Es geht konkret um die Verpflichtung von Kindern zum Kita-Besuch, wenn ihnen unzureichende Sprachkenntnisse attestiert werden. Auf dem Papier klingt das erst einmal ganz vernünftig. Jedoch passt es leider im Moment nicht zur bayerischen Realität. Es ist schon in der Ersten Lesung angesprochen worden, dass uns hierzulande Abertausende Kita-Plätze fehlen, laut einer Bertelsmann-Studie aus dem letzten Jahr etwa 70.000. Ich muss Ihnen eigentlich nicht sagen, wozu es führt, wenn Sie anfangen, Kinder mit Sprachdefiziten zwangszuverpflichten. Das steht nämlich in der Stellungnahme des Evangelischen KITA-Verbands Bayern zum Gesetzentwurf. Der warnt wie übrigens auch die kommunalen Spitzenverbände davor, dass das in erheblichem Maß zu gesellschaftlichen Spannungen führen wird.
Wissen Sie was? – In diesem Punkt haben die Verbände recht; denn die angedachte Regelung bedeutet de facto, dass ausgerechnet die einheimische Bevölkerung und gut integrierte Zuwanderer wieder einmal die Zeche für eine selbstzerstörerische Migrationspolitik zahlen dürfen. Schließlich sind es deren Kinder, für die dann allzu oft keine Kita-Plätze mehr zur Verfügung stehen. Das kann es doch nicht sein. Ich kann doch nicht immer denen Stöcke zwischen die Beine schmeißen, die dieses Land noch am Laufen halten.
Es ist schlimm genug, dass es laut Auskunft der Ministerin schon jetzt zur Benachteiligung von gut Deutsch sprechenden Kindern kommen kann. Aber mir fällt, ehrlich gesagt, auch nichts mehr ein, wenn man sehenden Auges die weitere Eskalation dieses Missstandes riskiert.
Da hilft es auch nichts, sich mit verschränkten Armen auf die Position zu stellen, dass doch ohnehin jedes Kind einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz hat. Wenn in den Kommunen kein Geld dafür da ist und es nicht genug geeignetes Personal auf dem Markt gibt, dann geht es halt im Moment so nicht.
Der Ansatz, an die Sprachstandserhebung auch verpflichtende Fördermaßnahmen zu koppeln, wenn es mit Deutsch hapert, ist folgerichtig. Aber diese Kurse müssen
außerhalb des Kita-Systems angesiedelt werden. Es bringt nichts, mit irgendwelchen Geisterarmeen nichtexistierender Kita-Betreuer zu planen. Stattdessen wird der Freistaat wohl oder übel mit eigenen Mitteln ein separates Fördersystem etablieren müssen, das garantiert, dass unsere Bürger nicht die "Politik der offenen Grenzen" mit dem Bildungserfolg und den Zukunftschancen der eigenen Kinder bezahlen müssen.
In diesem Sinne: Die verpflichtenden Sprachstandserhebungen sind ein wichtiges Puzzlestück, aber leider steckt es im falschen Bausatz. Es muss flankiert werden mit deutlich intensivierten Programmen zur Gewinnung von Lehrkräften und Betreuern, der Einführung von schmerzhaften Sanktionen gegen integrationsunwillige Eltern und vor allem einer konsequenten Abschiebepolitik. Dieses Land ist mittlerweile schlicht überlastet und dieser zugegeben gut gemeinte Gesetzentwurf unter den bestehenden Rahmenbedingungen leider zum Scheitern verurteilt. Es gibt nichts Richtiges im Falschen. Deswegen enthalten wir uns. Dem Änderungsantrag, der lediglich den Begriff der Schulpflicht konkretisiert, stimmen wir natürlich zu.
Vielen Dank. – Der nächste Redner ist der Kollege Dr. Martin Brunnhuber für die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Bitte schön, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Vizepräsident, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuhörer auf der Tribüne! Herr Walbrunn, Sie haben jetzt gesagt, dass es sich um eine Einzelmaßnahme handeln würde. Hier muss ich schon widersprechen. Es handelt sich nämlich um eine der vielen Maßnahmen, die wir im Zuge der Pisa-Offensive gemacht haben. Natürlich geht es immer weiter. Wir müssen schauen, dass wir Zug um Zug unsere bestehenden Ressourcen da einsetzen, wo es notwendig ist. Ein großer Ansatzpunkt und ein wichtiger Hebel ist die Sprache. Hier sind wir uns einig. Alle Verbände sind sich einig, dass die Sprachförderung so früh wie möglich passieren muss und vor allem vor dem Schulbeginn. Vor dem Schulbeginn hat man nämlich noch die Möglichkeit zur Nachsteuerung. In der Schule würden erkannte Sprachdefizite sofort in einen Misserfolgszirkel führen, was wiederum zu Schulversagern und zu gescheiterten Bildungswegen führt. Das wollen wir alle nicht. Wir können uns das letzten Endes auch nicht leisten, weil wir die Ressource brauchen; wir brauchen Zuwanderung und wir müssen die bestmögliche Förderung liefern. Da sind wir uns auch einig.
Es ist klar, wie die Fördermaßnahmen aussehen: eineinhalb Jahre vor Schulbeginn wird es jetzt einen verpflichtenden Sprachtest geben. Diese Verpflichtung führt dazu – das haben wir auch noch nie gehabt –, dass wirklich bei jedem Kind überprüft wird, ob die sprachlichen Fähigkeiten für die Schule ausreichen. Das ist neu, und das ist auch gut. Für diese Verpflichtung muss man aber Ressourcen bereitstellen, da daraus ein Verwaltungsakt folgt. Diese Sprachtests müssen von qualifizierten Beratungslehrern durchgeführt werden. Diese müssen Sprachdefizite bescheinigen, damit vonseiten der örtlichen Grundschule gegebenenfalls ein verpflichtendes letztes Kindergartenjahr mit Sprachförderprogramm angeordnet werden kann. Das ist auch richtig. Hier sind wir uns auch einig. Dieser Prozess bindet natürlich Ressourcen.
Jetzt kommen wir zu den Kritikpunkten, die bei der Verbandsanhörung genannt worden sind. Es ist folgerichtig, dass diese Ressourcen dauerhaft bereitgestellt werden müssen. Wir haben hier schon einiges geleistet: Das Kultusministerium hat hier 50 Vollzeitäquivalente reingesteckt, um diesem Vorwurf entgegenzuwirken.
Das ist ein Anfang, und über diesen Anfang muss man nachdenken. Das habe ich bei der Ersten Lesung schon gesagt. Es wird so sein, dass wir Zug um Zug Kapazitäten, die beispielsweise in der Grundschule frei werden, vermehrt in die Sprachförderung verschieben müssen. Das ist auch klar. Dass wir die Kapazitäten jetzt noch nicht haben, ist eine seriöse Aussage. Wir können nämlich nicht so tun, als wenn schon alles glorreich wäre und wir das Ende schon erreicht hätten.
Meine Damen und Herren, das ist Realpolitik. Wir müssen schauen, dass wir Zug um Zug das Optimum aus diesem System herausholen. Die neuen Verfahren werden getestet. Es wird wahrscheinlich jetzt erst einmal zu einem erhöhten Verwaltungsaufwand kommen. Die Grundschulen, Kindertageseinrichtungen und Eltern müssen unterstützt werden, damit dieser Aufwand so klein wie möglich gehalten wird. Das ist auch klar. Aus jeder Verpflichtung folgt, dass man bestimmte Prozesse optimieren muss.
Eine weitere Frage, die im Rahmen der Verbandsanhörung gekommen ist, war, ob wir diesen ganzen Prozess digital abbilden können. Ja, wir sind dran. Das muss das Ziel sein. Wir haben das Ziel noch nicht erreicht. Warum haben wir das Ziel noch nicht erreicht? – Ein Gegenargument war, dass wir einfach länger darüber hätten nachdenken müssen. Das könnte man machen. Aber irgendwann muss man halt starten. Der Start jetzt ist genau richtig, wohl wissend, dass wir dieses System optimieren müssen, wohl wissend, dass wir Unterstützungsleistungen einbringen müssen. Wir machen das nicht für uns, sondern für die Bildungsgänge unserer Schülerinnen und Schüler in Bayern.
Danke schön, Herr Kollege. – Die nächste Rednerin ist die Kollegin Gabriele Triebel für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte, Sie haben das Wort.
Verehrtes Präsidium, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Bildung schon im Kindergarten ist kein Luxus, sondern eine Notwendigkeit für einen guten Schulstart – wir haben es gehört –, eine erfolgreiche Schullaufbahn und alles, was danach kommt. Es ist schon etwas dran an der alten, abgedroschenen Redewendung. "Was Hänschen nicht lernt, lernt Hans nimmermehr." Wir sind einer Meinung, dass wir die frühkindliche Sprachförderung stärken müssen. Die Pisa-Ergebnisse halten uns diese Notwendigkeit unmissverständlich vor Augen.
Die jetzige Situation ist diese: Schon heute werden laut Sozialministerium alle Kinder in den bayerischen Kitas mit Sprachstandstests erreicht. Diese Tests sind qualitativ gut. – Herr Kollege Brunnhuber, Sie sehen, ich lobe Sie, ich lobe die Arbeit der Staatsregierung. Ich bitte, das zur Kenntnis zu nehmen.
Wenn dabei festgestellt wird, dass Kinder eine besondere Sprachförderung brauchen, dann müssen die Kitas schon heute für eine Sprachförderung sorgen. Das Problem ist nur, dass es viel zu wenig Menschen gibt, die diese Aufgabe im Nachgang übernehmen können. Das vorliegende Gesetz schreibt dem Kitapersonal nun zusätzlich vor, von allen Kindern ein schriftliches Testat über deren ausreichende Sprachfähigkeit zu erstellen. Kinder ohne Sprachzertifikat müssen dann noch einmal verpflichtend in der Grundschule getestet werden.
Der Gesetzentwurf verkompliziert also etwas, was es schon gibt. Er baut eine Doppelstruktur auf. Er produziert ein Mehr an Arbeitszeit, ein Mehr an Kosten, die alle Kitas und Kommunen tragen müssen, sowie ein Mehr an Bürokratie für das pädagogische Kitapersonal. Wir alle wissen an dieser Stelle, dass es das Personal in den Kitas gar nicht gibt oder schon jetzt völlig überlastet ist. Grundschullehrkräfte, die im Moment auch nicht gerade in Hülle und Fülle zur Verfügung stehen, sollen dann noch im Schnellverfahren alle Kinder ohne Sprachzeugnis durchtesten. Das Beste ist: Durch dieses Gesetz lernen die Kinder kein einziges weiteres Wort. Es gibt mehr Bürokratie, mehr Kosten, aber keine Verbesserung für die Kinder.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen von den Regierungsfraktionen, am besten nehmen Sie dieses Gesetz schnurstracks mit in die Enquete-Kommission für Bürokratieabbau und entsorgen es dort.
Momentan erhalten etwas mehr als 20 % der Erstklässler eine Sprachförderung im Vorschulalter. Das ist eindeutig zu wenig. Das kann Ihnen jede Kita- oder Grundschullehrkraft sagen, wenn Sie sie fragen würden. Dafür brauchen Sie aber keinen neuen, zusätzlichen Test; denn es liegt nicht am bestehenden Diagnosesystem; es liegt an der mangelnden Sprachförderung, die nach dem Test kommt.
Bei einem Schulbesuch letzte Woche habe ich mit einer Lehrkraft über diesen Gesetzentwurf gesprochen. Sie sagte wörtlich: Vom Wiegen wird die Sau nicht fetter. Das war ihre sehr kurze, aber sehr treffende Aussage. Fachverbände und Kommunen wissen das auch. Sie haben die Mängel dieses Gesetzes detailliert dargelegt. Hören Sie doch auf diejenigen, die dieses Gesetz in der Praxis vollziehen müssen. Legen Sie mit deren Expertise ein neues Gesetz vor, mit dem die Kinder wirklich mehr und besser gefördert werden.
Chancengerechtigkeit in der Bildung beginnt bereits in der Kita; das haben Sie richtig festgestellt. Das wissen wir alle. Dort wird der Grundstein für eine erfolgreiche Schullaufbahn gelegt und damit auch für das spätere Berufsleben. Wir und – in diesem Fall – Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU und den FREIEN WÄHLERN, sind dafür verantwortlich, allen Kindern in Bayern die bestmöglichen Startchancen zu geben. Dazu gehört auch die gezielte und umfassende Sprachförderung.
Mit dem vorliegenden Gesetz schaffen Sie leider nur mehr Kosten und Bürokratie, aber nicht mehr Bildung für die Kinder und damit auch nicht mehr und bessere Zukunftschancen für sie. – Daher lehnen wir diesen Gesetzentwurf ab.
Danke schön, Frau Kollegin. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Simone Strohmayr für die SPD-Fraktion. Bitte, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Kein Kind wird mit diesem Gesetz besser Deutsch lernen, und das ist schade.
Das ist sehr schade; denn es ist eine vertane Chance für mehr Gerechtigkeit, für mehr Chancengleichheit, für bessere frühkindliche Bildung hier in Bayern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist eine Gemeinheit gegenüber den Kindern, die mehr frühkindliche Förderung bräuchten; sie alle werden keine Verbesserungen
bekommen. Warum ist das so? – Mit diesem Gesetz soll lediglich ein neues Sprachtestverfahren für Kinder eingeführt werden. Dabei ist zu erwähnen: Es gibt bereits solche Sprachtestverfahren, nämlich Seldak und Sismik. Völlig unklar bleibt im Gesetzentwurf, wie die bessere Förderung der getesteten Kinder erfolgen soll. Zusätzliche Ressourcen – so viel ist klar – gibt es mit diesem Gesetzentwurf weder für die Kitas noch für die Grundschulen.
Ich kann nur wiederholen, was meine Kollegin gerade gesagt hat: Vom Wiegen und Messen allein wird die Sau nicht fett, soll heißen: Vom Testen allein lernt kein Kind Deutsch.
Liebe Frau Ministerin, für ein gutes Gesetz wäre es so wichtig gewesen, Pädagoginnen zu befragen und ihrem Rat zu folgen. Das wäre viel wichtiger gewesen, als im Blindflug einem Ministerpräsidenten hinterherzufliegen, der keine Ahnung von Bildung hat, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wir wissen doch: Kitas und Schulen leiden unter Personalnot. Deshalb sind in den letzten Jahren viele Vorkurse, nämlich die Vorkurse Deutsch 240, also die Kurse, in denen die Kinder Deutsch lernen sollen, ausgefallen oder es sind teilweise riesige Gruppen entstanden.
Die Leitlinie sagt: In einem solchen Vorkurs sollen sechs bis acht Kinder sein. Tatsächlich waren in diesen Vorkurs-Gruppen hier in Oberbayern 10,5 Kinder. So kann doch Deutschlernen mit kleinen Kindern nicht klappen. Wo bleibt da die Pädagogik? Das ist doch nicht altersgerecht, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Liebe Kolleginnen und Kollegen, hören Sie gut zu. Wir haben Pädagoginnen befragt, und wir sagen Ihnen jetzt, was uns geraten wurde, damit jedes Kind hier in Bayern gute Chancen hat, Deutsch zu lernen:
Erstens. Wir brauchen mehr Personal für die Grundschulen, für kleinere Gruppengrößen bei den Vorkursen, für mehr Sprachförderung und für mehr Fortbildung der Lehrkräfte.
Drittens. Wir brauchen mehr Ressourcen in den Kitas, damit die alltagsintegrierte Sprachförderung funktioniert, und mehr Sprachkitas.
Viertens. Wir brauchen vor dem Einsatz eines neuen Testverfahrens eine Testphase, damit aus dem zusätzlichen Test ein echter Mehrwert entsteht.
Fünftens. Damit die Besuchsquote von Kindern mit Migrationshintergrund höher wird, müssen wir Familien mit Migrationshintergrund niederschwellig ansprechen. Das kann zum Beispiel durch Bildungslotsen passieren.
Sechstens. Wir brauchen eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft mit den Eltern statt Repressionen und Strafen.