Protocol of the Session on February 23, 2000

Zu unserem nächsten Versuch, den Umweltskandal ans Tageslicht zu befördern! Am 20. Januar dieses Jahres stellten wir eine Kleine Anfrage, und am 26. Januar wiesen wir in der Bürgerschaft darauf hin. Frau Senatorin Wischer antwortete, und ich zitiere hier mit Erlaubnis des Präsidenten aus der Drucksa

che zur neunten Sitzung der Bremischen Bürgerschaft, Zitat, Frau Wischer: „Nach meinem Wissen geht es hier nicht um hochtoxische Stoffe, sondern um Stoffe, die an dieser Stelle mit den Maßnahmen, die als Auflagen gemacht worden sind, auch verantwortungsvoll abgelagert werden können. Dies ist jedenfalls mein Kenntnisstand“, so Frau Wischer.

Sehr geehrte Damen und Herren, beim Verbuddeln von giftigem und krebserregendem Material kann es sich doch nicht um verantwortungsvolle Ablagerung handeln.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Tatsächlich wurde auch Ende Januar die illegale Altlastenentsorgung gestoppt, eine längst überfällige Maßnahme!

Doch nun wird versucht, den Skandal zu verharmlosen. Für die skandalöse Altlastenentsorgung verantwortlich ist die Bremer Investitionsgesellschaft. Die BIG äußert sich im „Weser-Report“ vom 13. Februar, in dem Landschaftsbauwerk sei nur sauberes Material

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: So sind sie!)

gelagert worden. Das ist eine Lüge!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Außerdem hat die Wirtschaftsförderungsgesellschaft selbst im November einen Antrag auf Planänderung gestellt, und zwar mit dem Unterfangen, noch giftigeres Material, quasi Sondermüll, dort einzulagern. Doch plötzlich ist die Sanierung abgeschlossen, und lediglich 5000 Kubikmeter müssen nur noch außerhalb deponiert werden. Ich finde, das strotzt nur so von Widersprüchen und stinkt zum Himmel.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Was hier unter Verantwortung des Wirtschaftsressorts und Federführung der BIG passiert, scheint jedoch nur die Spitze des Eisbergs zu sein.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Müllbergs!)

Auf Umwelt, Gesundheit und Lebensqualität wird hier keinerlei Rücksicht genommen. Grob fahrlässig wird das Risiko einer Grundwasserbelastung durch toxische und krebserregende Stoffe eingegangen. Das ist nicht hinnehmbar, und es muss alles unternommen werden, um mögliche Gefährdungen von Mensch und Umwelt auch langfristig auszuschließen.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Wir erwarten, dass hier bedingungslos alle Fakten auf den Tisch kommen und die Bremer Investitionsgesellschaft den Schaden umgehend behebt. Natürlich sind auch die Verantwortlichen im Wirtschafts- und im Umweltressort zur Rechenschaft zu ziehen. Doch statt Konsequenzen zu ziehen, ist bisher nur wahrzunehmen, dass die BIG diesen offensichtlichen Umweltskandal auch noch schönredet, und wir stellen uns die Frage, ob so etwas nicht auch schon die ganze Zeit passiert und was mit allen anderen Altlasten gemacht wurde. Beim Vulkan-Gelände gibt es jedenfalls ebenfalls Ungereimtheiten, meine Damen und Herren, und, meine Damen und Herren von der Großen Koalition, wenn Ihnen schon nicht die Umwelt am Herzen liegt, dann ist das Mindeste, was man erwartet, dass hier die rechtlichen Normen eingehalten werden.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Es ist unsere Aufgabe und auch unsere Verpflichtung, das ständig einzuklagen, und, meine Damen und Herren von der Großen Koalition und auch vom Rathaus, uns macht das wirklich keinen Spaß, aber das Mindeste, das Mindeste, was man erwarten kann, ist, dass nach Recht und Gesetz gehandelt wird und dass keine fahrlässige Belastung der Umwelt und auch der Gesundheit von Menschen hier riskiert wird. Wir wollen nicht erst eingreifen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. — Danke schön!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste erhält das Wort die Abgeordnete Frau Mull.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Um das Gewerbegelände im Dreieck der Autobahn Hansalinie und Eisenbahnstrecke gibt es ja schon seit Jahren ein politisches Hickhack, das ist ja nichts Neues. Ich finde es nur sehr lustig, dass wir heute eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Landschaftsbauwerk Hemelinger Marsch — Vogelschutz auf Sondermüll?“ von den Grünen haben, denn irgendwie ist es ja witzig, zuzeiten der Ampelregierung wurden die Flächen als besonders schützenswürdig eingebracht, deklariert in Sachen Vogelschutz, wir hatten die Diskussion eben, und heute stellen wir uns die Frage, ob die dort ansässigen Vögel auf Sondermüll sitzen.

(Abg. D r. K u h n [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Und wer ist dafür verantwortlich?)

Meine Damen und Herren, mit der Gewerbeerschließung wurden die belasteten Flächen doch erst _______

) Von der Rednerin nicht überprüft.

gereinigt und unbehandelte und teilweise behandelte Böden und Materialien wie Bodenaushub, Bauschutt und Asbestabfälle bis zu einem bestimmten Grad der Verunreinigung dieser so genannten Z-2Kategorie in ein so genanntes Landschaftsbauwerk umgelagert. Altlasten, die die vorgeschriebenen Grenzwerte überschritten hatten, wurden auf entsprechende Deponien gebracht. Fakt ist auch, dass keine Materialien von außerhalb in das Landschaftsbauwerk eingebracht wurden, das heißt also, dass die Vögel, die dort ansässig sind, auf dem gleichen Müll sitzen, auf dem sie nämlich vorher auch schon saßen.

(Beifall bei der CDU — Lachen beim Bündnis 90/Die Grünen)

Meine Damen und Herren, jetzt regen Sie sich doch nicht so auf, Herr Kuhn, Sie können sich hier gleich auch noch melden! Sämtliche Planungen der Abweichung innerhalb dieses Verfahrens der Sanierungen wurden abgestimmt zwischen Vertretern des Umweltressorts, der GFL-Planungs- und Ingenieurgesellschaft und der WFG, und hierzu gehört auch das so genannte Verfahren der Einkapselung, was jetzt ja insbesondere auf Kritik gestoßen ist, auch dieses wurde mit Einvernehmen aller Beteiligten eingesetzt und auch umgesetzt.

Jetzt gibt es aus dem Umweltressort Kritik an dem Verfahren hinsichtlich Genehmigung, Vollzug und Abstimmung, die sich aber meines Wissens insbesondere auf die entstandene Mehrmasse, das heißt auf die Quantität und nicht auf die Qualität dieser Masse bezieht. Meine Damen und Herren, dass die Staatsanwaltschaft eingeschaltet wurde, hat auch nicht die Gründe, die Sie ganz gern hätten, sondern bei jeglichem Verdacht auf eine mögliche Umweltstraftat besteht gemäß Erlass des Senats die Pflicht der Umweltbehörde, die Staatsanwaltschaft anzurufen, als solches ist diese Anzeige also nicht überzubewerten.

Meine Damen und Herren, um Sie auch weiterhin zu beruhigen, im Moment liegen also weder der BIG noch der WFG, noch allen anderen Beteiligten Informationen darüber vor, dass die Staatsanwaltschaft ermittelt, also, es ist im Moment noch kein Untersuchungstatbestand als solcher gegeben.

Meine Damen und Herren, in der nächsten Woche wird ein externer Gutachter beauftragt, das haben Sie wahrscheinlich schon gehört, der sich auch mit der Frage der Qualität und Quantität dieses Landschaftsbauwerks beschäftigen wird. Ich bin der Meinung, dass wir diese Ergebnisse erst einmal abwarten und auswerten sollten, bevor wir vorzeitige Spekulationen anstellen und auch Schlüsse ziehen, und uns dann damit auseinander setzen sollten, welcher Müll hier denn im Einzelnen verbracht wurde.

Wenn sich allerdings herausstellt, dass noch zusätzliche Maßnahmen zu treffen sind beziehungsweise bei den nachträglich beantragten erweiterten Genehmigungsverfahren noch Auflagen zu erteilen und umzusetzen und zu erfüllen sind, muss dies natürlich auch erfolgen. Im Übrigen, so die Auskunft, die mir gestern erteilt wurde, hält die Umweltbehörde nach vorläufiger Einschätzung, das heißt, wenn dieses Gutachten jetzt nichts anderes ergibt, die Angelegenheit für genehmigungsfähig, so wie sie sich jetzt darstellt trotz allem.

Abschließend möchte ich anmerken, dass die Vermarktung des Gewerbeparks läuft. Neue Unternehmen wurden bisher angesiedelt, das konnten wir letzte Woche oder vorletzte Woche auch in der Zeitung lesen. Zehn Hektar der Flächen sind vergeben, und weitere Reservierungen liegen für den Einkauf von Flächen vor. Deshalb denke ich, es sollte im Interesse aller sein, dass wir die Kuh hier schnell vom Eis bekommen und die Vermarktung und weitere Ansiedlungspolitik des Senats nicht behindert wird. — Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Dr. Schuster.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich kann das Bestreben der Opposition verstehen, bestimmte Vorfälle und Probleme zu dramatisieren, um daraus politisches Kapital zu schlagen.

(Abg. E c k h o f f [CDU]: Wie bei der Kultur!)

Das würde ich auch so machen als Opposition. Nichtsdestoweniger finde ich es nicht sachdienlich, Sachen zu dramatisieren, wie ich es auch umgekehrt nicht für sachdienlich halte, Sachen zu verharmlosen.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Aha!)

Genau, aha! Man sollte immer versuchen, halbwegs bei der Sache zu bleiben, so wie sich Tatbestände wirklich darstellen.

Da sind in der Tat einige Dramatisierungen vorgenommen worden, die so nicht stimmen. Ich will jetzt nicht auf jedes Detail eingehen, das kann ich persönlich auch zurzeit gar nicht. Man muss warten, was der Gutachter, der eingeschaltet werden wird, wirklich zu Tage fördert. Man muss aber etwas dazu sagen, welche Kategorie von Schadstoffen in das Landschaftsbauwerk eingebracht werden darf. Was in dieses Landschaftsbauwerk eingefüllt

werden soll, sind Stoffe, die man auch wieder verwerten darf, beispielsweise im Straßenbau.

Ich weiß, dass dies umstritten ist zwischen verschiedenen Bundesländern, ob das eine vernünftige Regelung ist oder nicht. Den Fachstreit kann man führen, es gibt aber zumindest die begründete Meinung, dass es sich nicht um Sondermüll im klassischen Sinne handelt. Dies ist schon einmal ein wichtiger Punkt, um zu wissen, worüber man eigentlich genau redet.

Einen weiteren Punkt hat Frau Mull angesprochen. Es ist in der Tat so, dass erst durch die Erschließung die Schadstoffe überhaupt — das unterstellen wir im Moment wenigstens noch — vernünftig abgelagert wurden und nicht wild in der Gegend herumliegen. Insofern ist es zumindest eine Verbesserung des vorherigen Zustandes, auch wenn es sicherlich so ist, dass Landschaftsbauwerke in Vogelschutzgebieten nicht das Schönste sind.

Was ist aber nun das Problem? Es ist unbestritten, dass ein Gesetzesverstoß vorliegt, dass eine Genehmigung für ein Landschaftsbauwerk erteilt wurde, dort nur bestimmte Stoffe einzutragen. Diese Genehmigung ist überschritten worden, zumindest in Bezug auf die Größe des Bauwerks. Ungeklärt ist, ob auch weitergehende, gefährlichere Stoffe dort eingebracht worden sind. Wahrscheinlich sind einige Stoffe behandelt worden, bevor sie verfüllt wurden.

Aber auch dies stellt ein Überschreiten der Genehmigung dar. Es ist insofern auch rechtswidrig, das ist eine ganz klare Sache. Man muss da sicherlich der ausführenden Gesellschaft erhebliche Schuld zuweisen. Allerdings muss man auch sagen, dass es ebenfalls im Umweltressort Probleme gegeben hat. Die Überschreitung der Genehmigung wurde nicht entsprechend frühzeitig gestoppt, beziehungsweise gar nicht so richtig bemerkt.

Jetzt ist allerdings die entscheidende Frage, was denn gemacht wurde, als der Verstoß bekannt geworden ist. Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg der Bearbeitung dieses Falls. Alle wesentlichen Vorkehrungen, die man an der jetzigen Stelle treffen kann, sind eingeleitet worden. Erstens ist die Staatsanwaltschaft eingeschaltet worden, wie das routinemäßig, das hat Frau Mull schon gesagt, vorgeschrieben ist. Es wurde überhaupt nicht der Versuch gemacht, irgendetwas zu vertuschen, weil es völliger Unsinn ist. Zweitens wurde der Mitarbeiter, der eventuell davon gewusst haben soll, vorsorglich von der Bearbeitung dieser Sache entbunden, und schließlich wird ein unabhängiger Gutachter beauftragt, der nicht irgendwie mit bremischen Interessen zu tun hat und feststellen soll, was denn nun wirklich in dieses Bauwerk eingefüllt worden ist.

Wenn dieses Gutachten vorliegt, wird man in der Tat entscheiden müssen, was gemacht werden muss. Es gibt meines Erachtens drei Möglichkeiten: Die erste ist, dass nachträglich eine Genehmigung er

teilt wird, weil es völlig unproblematisch ist, was dort liegt. Zweitens wäre es möglich, dass erhöhte Auflagen erteilt werden, wie die Deponie zu schützen, zu versiegeln oder sonst zu verändern ist. Die dritte Möglichkeit ist natürlich, dass eventuell ein Teil der Deponie wieder abgetragen und anderswo gelagert werden muss.

(Abg. Z a c h a u [Bündnis 90/Die Grü- nen]: Hat das denn irgendwelche Konse- quenzen für die BIG?)

Ich bin kein Jurist, insofern muss man vorsichtig sein, was man genau sagt. Von meinem Alltagsverstand her würde ich sagen, dass derjenige, der einen Gesetzesverstoß macht, dafür auch aufkommen muss. So ist das wenigstens meistens.

(Beifall bei der SPD und beim Bündnis 90/ Die Grünen)