Protocol of the Session on January 27, 2000

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Genauso müssen wir sie auch verfolgen, wie Henning Scherf es auf den Plakaten ja auch andeutet.

Dieses eindeutige Signal müssen wir auch aus diesem Hause geben. Deshalb bitten wir Sie, unseren Antrag zu unterstützen. — Ich bedanke mich!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Als Nächste erhält das Wort Frau Senatorin Adolf.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist gut, dass sich die Bürgerschaft mit dem Thema häusliche Beziehungsgewalt befasst. Gewalt in der Familie unterliegt immer noch einem Tabu und wird in der Öffentlichkeit nicht als das behandelt, was sie ist, nämlich Gewaltausübung, zumeist von Männern gegenüber Frauen und Kindern. Es ist noch viel Aufklärungsarbeit nötig, damit Gewalt gegen Frauen nicht mehr als Kavaliersdelikt behandelt wird. Es ist nämlich weder ein Phänomen, noch kommt es unerwartet über die Frauen. Es ist Ausdruck gesellschaftlicher Machtstrukturen, und wir werden noch eine Menge Bewusstseinsarbeit zu leisten haben, und auch Veränderungen von Machtstrukturen werden vielen nicht erspart bleiben, um an diesem Thema ernsthaft voranzukommen.

(Beifall bei der SPD)

Ich will mich jetzt zu Zahlen, zu Ursachen und zu Ausprägungen dieser Gewalt nicht mehr lange äußern, sondern Ihnen vielmehr mitteilen, was der Senat zu diesem Thema ganz konkret bereits getan hat und beabsichtigt zu tun. Dabei ist auf der einen Seite, was ich eben angesprochen habe, die Bewusstseinsarbeit erforderlich, auf der anderen Seite aber auch ganz konkretes Handeln.

Der Bremer Senat hat im Herbst eine Kampagne zum Thema häusliche Beziehungsgewalt gestartet. Es ist bereits erwähnt, ich will Ihnen aber noch einmal genau schildern, was diese Kampagne beinhaltet. Von Mitte November bis Mitte Dezember 1999 gab es in Bremen und Bremerhaven eine Plakataktion an Litfaßsäulen mit dem Bild des Präsidenten des Senats und der Aufschrift „Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache, sondern eine Straftat. Genauso wird sie auch verfolgt.“

(Beifall)

In Bremerhaven wurden gleichzeitig 30 Busse der VGB mit diesem Plakat ausgestattet, in Bremen zeigen ab dem 18. Januar 2000 die Stellflächen der Bremer Marketinggesellschaft dieses Plakat noch einmal. Der Bürgermeister selbst hat damit zum Ausdruck gebracht, dass er die Enttabuisierung des Themas und die Verfolgung solcher Straftaten will.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Mit dieser Plakataktion ist Bremen auch ein Teil der europäischen Kampagne „violence free cities“ der European Women’s Lobby. Die anderen beteiligten europäischen Städte an dieser Kampagne sind Amsterdam, Berlin, Brüssel, Dublin, London, Madrid und Paris. Bremen befindet sich hier also in guter Gesellschaft.

Mit Datum vom 23. November 1999 hat der Senat eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe eingesetzt, bestehend aus meinem Ressort und den Ressorts Bildung und Wissenschaft, Inneres, Kultur und Sport sowie Justiz und Verfassung, um unter der Federführung der ZGF bis Ende März ein Präventionskonzept und Konzepte zum Umgang mit häuslicher Beziehungsgewalt zu erarbeiten. Der Senat hat in seinem Beschluss zum Einsatz dieser Arbeitsgruppe auch ausdrücklich vorgesehen, dass sie in ihre Beratungen den Sachverstand von Verbänden und Vereinen, die in dem Bereich häusliche Beziehungsgewalt arbeiten, einbezieht. Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit noch im Dezember aufgenommen. Bereits am 21. Januar hat eine Anhörung von Expertinnen und Experten stattgefunden, die im Moment durch schriftliche Stellungnahmen der Beteiligten ergänzt wird.

Der Magistrat Bremerhaven hat beschlossen, auch ein solches Konzept zu erarbeiten, was mich sehr freut, und den dort existierenden runden Tisch „Gewalt gegen Frauen“ mit dieser Aufgabe zu betrauen. Frau Hoch, ich glaube, ob man es nun Interventionskommission oder wie auch immer nennt, der runde Tisch Bremerhaven zum Beispiel kann sich sehen lassen und bietet mindestens so viel wie der vergleichbare runde Tisch in Berlin. Wir haben uns da also, glaube ich, nicht zu verstecken.

Teilnehmende an diesem Arbeitskreis in Bremerhaven sind unter Federführung der dortigen ZGF die Polizei, die Staatsanwaltschaft, das Sozialamt, das Frauenhaus Bremerhaven, Pro Familia, das Gesundheitsamt und die evangelische Beratungsstelle. Ich bin der Meinung, wir haben da eine Menge angeschoben und sollten diesen Gremien jetzt angemessene Zeit für ihre Arbeit lassen, deren Berichte sorgfältig auswerten

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

und die Vorschläge der Expertinnen und Experten zu diesem Thema dann auch natürlich im Hinblick auf Konsequenzen prüfen.

Im Vorfeld dieser Aktivitäten zum Problembereich „Gewalt gegen Frauen“ ist von Bremen aus eine Briefmarke, das ist schon erwähnt worden, im Wert von 1,10 DM mit der Aufschrift „Keine Gewalt gegen Frauen“ initiiert worden, die ab dem 13. Januar 2000 jetzt im Handel ist. Wer sich schon einmal bemüht hat, sich schlau zu machen, was es bedeutet, eine Briefmarke zu bekommen, der weiß, wie schwierig das ist und wie viel Kreativität das verlangt. An

dieser Stelle deswegen der Dank an die Landesfrauenbeauftragte Frau Hauffe und ihre Mitarbeiterinnen!

(Beifall)

Ich habe nicht nur solch eine Briefmarke zur Hand, sondern ich kann darüber hinausgehen und Sie alle durchaus auffordern, als Ihren persönlichen Beitrag zur bremischen Kampagne alle Ihre persönliche und auch Ihre Geschäftspost mit dieser Marke zu versehen.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt zum Thema Wegweisungsrecht! Ich gehe davon aus, dass die bremische Arbeitsgruppe, die ich eben beschrieben habe, im Rahmen ihrer Arbeit auch prüfen wird, ob und inwieweit ein Wegweisungsrecht der Polizei nach österreichischem Vorbild sinnvoll ist und machbar erscheint. Ich gebe allerdings zu bedenken, dass es nach österreichischem Vorbild nicht allein genügt, die Männer aus der Wohnung zu verweisen, sondern dass damit auch ein verbindliches Beratungssystem verbunden sein muss für Täter und Opfer, dessen Inanspruchnahme staatlich zu kontrollieren ist. In jedem österreichischen Bundesland gibt es eine zentrale Interventionsstelle, die alle Fälle von häuslicher Beziehungsgewalt registriert und darauf achtet, dass die notwendigen Maßnahmen auch umgesetzt werden. Dieses System fehlt in der Bundesrepublik. Deswegen sind aus meiner Sicht alle Gesetzgebungsentscheidungen sorgfältig abzuwägen und die Rahmenbedingungen genau zu prüfen. Als kleines Beispiel vielleicht das Thema Datenschutz: Bei uns kann die Polizei nicht einmal eben ein Fax irgendwo hinschicken und sagen, wir haben da etwas, und kümmert euch einmal darum. Wir alle wollen den Datenschutz, wir finden ihn richtig und wichtig. Wir müssen da noch eine Menge Probleme lösen, weil es nicht schlicht mit einer Regelung eines Wegweisungsrechtes getan ist. Die uns jetzt unterstellte Diskussion, wir würden das Wegweisungsrecht nutzen wollen, um Schutzeinrichtungen für Frauen zu schließen, zum Beispiel die Frauenhäuser, oder um Beratungseinrichtungen einzusparen, ist völlig unsinnig und schadet uns in der Sache.

(Beifall bei der SPD)

Ich würde deshalb auch darum bitten, nach dem, was ich vorher gesagt habe über das, was ich im Zusammenhang mit Wegweisungsrecht an Rahmenbedingungen für erforderlich halte, dieser Unterstellung dann in Zukunft, wo sie denn gemacht wird, entgegenzutreten.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Das Bundesjustizministerium beabsichtigt, einen Gesetzentwurf vorzulegen, in dem die erleichterte Zuweisung der gemeinsamen Wohnung an das Opfer durch die Familiengerichte geregelt werden soll. Wenn dieser Entwurf vorliegt, und das wird in Kürze der Fall sein, dann können wir auch in Bremen noch genauer absehen, wie weit Regelungen auf Bundesebene getroffen werden und was wir zur Verbesserung der Situation von Frauen in Bremen noch regeln müssen. Ich möchte allerdings bereits der Deutlichkeit und Redlichkeit halber darauf hinweisen, dass das Wohnungszuweisungsverfahren nicht mit einem direkten Wegweisungsrecht identisch ist. Das Wegweisungsrecht geht darüber hinaus.

Dem Senat und mir insbesondere ist es ein großes Anliegen, alles zum Schutz der Opfer zu tun, was notwendig ist, und die Täter entsprechend zur Verantwortung zu ziehen, ihnen aber auch Möglichkeiten zu geben, sich von ihren Gewaltmustern zu entfernen. Ich bitte deshalb, den Bericht der Arbeitsgruppe bestehend aus Expertinnen und Experten abzuwarten, vielleicht liegen bis dahin schon die Entscheidungen der Bundesregierung vor, und dass wir uns dann mit dem Thema erneut befassen und über konkrete Konsequenzen reden. — Danke schön!

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktionen der SPD und der CDU mit der Drucksachen-Nummer 15/154 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür SPD und CDU)

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

(Bündnis 90/Die Grünen)

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

Jetzt lasse ich über den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen abstimmen.

Wer dem Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen mit der Drucksachen-Nummer 15/181 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen)

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU)

Stimmenthaltungen?

(Abg. T i t t m a n n [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den Antrag ab.

Meine Damen und Herren, bevor ich Sie in die Mittagspause entlasse und die Sitzung unterbreche, möchte ich darauf hinweisen, dass wir um 14.30 Uhr mit der dritten Lesung der Änderung der Landesverfassung Bremen fortfahren.

Ich bitte um pünktliches Erscheinen. Ich unterbreche die Sitzung bis 14.30 Uhr.

(Unterbrechung der Sitzung 13.00 Uhr)