Protocol of the Session on June 6, 2000

Wenn man mit virtuellen Projekten operiert, dann kann man natürlich sehr schnell die 25,8 Prozent zusammenbekommen, aber für den realen Strukturwandel haben Sie damit überhaupt nichts erreicht, meine Damen und Herren.

Ich will Ihnen auch noch einmal den Schleier vor den Augen entfernen, wenn Sie sich die tatsächlichen Zahlen anschauen, die wirklich wichtig für den Strukturwandel sind. Ich will das wirklich nicht beklagen. Ich will das nur einmal aufzeigen. Zum Beispiel die Ausgaben: die F-und E-Ausgaben im ISP für Bremen 170 Millionen DM, für Bremerhaven 1,7 Millionen DM, im WAP 30 Millionen DM für Bremen, für Bremerhaven 0,0, für den wichtigen Bereich Dienstleistungen im WAP Bremen 49 Millionen DM, für Bremerhaven 0,0! Meine Damen und Herren, ich denke, mit solchen 0,0-Prozenten kann man den Strukturwandel nicht erreichen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Nun möchte ich einen positiven Appell an die große Koalition richten: Statt relative Prozentzahlen hin und her zu schieben, sorgen Sie doch einfach einmal für richtig neue Schlagzeilen, zum Beispiel „Investitionsquote von acht Prozent auf 14 Prozent in Bremerhaven gestiegen“

(Abg. P f l u g r a d t [CDU]: Die Grünen haben doch gerade beantragt, die Investi- tionsquote zu senken!)

oder „Die Hochschule Bremerhaven als Zentrum für die maritime Forschung vom letzten Platz, Nummer 27, von 27 vergleichbaren Städten auf einen vorderen Platz geschoben“ oder „Den F-und E-Mitteleinsatz pro Kopf der Bevölkerung vom letzten Platz dieser Republik auf einen vorderen Platz geschoben“! Sie könnten aber auch für die gleiche Ausgabe der Mittel der Drogenprävention

(Abg. Frau J a n s e n [SPD]: Drogen- prävention, das ist städtisch!)

oder für mehr Gesundheitsversorgung, Gesundheitsdienstleistung oder höhere Wertschöpfungsquoten in den Häfen über ein Prozent über der Wertschöpfungsquote in Bremerhaven hinaus sorgen oder für eine bessere Lehrer- und Polizeiversorgung! Lassen Sie aber endlich die Finger von den fünf Prozent Strafanteil, die Bremerhaven immer zu zahlen hat! Meine Damen und Herren, dann würden Sie etwas für Bremerhaven tun!

Wenn diese Schlagzeilen dann in der Presse auftauchen, wären wir sofort mundtot, und der BAW brauchte keine neuen Defizitanalysen mehr. Das wäre doch auch in Ihrem Sinne, meine Damen und Herren. Ich fordere Sie auf, durch eine konkrete Po

litik einmal für solche Schlagzeilen zu sorgen, aber nicht so weiterzumachen wie bisher!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als nächster Redner hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schrörs.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Schramm, haben Sie vorhin nicht zugehört, oder waren Sie nicht im Raum, als der Fraktionsvorsitzende der CDU über Bremerhaven gesprochen hat? Sind das Ihre Alternativen, die Sie eben genannt haben, für Bremerhaven, ohne CT IV? Wie ist das eigentlich, Sie haben doch gerade eben einen Antrag vorgestellt, nicht Sie, sondern Ihre Vorrednerin, in dem sie erklärt hat, dass Sie zehn Prozent der Investitionen einsparen wollten? Gilt das nicht für Bremerhaven, oder wie verträgt sich das mit dem, was Sie eben vorgetragen haben?

(Abg. Frau L i n n e r t [Bündnis 90/Die Grünen]: Gerechte Verteilung zwischen den beiden Städten ist davon ja unberührt!)

Meine Damen und Herren, der Sanierungsbericht 1999, der ja auch Bestandteil der Haushaltsberatungen ist, zeigt, dass die große Koalition in diesem Zeitraum sehr erfolgreich war und dass sie auf dem richtigen Weg der Sanierung ist. Der Haushalt 2000/ 2001 ist Bestandteil dieser Sanierung, und das Ziel ist es, 2004 einen verfassungskonformen Haushalt zu erreichen. Bremen hat seinen nachhaltigen Eigenbeitrag bisher erbracht und den Abstand zu den durchschnittlichen Haushaltssituationen anderer Länder verkürzt und das ISP konsequent und mit Erfolg umgesetzt.

Warum nun noch einmal der Rückblick auf den abgeschlossenen Sanierungszeitraum? Ich denke, es ist der Beginn einer erfolgreichen Sanierung mit großen Anstrengungen bei der Umsetzung eines harten Sparkurses bei gleichzeitiger Auflage eines umfangreichen Investitionsprogrammes.

(Beifall bei der CDU)

Es ist, und das fällt sicher vielen schwer, auch in der Umsetzung ein restriktives Ausgabenverhalten gefordert. Aber man muss auch erkennen, dass das Erbringen von Eigenbeiträgen irgendwann an Grenzen stößt. Die konsumtiven Ausgaben wurden schon stark eingegrenzt, bei den Personalausgaben gab es deutliche Konsolidierungsfortschritte. Ich will noch einmal wiederholen: von 1993 bis 1999 Verringerung um 3400 Stellen beziehungsweise 13,3 Prozent auf knapp 22 000 Beschäftigte. Bei den konsumtiven Ausgaben wurden auch die Möglichkeiten be

schränkt. Mit Verpflichtungsgraden ist auch dies nicht ohne Ende weiter machbar.

Somit bleibt neben einer Erhöhung der Wirtschafts- und Finanzkraft nur die Möglichkeit, durch Reduzierung, durch Wegfall und/oder durch die privatrechtliche oder wirtschaftliche Umstrukturierung öffentlich wahrgenommener Aufgaben eine weitere Entlastung zu erhalten.

(Beifall bei der CDU)

Die Personalausgaben sind ohne Tarifsteigerungen konstant. Der Ausgabenzuwachs bei Dienst- und Versorgungsbeiträgen soll auf 1,5 Prozent jährlich begrenzt werden. Da kann man dann auch die aktuelle Situation und das Nichtanerkennen des Vermittlungsvorschlags der Einigungsstelle durch die ÖTV und den öffentlichen Dienst nicht verstehen, dass dieser Spruch von den Gewerkschaften nicht anerkannt wird. Dies spielt für uns hier deswegen eine große Rolle, weil nämlich das, was dort passiert, sich in diesen Haushalten abbildet.

Eines muss doch jedem klar sein, wenn die Zahlen, die auf uns zukommen werden, 1,5 Prozent überschreiten, werden zusätzliche personalwirtschaftliche Eingriffe erforderlich sein. Um das noch einmal an Zahlen festzumachen: 0,1 Prozent bedeutet in Bremen eine Mehrausgabe von 2,1 Millionen DM, dies bedeutet 26 Vollzeitkräfte. Meine Damen und Herren, ich bitte doch wirklich alle diejenigen, die auch dort noch Einfluss haben, darüber nachzudenken, ob sich ein Streik wirklich lohnt, oder ob man nicht das anerkennen will, was gemeinsam erarbeitet worden ist!

(Beifall bei der CDU)

Die Kreditmarktkonditionen sind ein Risiko, Steuerausfälle und die Neuregelung des Finanzausgleichs nicht zu vergessen, auch hier drohen natürlich gegebenenfalls für Bremen Einnahmeschwierigkeiten.

Wir wollen, und das ist der Wille der großen Koalition, die extreme Haushaltsnotlage beseitigen. Der Schuldenstand wurde von 1993 mit 17,8 Milliarden DM auf 15,9 Milliarden DM im Jahr 1999 reduziert. Aber der Schuldenstand wird sich erhöhen. Dies ist gewollt, und dazu stehen wir auch. Wir stehen deswegen dazu, weil eine Reduzierung der Investitionen das Sanierungsziel gefährdet. Wir werden Nettoinvestitionen über eine Kreditaufnahme verfassungskonform finanzieren. Was die Grünen wollen, ist etwas anderes, und darauf hat der Fraktionsvorsitzende hingewiesen. Sie wollen einen Weg der Ausweitung der konsumtiven Ausgaben. Das wird mit uns nicht zu machen sein!

(Beifall bei der CDU — Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Im Übrigen sollten Sie mittlerweile auch begriffen haben, dass durch eine Schuldenreduzierung keine zusätzlichen Spielräume im konsumtiven Bereich möglich sind. Was bedeuten denn Ihre 250 Millionen DM Schuldentilgung, auf die Sie in Ihrem Antrag hinweisen? Wenn Sie eine fünfprozentige Verzinsung zu Grunde legen, dann bedeutet das, dass Sie eine Einsparung im konsumtiven Bereich von jährlich 12,5 Millionen DM haben. Ist das die Lösung des Problems, meine Damen und Herren von den Grünen? Das kann doch wohl nicht sein, ich bitte Sie!

(Beifall bei der CDU — Zurufe vom Bündnis 90/Die Grünen)

Bei einer Verschuldung von über 20 Milliarden DM 200 Millionen DM zu reduzieren, um jährlich 12,5 Millionen DM Tilgung zu haben, dafür aber im Bereich der Investitionen das Entscheidende nicht mehr zu haben, nämlich den Impetus, um hier Wirtschafts- und Finanzkraft zu stärken, meine Damen und Herren, dies ist keine Alternative!

(Beifall bei der CDU)

Ziel der Sanierungsanstrengungen muss die nachhaltige Verbesserung der öffentlichen Infrastruktur sein. Dies führt nämlich zu Verbesserungen der Investitions- und Produktionsbedingungen, dies führt zu steuerlichen Einnahmen und entlastenden Ausgabeneffekten, dies führt zu einer steigenden Wirtschafts- und Finanzkraft, und dies führt zu einer Konsolidierung und Stabilisierung der Haushalte. Dafür stellt die große Koalition in den Jahren 2000 und 2001 je 1,2 Milliarden DM Investitionsmittel zur Verfügung.

Die unterstellte Wirkungsweise, um das noch einmal zu sagen, besteht nicht darin, Impulse durch Realisierung der Projekte zu erreichen, sondern verzögernd durch die von ihnen ausgelösten Impulse im privatwirtschaftlichen Raum. Deswegen haben sie auch die Wirkung nicht unmittelbar, sondern mit einer Zeitverzögerung, und Sie werden sehen, dass das ISP dann entsprechend wirkt.

(Beifall bei der CDU)

Die strukturellen Veränderungen setzen bereits ein. Ein Austausch krisenanfälliger Unternehmen gegen expansive zukunftsträchtige Unternehmen findet statt. Sicherlich gibt es noch eine Abhängigkeit von sektoralen Sondereffekten. Aber dass bisher die Erfolge noch nicht so eingetreten sind, wie auch wir uns das vorgestellt haben, ist keine Veranlassung, die Strategie einer konsequenten wachstumsorientierten Investitionspolitik in Frage zu stellen.

Derzeit sind sicherlich auch noch unzureichende regionale Beschäftigungseffekte gegeben. Dies

hängt damit zusammen, dass der Abbau von Arbeitsplätzen im Bereich des warenproduzierenden Gewerbes stattfindet, während der Aufbau von Arbeitsplätzen in produktiven Dienstleistungsbranchen erfolgt. Die Ausschöpfung von Kapazitäts- und Produktionsreserven, die jetzt noch in Teilen erfolgt, wird für die Unternehmen nicht dauerhaft möglich sein, und in dem Moment wird der Arbeitseffekt eintreten, so dass dort Arbeitsplätze geschaffen werden.

Ein weiterer Punkt: Zur Stabilisierung gehört auch letztendlich die Stabilisierung und der Ausbau der Einwohnerzahl hier in Bremen, und dazu werden zusätzliche Wohnungsbaugebiete benötigt. Auch hier würden wir uns bei den Grünen wünschen, dass sie dies anerkennen und auch entsprechend mitmachen würden, um dafür zu sorgen, dass die Beschäftigung in Bremen stattfindet und nicht außerhalb Bremens.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, der Aufholprozess ist eingeleitet. Er ist durch den ersten Abschnitt des Sanierungsprogramms eingeleitet worden, und wir setzen mit dem vorliegenden Doppelhaushalt 2000/ 2001 diesen erfolgreichen Weg unverändert fort.

(Beifall bei der CDU)

Nun möchte ich doch noch außerhalb meiner verabredeten Redezeit zwei oder drei Sätze zu Herrn Zachau sagen, und zwar jetzt in meiner Eigenschaft als stellvertretender Vorsitzender des Haushalts- und Finanzausschusses. Wir wissen ja, dass Sie nicht in dieser, aber wahrscheinlich in der nächsten Bürgerschaftssitzung das Parlament verlassen werden. Sie werden auf jeden Fall danach nicht weiter im Haushalts- und Finanzausschuss Vorsitzender sein.

Ich wollte mich im Namen der Mitglieder des Haushaltsausschusses sehr herzlich für die sehr schöne und sehr harmonische Zusammenarbeit bedanken. Wir haben heftig gestritten in der Sache. Es war fair, Sie waren immer ein harter Streiter. Das Klima, in dem wir im Haushalts- und Finanzausschuss haben arbeiten können, war immer gut. Es war von Sachlichkeit geprägt, und ich denke, Sie waren in der Zeit immer ein Streiter für die Rechte der Parlamentarier. Sie haben die Sitzungen souverän geleitet, und insofern war es auch für uns alle eine Freude, unter Ihrer Führung vernünftige Haushaltsausschusssitzungen abzuhalten.

(Beifall)

Wir haben vor vielen Jahren — nach der absoluten Mehrheit der Sozialdemokraten — ein Verfahren verändert. Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses war ab diesem Zeitpunkt immer ein Mit

glied der Opposition. Ich hätte Ihnen gern, Herr Zachau, noch viele Jahre dieses Amt gewünscht, auch über die Legislaturperiode hinaus.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Das kann ich nun leider nicht mehr, weil Sie es ja nicht mehr bekleiden werden. Ich wünsche Ihnen auf Ihrem weiteren Weg alles Gute! — Danke schön!

(Beifall)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Tittmann.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Möbius, vielleicht kann ich Ihnen anstelle von Herrn Schramm etwas Positives über Bremerhaven sagen: Bremerhaven ist und bleibt die Hochburg der Deutschen Volksunion.