Protocol of the Session on December 14, 2000

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Be- nennen Sie sie doch einmal!)

Meine Damen und Herren, wenn mein Kollege Kleen in den Printmedien erklärt, die CDU-Fraktion verweigere sich, dann frage ich mich, ob er unsere Initiativen in Sachen Polizeigesetz nicht zur Kenntnis genommen hat, ich erinnere, zuerst Anfang 1998! Warum hat er am 13. Juli 2000 unter anderem dem Senator für Inneres gegenüber erklärt, ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Er begrüße sehr“ – in Klammern steht da noch die erneute Initiative des Senators für Inneres und ,ohne Ironie‘, das hat der damalige Staatsrat Goehler geschrieben –, „leider sehe er aber seinerseits keine Möglichkeit, die vor einer Sitzung der Innendeputation erforderliche Einigung innerhalb der SPD herzustellen.“

Wertung des damaligen Staatsrates:

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Aber dadurch nicht richtig!)

„Gemeinsames Verständnis war daraufhin, dass das Vorhaben Sondersitzung Juli mit anschließendem Senatsbeschluss nicht realisierbar sei. Herr Kleen wies allerdings darauf hin, dass er die Chancen eines fairen Kompromisses kurz nach der Urlaubszeit durchaus sehe.“ Scheinbar hat der Kollege übergangslos vom Sommer bis Dezember Urlaub gehabt.

(Beifall bei der CDU)

Doch gefehlt: Am 24. November 2000 lässt Herr Kleen dann erneut mitteilen, ich zitiere: „Sehr geehrter Herr Herderhorst, im Namen des innenpolitischen Sprechers der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Hermann Kleen, teile ich Ihnen mit, dass die SPDFraktion den Senator für Inneres, Kultur und Sport, Herrn Dr. Bernt Schulte, um Aussetzung des Tagesordnungspunktes Polizeigesetz für die Deputationssondersitzung am 5. Dezember gebeten hat.“ Wer da noch die Verweigerung auf der CDU-Koalitions

partnerseite sucht, der weiß in der Tat nicht mehr, wovon er redet.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, andererseits ist es im Prinzip nicht verwunderlich, dass der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion die Orientierung verliert,

(Abg. K l e e n [SPD]: Nein, ich habe die Orientierung nicht verloren!)

denn es gibt ein Papier der GdP an die Untergliederungen dieser Gewerkschaft, in der deren Vorstände aufgefordert werden, zu den vorgesehenen Änderungen zum Polizeigesetz und den Positionen der Parteien Stellung zu nehmen. Ich vernachlässige die Kolleginnen und Kollegen vom Bündnis 90/Die Grünen an dieser Stelle einmal, obwohl der Beschluss der Landesmitgliederversammlung der Grünen schon interessant ist, um auf die Position der SPD einzugehen.

Vorab, zum Glück haben sich bis heute schon andere Sichtweisen in der SPD ergeben, gleichwohl, was als Ergebnis von Beratungen innerhalb der SPD an die GdP gegeben wurde, ist schon erschreckend! Da findet man dann teilweise unsachgerechte Festlegungen. Da heißt es zum Beispiel zum Paragraphen 64: Straftaten zu bekämpfen anstatt Straftaten vorbeugend zu bekämpfen. Insgesamt gibt es fast nur Ablehnung bis auf das Wegweisungsrecht bei häuslicher Gewalt. Ich kann gern zitieren, ich glaube aber, wir ersparen es uns.

Ich muss allerdings einen Punkt herausgreifen, das ist der Punkt vier, darüber steht „SPD lehnt Todesschuss ab“.

(Beifall bei der SPD)

„Der Landesvorstand lehnt jede Diskussion über den polizeilichen Todesschuss, auch finaler Rettungsschuss, ab. Bremischen Polizeibeamten steht bei der Bewältigung von entsprechenden Notsituationen das allgemeine Nothilferecht zur Seite. Eine landesrechtliche Norm, die zum Töten von Menschen berechtigt, ist überflüssig. Ihr Fehlen hat in Bremen noch nie eine Rolle bei Polizeieinsätzen gespielt. Insbesondere lehnt die SPD den Versuch ab, mit Hilfe einer polizeirechtlichen Befugnis den Todesschuss zu einer Maßnahme zu machen, die vom Einsatzleiter angeordnet werden kann. Das widerspricht der Gewissensfreiheit des Grundgesetzes. Bei Geiselnahmen setzt die SPD auf die seit vielen Jahren in Bremen erfolgreich angewandten Verhandlungslösungen.“

(Abg. Frau S t r i e z e l [CDU]: Siehe Huckelriede!)

Siehe Huckelriede! „Eine Änderung der Polizeitaktik hin zu einer Lösung mit Waffengewalt wird abgelehnt.“

Meine Damen und Herren, wer so oberflächlich mit dieser Rechtsmaterie verfährt, die in der Tat tief greifende Rechte im Sinne unserer Verfassung festlegt, mit denen unsere Beamtinnen und Beamten umgehen sollen und müssen, der ist wahrlich nicht geeignet, anderen Vorwürfe über Verzögerungstaktiken zu machen,

(Beifall bei der CDU)

sondern ist aufgerufen, sach- und fachgerecht an den Realitäten des täglichen Lebens orientierte Vorschläge oder Kompromissvorschläge zu machen, wie ein aktuelles, den Anforderungen entsprechendes und insbesondere den Bürgern Sicherheit verleihendes Gesetz formuliert werden soll.

Meine Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat mit der GdP 1997 eine gemeinsame Erklärung vereinbart, darin sind alle im heutigen Gesetzentwurf des Senators für Inneres enthaltenen Regelungsvorschläge zu finden. Im Vorgriff auf meine Ausführungen zu den einzelnen Regelungstatbeständen möchte ich Ihnen an dieser Stelle die Passage aus der Erklärung zur verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrolle nicht vorenthalten. Da heißt es:

„GdP und CDU-Fraktion sind sich einig, dass die EU-Außengrenze des Landes Bremen die Aufnahme einer gesetzlichen Norm in das Bremische Polizeigesetz erfordert, die die Polizei zur Durchführung von verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrollen, Schleierfahndung, zur Bekämpfung der internationalen grenzüberschreitenden Kriminalität in Bremen ermächtigt. Die Aufgaben der Wasserschutzpolizei bleiben unberührt.“

Das war im Dezember 1997. Leider hat sich die GdP zurückgenommen. Der gleiche Vorstand behauptet heute das Gegenteil, ich weiß leider nicht genau warum.

(Abg. Frau H ö v e l m a n n [SPD]: Fra- gen Sie doch einmal nach!)

Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, weil die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage doch ungewöhnlich kurz ausgefallen ist und insofern auf das eigentlich übliche Eingehen auf die Antwort des Senats schwierig ist, auf unsere Vorstellungen über eine Neufassung des Bremischen Polizeigesetzes einzugehen!

Meine Damen und Herren, dass die geltende Koalitionsvereinbarung mit dem Entwurf des Senators für Inneres realisiert wird und es da keinen Dissens gibt, brauche ich nicht besonders zu betonen. Ich mache Sie allerdings auch darauf aufmerksam, dass die Forderungen der CDU zur Novellierung des Po

lizeigesetzes bereits Anfang 1988 vorgelegt wurden und die Koalitionsvereinbarung seit Ende des Jahres 1999 existiert. Deshalb ist es legitim, über die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts hinaus Änderungen und Fortschreibungen im Polizeirecht vorzunehmen, die alle Anforderungen an ein modernes Polizeigesetz erfüllen. Dabei dürfen Eingriffsrechte der Polizei nur so weit wie nötig und so begrenzt wie geboten geregelt werden.

Meine Damen und Herren, die Debatten vom Juli 1998 noch gut in Erinnerung, stelle ich auch heute fest, erstens, in dieser Frage wird sich die große Koalition nicht in Entscheidungsunfähigkeit drängen lassen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Das sieht aber schon so aus!)

Ja, es sieht so aus, aber wir warten einmal den Schluss ab!

Zweitens: Aus mindestens mehrheitlich bürgerschaftlichem Wollen einen Gegensatz zwischen der Lösung gesellschaftlicher Probleme und der klaren Regelung für polizeiliche Befugnisse herzustellen ist falsch. Diese Positionen widersprechen sich nicht, sondern sie ergänzen sich.

Drittens: Unserer demokratisch legitimierten und den hohen Ansprüchen unseres Rechtsstaates gerecht werdenden Polizei müssen Befugnisse an die Hand gegeben werden, um eben den demokratischen sozialen Rechtsstaat zu schützen und der weitaus überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung die zu erwartende Sicherheit zuteil werden zu lassen. Maßnahmen der Polizei richten sich im Polizeirecht gegen Störer unserer Rechtsordnung und nicht gegen rechtstreue Bürger.

Die innere Sicherheit ist ein Teil unserer Gesellschaftspolitik. Gute Polizeigesetze sind ein Zugewinn für die innere Sicherheit. Deshalb, meine Damen und Herren, darf ich den innenpolitischen Sprecher der SPD von 1998, Herrn Böhrnsen, zitieren, der damals feststellte: „Drei Gründe sprechen für die Novellierung des Polizeigesetzes: Polizei kann noch erfolgreicher zum Schutz der Bürger wirken, dies muss durch einwandfreie rechtsstaatliche Regelungen geschehen, und die Bürger müssen vor ungerechtfertigten Eingriffen des Staates in ihren privaten Lebensbereich geschützt werden.“ Dem ist nicht nur nichts hinzuzufügen, sondern, ich betone, genau das ist Zielsetzung der vom Senator für Inneres vorgelegten Polizeigesetznovelle und wird von uns zu 100 Prozent getragen.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, Bremen hat, was die Regelungen im Polizeigesetz angeht, erheblichen Nachholbedarf, also enorme Regelungsdefizite. Mit

Ausnahme der im Jahr 1998 neu gefassten Organisations- und Zuständigkeitsregelungen besteht das Bremische Polizeigesetz seit dem Jahr 1983 unverändert. Bis auf Bremen haben alle anderen Bundesländer, insbesondere mit Blick auf das Volkszählungsurteil des Bundesverfassungsgerichts von 1983, ihre Polizeigesetze aktualisiert und den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts angepasst. Insbesondere die Datenerhebung, -speicherung und -übermittlung findet in Bremen im Wesentlichen immer noch auf der Grundlage der Generalklausel statt. Das muss dringend geändert werden.

Das Recht auf informelle Selbstbestimmung beziehungsweise seine Beschränkung bedarf der Klarheit für Bürger und muss dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen. Dies ist ein wesentlicher Anspruch an ein neues Bremisches Polizeigesetz. Darüber hinaus muss das Bremische Polizeigesetz den Standards der anderen Bundesländer angepasst werden. Dabei ist nicht unwesentlich, was das Land Niedersachsen in seinem Gefahrenabwehrgesetz geregelt hat, allein deswegen, weil in Form von Nacheile oder auch Amtshilfe Gemeinsamkeiten im gesetzlich vorgegebenen polizeirechtlichen Rahmen wünschenswert sind.

Meine Damen und Herren, es wäre aus meiner Sicht natürlich auch sehr sinnvoll und vorteilhaft, wenn erneut über die IMK versucht würde, einen Musterentwurf eines Polizeigesetzes zu beschließen, den alle Länder mittragen und jeweils in ihren Polizeigesetzen verankern könnten, doch hier gilt wahrscheinlich das Prinzip Hoffnung.

Noch eines, meine Damen und Herren, muss ich deutlich machen. Die CDU-Fraktion hält es absolut mit dem Prinzip Opferschutz vor Täterschutz.

(Beifall bei der CDU)

Diffamierungen der Polizei, sie könne über ihre rechtsstaatlichen Regelungen hinaus Bürgerrechte verletzen, lassen wir nicht zu. Die Polizei handelt rechtsstaatlich und damit gesetzestreu, verhältnismäßig und zum Schutz der rechtstreuen Bürger des Landes sowie zur Wahrung der inneren Sicherheit schlechthin. Für das besonnene und dem Gesetz verpflichtete Handeln muss der Polizei rückblickend insgesamt sehr gedankt werden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wir wissen, der Streit von zwei Juristen ergibt drei Meinungen. Dennoch können die Juristen aller anderen Bundesländer nicht ganz falsch mit ihren Rechtsbetrachtungen zu ihren jeweiligen Polizeigesetzen liegen, oder sollten einzig die Bremer SPD-Juristen die richtige und gültige Meinung haben? Das, was in anderen Bundesländern längst geregelt ist und als Grundlage erfolgreicher Bekämpfung von Kriminalität und Ver

stößen gegen die öffentliche Ordnung dient, kann auch für das kleine Bremen nach langen Jahren der polizeirechtlichen Neuregelungsenthaltsamkeit nicht ganz falsch sein.

Potentielle Opfer und die rechtstreuen Bürger verlangen auch in Bremen nach Regelungen. Deswegen, meine Damen und Herren, fordern wir neue Regelungen zum finalen Rettungsschuss, der kein Todesschuss ist, das betone ich. Polizeibeamte töten nicht, sondern sie versuchen, Leben und körperliche Unversehrtheit vorrangig von Opfern zu retten beziehungsweise zu sichern!

(Starker Beifall bei der CDU)

Dabei ist der gezielte Rettungsschuss insbesondere bei Geiselnahme das letzte, aber auch einzig wirksame Mittel, um in extremen Situationen Opfer unversehrt aus den Fängen von Verbrechern herauszuholen.

(Beifall bei der CDU)

Ich brauche nicht zu betonen, dass der Rettungsschuss als Ultima Ratio für die Polizei gilt. Es ist in Anbetracht dessen, dass Bremen als einziges Land bundesweit keine Regelungen zum finalen Rettungsschuss hat und dies auch weiterhin von der SPD abgelehnt wird, ein nicht zu akzeptierendes Verhalten.

(Beifall bei der CDU)