

Nächster Punkt: Herr Rohmeyer bemängelt sehr richtig, dass wir im Bereich der Schulen allgemein, aber besonders im Bereich der Hauptschulen einen zu starken Umfang der Schulvermeidung zu beklagen haben. Hier sind Anstrengungen notwendig – das geht über fast alle Ressorts –, dass wir uns viel enger verantwortlich fühlen.

Jetzt komme ich einmal zur tatsächlichen Situation an den Hauptschulen! Wir haben an den Hauptschulen eine Klassenfrequenz von 18,7. Hier liegen wir bundesweit an der Spitze. Wir sind sehr gut ausgestattet. Das heißt, wir haben in Bremen eine sehr gute Schüler-Lehrer-Relation. Wenn ich aber bei meinen vielen Besuchen feststelle, dass die Lehrer gar nicht so genau wissen, was eigentlich mit ihren Schülern los ist, aus welchen familiären Bedingungen sie kommen, dann wünschte ich mir, dass man sich in der Schule verstärkt mit dem einzelnen Schüler befasst. Das heißt auch, dass man sich mit den Eltern befasst.

Herr Mützelburg hat beklagt, dass so viele Schülerinnen und Schüler nicht deutscher Herkunftsprache keinen Schulabschluss bekommen. Das sind 20

Prozent und von allen Schülern insgesamt zehn Prozent. Das ist deutlich zu viel. Da haben, Herr Mützelburg, aber auch die Eltern eine erhebliche Verantwortung. Wir müssen stärker an sie appellieren, dass sie sich verstärkt um die sprachliche Ausbildung ihrer Kinder bemühen, denn ohne sie geht es nicht.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich sehe, dass die Schülerinnen und Schüler am Ende ihrer Schulzeit eben nicht ordentlich Deutsch sprechen können, dass sie von daher überhaupt keine Chance haben, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, so ist hier auch eine elterliche Verantwortung bei diesem Personenkreis. Wir müssen nicht aufgeben, sie auch auf ihre Verantwortung hinzuweisen.

Ich habe bei der Strukturdebatte sehr genau zugehört. Ich bin der Auffassung – das belegt eine Vielzahl von wissenschaftlichen Untersuchungen, vielleicht sollte man einmal verstärkt da hineinschauen –, dass nicht die Strukturen wichtig sind, sondern der erteilte Unterricht, die Form und der Inhalt des Unterrichts, das Eingehen auf Schülerprobleme. Wie der Unterricht gemacht wird, das ist das Entscheidende!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir haben zu diskutieren, wie das denn gehen soll. Wollen wir sie ausgrenzen? Nein, meine Damen und Herren, hier ist mehrfach das Wort Restschule gefallen, für mich als zuständigen Senator gibt es keine Restschülerinnen und Restschüler, es gibt nur Schüler, für die ich eine Verantwortung trage, egal welchen Intelligenzquotienten sie haben.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keine Restschüler, die ich mit einem Stempel so früh wie möglich bezeichne, um dann zu sagen, die können dann handlungsorientiert lernen oder sich auf die Handwerkertätigkeiten vorbereiten. Nein, ich versuche, sie so lange wie möglich gemeinsam in kooperativer Form möglichst gut zu unterrichten, um dann, wie Herr Rohmeyer das auch ausdrücklich begrüßt hat, die Übergänge zu erleichtern.

Ich habe sechs Jahre an der Volksschule, so hieß sie damals noch, gebraucht, nach dem vierten Jahr habe ich es nicht geschafft. Mir wurde aber der Übergang nach der sechsten Klasse zum Gymnasium ermöglicht. Wenn mir das nicht ermöglicht worden wäre, hätte ich nicht mein Abitur machen können. Wir müssen also für viele Kinder an vielen Stellen ihrer schulischen Laufbahn diese Übergänge immer

wieder neu ermöglichen. Das kann ich nicht, indem ich sie von vornherein aussortiere.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen – Abg. R o h m e y e r [CDU]: Das habe ich nicht bestritten!)

Das Hauptproblem ist für mich übrigens die Zahl derjenigen, die zu keinem Schulabschluss kommen. Zehn Prozent sind das insgesamt, über die gesamte Schülerzahl sind es 20 Prozent, Herr Mützelburg hat es gesagt, der nicht muttersprachlich deutschen Kinder, die das nicht schaffen. Das ist, finde ich, der richtige Ansatz. Deshalb bin ich auch dankbar, dass CDUund SPD-Fraktion diese Debatte heute hier initiiert haben. Dies ist doch eine Zahl, die uns alle unglaublich bedrücken muss, dass es zehn Prozent Kinder gibt, bei denen man von vornherein vorhersehen kann, dass sie keinen Ausbildungsplatz bekommen und später auch ganz enorme Schwierigkeiten haben, einen Arbeitsplatz zu finden.

Jeder weiß, welche Sorgen sich die Eltern heute um die Arbeitsplatzsituation, die Ausbildungssituation ihrer Kinder machen! Hier müssen wir versuchen, ihnen entgegenzukommen, und fragen, wie wir den Unterricht in den vorhandenen Schulen so gestalten können, dass wir es als unsere gemeinsame Verantwortung ansehen, diese furchtbare Zahl in den nächsten Jahren auf eine möglichst imaginäre Zahl zurückzudrängen.

Ein Punkt, auf den ich auch noch eingehen möchte, ist: Ich denke, wir müssen uns nicht nur verstärkt um die familiäre Situation kümmern, dass wir es also erkennen, wenn es Scheidungsprobleme gibt, wenn Schülerinnen und Schüler auf einmal in ihren Leistungen abbrechen, vom Gymnasium in die Realschule und anschließend in die Hauptschule weitergeleitet werden, und die Lehrer womöglich überhaupt nicht wissen, was zu Hause los ist. Hier wünschte ich mir eine verstärkte Einblicknahme, ein verstärktes Zugehen auf die Eltern.

Ich wünsche mir noch etwas, meine Damen und Herren, und zwar dass das Selbstbewusstsein der Hauptschüler verstärkt wird, dass auf sie eingegangen wird und dass ihnen nicht das Gefühl gegeben wird, dass sie Restschüler sind, sondern dass wir sie sehr wohl brauchen in unserer Gesellschaft, weil es viele Berufe gibt, in denen wir auch Hauptschüler brauchen, sie aber nicht mit dem Makel des Restschülers abstempeln.

(Beifall bei der SPD)

Zum Schluss möchte ich noch etwas – das ist sehr gut begonnen worden, und das möchte ich weiter verstärken – zur Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft sagen. Immer wieder erlebte ich in den letzten Monaten, dass sich große und mittelständische Firmen verstärkt um die Schulen kümmerten,

gerade auch im Sek-I-Bereich, im Bereich der Hauptschulen.

Ich will ein Beispiel nennen, das gerade erst vor wenigen Tagen passiert ist. Die Fleischerinnung, an der Spitze hier die große Firma Könecke, hatte zum Dialog mit den Schulen eingeladen. Nicht wir hatten diesen Dialog initiiert, sondern, was ich sehr positiv empfand, die Wirtschaft ist auf uns zugekommen. Kleine, große und mittlere Betriebe haben den Dialog gewünscht. Wir sind sofort auf sie eingegangen. Wir sind an die Schule am Rübekamp gegangen, und Karl Könecke, der ja nun kein Unbekannter in der Szene ist, hat noch niemals die ausgezeichnete Ausbildungssituation für Fleischerinnen und Fleischer am Rübekamp gesehen und sich sofort bereit erklärt, diese Schule massiv in ihrem Bemühen zu unterstützen, Nachwuchs hier auszubilden, verstärkt Werbung zu betreiben, Praktikumsplätze anzubieten und Patenschaften für drei Schulzentren einzugehen.

Sehen Sie, meine Damen und Herren, das wünsche ich mir, sich gemeinsam mit den Problemen zu identifizieren, die wir ohne Frage haben! Das können wir aber nicht im Gegeneinander, sondern nur im Miteinander im Interesse aller Schülerinnen und Schüler. Genauso leidenschaftlich, wie ich vielleicht jetzt für die Hauptschüler argumentiert habe, werde ich mich für die einsetzen, die mehr Begabung von zu Hause mitbringen, die ein besseres soziales Umfeld bekommen haben, die gilt es zu fordern. Heute haben wir uns um die benachteiligten Kinder unserer Stadt bemüht. Ich denke, das sollten wir nicht im Konflikt machen, sondern uns in Gemeinsamkeit weiter darum bemühen. – Danke sehr!

(Beifall bei der SPD)

Das Wort erhält der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich wollte doch noch ein paar Bemerkungen machen aus der Sicht, Frau Jansen, von jemandem, der in Ihrem Sinne nicht mit einem goldenen Löffel auf die Welt gekommen ist, der nicht irgendwelche Gymnasien besucht hat oder gar Privatschulen, wie es häufig die Kinder von SPDBildungspolitikern machen!

(Beifall bei der CDU)

Ich selbst bin im Bereich Huchting zur Schule gegangen,

das sollte Ihnen, glaube ich, etwas sagen, wenn ich richtig informiert bin, und zwar dort am Schulzentrum Willakedamm und Delfter Straße. Ich kann Ihnen sagen, an beiden Schulen haben wir an der gymnasialen Oberstufe leider während der gesamten Zeit keine Kontakte zur Haupt- oder Realschule gehabt. Das war einfach Fakt. Das ist im Endeffekt auch mehr oder weniger das, was die Tochter von Herrn Mützelburg bestätigt hat, dass es mit den Kontakten leider meistens so aussieht, dass es dann zu Konflikten kommt. Das ist doch die Realität auch an den bremischen Schulen. Die müssen wir einfach ein Stück weit zur Kenntnis nehmen.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Ab der elften Klasse sind die Hauptschüler gar nicht mehr da!)

Das stimmt, in der elften Klasse waren sie nicht mehr da, aber natürlich im Sek-I-Bereich! Frau Hövelmann, hören Sie doch einfach einen Moment zu!

Ich hätte mich nicht getraut, dies heute noch einmal zu erzählen, weil es ja schon ein paar Jahre her ist. Vor einem Jahr wurde ich aber auch noch einmal zum Willakedamm bestellt, um mir dort die Situation vor Ort anzuschauen, wo es dann sozusagen heute ganz andere Gesprächsthemen gibt. Das hat aber auch nicht viel mit einem besonders herzlichen Verhältnis zwischen Haupt-, Realschule und der Gymnasialabteilung, sondern eher mit Konfliktsituationen zu tun. Deshalb, finde ich, darf man doch auch nach 20 oder 25 Jahren einer entsprechenden Bildungspolitik noch einmal darüber nachdenken, ob das alles so richtig ist.

Herr Senator Lemke, Sie haben ja das eine oder andere hier völlig richtig gesagt, das war auch, sage ich einmal, so allgemein, dass selbstverständlich das meiste, was Sie gesagt haben, unterstrichen werden kann. Wenn also gesagt wird, wir müssen die Hauptschüler fördern, ist das doch eine Selbstverständlichkeit. Das können wir entsprechend unterstreichen. Wenn Sie sagen, wir müssen den Hauptschülern mehr Selbstbewusstsein geben, dann hört sich das toll an, aber die Frage ist, was wir denn durch 20, 30 oder noch mehr Jahre Bildungspolitik erreicht haben. Faktisch ist das, was Herr Mützelburg gesagt hat, leider die Realität. Die Hauptschule wird von der Mehrzahl der Bevölkerung als eine Restschule angesehen. Das ist das konkrete Ergebnis Ihrer Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU – Abg. Frau J a n - s e n [SPD]: Unglaublich! – Abg. T e i s e r [CDU]: Die Wahrheit tut weh!)

Es machen hier gut 25 Prozent einen Hauptschulabschluss, in Bayern sind es knapp 45 Prozent. Meinen Sie, dass das Selbstbewusstsein der Schüler in Bayern insgesamt ein niedrigeres Niveau hat als bei

uns? Wenn man insgesamt die Vergleiche sieht, dann ist das nicht unbedingt der Fall. Wir müssen doch aufpassen, was wir den Leuten vermitteln wollen, und wir müssen, und deshalb finde ich Initiativen wie die mit Könecke gut und richtig, doch einen stärkeren Praxisbezug hinbekommen. Wir haben in manchen Bereichen auch die Hauptschüler theoretisch vollgepackt und gesagt, das hilft ihnen für den späteren Bildungsweg weiter. Es hat ihnen aber nicht weitergeholfen, es hat sogar dazu geführt, dass dann zehn Prozent frustriert diesen Bildungsweg abgebrochen haben. Das ist das Ergebnis der Politik!

(Beifall bei der CDU)

Deshalb müssen wir gemeinsam schauen, wie wir tatsächlich dieses Selbstbewusstsein wiederherstellen. Das kann aber durchaus auch bedeuten, dass wir bei den Inhalten schauen, wie wir den Praxisanteil erhöhen und den theoretischen Anteil senken, denn es hilft dort überhaupt niemandem, der als Berufsziel eine eher praktische Ausbildung hat, zwangsläufig weiter, auf höchstem Niveau theoretische Inhalte vermittelt zu bekommen.

Ich finde, darum müssen wir uns auch kümmern, und das ist überhaupt nicht, Frau Jansen, wenn ich das sagen darf, als Vorwurf gemeint. Aber ich finde, man muss darüber doch nachdenken, und dazu diente diese Debatte, wie man den unterschiedlichen Schulformen, den Inhalten, die dort vermittelt werden, auch ihre Unverwechselbarkeit geben kann, und dann, sage ich Ihnen, finde ich es auch sekundär, in welcher Organisationsform dies vermittelt wird. Es geht natürlich um die Inhalte.

Sie haben aber ja leider nicht nur die entsprechenden Formen zusammengepackt und versucht, dort, ich sage Gleichmacherei, Sie sagen Chancengleichheit herzustellen,

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Wir sagen auch Durchlässigkeit!)

sondern Sie haben ja auch leider entsprechend an den Inhalten, an dem, was dort vermittelt wurde, versucht, die Korrekturen vorzunehmen. Das heißt, Sie haben versucht, die entsprechenden Niveaustandards abzusenken, damit der Erfolg Ihrer Bildungspolitik, nämlich dass möglichst viele Leute Abitur machen, auch tatsächlich erreicht wird.

(Abg. Frau L e m k e - S c h u l t e [SPD]: Finden Sie das eigentlich für den Standort schädlich?)

Aus diesem Grund, finde ich, müssen wir natürlich die Schüler so fördern, dass sie ihren Schulabschluss machen können und nach Möglichkeit auch alle ein Abitur. Aber das muss durch Förderung erreicht werden und nicht dadurch, dass ich die Stan

dards entsprechend so absenke, dass möglichst viele Schüler ein Abitur machen können.

(Beifall bei der CDU)

Da haben wir dann auch die Gemeinsamkeiten, Herr Senator, mit denen wir dieses Problem angehen wollen, mit der Selbständigkeit der Hauptschule, mit einem selbständigen Profil einer Realschule und einem selbständigen Profil der Schüler, die ihr Abitur machen wollen. Es muss den jeweiligen Möglichkeiten angepasst sein, und es muss den Leuten auch Chancen geben – selbstverständlich, wie Sie es erlebt haben –, Durchgängigkeit muss hergestellt werden, das ist doch vollkommen unumstritten. Das wollen wir natürlich auch herstellen, aber das geht auch in eigenständigeren Konstruktionen als denen, die wir bisher gewählt haben. Deshalb lassen Sie uns diese Siebziger-Jahre-Barrieren endlich einreißen, lassen Sie uns gemeinsam zielorientiert arbeiten, und dann werden wir die Gemeinsamkeiten auch herstellen!