Viel zu lange haben die allermeisten, da nehme ich niemanden aus, überhaupt nicht an diese Menschen gedacht. Dann haben einige begonnen, öffentlich darauf zu drängen, und schließlich haben am Ende doch weltweite Geschäfte deutscher Unternehmen und ihr internationales Echo zur Einsicht geführt. Ich weiß, dass die Verhandlungen dann am Ende noch quälend und auch beschämend gewe
sen sind, aber trotzdem möchte ich klar und eindeutig sagen, ich bin außerordentlich froh darüber, dass die rotgrüne Bundesregierung es Ende vergangenen Jahres doch geschafft hat, eine Einigung über Entschädigungsleistungen für Zwangsarbeit zu erreichen.
Die Bundesregierung hat damit auch Schaden für das Ansehen Deutschlands abgewendet, nicht nur in den USA, sondern vor allen Dingen auch in unseren osteuropäischen Nachbarländern. Allerdings muss man festhalten, das war nur möglich, weil die Bundesregierung selbst am Ende massiv in die staatliche Verantwortung gegangen ist durch die Übernahme von fünf Milliarden DM des Stiftungskapitals gegenüber den fünf Milliarden DM von den Unternehmen, die ja in Wahrheit nur etwa 2,5 Milliarden DM netto sind wegen der steuerlichen Absetzmöglichkeit. Das ist wirklich von Seiten der Unternehmen, finde ich, kein rühmliches Kapitel, bei allem Respekt für das Engagement und die Initiative einzelner Großunternehmen und auch einzelner großer Banken. Von den fünf Milliarden DM, die zugesagt sind, sind jetzt erst zwei Milliarden DM, wenn überhaupt, zusammengekommen.
Trotz des Durchbruchs Ende 1999 sind die Probleme noch überhaupt nicht gelöst. Wir haben dies auch heute früh in den Zeitungen lesen können. Auch in der Frage der Umsetzung gibt es noch viele Unklarheiten und wird es sicherlich auch noch politischen Streit geben. Verteilung, Anerkennung und Auszahlung sind noch nicht endgültig geklärt.
Ich glaube nicht, dass wir hier heute Einzelheiten dieser Frage diskutieren können. Wir sollten aber doch, so wie es im Antrag formuliert ist, festhalten, dass bei allen Fragen von Anerkennung und Verteilung auf die Wahrung der Würde dieser Menschen geachtet wird, für die diese Stiftung geschaffen wird. Für die allermeisten Opfer kommt sie ja ohnehin viel zu spät.
Meine Damen und Herren, wir haben uns gestern noch auf einen gemeinsamen Antrag mit der Koalition geeinigt, der die ersten zweieinhalb Punkte unseres Antrags übernimmt und dann am Ende zurückhaltender und in meinen Augen auch unschärfer formuliert. Aber wir haben das getan, um uns darauf zu verständigen, weil uns immer daran gelegen war, dass wir in diesen Fragen alle Teile des Hauses Schritt für Schritt mitnehmen.
Umso wichtiger ist es aber, und das sage ich jetzt für die Debatte, dass die Aussagen unseres Antrags deutlich und klar genannt werden, hervorgearbeitet werden, zumal ja auch die Regierungsfraktionen erklärt haben, dass sie diese Aussagen im Grundsatz teilen. Ich gehe davon aus, dass sie dies in der Debatte auch deutlich machen werden.
Wir halten es für unverzichtbar, und da darf es eigentlich keine Diskussion geben, dass sich auch die Länder und Kommunen an der Stiftung beteiligen.
Die Länder und Kommunen haben das Erbe ihrer politischen Vorläufer, auch wenn es die Länder so noch nicht gegeben hat vor 1945, ausdrücklich angenommen, in jeder Hinsicht, im Guten wie im Schlechten. Sie haben selbst in großem Umfang Zwangsarbeit angewendet und davon profitiert. Wir haben ja im Dezember diese Liste von 1944 noch einmal veröffentlicht, die die Gestapo hier in Bremen angelegt hat. Da findet man auch eine Reihe von staatlichen Stellen, zum Beispiel auch die bremische Bauverwaltung mit mehreren Lagern, allein 600 Zwangsarbeiter im Lager am Buntentorsteinweg. Es kann also nicht sein, dass wir uns hier hinstellen und sagen, wir beteiligen uns nicht.
Herr Ministerpräsident Gabriel hat sich in den ersten Tagen seines Amtsantritts im Dezember 1999 klar geäußert, ich darf zitieren: „Natürlich werden wir uns als Land Niedersachsen nicht verschließen.“ Das, denke ich, muss auch bei aller vorsichtigen Formulierung, die wir jetzt gewählt haben, die Botschaft der heutigen Debatte sein, dass das Land Bremen und die Städte Bremen und Bremerhaven sich ihrer politischen Verantwortung stellen.
Ich glaube einfach, dass dieses Parlament, die Bremische Bürgerschaft, sich klarer und eindeutiger äußern kann, als das vielleicht der Senat kann, dessen Präsident ja gegenwärtig auch Chef der Ministerpräsidentenkonferenz ist.
Der zweite Teil, den ich noch einmal erwähnen möchte, ist der letzte Absatz, der Absatz vier, der in unserer Fassung folgendermaßen gelautet hat: „Die Bürgerschaft (Landtag) erwartet, dass die bremischen Firmen, kommunalen Unternehmen, Organisationen, Verbände und Einrichtungen, die aus der Ausbeutung von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern ihren Nutzen gezogen haben, beziehungsweise deren Rechtsnachfolger der Stiftung beitreten oder in anderer geeigneter Form einen wirksamen Beitrag zur Entschädigung leisten. Sie appelliert an die Kammern, sich der Frage anzunehmen, damit es einen nennenswerten Beitrag der bremischen Wirtschaft gibt.“
Dieser Absatz ist sinngemäß aus einer Erklärung der Hamburgischen Bürgerschaft übernommen, dem nach meinem Wissen auch die CDU zugestimmt hat, in jedem Fall die SPD in der Hamburgischen Bürgerschaft. Sie haben hier diesen Absatz nicht mitmachen wollen. Sie haben stattdessen eine Formulierung vorgeschlagen, die wir nun auch mitmachen: „Wir erwarten, dass alle Unternehmen, die von der
Zwangsarbeit profitiert haben, der Stiftung beitreten.“ Die bremischen Unternehmen sind nun offensichtlich eine Teilmenge von allen Unternehmen.
Ich weiß nicht, meine Damen und Herren, woher diese Angst, diese logische Binsenweisheit auch auszusprechen, kommt. Wir sind hier das Parlament des Landes Bremen. Wieso reden wir nicht auch von den Betrieben, die hier in Bremen gehandelt haben?
Ich meine, nach all dem, was in der Geschichte gewesen ist, sind diese Unternehmen nun weiß Gott keine Unberührbaren, über die man nicht einmal sprechen dürfte. Ich finde, die Zeiten des Darumherumredens sind nun wirklich vorbei.
Ich kann auch wirklich nicht einsehen, dass sich ein Unternehmen wie die Bremer Wollkämmerei, um ein extremes Beispiel zu nennen, das mehr als 1000 Zwangsarbeiter beschäftigt hat, immer noch blind und taub stellen kann.
Ich wiederhole, die Bremer Unternehmen, egal ob privat oder im kommunalen Besitz, müssen ihren Beitrag leisten, wie auch immer der aussieht. Die Wahrheit ist doch, dass nur die öffentliche Kritik, das Nennen von Namen und Adressen dazu geführt haben, dass in den letzten Monaten eine Reihe von Betrieben mehr beigetreten ist. Man konnte es verfolgen, nach jeder „heute“-Sendung, nach jeder „Panorama“-Sendung waren es dann wieder zwei, drei mehr. So ist es doch in Wirklichkeit gewesen. Das mag man traurig finden, aber es ist die Wahrheit. Deswegen kommen wir nicht darum herum, auch klar und deutlich zu sagen, welche Erwartungen wir hier in Bremen haben.
Meine Damen und Herren, im Herbst vergangenen Jahres haben es private Spenden, Spenden von Unternehmen wie auch Mittel des Senats möglich gemacht, ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus der Ukraine einzuladen. Das war eine ausgezeichnete Initiative, die wir sehr begrüßt haben. Diese alten Menschen haben, glaube ich, alle in Bremen tief beeindruckt durch die Schilderung ihrer Leiden, aber genauso auch durch die Offenheit und den Großmut, mit denen sie uns entgegengekommen sind. Aber klar war bei ihnen auch, dass sie auf ihrem Recht und ihren Ansprüchen bestanden haben, bei allem Großmut und bei aller Bescheidenheit.
gelegt. Es ist nun an uns, unseren Teil dazuzutun, damit wir, wenn die nächste Besuchergruppe in diesem Jahr dann aus Polen kommt, sie ebenso offen begrüßen und etwas zu ihr sagen können. Deswegen bitten wir Sie um Zustimmung zu dem gemeinsamen Antrag, das ist, glaube ich, ja klar. Unser Antrag ist damit von der Form her erledigt. Der gemeinsame Antrag spricht in der Sache, glaube ich, das aus, was notwendig ist. Ich bitte Sie darum, dies auch ebenso deutlich hier zum Ausdruck zu bringen!
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir sind auch sehr froh, dass dieser Antrag heute als gemeinsamer Antrag aller Fraktionen in dieser Bürgerschaft zustande gekommen ist. Das zeigt unserer Meinung nach, dass sich die demokratischen Kräfte in diesem Parlament, und ich möchte hinzufügen, auch in dieser Stadt, der Verantwortung stellen, die wir gemeinsam im gegenwärtigen Deutschland für das haben, was geschehen ist, für den Einsatz von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern, der auch hier in Bremen stattgefunden hat.
Der Abgeordnete Kuhn hat vorhin in seiner Erinnerungsrede darauf hingewiesen, dass es in Bremen viele Initiativen gibt, die sich mit der Aufarbeitung dieser Vergangenheit beschäftigen und die Erinnerung wach halten. Ich möchte darauf hinweisen, dass es auch in der Frage der Zwangsarbeiter Initiativen gibt. Ich möchte darauf hinweisen, dass unsere Kolleginnen und Kollegen von der ehemaligen Klöckner-Hütte, den heutigen Stahlwerken Bremen, sich sehr intensiv mit dem Einsatz von Zwangsarbeitern beschäftigt haben.
Auch mich hat der Besuch von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern aus Weißrussland sehr berührt, die in diesem Jahr zum ersten Mal im Rahmen eines Besuchsprogramms für ehemalige Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter auf Initiative des Vereins Valerjan Wrobel in Bremen waren. Auch mich hat sehr berührt, in wie starkem Maße hier die Bereitschaft zur Versöhnung da ist, die Bereitschaft zu reden über das hinweg, was geschehen ist, auch von Leuten, die selbst persönlich sehr stark dadurch betroffen worden sind, mit uns in Kontakt zu treten, auch für eine bessere Zukunft.
Deswegen finde ich es so wichtig und begrüße es, dass durch die Initiative der rotgrünen Bundesregierung, die endlich zustande gekommen ist, nun die Aussicht besteht, dass wenn auch keine Gerechtigkeit, keine Wiedergutmachung, das kann nicht geschehen, aber wenigstens der Respekt vor den
Opfern, die notwendige Anerkennung und das Helfen dieser Menschen in ihrer ja doch sehr schwierigen materiellen Situation, in der sie häufig leben, zum Ausdruck gebracht wird.
Ich glaube, dass heute und von dieser Stelle, von diesem Parlament die Botschaft ausgehen muss, dass wir in Bremen alles daran setzen werden, unseren Beitrag dafür zu leisten, dass nun sehr schnell eine Lösung zustande kommt und dass nicht noch durch finanzielle Streitigkeiten weitere Verzögerungen erfolgen.
Ich habe es schon angedeutet, auch Bremer Unternehmen sind beteiligt gewesen, auch in Bremer Unternehmen waren Zwangsarbeiter beschäftigt, sowohl in kommunalen, in öffentlichen als auch in privaten. Deswegen verstehe ich den Antrag so, dass wir sehr deutlich sagen, auch wir als Land Bremen und Stadtgemeinde Bremerhaven werden unseren finanziellen Beitrag leisten. Die Bremer Unternehmen sind aufgefordert, sich an der Initiative dieser Stiftung zu beteiligen und ihren finanziellen Beitrag, wie er ihrer Verantwortung entspricht, zu leisten.
Meine Damen und Herren, ich denke, wenn wir es in dieser Einigkeit und mit dieser Botschaft heute so verstehen, diesen Antrag und diese Entschließung hier zu verabschieden, haben wir einen bescheidenen, aber, wie ich glaube, auch angemessenen Beitrag gerade zu dem heutigen Erinnerungstag und zu dem heutigen Datum geleistet. — Vielen Dank!
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, dass die Rede von Herrn Dr. Kuhn heute zu Beginn der Sitzung des Parlaments, aber auch die Debattenbeiträge, die wir gerade gehört haben, noch einmal deutlich vor Augen geführt haben, auch gerade den Vertretern der jüngeren Generation, dass dies ein Thema ist, welches uns auch in den nächsten Jahren weiter beschäftigen wird, und dass der Beitrag, den diese Stiftungsinitiative leisten kann, nur ein sehr kleiner ist, dass der Hauptbeitrag insbesondere auch darin bestehen muss, dass dies, was in dem _______
NS-Regime an Gräueltaten verübt wurde, und da sind die Zwangsarbeiter ja nur eine Gruppe, auch die nächsten Generationen weiter bewegen muss, damit solche Sachen nicht in Vergessenheit geraten.
Aus diesem Grunde möchte ich mich auch noch einmal ganz herzlich beim Vizepräsidenten dafür bedanken, dass er uns das heute Morgen auch eindrücklich noch einmal in Erinnerung gerufen hat.
Ich möchte jetzt gar keinen langen Debattenbeitrag leisten, sondern ich möchte auf einige Punkte noch einmal eingehen, die in den Reden gerade noch einmal deutlich geworden sind. Ich bin froh, dass die Stiftungsinitiative weitestgehend zustande gekommen ist. Ich hoffe, dass insbesondere die fehlenden Mittel der Wirtschaft in den nächsten Wochen und Monaten, lieber wäre mir in den nächsten Wochen, möglichst schnell zusammengetragen werden. Ich finde, dass insgesamt der Bund, auch schon in den ersten Gesprächen mit den Ländern, ein deutliches Signal gesetzt hat und dass es jetzt Zeit wird, dass sich auch die Wirtschaft diesem Signal entsprechend anschließt.
Wohltuend heben sich die Gründer der Wirtschaft dieser Stiftungsinitiative hervor. Die Zuläufe in den letzten Wochen und Monaten sind dann leider nicht so geblieben, wie es beim Start dieser Initiative war. Deshalb, Herr Kuhn, verstehe ich nur bedingt Ihre Kritik, weil ich die Formulierung jetzt in dem gemeinsamen Antrag stärker finde, dass nämlich alle Unternehmen, die dort Zwangsarbeiter beschäftigt hatten, auch ihren Beitrag leisten müssen. Das beinhaltet natürlich auch die bremischen Unternehmen, das ist doch völlig klar.