Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Ich darf seit zwölf Wochen diesem Hohen Hause, der Herzkammer unserer Demokratie, angehören. Das ist meine erste Rede.
Seitdem haben wir schon ganz oft das wahre Gesicht einer Fraktion in diesem Raum gesehen. Sie hat deutlich gezeigt, wie stramm sie dem rechtsextremen Weg ihres Kollegen Björn Höcke folgt. Wollen Sie Beispiele hören? – Ich kann Ihnen vier Vorfälle nennen, die alleine in den letzten zwei Wochen geschehen sind.
Erstens. Darauf ist man heute schon öfter eingegangen: Es handelt sich um eine E-Mail, die zu diesem wunderbaren gemeinsamen Antrag geführt hat. Diese E-Mail belegt, dass ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Landtag dazu geraten hat, die Verhaftung eines anderen Abgeordneten im Landtag zu inszenieren, um dadurch gezielt auf die Delegitimierung unserer Landtagspräsidentin Ilse Aigner hinzuarbeiten. Damit ist aber nicht genug.
Zweitens. Derselbe stellvertretende Fraktionsvorsitzende hat vergangene Woche zu demselben Thema auf dem Landesparteitag in Mittelfranken Folgendes gesagt: "Wir müssen den Karnickeln in den Parlamenten den verdienten Nackenschlag versetzen und nicht unseren eigenen Parteikameraden." – Herr Böhm, darf ich das als Drohung auch mir gegenüber verstehen? Wie wollen Sie es machen, mit dem Bolzen oder der Keule? Wie wollen Sie hier mit unseren Kolleginnen und Kollegen umgehen?
(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN – Michael Hofmann (CSU): Herr Böhm, Ihr Lachen ist völlig unangebracht! Anscheinend freuen Sie sich schon darauf!)
Drittens. Auf demselben Landesparteitag grölten auf einer Party Delegierte einträchtig mit Mitgliedern der rechtsextremen Identitären Bewegung, mit der man angeblich nichts zu tun hat. Ich zitiere, auch wenn es schwer erträglich ist: "Deutschland den Deutschen, Ausländer raus."
Viertens. Was die Parole wohl bedeuten mag, darüber kann man ausgiebig in den Collektiv-Recherchen über ein Treffen von Großunternehmer:innen, AfD-Funktionär:innen, Personen der CDU-Werteunion und Größen der Naziszene in einer Villa in Brandenburg nachlesen.
Das ist nachweislich. Es liegen Fotos vor. Mit dabei ist Gerrit Huy, Bundestagsabgeordnete der AfD aus Weilheim. Das ist alles auf Fotos festgehalten.
Ich komme aus Augsburg. Dort gibt es den zweithöchsten Migrant:innenanteil in Deutschland. Augsburg ist eine wunderbare Stadt. Ich komme aus der Altenpflege. Ich habe in einer Einrichtung mit 200 Mitarbeiter:innen bzw. Kolleg:innen gearbeitet, die aus über 80 Ländern kamen. Bei unseren Azubis liegt der Migrationsanteil bei über 90 %. Ich liebe meine Kolleg:innen. Die AfD hasst uns wohl so sehr, dass sie die allermeisten meiner Kolleg:innen am liebsten abschieben würde. Das dürfen wir nicht zulassen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich lasse mir nicht meine Kolleg:innen, ich lasse mir nicht meine Chef:innen, ich lasse mir nicht meine Freund:innen und ich lasse mir auch nicht meine Nachbar:innen nehmen. Wer von uns ist als Nächstes dran? Erich Kästner hat einmal gesagt:
"Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. […] Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist."
Aus dieser Erkenntnis heraus haben uns die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes eine wehrhafte Demokratie vermacht. Wir müssen diese Instrumente aber auch nutzen. Wehret den Anfängen. Vorhin ist bereits erwähnt worden, dass die Anfänge schon vorbei sind. Wir stecken mitten im Kampf um unsere Verfassung und unsere Demokratie.
Aber was bedeutet das jetzt konkret für uns? – Wir können jetzt nicht nur bei diesem Antrag bleiben. Herr Aiwanger, Sie können jetzt etwas von einer jungen Abgeordneten lernen. Übernehmen wir erstens nicht die rechten Begriffe, Argumentationen und Narrative. Dies führt nur zu ihrer Legitimation und nicht zur Rückgewinnung von Wähler:innenstimmen.
Studien beweisen nachdrücklich, dass AfD-Wähler:innen am wenigsten von allen Wähler:innengruppen insgesamt bereit sind, für eine andere Partei zu stimmen, auch wenn man sich ihnen annähert.
Zweitens. Wir brauchen einen Konsens zwischen den demokratischen Parteien und die Rückkehr zum Streit um die besten Ideen und Inhalte.
Reines taktisches Fischen am rechten Rand und Bashing zerstören unsere Demokratie. Dieser Antrag ist ein gutes und wichtiges Zeichen: Lasst uns vereint in der Sache um die besten Ideen streiten, hart in der Sache, fair mit den Menschen, aber geeint gegen Rechts.
Drittens. Der beste Schutz für unsere Demokratie und unsere vielfältige Gesellschaft sind selbstbewusste und aufgeklärte Demokrat:innen, die für die Werte unserer Verfassung einstehen. Demokratie muss man lernen wie das Fahrradfahren. Dafür braucht es auch ein gut ausgestattetes Landesprogramm zur Förderung der Demokratie. Es braucht politische Bildung an den Schulen. Es braucht auch politisches und gesellschaftliches Engagement. Hier müssen wir uns an der eigenen Nase fassen. Bayern ist Schlusslicht bei der politischen Bildung. Das wissen wir schon lange. Das belegen auch zahlreiche Studien. Eine Verfassungsviertelstunde ist vielleicht drüben auf der rechten Seite ganz hilfreich, aber an unseren Schulen ist das zu wenig, um Herz und Charakter zu bilden, wie es unsere Bayerische Verfassung fordert.
Viertens. Die zahlreichen Beispiele, die ich gerade genannt habe, zeigen, dass wir leider sehr gute Chancen haben, das vierte Bundesland zu werden, in dem die AfD als gesichert rechtsextrem eingestuft wird. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat im September bestätigt, dass der Bayerische Verfassungsschutz zu Recht davon ausgeht, dass tatsächliche Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen in der AfD in Bayern bestünden. Diese Einschätzung trifft hier bei uns in Bayern allein der Verfassungsschutz. Wir haben in unserem Rechtsstaat zu Recht diese Trennung. Wir müssen uns hier in diesem Hause aber darüber im Klaren sein, dass das bald kommen kann und welche Konsequenzen wir daraus ziehen. Wir haben schon 2014 gesehen, dass es, wenn wir uns darüber keine Gedanken machen, zu spät ist. Wir haben das beim Freien Netz Süd gesehen, das wir als gesichert rechtsextrem eingeschätzt haben. Es hat sich eine Woche später als DER III. WEG neu gegründet und hat einfach alles mitgenommen. An diesem Punkt darf das nicht passieren, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir müssen uns die Frage stellen: Wie geht es mit der Einstellung von Beamtinnen und Beamten, wie geht mit der Parteienförderung weiter, und wie steht es um ein Parteiverbot auch auf Landesebene? "Nie wieder" ist immer, aber gerade jetzt.
Ich freue mich sehr, mit FREIEN WÄHLERN, CSU, GRÜNEN und mit meiner Partei jetzt ein Bollwerk gegen Rechts aufzubauen. Es ist an der Zeit. Ich freue mich, dass wir diesen Weg gegangen sind, liebe Kolleginnen und Kollegen, und das bei meiner ersten Rede. Ich freue mich. Vielen lieben Dank. Packen wir es an.
Hohes Haus, Herr Präsident! Eigentlich hätten wir nicht noch einmal das Wort ergriffen; auf die Rede von Herrn Graupner ist aber doch noch kurz zu erwidern.
Kolleginnen und Kollegen, wenn es eines Beweises bedurft hätte, wes Geistes Kind die auf der rechten Seite sind, dann sind das die Rede von Herrn Graupner und die Pressemitteilung, mit der die AfD diese Debatte momentan begleitet. Sie sind ein schlagender Beweis. Es ist ja nicht so, dass sich Herr Böhm nur einer Entschuldigung verweigert. Ich zitiere nur einen Satz aus dieser Pressemitteilung. In der Pressemitteilung wird er mit folgendem Zitat erwähnt. Herr Böhm sagt:
"Wenn ein Abgeordneter der Opposition aufgrund eines in der Sache äußerst fragwürdigen Haftbefehls im Landtag verhaftet worden wäre, hätte dies ein bezeichnendes Licht auf die immer wahrscheinlichere Beeinflussung der bayerischen Justiz durch die Kartellparteien geworfen."
Kolleginnen und Kollegen, wir haben es heute gehört: Die AfD delegitimiert die zentralen Organe der Exekutive, die unsere freiheitliche demokratische Grundordnung schützen. Sie sprechen davon, dass der Verfassungsschutz ein Büttel der Kartellparteien sei.
Die AfD delegitimiert die Demokratie und das Parlament, wenn sie die Landtagspräsidentin beleidigt und ihr einen Amtsmissbrauch vorwirft, der durch nichts belegt ist. Die AfD versucht, die Justiz als von den "Kartellparteien", von den Parteien außer ihr beeinflusst darzustellen. Sie stellt damit den Rechtsstaat infrage.
Sie legen die Axt an die zentralen Säulen unseres Staates. Sie legen die Axt an die Säule der Rechtsstaatlichkeit. Sie legen die Axt an die Säule der Demokratie. Sie legen die Axt an die Säule einer ordnungsgemäßen Verwaltung.