Protocol of the Session on January 24, 2024

Viele Menschen in Bayern haben einen direkten Bezug nach Thüringen und nach Sachsen, in diese wundervollen Bundesländer.

(Christoph Maier (AfD): Wir auch!)

Viele haben da Familie, Freunde, Bekannte. Ich möchte es ganz deutlich sagen: Natürlich ist es großartig, wenn Hunderttausende in Bayern auf die Straße gehen; aber ich möchte ganz besonders Danke sagen den Menschen in Weimar, in Jena, in Erfurt, in Dresden, aber inzwischen auch in Görlitz, in Freiberg, in Zittau, die unter ganz anderen politischen Rahmenbedingungen aufstehen und sich für die

Demokratie und für die Menschlichkeit einsetzen. Danke für Ihr Engagement! Wir sind ein Deutschland, und wir werden gemeinsam in einem starken Europa die Zukunft mit der Demokratie und nicht mit dem Rückfall in die Diktatur gestalten, in Bayern, in Thüringen, in Sachsen, in ganz Europa.

(Beifall bei den GRÜNEN, der CSU, den FREIEN WÄHLERN und der SPD – Zuruf von den FREIEN WÄHLERN: Bravo!)

Die Menschen stehen auf. Die breite Mitte zeigt, dass sie da ist, wenn es wichtig wird. Das tut gut. Vorher hat es sich fast ein bisschen ohnmächtig angefühlt. Die Krisen – Corona, Klima, Energie, Krieg, Inflation, Haushaltslage im Bund – haben uns alle ein Stück verunsichert. Vieles ist schwierig, negativ, anstrengend. Gleichzeitig legt die AfD in Umfragen zu, und es kam kaum Gegenwehr aus der Breite der Zivilgesellschaft – bis jetzt. Die bekannt gewordenen Deportationspläne der AfD und ihrer Unterstützer

(Widerspruch bei der AfD)

für Millionen von Menschen zeigen den Ernst der Lage.

(Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD): Das sind Ihre Gedanken!)

Es gibt keinen Grund anzunehmen, dass Sie es nicht tun würden, wenn Sie es tun könnten. Was erwartet uns denn sonst bei dieser AfD? – Ein Dexit, ein Ausstieg aus Europa, der Millionen von Arbeitsplätzen gefährdet. Bertram Brossardt von der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft sagt heute: Unser erfolgreiches Wirtschaftsmodell, unser Wohlstand wird durch dieses nationalstaatliche, undemokratische Denken gefährdet.

(Widerspruch des Abgeordneten Christoph Maier (AfD))

Meine Damen und Herren, wollen Sie Ihren Arbeitsplatz gefährden? – Sie tun das, wenn Sie AfD wählen. Sind Sie Ausländer? Haben Sie einen Migrationshintergrund? Haben Sie einmal jemanden mit Migrationshintergrund geholfen? Sind Sie ein anständiger Mensch, der sich für Humanität und Demokratie einsetzt? – Sie sind das. Sie könnten deportiert werden, und Sie kennen garantiert Menschen, die deportiert würden, wenn es nach diesen Gedanken ginge.

(Anhaltender Widerspruch bei der AfD)

Kennen Sie Menschen mit einer Behinderung? – Sie würden ausgegrenzt, wenn die AfD könnte, wie sie wollte. Das ist der Ernst der Lage. Das muss jeder und jede in diesem Land wissen, der sich überlegt, hier ein Kreuz zu machen.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, der CSU, den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Wie reagieren wir als Politik, im Parlament und auch außerhalb davon? – Zum einen ist eine Lehre der Weimarer Republik, dass der Demokratie die eigene Toleranz zum Verhängnis werden kann. Sie ist deshalb wehrhaft und muss es auch sein, wenn sie angegriffen wird: Keine Toleranz den Intoleranten!

Ein Verbot der AfD wird kontrovers diskutiert.

(Christoph Maier (AfD): Das der GRÜNEN auch!)

Die juristischen Hürden eines Parteiverbots sind hoch, die Erfolgsaussichten ungewiss. Sicherlich lässt sich ein Gedankengut nicht verbieten. Die Mütter und Väter der deutschen Verfassung haben uns dieses scharfe Schwert an die Hand gege

ben, um es einzusetzen, wenn es notwendig ist. Man soll es nicht leichtfertig machen, man soll es nicht überstürzt angehen, allerdings auch nicht aus Angst zurückschrecken.

(Widerspruch des Abgeordneten Christoph Maier (AfD))

Denn: Wenn man Verfassungsfeinde zu spät in die Schranken weist, dann kann es zu spät sein.

Meine Damen und Herren, ich bin daher dafür, dass man ein AfD-Verbot zumindest ernsthaft prüfen muss.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein milderes Mittel als das Parteiverbot wäre der Entzug der Parteienfinanzierung analog zum gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichts. In der Tat ist es absurd, dass die Demokratie Verfassungsfeinde, sogar gesichert rechtsextreme Landesverbände, finanziert. Das muss man auch juristisch sauber aufarbeiten, um Verfassungsfeinden die Finanzierungsgrundlage zu entziehen.

(Widerspruch bei der AfD)

Und doch: All das wird nicht reichen, wenn es uns nicht gelingt, Respekt und Vertrauen in den Staat und in die demokratischen Parteien zurückzugewinnen. Wir müssen inhaltlich und kommunikativ besser werden. Die Welt ändert sich, und die Politik kann nicht bleiben, wie sie ist, wenn wir unseren Wohlstand sichern, die Lebensgrundlagen erhalten und das soziale Miteinander gestalten wollen. Das geht nicht einfach so weiter, sondern es braucht Veränderung.

Dieser Prozess führt zu Streit, den wir nach sehr ruhigen Jahren der Ära Merkel vielleicht auch nicht mehr so gewohnt sind. Streit gehört genauso zur Demokratie wie der Kompromiss. Solange der Streit leidenschaftlich, aber nicht diffamierend geführt wird, solange es im Kern um die Sache, um die Menschen, und nicht um partei- und machtpolitische Interessen geht, ist der Streit notwendig und tut uns gut.

Eine Regierung macht Fehler, wie der Mensch Fehler macht. Die Aufgabe der Opposition ist die Kontrolle und der bessere Vorschlag.

(Prof. Dr. Ingo Hahn (AfD): Manche lernen aber aus Fehlern nicht!)

Nach meiner Einschätzung arbeiten der Bundestag und die Bundesregierung ein enormes Pensum an Ideen, Vorschlägen und Veränderungen ab,

(Lachen bei der AfD)

und sie machen viel Sinnvolles, wenngleich es auch nicht immer den Weg in die ganz große Öffentlichkeit findet. Ja, die Regierung, unsere Regierung, macht Fehler.

(Zuruf von der AfD: Sie ist ein Fehler!)

So ehrlich und selbstkritisch müssen wir sein, und das sind wir auch. Jeden Tag wird daran gearbeitet, dass es besser wird und dass es wieder besser gemacht wird. Gleichzeitig erfordert auch die Oppositionsarbeit Verantwortung in Inhalt und Stil. Das beginnt bei der Spitze der Opposition gegen die Bundesregierung, also beim Herrn Ministerpräsidenten. Der Wahlkampf ist vorbei, und es wäre an der Zeit, die Tonalität wieder anzupassen. Der Feind des Parlaments sitzt hier rechts und nirgendwo sonst.

(Beifall bei den GRÜNEN – Zuruf von der AfD: Nein, links!)

Herr Kollege Streibl, Sie sprechen gleich noch nach mir. Ich wollte Ihnen sagen: Mir haben Ihre Ausführungen in den letzten Tagen gut gefallen, auch deswegen, weil sie sich deutlich vom Stil Ihres Bundesvorsitzenden unterscheiden.

(Lachen bei der AfD)

Ich würde Sie einfach bitten, einmal mit Hubert Aiwanger zu sprechen und die letzten Monate zu reflektieren, von den Entgleisungen in Erding bis hin zu den jüngsten Äußerungen, dass der politische Mitbewerber, weil er eine andere Meinung hat, psychisch krank sei; und dann der Spott über die aktuellen Demonstrationen für Demokratie! Ich glaube, so sind die FREIEN WÄHLER eigentlich nicht.

(Zuruf von der AfD: Ach so!)

Ich kenne sie jedenfalls aus der Kommunalpolitik mit einem anderen Stil. Dem Ansehen Bayerns und, ich glaube, auch der Bayerischen Staatsregierung würde es guttun, den Ton wieder zu mäßigen und zu einem konstruktiven Miteinander zurückzukommen.

Herr Streibl, wenn ich es sage, dann hat es nicht so viel Wirkung. Ich setze auf Ihre Autorität. Danke, dass Sie das Gespräch suchen!

(Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)

Inhaltlich glaube ich schon auch, dass wir uns auch in Bayern noch mehr engagieren müssen, indem wir Vielfalt stärken, indem wir uns engagieren im Einsatz gegen falsche Fakten und Verschwörungsmythen, indem wir auch die politische Bildung noch aktiver angehen. Demokratie muss erlernt werden. Schauen Sie sich die Ergebnisse der U18-Wahlen an!

(Beifall bei der AfD)

Da wissen wir, dass wir was zu tun haben. Eine starke Gesellschaft braucht gute Rahmenbedingungen, gerade auch für das Ehrenamt in Bayern, das unser Land in grandioser Weise zusammenhält und bereichert. Wir sind da gut, wir machen da viel. Ich glaube, wir können da noch mehr tun und noch mehr entlasten. Es gilt, die Medienkompetenz zu stärken und mehr Demokratie zu wagen, beispielsweise durch Herabsetzung des Wahlalters und durch flächendeckende Jugendparlamente oder Ähnliches. Das sind alles Themen, zu denen wir sicherlich wieder in der Sache streiten werden, aber im Stil und im Respekt hoffentlich beieinander sind.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, einmal zu demonstrieren, ist gut, aber das wird nicht reichen. Der Geist des Hasses ist aus der Flasche, und so schnell fängt den niemand mehr ein. Die Politik wird es nicht alleine richten. Wir brauchen Sie. Wir brauchen Sie als Arbeitgeber:innen und als Arbeitnehmer:innen, bei den Familientreffen, im Freundeskreis, am Stammtisch, im Verein, in den Verwaltungen, in den Rettungsorganisationen. Wir brauchen uns alle.

Ich danke Ihnen stellvertretend für meine Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und als Bürger dieses Landes für die vielen spür- und sichtbaren Zeichen auf den Straßen. Das macht Hoffnung und Mut. Ich bitte Sie: Bleiben Sie, bleiben wir aufmerksam! Sprechen Sie es an, wenn Sie etwas Demokratie- und Menschenfeindliches mitbekommen! Klären Sie darüber auf, dass die Demokratie und unsere freie Gesellschaft von unseren Vorfahren in einem unglaublich schmerzhaften Prozess errungen wurden und es unsere gemeinsame Aufgabe ist, die Demokratie zu schützen, zu stärken und immer weiter zu verbessern! Wehret den Anfängen! Wir sind mittendrin.

Es ist wichtig, dass wir offen miteinander reden und nicht nur übereinander. So wie der Mensch die Macht hat, seine Welt zu zerstören, so hat er auch die Macht, sie zu einem besseren Ort für uns alle zu machen. Wir haben es selbst in der Hand. Jede Zeit hat ihre Aufgaben. Die Aufgabe unserer Zeit ist es, eine krisenfeste Gesellschaft demokratisch und nachhaltig zu gestalten.

Um Krisen zu meistern, brauchen wir Zusammenhalt – den Zusammenhalt auf Basis der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, der Demokratie und der Würde des Menschen. – Herzlichen Dank.

(Lebhafter Beifall bei den GRÜNEN, der CSU, den FREIEN WÄHLERN und der SPD)