Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die 8. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen für die Teilnahme an der heutigen Gedenkveranstaltung ganz herzlich. Sie war sehr beeindruckend, insbesondere die Reden der Zeitzeugen.
Bevor wir in die Sitzung eintreten, möchte ich auf ein besonders Jubiläum hinweisen. Vor 75 Jahren ist der Bayerische Landtag in das Maximilaneum eingezogen, nämlich genau am 12. Januar 1949. Seither ist das politische Hohe Haus im wahrsten Sinne des Wortes ein hohes Haus. Wir thronen aber nicht über den Leuten, sondern wir dienen als Souverän dem Volk und damit der Demokratie. Das wollte ich erwähnen. Das ist auch ein Jubiläum, das an uns nicht unerwähnt vorübergehen sollte.
Ein weiteres Jubiläum will ich ansprechen. Wir haben ein Geburtstagskind, das einen halbrunden Geburtstag feiern konnte; es ist noch nicht da. An dieser Stelle wünsche ich Kollegen Florian von Brunn alles Gute zum halbrunden Geburtstag. Ich gratuliere ihm im Namen des Hohen Hauses.
Bevor ich Tagesordnungspunkt 1 aufrufe, möchte ich noch den Hinweis geben, dass für die nachher stattfindenden Wahlen Namenskarten zu verwenden sind. Die Kolleginnen und Kollegen wissen schon, dass diese vor der Tür abzuholen sind.
Darüber hinaus gebe ich bekannt, dass für den durch Beschluss des Ausschusses für Wohnen, Bau und Verkehr am 28. November 2023 einstimmig eingesetzten Unterausschuss "Parlamentarisches Begleitgremium zum Bau der 2. S-Bahn-Stammstrecke München", Kurzbezeichnung "Zukunft Stammstecke", von den Fraktionen folgende acht Mitglieder benannt wurden: Für die CSU-Fraktion die Abgeordneten Jürgen Baumgärtner, Josef Schmid und Martin Wagle, für die Fraktion FREIE WÄHLER die Abgeordneten Tobias Beck und Martin Behringer, für die AfDFraktion der Abgeordnete Benjamin Nolte, für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN der Abgeordnete Dr. Markus Büchler und für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Sabine Gross. Die konstituierende Sitzung des Unterausschusses hat gestern stattgefunden. Zum Vorsitzenden wurde der Abgeordnete Jürgen Baumgärtner gewählt, zum stellvertretenden Vorsitzenden der Abgeordnete Tobias Beck. Ich bitte um entsprechende Kenntnisnahme.
Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Pflegendenvereinigungsgesetzes (Drs. 19/146) - Erste Lesung
Begründung und Aussprache werden nicht miteinander verbunden. – Zur Begründung erteile ich der Staatsministerin Judith Gerlach das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle wissen ja: Die Situation in der Pflege ist ernst. Wir brauchen mehr Personal. Wir haben eine wachsende Anzahl an pflegebedürftigen Menschen. Diese Zahl wird sich in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch erhöhen. Da kommt viel auf uns zu. Das ist eine große Herausforderung, die wir als gesamtgesellschaftliche Aufgabe gemeinsam zu stemmen haben.
Um das Bestmögliche zu tun, um die Versorgung weiter aufrechtzuerhalten, brauchen wir neue Maßnahmen. Ein Gelingen ist im Grunde genommen nur dann möglich, wenn die Arbeitsbedingungen in der Pflege besser werden, wenn wir vor allem den Pflegeberuf attraktiver machen. Dafür setzt sich die Bayerische Staatsregierung auf vielen Ebenen ein. Das alleine reicht aber noch nicht. Die Pflege muss auch von sich heraus, von innen heraus gestärkt werden. Der Pflegeberuf braucht mehr Gewicht; er braucht vor allem eine stärkere Stimme in der Öffentlichkeit.
Genau aus diesem Grund wurde schon 2017 die Vereinigung der Pflegenden in Bayern als freiwilliges Modell gegründet. Die Berufsgruppe sollte mithilfe einer starken Selbstverwaltung ihre Interessen wirksam gegenüber der Gesellschaft, aber natürlich auch gegenüber der Politik vertreten.
Dieses Ziel ist nach wie vor richtig; wir mussten aber feststellen, dass die professionell Pflegenden die Vereinigung noch nicht ausreichend angenommen haben; die Vereinigung hat noch nicht ausreichend Mitglieder. Die Vereinigung zählt momentan 3.500 Mitglieder bei potenziell 150.000 Mitgliedern. Das ist natürlich viel zu wenig.
Auch die Kammerlösung scheint kein Allheilmittel zu sein. Das zeigen die Erfahrungen in Niedersachsen und in Schleswig-Holstein. Immerhin erkennt das jetzt auch endlich der Bund an. Das Bundesgesundheitsministerium hat am 19. Dezember 2023 Eckpunkte für ein Pflegekompetenzgesetz vorgelegt. – Gut so! Damit soll der Deutsche Pflegerat als zentrale, als berufsständische Vertretung mit einer Treuhandfunktion installiert werden.
Um dies genauer zu ergründen, hat das bayerische Pflegeministerium 2021 ein Gutachten in Auftrag gegeben. Das Ergebnis war: Die Vereinigung ist durchaus ein geeignetes Modell einer berufsständischen Vertretung. Das ist gut. Das Gutachten hat aber auch gezeigt, dass sie weiterentwickelt werden muss, um letztendlich auch die gewünschte Stärke zu entfalten.
Mit der Frage, wie diese Weiterentwicklung aussehen sollte, haben sich Experten in einem vom Pflegeministerium eingesetzten Ausschuss beschäftigt; dieser wurde noch von meinem Vorgänger Klaus Holetschek eingesetzt. Ihm gehörten Vertreter der Vereinigung der Pflegenden in Bayern, des Bayerischen Landespflegerates und der Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft in Bayern an. Sie haben gemeinsam Empfehlungen zur Reform, zur Weiterentwicklung erarbeitet.
Damit die Reform des Freiwilligenmodells gelingt, müssen wir die Empfehlungen der Fachleute jetzt auch gemeinsam umsetzen. Genau dafür brauchen wir den vorliegenden Gesetzentwurf. Er ist die Grundlage für die Umsetzung der Empfehlungen und somit der erste große Schritt hin zum Reformierungsprozess.
Erstens. Wir schaffen eine gesetzliche Grundlage für ein verpflichtendes Berufsregister. Dieses sieht vor, dass sich alle in Bayern tätigen Pflegekräfte bei der Vereinigung registrieren lassen müssen. Das ist nicht zu verwechseln mit einer Mitgliedschaft in der Vereinigung; diese bleibt weiterhin freiwillig. Uns kommt es hier auf die Registrierung an. Neben Namen, Anschrift und Geburtsdatum werden natürlich – und das ist besonders wichtig – pflegerische Fortbildungs- und Weiterbildungsbezeichnungen, Angaben zur Tätigkeit, zum Versorgungsbereich, zum Arbeitgeber oder die konkrete Berufsbezeichnung abgefragt. Wir erhalten damit ein viel klareres Bild von der Anzahl, der Altersstruktur und über das Qualifikationsniveau von Pflegekräften in einzelnen Regionen und können dann auf dieser Grundlage auch wichtige Voraussagen für die Zukunft machen.
Wir können so nicht nur die regionale personelle Versorgungssituation erkennen, sondern daran zum Beispiel auch den Bedarf an Fort-, an Aus- und Weiterbildungen ausmachen. Wir können also personelle Risiken aufdecken und somit frühzeitig Lücken entgegentreten und mit guten, geeigneten Maßnahmen auch gemeinsam entgegensteuern.
Gemeinsam mit den Beteiligten und mit dem Bürokratieabbaubeauftragten, dem Kollegen Walter Nussel, haben wir einen Praxischeck durchgeführt, um eine pragmatische, vor allem aber digitale, bürokratiearme Umsetzung vorzubereiten.
Zweitens. Wir schaffen den Beirat der Vereinigung der Pflegenden ab. Immer wieder wurde an dem Freiwilligenmodell kritisiert, dass Arbeitgeberinteressen in der Vereinigung berücksichtigt werden; dies würde dem Kerngedanken der Eigenständigkeit einer berufsständischen Vertretung widersprechen. Wir erhoffen uns dadurch natürlich, dass die Vereinigung künftig auf Landes- und auf Bundesebene vor allem mit den anderen Pflegekammern anschlussfähig wird.
Dritter Punkt: Wir fixieren den gesetzlichen Auftrag an die Vereinigung, eine einheitliche und vor allem zeitgemäße Berufs- und Weiterbildungsordnung für Pflegefachkräfte zu entwickeln. Das war überfällig. Nun hat die Vereinigung der Pflegenden in Bayern die Federführung für die Profession Pflege, um eine solche Ordnung zu erstellen.
Viertens. Wir rufen eine Kommission zur Begleitung des Reformprozesses ins Leben. Das ist mir ein besonders wichtiges Anliegen; denn die Pflege muss endlich mit einer Stimme sprechen. Aus ehemaligen Kritikern des Freiwilligenmodells werden so wichtige Partner und vor allem Unterstützer für eine wichtige Sache, unter der sich alle vereinigen. Daher muss der oben genannte Ausschuss seine Arbeit unbedingt fortführen, um die Akzeptanz auch innerhalb der eigenen Berufsgruppe zu stärken. Das heißt, der Bayerische Landespflegerat und die Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft in Bayern begleiten gemeinsam mit der Vereinigung den Reformprozess weiter.
Ganz entscheidend ist letzten Endes eines: Die Pflegenden in Bayern müssen endlich erkennen, welches Gewicht und auch welche Macht sie haben, wenn sie sich zusammentun und wenn sie gemeinsam für ihre Sache eintreten und dafür streiten. Vielleicht ist genau das der Punkt: Sie müssen ein Bewusstsein für ihre gemeinsame Sache entwickeln.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Ergebnis des Reformprozesses ist für mich, wie schon für meinen Amtsvorgänger, noch offen. Klar ist aber eines: Die Vereinigung der Pflegenden ist da. Sie hat schon in der Vergangenheit Wichtiges geleistet. Ich möchte an dieser Stelle nur an den Pflegepool in der Corona-Pandemie erinnern. Um aber für die Profession selbst präsenter zu werden, müssen wir sie jetzt reformieren. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf legen wir dafür den Grundstein. Die Vereinigung erhält mehr Kompetenzen wie etwa die Aufgabe der Registrierstelle oder der Erstellung einer einheitlichen Weiterbildungsordnung für die Pflege, also typische Aufgaben einer berufsständischen Vertretung. Dadurch wird sie für die Berufsgruppe natürlich auch sichtbarer und damit attraktiver. Erfreulich ist, dass der Bayerische Landespflegerat und die Landes-Dekanekonferenz Pflegewissenschaft bereit sind, die Pläne zur Weiterentwicklung der Vereinigung – vor allem für die Registrierung, die sehr wichtig ist – zu unterstützen.
Ich danke allen, die sich an diesem Reformprozess beteiligt und sich intensiv darin eingebracht haben, für die ganze Arbeit. Jetzt, da alle zusammen an einem Strang ziehen, können wir mit Recht darauf hoffen, dass wir die Basis der beruflich Pflegenden auch tatsächlich abholen.
Vielen Dank, Frau Staatsministerin. – Ich eröffne die Aussprache. Dafür wurden 29 Minuten vereinbart. Als Erstem erteile ich dem Kollegen Matthias Vogler für die AfD-Fraktion das Wort.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, geschätzte Kollegen, liebe Bürger! Der eingebrachte Gesetzentwurf der Regierung zur Änderung des Pflegendenvereinigungsgesetzes, über den wir heute hier zu befinden haben, ist vielleicht gut gemeint, aber übergriffig und ungeeignet. Die im Jahr 2017 von der Staatsregierung ins Leben gerufene Körperschaft des öffentlichen Rechts mit dem Namen "Vereinigung der Pflegenden in Bayern" – kurz VdPB genannt –, die dazu geschaffen wurde, die Interessen der Pflegeberufe zu vertreten, zu fördern und zu stärken, verzeichnete bisher eine freiwillige Mitgliedschaft mit Ausnahme der Praxisanleiter. Derzeit sind gut 3.500 Mitglieder registriert. Der vorliegende Gesetzentwurf strebt nun an, dieser Vereinigung mehr Befugnisse und Rechte zu gewähren.
Der bisherige Beirat aus den Arbeitgebern soll gänzlich entfallen. Stattdessen will die Staatsregierung eine 13-köpfige Kommission einsetzen können. Dadurch werden die Interessen der Arbeitgeber, die maßgeblich zur Aus- und Weiterbildung beitragen, gänzlich ignoriert. Zitat:
"Zur Förderung und Sicherstellung der Pflegequalität und der pflegerischen Versorgung soll […] ein verpflichtendes Berufsregister für Pflegefachpersonen geschaffen werden."
So der Gesetzentwurf. In diesem Register muss sich dann jeder Pfleger in Bayern verbindlich mit allen Daten wie Name, Vorname, Anschrift, Mobilitätsgrad, Arbeitgeber sowie Aus- und Weiterbildung anmelden. Der gläserne Pfleger ist damit zumindest in Bayern erschreckende Realität geworden. Durch diese Maßnahme versprechen Sie sich eine bessere Qualität in der Pflege. Ist das Ihr Ernst?
Durch die Erfassung aller personenbezogenen Daten sowie die Pflicht zur Registrierung ist dies keine freie Berufsausübung mehr, sondern dies zeugt von einem abgrundtief misstrauischen und übergriffigen Staat. Die Pflegeberufe werden durch die Datenerfassung nicht attraktiver oder besser. Nein, es wird lediglich mehr Bürokratie verursacht. Wir lehnen die verpflichtende Registrierung ab, weil sie die Berufsfreiheit unnötig einschränkt. Es sollte jedem Bürger freistehen, seine Interessen frei in gewählten Vertretungen und Vereinigungen zu vertreten. Außerdem existieren Alternativen zur Erfassung dieser Daten, die direkt auch bei den selbstständigen Arbeitgebern erhoben werden können.
Wir plädieren für eine attraktivere Gestaltung des Pflegeberufs mit weniger Bürokratie und mehr Zeit für den Patienten und die Betreuung der Bewohner, für eine angemessene Bezahlung sowie regelmäßige und planbare Schichtzeiten. Die Wertschätzung für die Pflegeberufe muss sich in konkreten Maßnahmen widerspiegeln und darf nicht in Bürokratie und persönlichen Eingriffen in die Berufsfreiheit enden. Sorgen Sie beispielsweise vielmehr dafür, dass Entlastungen in den Krankenhäusern in Bayern passieren, indem die Pfleger nicht mehr massenhaft abgelehnte und geduldete Asylanten behandeln müssen, die extra zum Rundum-sorglos-Paket in unsere Krankenhäuser kommen und dort viele Pflege- und OPKapazitäten belegen. Dies geht schon seit Jahren zulasten der eigenen Bevölkerung.
Wo ist denn darüber hinaus die gelobte Wertschätzung von den Pflegern geblieben, als sich während Corona Zigtausende Pflegekräfte in Deutschland zwangsimpfen lassen mussten, obwohl sie gesund und mehrfach getestet waren? Wo war die Würdigung als leidenschaftliche Pflegekräfte, die ihren Beruf mit Hingabe ausübten, dabei ihr Recht auf körperliche Unversehrtheit beanspruchten und dafür aus dem Dienst entlassen worden sind?
Wo blieben in dieser Situation die verdiente Wertschätzung für die Pflegekräfte und die Bemühungen um die Aufrechterhaltung einer hochqualitativen Pflege? Zahlreiche Pfleger sahen sich gezwungen, ihren Beruf aufzugeben. Die alleinige Verantwortung dafür liegt bei der Regierung in München und in Berlin.
Aber gut, was will man von einer Regierung erwarten, deren Anführer Mitglieder unserer AfD als parasitäre Gruppe bezeichnet, wie der "Focus" berichtet, und damit an dunkelste Zeiten erinnert, gerade am heutigen Tag?
Fördern Sie lieber die Freiwilligkeit der Mitgliedschaft, wenn Sie schon die eigene Interessenvertretung, die sicherlich nicht unabhängig agieren kann, mit mehr Mitgliedern versehen wollen. Sie haben es versäumt, uns überzeugende Nachweise dafür zu liefern, dass die vorgeschlagenen Maßnahmen notwendig oder effektiv sind.
Viele Pfleger sind der Vereinigung der Pflegenden in Bayern nur beigetreten, um ihre schiere Anzahl zu demonstrieren, nicht jedoch aus Überzeugung, einen konkreten Nutzen in der Arbeit der VdPB zu sehen oder diesen bisher erlebt zu haben. In diesem Sinne kann die AfD-Fraktion diesen Gesetzentwurf nur ablehnen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, Hohes Haus! Ich werde die Vorworte weder kommentieren, noch werde ich darauf eingehen; denn es ist keine einzige Silbe wert, darauf einzugehen, auch weil es heute um etwas ganz anderes geht als um das, was gerade dargestellt worden ist.
Werte Kolleginnen und Kollegen, heute geht es um die Erste Lesung der Änderung des Pflegendenvereinigungsgesetzes. Die Ministerin hat hier viele Punkte vorgebracht, die ich ein Stück weit auch bekräftigen möchte. Ich glaube, dass es zumindest bei den demokratischen Gruppierungen hier im Hohen Haus überhaupt keine Frage ist und dass wir uns darüber einig sind, dass es notwendig ist, dem Pflegenotstand entgegenzutreten und alles, was in unseren Möglichkeiten steht, auch zu tun. Das bedeutet, wir müssen versuchen, den Pflegeberuf attraktiver zu machen. Wir müssen die Pflegenden stärken, und das durch eine starke Selbstverwaltung.