Protocol of the Session on December 14, 2000

Die Polizei hat Prioritäten gesetzt. Ich rede von Prioritäten. Die Polizei hat Spezialisten im Bereich der Psychologie, der Kommunikation eingesetzt. Das ist die Priorität der Polizei. Zum Schutz der Geiseln muss nämlich der erste und hauptsächliche Weg sein, die Täter mit psychologischen Mitteln zur Aufgabe zu zwingen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist die erste Lehre aus diesen Ereignissen.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie reden haarscharf am Thema vorbei!)

Ich komme gleich zu Ihrem Punkt!

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Das hilft jetzt nicht, was machen Sie dann?)

Ich komme zu Ihrem Punkt! Lassen Sie uns doch einen Schritt nach dem anderen – –!

(Glocke)

Herr Knäpper, ich weiß, was Sie fragen wollen. Ich komme gleich zu Ihrem Punkt, auch ohne dass Sie fragen. Sie können es gern auch noch einmal tun.

Sind Sie bereit, eine Zwischenfrage anzunehmen?

Selbstverständlich!

Bitte, Herr Knäpper!

Herr Abgeordneter, haben Sie so eine Situation schon einmal miterlebt? Haben Sie noch nicht miterlebt? Dann möchte ich einmal wissen, wie Sie darauf reagieren würden, wenn Kinder als Geiseln genommen worden sind, ein Kind schon vom Geiselgangster getötet worden ist, und er sagt, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen, würde er demnächst das nächste Kind töten. Würden Sie dann noch mit psychologischen Mitteln arbeiten?

(Unruhe – Glocke)

Was würden Sie denn dann machen?

Wenn Sie einen Moment gewartet hätten, ich habe Sie ja darauf hingewiesen, dann hätten Sie die Antwort auch ohne Ihre Zwischenfrage bekommen. Ich hatte sie ja angekündigt. Ich rede hier von dem Vorgehen, wie es vor Ort tatsächlich stattfindet, Stufe um Stufe. Ich habe von der ersten Stufe gesprochen, ich komme auch zur zweiten. Das ist dann nämlich Ihre, wenn diese Mittel versagen. Ich will mich davor nicht drücken, ich komme doch dazu. Das ist kein Problem.

Natürlich gibt es diese Situationen. Hier wird suggeriert, es gäbe eine Bank in diesem Hause, die wolle dann nun, dass da gar nichts geschieht und dass die Geiseln umgebracht werden, eine nach der anderen, die Kinder, und es gäbe eine Bank in diesem Hause, die wolle nun, dass die Geiseln geschützt werden. Das ist natürlich komplett falsch, was Sie sagen. Das ist komplett falsch!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Es finden diese Situationen ja schon statt. Sie finden auch ganz unabhängig von der Verankerung in dem Polizeigesetz statt. Es ist nur teilweise richtig,

was Herr Herderhorst sagte, dass alle Länder bestimmte Regelungen hätten. Es haben die Länder ganz unterschiedliche Regelungen in ihren Polizeigesetzen. Das müssten Sie auch wissen.

(Abg. H e r d e r h o r s t [CDU]: Habe ich nicht gesagt! Sie hören nicht zu!)

Es finden Situationen statt, in denen es auch zum Schusswaffengebrauch der Polizei kommt. Die Frage, über die wir uns, wenn wir präzise wären, hier überhaupt nur streiten würden, ist doch gar nicht, ob diese Situationen stattfinden oder nicht, sondern in welchem rechtlichen Rahmen, unter welcher rechtlichen Bedingung und mit welchen rechtlichen Folgen dieser Schuss passiert.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Richtig!)

Nun versuchen Sie, politisch zu sagen, die wollen, dass die Geiseln umgebracht werden, und wir wollen die Geiseln schützen. Das ist einfach nicht wahr! Es geht um die angemessenen rechtlichen Rahmenbedingungen für die Tötung eines Menschen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Im Entwurf zu dem Polizeigesetz steht auch, dass das in der Verfassung verankerte Grundrecht auf Leben außer Kraft gesetzt werden soll. Das ist doch keine Kleinigkeit. Über die müssen wir doch an dieser Stelle debattieren! Das ist doch nicht irgendetwas, das wir bei Wege längst machen. Das ist doch ein sehr wesentlicher Eingriff.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich sage Ihnen ganz eindeutig, wofür die Grünen stehen. Die Grünen stehen in diesem Fall dafür, den Status quo zu behalten. Das ist auch von der Polizei angemerkt worden, deswegen verstehe ich aus der Interessenslage der Polizei den Wunsch nach einer gesetzlichen Regelung. Nur, Politik kann nicht immer der Interessenslage von Dritten folgen, sondern muss selbst ja noch einmal abwägen, weil verschiedene Rechtsgüter hier zur Abwägung stehen. Es ist ganz klar gesagt worden, dass die Polizei natürlich diese Regelung möchte. Welche Regelung hat aber der Status quo? Der Status quo sagt, die Polizei kann dies tun, kann schießen, kann auch einen tödlichen Schuss setzen. Der einzelne Beamte beruft sich dann auf das Nothilferecht, was zur Folge hat, dass es hinterher eine Untersuchung gibt, ob dieser Schusswaffengebrauch rechtens und angemessen war. Auf diese Untersuchung wollen wir nicht verzichten.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Wir wollen ihn nicht anordnen, nicht auf Befehl. Wir wollen diesen Status quo behalten. Das ist die einzige Frage, über die wir hier streiten. Das ist im Übrigen auch der Unterschied zwischen Militär und Polizei. Dort findet das Töten von Menschen ohne eine solche individuelle Untersuchung statt, und bei der Polizei finden wir, dass es genau richtig ist, wenn sie stattfindet.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD – Glocke)

Herr Kollege Dr. Güldner, sind Sie bereit, eine Zwischenfrage anzunehmen?

Sehr gern!

Bitte, Herr Isola!

Würden Sie mir zustimmen, Herr Dr. Güldner, dass auch im Falle der gesetzlichen Regelung des finalen Rettungsschusses ebenfalls eine rechtliche Überprüfung stattfindet, wenn der Verdacht besteht, dass hier rechtsfehlerhaft vorgegangen worden ist? Das ist nicht der einzige Unterschied. Wer also als Polizeibeamter glaubt, er sei dann völlig frei, diesen Verwaltungsakt Töten durchzuführen ohne spätere rechtliche Aufklärung, der irrt.

Das ist richtig. Dennoch ist aber die rechtliche Qualität, darauf kommt es ja an, des einen Rahmens, in dem dieser Einsatz stattfindet, und des anderen unterschiedlich, sonst hätten wir ja hier gar nicht das Problem, dass wir verschiedene Regelungen diskutieren. Das ist ja wohl klar.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Lassen Sie mich aber, Herr Isola, mit einem Zitat auch mit auf Ihre Frage antworten, nämlich einem Zitat des sozialdemokratischen Innensenators Peter Sakuth, weil im Jahre 1990 die CDU, auch damals schon um gute Ideen nicht verlegen, nämlich die gleiche Initiative „finaler Rettungsschuss“ in dieses Haus eingebracht hatte! Wir reden also nicht seit einem Jahr, sondern bereits seit fast elf Jahren darüber. Innensenator Peter Sakuth sagte in der damaligen Debatte laut „Weser-Kurier“ vom 14. Juni 1999, den ich mit Genehmigung des Präsidenten zitieren darf:

„Die Diskussion um den finalen Rettungsschuss werde von der CDU aufgebauscht, so Sakuth. Im vergangenen Jahr sei lediglich 20 Mal in Bremen überhaupt geschossen worden. Das wichtigste polizeiliche Einsatzmittel sei immer noch die Sprache und nicht die Pistole. Die Einführung des Todesschusses hätte eine verhängnisvolle Signalwirkung für die

Rechtskultur im Lande.“ Soweit der sozialdemokratische Innensenator Peter Sakuth, meine Damen und Herren!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen und bei der SPD)

Lassen Sie mich zu einem zweiten Punkt kommen, der hier angesprochen worden ist, das ist die Videoüberwachung! Die Videoüberwachung ist auch so ein Punkt, bei dem man den Menschen in dieser Stadt Sicherheit und Schutz vorgaukeln oder versprechen möchte, aber in Wirklichkeit sehr wenig liefert. Lassen Sie mich auch mit Genehmigung des Präsidenten kurz aus der Zeitschrift „Der Kriminalist“ des Bundes deutscher Kriminalbeamter zitieren, der Grünennähe nicht gerade verdächtig! Dort wird über die Ergebnisse der Kriminalitätsentwicklung in London berichtet, wo ja seit geraumer Zeit, wie Sie vielleicht wissen, fast flächendeckend, aber zumindest sehr weitgehend Videoüberwachung im öffentlichen Raum installiert ist.

Zu den Ergebnissen schreibt die Zeitschrift des Bundes deutscher Kriminalbeamter, ich zitiere: „Das Ergebnis: Die Zahl der kriminellen Delikte stieg 1999 im Vergleich zum Vorjahr um 118 000 Fälle und damit um 12,4 Prozent. Die Zahl der Überfälle und Straßendiebstähle in London“ – Videoüberwachung im öffentlichen Raum – „stieg um 36 Prozent, in einigen Stadtvierteln sogar um 60 Prozent. Auch die Zahl der gewalttätigen Zwischenfälle stieg um 19 Prozent gegenüber dem Vorjahr und die der sexuellen Delikte um 13 Prozent, so auch die Autodiebstähle und Einbrüche um sieben Prozent auf über 180 000 Fälle.“

Was ist also passiert? Man hat zwei Dinge gleichzeitig gemacht. Man hat einerseits bei der Polizei Personal abgebaut – siehe Bremen in den letzten Jahren bei der Polizei! – und andererseits mit Videokameras aufgerüstet. Das Ergebnis ist eine dramatische Zunahme der Kriminalität gerade im öffentlichen Raum, gerade im Straßenraum hier in London. Wenn wir einmal wirklich darüber reden würden, was die Menschen von solchen Maßnahmen außer lautem Geschrei haben, dann kann man sehen, was sie wirklich davon haben. Das ist eine Zunahme von Delikten im zweistelligen Bereich. So „Der Kriminalist“, die Zeitschrift bundesdeutscher Kriminalbeamter!

Was soll also passieren? Am Bahnhofsvorplatz, wo man sich sehr darüber streiten kann, ob hier heute noch ein Kriminalitätsschwerpunkt in Bremen existiert nach all den Umbaumaßnahmen dort – es werden auch nie Zahlen vorgelegt, die belegen, dass wir dort tatsächlich einen Schwerpunkt schwerer Kriminalität haben –, sollen Videokameras installiert werden. Kein Mensch in Bremen wird tatsächlich durch diese Installationen aber auch wirklich vor irgendetwas geschützt. Es ist etwas ganz anderes be

absichtigt. Die vielen 10 000 Menschen, die dort jeden Tag am Bahnhof vorbeilaufen, sollen die Kameras sehen und denken, Mensch, unser Senat ist ja toll, der beschützt uns, der tut etwas für uns in der inneren Sicherheit. Wenn sie dann nach Hause kommen und ihr Häuschen ausgeraubt ist, dann haben sie von dieser Videokamera aber auch rein gar nichts gehabt. Das ist die Realität in dieser Stadt!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen – Abg. E c k h o f f [CDU]: Das ist die grüne Rea- lität! Das wäre so, wenn Sie den Innense- nator stellten! – Abg. K n ä p p e r [CDU]: Was Sie erzählen, ist eine Lachnummer!)

Ja, Herr Eckhoff! Das ist doch schön, Herr Knäpper!

(Unruhe bei der CDU – Glocke)

Herr Knäpper und Herr Eckhoff, kommen Sie doch hierher und erzählen einmal, wie das denn wäre am Bahnhofsvorplatz angesichts der Erfahrungen, die in anderen Ländern mit diesem Bereich gemacht worden sind! Kommen Sie doch hierher und erzählen einmal, was die Bevölkerung von dieser Maßnahme wirklich hätte!

Der Innensenator, darüber mag man ja nun nichts mehr sagen, hat in der Diskussion der GdP den Verweis auf „Big Brother“ gebracht und gemeint, wenn wir jetzt so etwas wie „Big Brother“ im Fernsehen hätten, dann könnten wir doch auch einmal eben den öffentlichen Raum überwachen. Das ist natürlich dann der Gipfel der Begründungen, die wir da gehört haben. Verzeihen Sie bitte, sehr verehrte Kollegen der CDU, auch bei dieser Begründung können wir leider nicht mitgehen und folgen, auch da haben wir leider kein Verständnis für das, was Sie tun. Das zu diesem Punkt!