Protocol of the Session on January 25, 2001

Nach diesem kleinen Exkurs ins Grundsätzliche nun zur Stellungnahme des Senats! Herr Dr. Güldner, bei Ihnen fehlt eine gänzliche Einlassung auf die Beantwortung Ihrer Anfragen. Sie haben zwar Einzelfälle benannt und ausgewählt, und anhand dieser Einzelfälle haben Sie versucht darzustellen, dass es Problembereiche gibt. Diese Problembereiche kann ich beim besten Willen anhand der Stellungnahme des Senats nicht erkennen. Sie haben sehr differenzierte Fragen gestellt, und der Senat ist auch sehr differenziert auf diese Fragen eingegangen, und ich hätte mir gewünscht, dass Sie sich mit diesen Antworten auseinander gesetzt hätten.

Es fällt auf bei der Stellungnahme des Senats, dass zwei Deliktsbereiche bei der Aufzählung der Ermittlungsfälle des Verdachts von Dienstvergehen besonders betroffen sind. Zum einen trifft es Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit und zum anderen Straftaten gegen die persönliche Freiheit. Das ist für mich zunächst einmal nicht überraschend, stehen sie doch in einem engen Zusammenhang mit der Tätigkeit von Polizeibeamten. Die Menge aller Fallzahlen – ich glaube, es war von etwa 80 im Jahr 1999 die Rede, und für 1998 waren es etwa gleich viele Fälle – sagt noch nicht so viel aus, bis auf den Umstand natürlich einer bestimmten Menge.

(Vizepräsident R a v e n s übernimmt den Vorsitz.)

Es stellt sich die Frage, ob es sich bei den einzelnen Sachverhalten um situative Fehlleistungen nur

handelt, um dynamische Prozesse in Konfliktsituationen, in die man sich als Polizeibeamter mangels professioneller Distanz zu dem, was passiert, hineinsteigert, um Dienstübereifer oder was auch immer, oder aber, und das wäre für mich Anlass zu großer Besorgnis, deuten hier Sachverhalte auf eine kalte Aggression, das heißt auf gezielte Übergriffe, der Polizei hin? Das ist die für mich entscheidende Frage.

Dazu hat nun der Senat nichts gesagt, aber gleichwohl ist die Antwort des Senats schlüssig, denn wenn ich sehe, dass 86 Anzeigen eingereicht worden sind, es aber zu keiner Verurteilung gekommen ist, dann ist anscheinend nicht so sehr viel daran. Es hat sicherlich auch Einstellungen gegeben nach den Paragraphen 153 und 153 a StPO, einmal wegen Geringfügigkeit, einmal Einstellungen nach Erfüllung von Auflagen. Ich glaube, es waren einmal sechs und einmal zwölf, also auch nicht so sehr viele. Für mich ist eben damit bewiesen, dass die Polizei im Großen und Ganzen sauber arbeitet.

Wenn Sie, Herr Dr. Güldner, sagen, was soll denn der Bürger machen? Wenn ihm etwas passiert, muss er ja, auch wenn es gegen die Polizei selbst gerichtet ist, die Polizei aufsuchen. Das ist sicherlich richtig. Nur, bei Einstellung von Verfahren hat natürlich der Bürger auch dagegen Rechtsmittel, und wenn er da nicht zum Zuge kommt, hat er nach Paragraph 374 StPO die Möglichkeit, mit der Privatklage etwas zu erreichen. Der Bürger ist da nicht auf Gedeih und Verderb immer nur auf die Polizei angewiesen. Im Übrigen, die Polizei hat auch in Bremen und Bremerhaven reagiert, indem sie besondere Dezernate eingerichtet hat, die sich mit solchen Fällen beschäftigen, und auch die Staatsanwaltschaft ist sehr sensibel, was diese Art von Fällen anbelangt.

Aufgrund der Häufigkeit dieser Fälle habe ich also nicht den Eindruck, dass wir es bei der bremischen Polizei mit Schwierigkeiten im Bereich von Straftaten zu tun haben, das Ergebnis ist für mich respektabel. Jedoch ist wenig so gut, dass es nicht auch verbessert werden kann. Daher sind die präventiven Vorgehensweisen, die Schulung in der Ausbildung sowie auch die Konfliktvermeidungsveranstaltungen, das Training dort, das angeboten und wahrgenommen wird, stets zu optimieren, und auch die repressive Verfolgung und Begleitung der Verfahren durch die Innenrevision ist weiter zu optimieren.

Zusammenfassend: Das Thema „Dienstvergehen und Straftaten bei der Polizei Bremen“ ist weniger heikel als interessant. Die Polizei in Bremen, natürlich unter Einbeziehung auch der Polizei in Bremerhaven, ist schon ziemlich gut, was den Komplex von Dienstvergehen angeht, kann aber noch besser werden. – Vielen Dank!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Nächster Redner ist der Abgeordnete Dr. Güldner.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind um eine Erfahrung reicher. Selbst wenn man versucht, sehr differenziert und in allen Schattierungen des Themas wirklich bei der Sache zu bleiben, wenn man sich vorgenommen hat, reflexartig wie der Pawlowsche Hund schon vorher, vorgeschrieben, auf etwas, was man erwartet, zu reagieren, hat man ganz offensichtlich bei der Fraktion der CDU in der Bremischen Bürgerschaft keine Chance auf eine differenzierte Argumentation. Das haben wir heute in dieser Debatte zumindest auch gelernt.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Zu Herrn Tittmann nur eine Bemerkung: Es ist an sich hier nicht üblich, Namen von Leuten, die sich hier nicht vertreten oder wehren können, zu erwähnen. Ich weiß nicht, wozu Sie überhaupt in der Lage sind! Vielleicht könnten Sie sich wenigstens an solche Regeln – –.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ich bin zu al- lem in der Lage!)

Das glaube ich Ihnen, das traue ich Ihnen zu! Aber wenn Sie sich wie alle anderen Abgeordneten auch wenigstens an solche Regeln halten würden, dann würden Sie wenigstens ein Kriterium für einen Abgeordneten erfüllen, Herr Tittmann!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Herr Strohmann, das ist schon einigermaßen enttäuschend gewesen, was Sie in der Pauschalität hier abgeliefert haben, denn Sie haben mir, der versucht hat, einmal in der ganzen Schattierung der Problematik auf dieses Thema einzugehen, Pauschalisierung vorgeworfen, aber Sie haben selbst im Grunde genommen nur ein Feindbild im Kopf gehabt und das hier nun heruntergespult, ohne darauf einzugehen. Sie sind weit hinter der Fachdiskussion in der Polizei selbst.

Wenn Sie einmal die vielen Artikel in Fachzeitschriften der Polizei sich ansehen würden und einmal eine Minute darauf verschwenden würden, wie hier zum Beispiel in der Zeitschrift „Der Kriminalist“ des Bundes Deutscher Kriminalbeamter auf das Phänomen sachlich und differenziert eingegangen wird, einfach weil da Personen aus der Polizei selbst sind, die genau wissen, wovon sie reden, und dass das keine Diffamierung der Grünen ist, sondern ein reales Problem, was Polizeiführung herausfordert ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

und auch politische Führung von Polizei, wenn Sie das einmal getan hätten, dann hätten Sie komplett Ihre Rede hier umarbeiten müssen, und dann hätten Sie einmal auf das Thema eingehen müssen, was dankenswerter Weise Herr Freitag am Ende noch getan hat, nämlich dass in Aus- und Fortbildung und in konkreter Polizeiführung dieses Thema in der täglichen Arbeit eine absolut wichtige Rolle spielt, dass das Thema, das hier in vielen Artikeln auftaucht, Kumpanei, Kameraderie, Verschweigen von Vorkommnissen, alle diese Dinge, mühsam durch die Polizeiführung aufgebrochen werden muss, durch Ausbildung und Schulung entwickelt werden muss.

Wenn Sie das sehen würden, was hier die Verantwortlichen selbst leisten, welche ernsthafte Diskussion geführt wird, welche ernsthafte Diskussion auch in Bremen geführt wird über dieses Thema, wie sich Polizei damit auseinander setzt, dann würden Sie nie im Leben auf die Idee kommen, dass dieses Thema zum politischen Thema zu machen irgend etwas mit Diffamierung zu tun hat, sondern es ist ein Kernstück einer demokratischen Polizei im demokratischen Rechtsstaat und nichts anderes. Was Sie hier gemacht haben, das ist leider, fast hätte ich gesagt, die gute alte, aber ich muss leider sagen, die schlechte alte CDU, nämlich diejenige, die reflexartig auf bestimmte Dinge reagiert, ohne wirklich einen einzigen sachlichen Gedanken auf das Problem zu verschwenden. Das war schon sehr enttäuschend!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Herderhorst.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Güldner, ich will Sie nicht enttäuschen, deswegen habe ich mich noch einmal gemeldet. Heute hatten Sie allerdings nicht gewettet, insofern ist es nicht ganz so dramatisch. Herr Dr. Güldner, ich will Ihnen sagen, das, was hier abgelaufen ist, ist im Grunde genommen eine Debatte, die wir durchaus auch in der Innendeputation hätten führen können. Allein deswegen folgere ich, dass Sie hier sehr wohl in der Öffentlichkeit den Versuch unternehmen wollten, die Polizei in eine bestimmte Ecke zu drängen.

(Beifall bei der CDU)

Dies ist Ihnen nicht gelungen, weil Sie das zur Kenntnis nehmen mussten, was hier zu Papier gebracht worden ist und was nach meiner Auffassung und nach der Auffassung unserer Fraktion durchaus darlegt, dass es so schlimm, wie Sie es glauben, nicht bestellt ist um diese Polizei hier in Bremen. ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Ich will Ihnen ein Zweites sagen, und ich habe das schon an mehreren Stellen bei verschiedenen Debatten beobachtet. Ich habe manchmal das Gefühl, Sie haben völlig den Blick für die Realitäten verloren, und Sie gehen mit geschlossenen Augen durch die Stadt. Ich würde Ihnen empfehlen, einige Nächte, insbesondere da, wo es richtig hoch hergeht, wenn man sie trifft, aber da gibt es Erkenntniswerte, da einmal wirklich als Beobachter mitzufahren und bestimmte Situationen zu genießen, in die Polizeibeamte nicht nur einmal in der Woche, sondern in aller Regel mehrmals in der Woche kommen. Wenn Sie dann immer noch glauben, sagen oder behaupten zu müssen, dass diese Polizeibeamtinnen und -beamten sich in entsprechender Weise nicht verhalten, dann würden Sie wahrscheinlich lügen müssen.

Ich will Ihnen auch Ihr Vorwort so nicht abnehmen.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Er kann sagen, was er will! Was er sagt, ist falsch!)

Das kommt für mich der Entschuldigung von Herrn Fischer und Herrn Trittin gleich. Auch dieser Entschuldigung messe ich überhaupt keinen Wert bei und Ihrem Vorwort auch nicht!

(Beifall bei der CDU – Zuruf der Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen])

Frau Linnert, regen Sie sich ruhig auf! Auch Ihnen empfehle ich, einmal solche Situationen durchzumachen!

Dann möchte ich auch einmal über die vielen Fälle sprechen, in denen Polizeibeamte bewusst nicht nur provoziert werden, sondern auch versucht wird, ihnen etwas anzuhängen, indem Scheinanzeigen erstattet werden, die dann in aller Regel in erster Linie disziplinare Ermittlungen zur Folge haben, unabhängig von Strafverfahren, und in diesen disziplinaren Ermittlungen – das hätte man natürlich auch einmal darstellen sollen – stellt sich in aller Regel letztendlich heraus, dass nichts gewesen ist.

Dass die Polizei auf diesem Gebiet vorbildlich ist, das können Sie sicherlich allein zeitmäßig dem entnehmen, dass die Polizei die erste Organisation der öffentlichen Verwaltung in Bremen war, die eine vorbildliche Innenrevision gebildet hat, obwohl sich das natürlich personalbelastend auswirkte. Diese Innenrevision hat genau den Auftrag, hier auch der Staatsanwaltschaft möglicherweise zuzuarbeiten, neben dem diziplinarrechtlichen Vorgang, der im Übrigen zur Folge hat, auch das will ich hier nicht verschweigen, dass in dieser Zeit natürlich, ob berechtigt oder unberechtigt, meistens ohne Ergebnisausgang, ein Beamter zum Beispiel nicht befördert werden kann. Auch das muss er dann obendrein noch ertragen.

Das sollte man, glaube ich, auch einmal zum Ausdruck bringen.

Der Kollege Strohmann und auch der Kollege Freitag haben es schon zum Ausdruck gebracht: Weiteres Vorbild ist sicherlich auch das Stress- und Konfliktbewältigungstraining, das schon seit vielen Jahren bei der Polizei betrieben wird. Auch da sage ich, hier wird optimal auf diesem Gebiet gearbeitet, um die Beamtinnen und Beamten nun wirklich auf diese Konfliktsituationen bestmöglichst vorzubereiten, psychologische Vorbereitung et cetera. Dass es dann auch einmal, das wollen wir nicht verschweigen, zum Handausrutschen kommt, das, glaube ich, muss man dann auch einmal verschmerzen können,

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Das wird nicht verschmerzt, son- dern das geht den Weg eines Rechtsstaa- tes!)

weil dann die Situation oft auch entsprechend ist. Wer das allerdings nicht ertragen kann, der sollte sich umgekehrt einmal fragen, wie es denn ist, wenn heute hoch dotierte Politiker sich aktiv gezeigt haben und wie sich dagegen Polizei verhalten sollte.

Ich will Ihnen auch noch sagen, wenn Sie denn schon meinen, über dies, was hier geschrieben steht, noch einen daraufsetzen zu müssen, und einen Zeitungsartikel über eine Trunkenheitsfahrt eines Beamten zitieren, der mir sogar persönlich bekannt ist, der im Übrigen nicht Polizeihauptkommissar, sondern Kriminalhauptkommissar ist, insofern also mit Verkehrsregelungen et cetera wenig zu tun hat, halte ich das für einen untauglichen Versuch, nun damit hier noch einen daraufzusetzen und die Begründung dafür herbeizuführen, dass Polizeibeamtinnen und -beamte möglicherweise sogar, das will ich nun nicht unterstellen, nicht jederzeit bereit sind, rechtsstaatlich zu handeln und gehandelt zu haben. Ich kann Ihnen eine Reihe von SPD-Senatoren nennen, die auch mit einem Verfahren wegen Trunkenheitsfahrt belegt worden sind.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Das macht es auch nicht besser!)

Das ist doch nicht der Maßstab! Hier geht es darum, ob Polizeibeamte sich gegenüber Bürgern im Einsatz falsch verhalten. Darum geht es!

Ich will Ihnen auch sagen, auch das ist ja angesprochen worden, deswegen wollte ich es eigentlich vernachlässigen, aber in der Frage 14 steckt genau die Tendenz, die Sie hier behauptet haben, nicht hineinbringen zu wollen. Hier ist konkret darauf abgezielt worden, feststellen zu lassen, dass Polizeibeamtinnen und -beamte lediglich gegen Schwarze vorgehen und es da zu entsprechenden Ausartungen kommt, die überhaupt nicht vorhanden sind. Wir haben diese Fälle Anfang der neunziger Jahre ge

habt, als dann Schwarzafrikaner, die am Sielwall festgenommen worden sind, anschließend Anzeige wegen Körperverletzung et cetera erstattet haben und dann, wenn die Hauptverhandlung anstand, sich plötzlich in ihrem Heimatland befunden haben. Das ist die Realität, und das sollten Sie beurteilen, nicht hier versuchen, einen daraufzusetzen, um die Polizei zu diffamieren! – Danke!

(Beifall bei der CDU)

Das Wort erhält der Abgeordnete Strohmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sehr verehrter Herr Dr. Güldner, Sie haben ja nun ein paar Sätze zu mir gesagt, jetzt möchte ich einmal darauf antworten und dann, wie Sie das immer so schön sagen, in pawlowscher Manier darauf reagieren. Ich bin ja nun noch nicht so lange im politischen Geschäft und auch noch nicht so lange Abgeordneter, aber so bestimmte politische Mechanismen, die ablaufen, und wie man etwas macht und wie man einen Antrag oder eine Große Anfrage stellt oder warum man eine Kleine Anfrage stellt oder warum man das in der Deputation oder – –.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Geht es um die Motive oder um die Sache?)

Ja, es geht hier um die Sache!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Aber das hat doch Motive!)

Genau, deswegen möchte ich das erklären. Also, das habe ich schon mittlerweile verstanden. Normalerweise, der Kollege Herderhorst hat es ja schon gesagt, hätten Sie das in Ruhe alles in der Innendeputation ausdiskutieren und dann die Zahlen betrachten können. Wenn dann die Zahlen so gewesen wären, hätten Sie ja gern eine Große Anfrage stellen können, wenn Handlungsbedarf gegen die Polizei bestanden hätte. Was Sie alles vorbringen, ist ja alles gut und schön und alles toll, aber es – –.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Sie wollen nicht darüber reden, das ist das Problem!)