Protocol of the Session on November 16, 2000

wohl zu einer solchen differenzierten Regelung kommen könnten?

(Abg. B ü r g e r [CDU]: In Vegesack ist das auch chaotisch!)

Das weiß ich nicht, ob es in Vegesack chaotisch ist oder nicht.

Das will ich nicht hoffen, aber es ist so, ich verteufele das auch nicht, nur, man muss es, das nun nicht, aber man kann es auch einbeziehen in die Debatte, aber im Moment habe ich Schwierigkeiten, Ihren Vorschlägen zu folgen, weil ich mir nur vorstellen kann, dass damit ein wirkliches Durcheinander produziert wird.

Meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Kollege Eckhoff, Sie haben den Beschluss der Wirtschaftsstaatssekretäre erwähnt, die haben beschlossen. Staatssekretäre bereiten aber Ministerkonferenzen vor, Fachministerkonferenzen, und dann beschließen die Fachministerkonferenzen in der Regel das oder auch nicht –

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Sie wissen das besser als ich!)

ja, das ist so –, was die Staatssekretäre vorbereitet haben, und in diesem Fall haben eben nicht die Fachminister darüber entschieden, sondern die Wirtschaftsstaatssekretäre. Ich halte Staatssekretäre für wichtig, sie arbeiten viel, machen einen ehrenwerten Job, aber die Minister tragen die politische Verantwortung, und eines solchen Beschlusses bedarf es dann mindestens auch noch, das ist hier nicht der Fall.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Hatte das mehr inhaltliche oder terminliche Gründe?)

Herr Hattig hat dieser ausgesprochen vernünftigen und sachgerechten Antwort des Senats auf Ihre Große Anfrage ausdrücklich zugestimmt. Sie ist mit ihm abgestimmt, und er hat ihr zugestimmt. Ich finde, sie ist zwar kurz, das mag man bedauern aus Ihrer Sicht, denn Ihre Fragen sind fast länger als die Antwort, das habe ich auch bemerkt, das mag man bedauern, aber dafür ist sie umso präziser,

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU)

und sie weist in die richtige Richtung, meine Damen und Herren.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: In welche Rich- tung weist sie denn?)

Wer nämlich Ladenschlusszeiten sachlich regeln will, und daran haben wir natürlich auch ein gestei

gertes Interesse, der muss zuvor in der Tat alle Argumente, die für oder gegen ausgedehnte Ladenöffnungszeiten sprechen, abwägen, und genau dies, meine Damen und Herren, hat der Bundesrat entschieden, die Länderkammer, das höchste Gremium, das das entscheiden kann! Die Länder wollen alle Argumente abwägen, und deshalb haben sie dieses Thema an die Ausschüsse zurückverwiesen, und Bremen schreibt in seiner Antwort des Senats, dass Bremen sich aktiv an diesen Beratungen beteiligen wird. Davon bin ich fest überzeugt, und dass er deshalb eben zum jetzigen Zeitpunkt zu keiner abschließenden Meinungsbildung und Festlegung kommen kann und will, das sehen wir ganz genauso. Natürlich erscheint uns auch die Vermischung, meine Damen und Herren, von Wettbewerbs- und Arbeitsschutzbedingungen in diesem Ladenschlussgesetz als überholt.

(Beifall bei der CDU)

Das ist ein Punkt – vielen Dank, Herr Eckhoff! –, der dringend regelungsbedürftig ist und aus der Welt geschaffen werden muss. Man kann auch über eine weitere Flexibilisierung sprechen, aber wir sind uns mit der Bundesregierung in diesem Fall einig, in vielen anderen Fällen auch, die Regelungen müssen sozialverträglich sein, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Das heißt, Arbeitsschutzbelange sind ebenso zu berücksichtigen. Nun möchte ich Ihnen zitieren aus einem Einladungsschreiben eines Mitglieds des Bundesvorstands des Bundes junger Unternehmer, der im letzten Jahr fast genau zu diesem Zeitpunkt im November zu einer Veranstaltung zum Ladenschlussgesetz eingeladen hat. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten: „Wieder einmal ist das Ladenschlussgesetz in aller Munde, und die Meinungen dazu sind so kontrovers wie eh und je.“ Jetzt bewegen wir uns in einem Jahr ja schon etwas mehr aufeinander zu! „Der Klein- und Fachhandel ist nur mit äußerster Mühe, wenn nicht sogar überhaupt nicht in der Lage, eine längere Öffnung zu gewährleisten, weil den höheren Personalkosten keine Umsatzsteigerungen gegenüberstehen. Unternehmen mit sehr vielen Mitarbeitern fällt es dagegen leicht, auf verlängerte Öffnungszeiten zu reagieren.“ Genau das ist auch der Punkt, den ich hier schon in mehreren Debatten angesprochen habe! Es geht uns darum, dass insbesondere der Mittelstand und auch die kleineren Einzelhändler mit auf diesen Weg genommen werden und die Chance haben, sich ebenso daran zu beteiligen wie die großen Einkaufsriesen, wenn ich das einmal so sagen darf.

(Beifall bei der SPD)

Das ist ganz wichtig, und das muss geregelt werden! Im Übrigen haben wir im September des letzten Jahres in der Bürgerschaft einen Beschluss gefasst, der genau in diese Richtung geht. Den haben Sie mitgefasst, und genau das ist der Punkt, den wir auch zu regeln haben, wenn wir zur erneuten Debatte kommen.

Meine Schlussbemerkung lautet deshalb: Bremen hatte eine Riesenchance, Sie haben darauf hingewiesen, nämlich die Expo-Ausnahmeregelung hier für die Stadt durch- und umzusetzen. Das ist eine riesige Chance und gleichzeitig für uns die Möglichkeit, dass wir die Erfahrungen, die wir daraus sammeln können, auswerten. Der Senat wird im Gespräch mit allen Beteiligten auswerten, welche Erfahrungen damit gemacht worden sind. Das ist notwendig. Diese Erfahrungen halte ich für eine nötige Voraussetzung und gute Grundlage, wenn die Ergebnisse vorliegen, um hier möglichst im Konsens mit allen Beteiligten zu einer abschließenden Meinungsbildung zu kommen. Aber die Vorlage dieses Ergebnisses dieser Voruntersuchung für Bremen und Bremerhaven sollten wir mindestens abwarten, meine Damen und Herren, und dann zu einer abschließenden Meinungsbildung kommen. – Danke!

(Beifall bei der SPD)

Als Nächste hat das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Das Thema Ladenschluss ist nach wie vor sehr emotional besetzt. Jeder und jede hat unterschiedliche Vorstellungen davon, wie er oder sie Einkaufszeiten braucht und gern hätte, und deswegen wird die Debatte nicht immer nur sachlich, sondern zeitweise auch sehr emotional geführt.

Ich finde, dass wir im letzten Jahr einen sehr guten Schritt machen konnten, indem wir nämlich für die Expo-Zeit eine Regelung im Konsens getroffen haben, auch mit Gewerkschaften, und uns auch im Senat völlig einig über diese Regelung waren. Wenn man sich diese Expo-Regelung betrachtet, zeigt sich, dass von allen Möglichkeiten im Einzelhandel auch in Bremen und Bremerhaven ja gar nicht Gebrauch gemacht worden ist. Wenn wir ehrlich sind, ist an den Wochentagen gegenüber der sonstigen, außerhalb der Expo-Zeit liegenden Regelung nichts verändert worden. Es ist auch von den Einzelhändlern oder den großen Kaufhäusern nicht anders genutzt worden.

Interessant ist der Samstag, das räume ich ein. Der Samstag ist genutzt worden, und die verlängerte Zeit am Samstag bis 18 Uhr hat auch dazu geführt, dass es zu Umsatzsteigerungen gekommen ist. Das bestätigen uns alle, und es gab auch große Häuser in Bremen, wo mit den Beschäftigten bezüglich des Samstags Regelungen getroffen worden sind, die

diese sehr zufrieden gestellt haben und bei denen sich die Beschäftigten sogar wünschen würden, dass man diese 18-Uhr-Regelung samstags weiterführen könnte, weil in diesem Zusammenhang eben auch Regelungen für andere Dinge getroffen worden sind, die für die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen von Vorteil sind. Das ist die Zeit, um die es im Moment auch ganz aktuell eigentlich den Einzelhändlern geht.

Die Ladenschlussgesetzgebung war immer sehr emotionalisiert in der Diskussion. Wir haben die letzte Änderung nach sehr konfliktreicher Debatte 1996 gehabt, wenn wir uns alle erinnern. Das hat dann letztlich zu der Verlängerung am Donnerstag geführt. Es ist also, glaube ich, keine Frage, wer gerade die politischen Mehrheiten im Bund hat, sondern es ist einfach ein Thema, wo es sehr emotionsgeladen zugeht, und was auch aus meiner festen Überzeugung nur im Konsens und nicht mit der Brechstange zu regeln sein wird. Die Regelung von 1996 wird auch heute wieder sehr strittig debattiert. Einige Teile der Gesellschaft, vielleicht auch große Teile, sehen überhaupt jede Regelung als überflüssig an und sagen, dass eigentlich die völlige Freigabe das Richtige wäre. Sie haben die Verzerrungen, die schon an Bahnhöfen und Tankstellen stattfinden, angesprochen, weil sich natürlich da ein Markt entwickelt hat, der auch wettbewerbsverzerrend wirken kann, keine Frage!

Ich glaube, dass ein Großteil des Problems darin liegt, dass wir hier wie in vielen deutschen Gesetzen in einem Gesetz zwei Schutzziele miteinander verknüpft haben, nämlich Wettbewerbsschutz und Arbeitsschutz. Das haben wir in vielen deutschen Gesetzen, das macht die Handhabung und auch Veränderungen beim Wettbewerbsrechtsteil im Ladenschlussgesetz schwierig, weil dabei immer gleich die Befürchtung aufkommt, dass der Arbeitsschutz hier auf der Strecke bleiben soll. Deswegen setze ich mich seit längerem dafür ein, dass die Arbeitsschutzbestimmungen aus dem Ladenschlussgesetz herauskommen und im Arbeitszeitgesetz Regelungen getroffen werden.

Dabei will ich nicht verhehlen, dass es bei dem Schutz der Arbeitnehmerinnen, die sind ja hauptsächlich im Einzelhandel tätig, nicht nur um Arbeitszeit geht. Wir wissen alle, dass die Betriebszeit der Geschäfte und die Arbeitszeit der Beschäftigten schon seit langem auseinanderfallen, von daher sind da heute auch andere Überlegungen notwendig als noch vor ein paar Jahren. Es muss beim Arbeitsschutz der Beschäftigten auch noch um andere Dinge gehen, nämlich zum Beispiel um die monotonen Bewegungsabläufe, langes Stehen, Stress in Stoßzeiten und Leistungsdruck wegen Konkurrenz. Das ist ein gutes Betätigungsfeld für die Sozialpartner in diesem Bereich. Ich meine, dass man das gemeinsam mit den Regelungen über Arbeitszeiten von dem abkoppeln sollte, was Ladenschluss als Wettbe

werbsschutzvorschrift zu regeln hat. Wenn wir das schaffen, sind wir einen großen Schritt weiter.

Der Senat befand sich bisher, seitdem ich ihm angehöre, zu diesem Thema im Konsens. Wir sind auch hier nicht so weit auseinander. Wir haben noch keine abschließende Meinungsbildung vorgenommen, wie sich der Senat verhält, wenn jetzt Gesetzesinitiativen konkret auf den Tisch kommen. Ich glaube aber, dass ich mit dem Kollegen Hattig so weit einig bin, dass wir hier einen Konsens auch mit den Sozialpartnern anstreben müssen und nicht mit der Brechstange vorgehen können.

Ich glaube, egal was da kommt, es wird nicht die schöne neue Welt werden, es wird auch nicht unbedingt zwingend mehr Geldvolumen in den Einzelhandel bringen, es ist aber auch nicht der Untergang des Abendlandes, denn ich glaube, dass wir in Deutschland auch Dinge, die geregelt werden müssen, wie aus meiner Sicht beim Arbeitsschutz, regeln können. Von daher sehe ich dieser Debatte und auch der Debatte im Senat sehr leidenschaftslos entgegen und glaube, dass wir da einen Konsens erzielen werden.

(Beifall bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort Senator Hattig.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Lemke-Schulte, mit allem Respekt, natürlich habe ich im Senat dieser Antwort zugestimmt, und Frau Senatorin Adolf hat Recht, insoweit vom Konsens zu sprechen. Erlauben Sie mir aber ein Bild: Ich laufe mit dem Senat in dieselbe Richtung, vielleicht etwas schneller, das mag an Kondition und Einsicht liegen.

(Beifall bei der CDU)

Dass das Thema Ladenschluss auch einen wirtschaftlichen Bezug hat, vielleicht sogar vor allem das wirtschaftliche Thema ist, das wir heute diskutieren, bedarf keiner weiteren Ausführung. Mit Sicht auf die wirtschaftlichen und damit auch auf die standortbezogenen Auswirkungen blicke ich aus meiner Sicht auf das Thema und auch auf die Fakten.

Erstens: Bei einer Liberalisierung des Ladenschlusses wird kein Unternehmer gezwungen, sein Geschäft länger zu öffnen, als es ihm selbst wirtschaftlich vernünftig erscheint. Zweitens: Kein Arbeitnehmer wird gezwungen, länger zu arbeiten. Der Arbeitnehmerschutz ist umfassend, und zwar außerhalb des Ladenschlussgesetzes, geregelt in Tarifverträgen, im Arbeitszeitgesetz und im Sonn- und Feiertagsgesetz. Drittens: Der Lebensrhythmus und damit auch das Verbraucherverhalten haben sich geändert. Wir gestalten mit Steuergeld, viel Steuergeld,

die Innenstädte, um das veränderte Verbraucherverhalten angemessen zu beantworten und zusätzliche Kaufkraft nach Bremen zu holen und so auch die Standortqualität zu verbessern. Viertens: Wir bemühen uns also, die touristische Qualität zu verbessern und damit auch die wirtschaftlichen Bedingungen für Bremen. Verbraucher erwarten attraktive Einkaufsmöglichkeiten, und das heißt auch großzügige Öffnungszeiten. Fünftens: Das geltende Gesetz zementiert für die Öffnungszeiten eine Ordnung, die, zurückhaltend formuliert, nicht zeitgemäß ist. Wer den Ausnahmekatalog etwa für Reisebedarfsartikel studiert, kann den deutschen Perfektionismus je nach Gusto bewundern oder belächeln.

Der „Ladenschluss“ hat wegen seiner Skurrilität beste Chancen, in die Weltsprachen wörtlich übernommen zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Nach der Expo und dem Übergang zur Vorweihnachtszeit gelten samstags für wenige Wochen wieder die alten Schließungszeiten, nämlich 14 Uhr. Wenn Sie so wollen, eine umgekehrte Echternacher Springprozession, einen vor und zwei zurück!

Um es zu wiederholen, wir leben in einem veränderten Lebensrhythmus, alle Interessen werden beschworen, geschützt und auf vielfältige Weise artikuliert. Die Frage ist erlaubt: Wer kümmert sich eigentlich um die Interessen des Verbrauchers? Ich trete nachdrücklich für eine moderate Liberalisierung des Ladenschlusses ein, so wie es die Wirtschaftsstaatssekretäre der Länderwirtschaftsminister im August dieses Jahres vorgeschlagen haben, das heißt also in der Woche Öffnungszeiten von sechs bis 22 Uhr, samstags bis 20 Uhr, und der Sonntag bleibt tabu, für ihn gelten strenge Ausnahmeregelungen.

Anliegen und Sachverhalt sind seit langem diskutiert, Herr Eckhoff hat darauf hingewiesen, länger als diese anderthalb Jahre im Vorfeld eingehend diskutiert, und alle Argumente sind ausgetauscht. Die gestrige Empfehlung der fünf Weisen, den Arbeitsmarkt zu deregulieren, ist eindeutig. Das Ladenschlussgesetz ist in seiner gegenwärtigen Verfassung nicht zeitgemäß. Es behindert Reformen, statt sie zu fördern. Es sollte nicht mehr taktiert, es sollte entschieden werden! – Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Focke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nur noch ganz kurz, weil Herr Senator Hattig ja mehrere Dinge gesagt hat, die auch noch einmal unsere Position unterstrichen haben! ––––––– *) Vom Redner nicht überprüft.

Herr Dr. Güldner, ich wollte noch einmal zu Ihnen sagen, dass wir unsere Position in keiner Weise geändert haben. Unsere Position ist natürlich im Prinzip: Weg mit dem Ladenschlussgesetz, weil sich dann auch die kleinen Unternehmen Nischen suchen und selbständig reagieren können.

(Beifall bei der CDU)

Da das aber nicht möglich ist, hat auch Herr Eckhoff ganz deutlich gesagt, dass es von uns als Kompromiss zu sehen ist, sich auf das zu einigen, was die Wirtschaftsstaatssekretäre beschlossen haben. Frau Lemke-Schulte, wenn Herr Schröder nicht mit den Gewerkschaften unglücklicherweise in dieser Zeit gerade Probleme gehabt hätte, dann hätten auch die Minister das beschlossen, und dann wäre die ganze Sache wahrscheinlich jetzt schon erledigt.