Protocol of the Session on October 12, 2000

Als Nächster erhält das Wort der Abgeordnete Eckhoff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich kann mich eigentlich fast nahtlos an die Worte des Kollegen Beckmeyer anschließen, der in kurzer, knapper Zeit im Endeffekt das zum Ausdruck gebracht hat, was, glaube ich, viele hier im Hause denken. Sehr geehrte Damen und Herren, die Übergriffe, die es in den letzten Wochen verstärkt gegeben hat, sind insgesamt zu verurteilen, auch wenn bei dem einen oder anderen Übergriff die Täterlage vielleicht noch nicht geklärt ist. Ich möchte sogar weiter gehen, wie wir es im Grundgesetz geschützt haben, egal, welchem Glauben man nachgeht, dieser Glaube muss durch den Staat gesichert sein, und man muss die Glaubensfreiheit schützen, egal, welche Glaubensrichtung es trifft. Da muss der Staat wachsam sein vor Extremisten, vor Gewalttätern aus jeder Richtung, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Mich haben die Aussagen des Vorsitzenden des Zentralrats der Juden direkt im Anschluss an den Anschlag auf die Synagoge besorgt gemacht. Ich möchte an dieser Stelle ganz klar zum Ausdruck bringen, dass ich der festen Überzeugung bin, dass 99,9 Prozent der deutschen, der bremischen Bevölkerung der Überzeugung sind, dass dies hier in Deutschland, in unserem Land, in Bremen und Bremerhaven, der Platz ist, an dem man sicher leben kann. Ich möchte das auch insbesondere den Menschen jüdischen Glaubens an dieser Stelle zurufen. Wir werden alles dafür tun, was wir mit unseren Mitteln machen können, um diese Glaubensrichtung entsprechend zu schützen, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Damit dies auch geschützt werden kann, und ich glaube, das ist das Zeichen, das wir auch mit der heutigen Debatte nach draußen senden müssen, muss die Zivilcourage wieder stärker in den Mittelpunkt dieser 99,9 Prozent der Bevölkerung rücken. Wir müssen alle darauf achten, sehr geehrte Damen und Herren, dass es zu Übergriffen jeglicher Art, egal, wer davon betroffen ist, nicht kommen darf, dass wir aufmerksam sind, dass wir hinschauen, und

wenn wir irgendetwas zur Kenntnis nehmen, das vielleicht nicht normal ist, dass wir dann möglichst schnell die Stellen rufen, wenn Zeit dazu ist, die zu rufen sind, oder notfalls auch selbst einschreiten. Ich weiß, dass das sehr schwer ist. Wenn man selbst in der Situation ist, weiß keiner von uns persönlich, wie er reagiert, aber wir müssen es uns vornehmen, weil wir alle gemeinsam den besten Schutz vor Übergriffen jeglicher Art gewährleisten können. Das ist mein Appell, den ich heute auch an die bremische Bevölkerung richten möchte, sehr geehrte Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Ich war froh darüber, dass viele Beteiligte so schnell reagiert haben. Der Besuch von Herrn Dr. Böse in der jüdischen Gemeinde wurde gerade von Herrn Dr. Güldner schon erwähnt, weitere Besuche folgen, beziehungsweise Termine sind verabredet. Ich nehme die Anregung von Ihnen, Herr Dr. Güldner, auf, wir werden uns über den Punkt des Staatsvertrages, den Sie hier gerade angesprochen haben, noch einmal Gedanken machen, wie man dies langfristig absichern kann, weil das, glaube ich, auch in der heutigen Zeit ein Zeichen sein würde, das man vielleicht setzen muss.

Ich möchte eines noch sagen, und das bringt, glaube ich, im Endeffekt das auch zum Ausdruck, welchen Schutz insbesondere die jüdische Gemeinde verdient. Die Veränderungen im Leben der jüdischen Gemeinde hat Herr Dr. Güldner beschrieben. Das ist ja bundesweit zu beobachten. Es ist auch wieder ein deutlicher Anstieg der Zahl der Mitglieder der jüdischen Gemeinden im ganzen Bundesgebiet in den letzten Jahren zu beobachten. Wir haben natürlich auch unseren geschichtlichen Hintergrund in dieser Frage. Da gab es einen Brief an Herrn Barsilay, das war eine kurze Karte, die diese Woche auch im „Focus“ erwähnt war, mit dem Zitat: „Das Schreckliche ist schnell vollbracht, die Wiedergutmachung aber ist ein langer Prozess.“ In dieser Wiedergutmachung, ob es die einen oder anderen akzeptieren, befinden wir uns nach wie vor. Umso mehr müssen wir darauf achten, dass diese Wiedergutmachung durch die wenigen extremen Täter, die es in unserer Gesellschaft gibt, nicht kaputtgemacht wird, auch da müssen wir wachsam sein.

Wir haben heute als demokratische Fraktionen dieses Hauses darauf reagiert und einen gemeinsamen Antrag eingebracht, das finde ich richtig und gut. Ich hoffe, dass dies ein kleiner Beitrag im Wiedergutmachungsprozess ist. – Vielen Dank, sehr geehrte Damen und Herren!

(Beifall bei der CDU, bei der SPD und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das Wort hat der Abgeordnete Tittmann.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich stelle mit allem Nachdruck fest, dass die Deutsche Volksunion seit ihrem Bestehen Ausländerfeindlichkeit, Extremismus und Gewalt rigoros – und nicht nur so wie Sie einseitig – verurteilt und demokratisch bekämpft hat. Der Bundesvorsitzende der Deutsche Volksunion, Herr Dr. Frey, hat schon immer, auch in der „Nationalzeitung“, die schändlichen Angriffe und Beschädigungen an Synagogen, an Moscheen, anderen Gotteshäusern und Schändungen jüdischer Friedhöfe sehr klar und deutlich unmissverständlich auf das Schärfste verurteilt, aber nicht nur immer dann, also quasi pro forma, wenn irgendwo angebliche Rechtsextremisten volksverhetzende Schmierereien geschmiert haben sollen. Eine Verurteilung, und hier kann man ja schon von einer Vorverurteilung sprechen, wenn das von den jüdischen Gemeinden vielleicht verlangt oder gefordert wird!

Meine Damen und Herren, Sie schreiben hier: „gegen die Schmierereien rechtsextremistischer Täter am Geschwister-Scholl-Schulzentrum in Bremerhaven“. Wer sagt Ihnen, dass das so genannte Rechtsextreme waren? Woher wissen Sie das? In keinem anderen Land werden rechte Patrioten so überwacht und so bespitzelt wie in Deutschland. Ich finde es da schon sehr bemerkenswert, dass Sie noch keinen ach so ersehnten Täter in Bezug auf den schrecklichen Anschlag in Düsseldorf ermitteln konnten. Irgendetwas stimmt hier nicht, in Düsseldorf und sonst irgendwo auch nicht. Ich kenne viele Fälle, aufgehetzt durch die Hysterie der Medien, wo sich Jugendliche ein Hakenkreuz eingeritzt haben, wo Agenten des Verfassungsschutzes Hakenkreuze oder Ähnliches geschmiert haben und andere Straftaten begangen haben, um es dann der demokratischen rechten DVU in die Schuhe zu schieben.

Sie sehen also, meine Damen und Herren, ein Hakenkreuz kann jeder schmieren, zumal es auch in Bremerhaven mehrere ausländische Gruppierungen gibt, die den jüdischen Mitbürgern nicht gerade wohlgesonnen sind. Demzufolge werden auch Anschläge auf Synagogen von Ausländern begangen, wie zum Beispiel am Rande einer Kundgebung gegen die Menschenrechtsverletzungen Israels in den Palästinensergebieten. Libanesische Demonstranten haben am Sonnabend und Sonntag die jüdische Gedenkstätte Alte Synagoge in Essen angegriffen. Die 250 Demonstranten deckten das Gebäude mit einem Hagel aus Steinen ein, der Sachschaden beziffert sich ungefähr auf 100 000 DM.

Ich frage Sie: Warum sollte der Vorfall in Essen der erste in dieser Art gewesen sein? Ist es nicht wahrscheinlich, dass auch die Übergriffe in Düsseldorf und Berlin Protestaktionen von Palästinensern waren? Ein solcher Schluss passt Ihnen aber nicht in

das Konzept. Schließlich dienen die Synagogenangriffe als Aufhänger weiterer Repressionsmaßnahmen gegen nationale Deutsche.

Wenn Sie, meine Damen und Herren, am letzten Sonntag „Spiegel-TV“ gesehen haben, konnten Sie hautnah als Zeitzeugen mitverfolgen, wie israelische Scharfschützen bewusst und vorsätzlich einen zwölfjährigen – gestern war es ein neunjähriger Junge – Jungen und dessen Vater eiskalt, skrupellos wie Hasen abgeknallt und ermordet haben. Das ist Fakt.

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Was hat das jetzt mit der Synago- ge zu tun?)

Doch, wenn wir über Gewalt reden, muss auch dies hier genannt werden! Das ist die gewalttätige israelische Politik gegenüber den Palästinensern im Nahen Osten. Wenn wir hier schon über Gewalt reden, muss diese Tatsache hier genannt werden. Wir müssen jegliche Gewalt verurteilen. Leider vermisse ich hier die tiefe Bestürzung und klare Verurteilung unseres Oberlehrers der Nation, Herrn Friedmann. Darum empfehle ich Herrn Friedmann und anderen, das tief greifende und interessante Buch des jüdischen und amerikanischen Professors Dr. Finkelstein „Eine Nation auf dem Prüfstand“ und zum Beispiel auch die „Holocaust-Industrie“ zu lesen und sich intensiv damit auseinander zu setzen.

Darüber hinaus, meine Damen und Herren, glaube ich, dass in keinem anderen Land die jüdischen Bürger besser beschützt und geschützt werden als in Deutschland. Ich glaube, in keinem anderen Land erhalten die jüdischen Gemeinden mehr Geld und Zuwendungen als in Deutschland. Ich glaube, in keinem anderen Land werden die Forderungen jüdischer Gemeinden schneller und ergebener erfüllt als in Deutschland.

Abschließend möchte ich noch einen toleranten Spruch von den Grünen loswerden: Wir alle sind Menschen, überall, egal, welcher Hautfarbe oder Nation!

(Abg. D r. G ü l d n e r [Bündnis 90/ Die Grünen]: Das erste wahre Wort!)

Das ist ja völlig richtig, meine Damen und Herren. Ich sage Ihnen als Demokrat

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Ihre Rede be- legt aber, dass Sie kein Demokrat sind!)

im Namen der Deutschen Volksunion, kein Mensch hat das Recht, sich rassistisch über andere Menschen zu stellen und sie zu ermorden, auch nicht im Gazastreifen oder im Nahen Osten. Demzufolge möchte ich dem Vertreter einer sehr kleinen Minderheit und selbst ernannten Moralapostel und Oberlehrer der deutschen Nation in Bezug auf die jüdisch-israeli

schen Völkerrechtsverletzungen, kriegerische Aggression und Gewalt erst einmal raten, vor der eigenen Haustür zu kehren, bevor er sich hier als Moralapostel der ganzen deutschen Nation aufspielt.

Ich glaube, meine Damen und Herren, ich spreche hier aus vielen Seelen, die die Aggressionshaltung, die kriegerischen Akte Israels gegenüber den Palästinensern auch angeprangert hätten.

Meine Damen und Herren, ich lehne, das ist auch wichtig für die Presse, Ihren hysterischen Antrag ab,

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Pfui!)

da es überhaupt nicht bewiesen ist, dass es so genannte Rechtsextreme gewesen sind. Die DVU betreibt keine Vorverurteilung, wir sind Demokraten. Aus der Tatsache heraus, dass die Deutsche Volksunion, auch noch einmal für die Presse, schon immer Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus auf das Schärfste verurteilt hat, dazu bedarf es keines solchen Antrags oder vielleicht keiner jüdischen Aufforderung, meine Damen und Herren!

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Pfui! – Abg. Frau M ö b i u s [SPD]: Das ist unerträglich!)

Herr Dr. Güldner, in Bezug auf die Zwangsarbeiterentschädigung, die Sie ja hier eingebracht haben, empfehle ich Ihnen, das Buch von Professor Finkelstein „Holocaust-Industrie“ zu lesen, das dürfte auch für Sie interessant sein. Ich denke aber einmal, ich werde das Buch noch so oft hier zitieren, dass Sie der Meinung sind, Sie hätten es gelesen. Sie können also daraus entnehmen, ich bin kein Antisemit, ich zitiere sogar jüdische Professoren. – Ich bedanke mich!

(Abg. Frau D r. T r ü p e l [Bündnis 90/ Die Grünen]: Ein Menschenfeind sind Sie!)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Beckmeyer.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Tittmann, die Diktion Ihrer Rede war unverschämt und ekelhaft!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Sie haben in diesem Haus zum ersten Mal Ihre Maske fallen lassen!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Niemand wird verhehlen, dass er feststellen musste, dass am 3. Oktober in Deutschland an verschiedenen Stellen dieser Republik die gleichen Aktionen stattfanden und teilweise rechtsgesinnte Täter schon gefasst worden sind. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen – Zuruf des Abg. T i t t m a n n [DVU])

Es ist richtig: Wer für jüdische Gemeinden eintritt, muss nicht gleichzeitig die Politik Israels vertreten und gutheißen. Das ist zweierlei! Da gibt es viele Diskussionen und sicherlich viele unterschiedliche Einschätzungen.

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Habe ich hier noch nicht erlebt!)

Aber Herr Spiegel und Herr Friedmann sind Deutsche und keine Israelis!

(Beifall bei der SPD)

Rechte Straftaten dem Verfassungsschutz anlasten zu wollen ist, glaube ich, die Höhe Ihrer Verleumdung!

(Abg. T i t t m a n n [DVU]: Ich kann das beweisen, Sie nicht!)

Ich glaube, Sie sollten sich wirklich mäßigen und dieses Haus mit Ihrer Anwesenheit und Ihren Debatten nicht weiter belasten. – Danke schön!

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächster hat das Wort Senator Dr. Schulte.