Nächstes Problem: Bürokratie und Personalmangel in den Ausländerbehörden. Ich war Ende August eine Woche beim Kreisverwaltungsreferat München, unter anderem zur Hospitation in der Ausländerbehörde am Schalter, in der Sachbearbeitung, in der Praxis mit echten Fällen. Das war hochinteressant. Aktuell arbeitet zum Beispiel ein serbischer Eisenflechter für vier Wochen in München in einem Unternehmen. Er ist Saisonarbeiter mit Aufenthalt vom 1. September bis 30. September. Wie lang dauert die Bearbeitung dieses Antrags? Wann muss das Unternehmen den Antrag stellen? – Vier Monate vorher, sonst bekommen wir das nicht hin, weil die Ausländerbehörde sich nicht nur um den Aufenthaltstitel kümmern soll, sondern auch mit der Erklärung zum Beschäftigungsverhältnis für die Bundesagentur für Arbeit beschäftigt ist – ein Antrag, von dem ich auch nach mehreren Prüfungen nicht weiß, ob er überhaupt einen Mehrwert hat. Der wird abfotografiert und zusätzlich manuell in eine digitale Maske abgetippt. Das klingt verrückt, das ist verrückt. Kein Wunder, dass das Personal nicht langt, wenn wir so arbeiten.
In München hat man jetzt eine Taskforce für die Pflegekräfte eingeführt, eine großartige Geschichte. Wenn man nämlich alle Hebel in Bewegung setzt, geht der Prozess auch in zwei Wochen statt in vier Monaten, aber das geht mit diesem Personalaufwand nicht für jeden Bereich. Lieber Steffen, in der Enquete-Kommission packen wir es an: Wir müssen die Probleme mit der Bürokratie lösen, ansonsten bekommen wir auch in den Ausländerbehörden den Vollzug nicht mehr hin.
Das gilt natürlich auch für die Rückführung im Dublin-Verfahren. Der Mechanismus funktioniert zwar schon länger nicht mehr, und gerecht war er wahrscheinlich noch nie, aber offiziell gibt es ihn noch. Wenn im ersten Halbjahr 2024 in Bayern 3.200 Ersuchen auf Rückführungen in ein EU-Land stattgegeben wird, aber nur 540 Überstellungen stattfinden, stimmt im Vollzug etwas nicht. Es gibt auch ein Zusammenspiel des Bayerischen Landesamts für Asyl und Rückführungen, den Zentralen Ausländerbehörden, die auch personell unterbesetzt sind, und den regionalen Ausländerbehörden. Da ist noch viel Potenzial für Verbesserungen.
Weiteres Problem: die belastete soziale Infrastruktur. Schneller Zuzug von Menschen bedarf einer Infrastruktur, die mitwächst: Wohnung, Kita, Schule, Ärzte. Wir haben schon seit Längerem auch ohne Migration systemische Probleme durch zu wenig verfügbaren Wohnraum, sehr große Gruppen in der Kita, sehr große Klassen, zu wenige Fachärzte in der Fläche. Der erste Ansprechpartner vor Ort ist immer die Kommune. Die Lage in den Kommunen ist unterschiedlich: Manche sagen "große Herausforderung, aber machbar", manche sagen "Überforderung". Dauerhafte Überforderung hat spürbare Konsequenzen. Eine finanzielle Entlastung der Kommunen wäre dringend notwendig. Wir plädieren dafür, die Kommunen noch stärker als bisher zu unterstützen. Die Kommunen brauchen von uns diese Unterstützung und den Rückenwind.
Ich möchte noch ein Problem ansprechen: Die Anzahl der Geflüchteten ist in Europa ungleich verteilt. Zudem kommen Menschen zu uns, die zwar einen Asylantrag stellen, aber eigentlich sehr geringe Erfolgschancen auf Asyl haben und eher der Arbeitsmigration zuzuordnen sind. Wie bekommen wir das denn hin? Viele Jahre lang gab es auf europäischer Ebene eine ergebnislose Debatte. Die GEAS-Reform, verhandelt von Außenministerin Baerbock, führt zu einer gerechten Verteilung der Geflüchteten in Europa und Asylverfahren an europäischen Außengrenzen; sie soll ab 2026 in Kraft treten. Ich glaube, wir brauchen das eher früher als später. Wenn nämlich die Nationalstaaten jetzt Alleingänge starten, Stichwort kurz
fristige einseitige Zurückweisungen, ist das das Gegenteil eines europäischen Miteinanders. Eine auf Dauer gerechte Verteilung in Europa kann nur miteinander erreicht werden. Wenn wir wollen, dass das EU-Recht für alle Länder gilt, müssen wir uns daran halten. Wenn wir wollen, dass die massiven wirtschaftlichen Vorzüge der Europäischen Union durch den freien Warenverkehr, durch die Freizügigkeit in Europa erhalten bleiben, müssen wir dafür sorgen, dass tatsächlich eine Kontrolle und Asylverfahren an der europäischen Außengrenze in einem vernünftigen Standard stattfinden. Das alles geht nicht einseitig.
Darum Schluss mit Alleingängen! Miteinander in Europa, das ist die Zukunft. Nur so wird es funktionieren. Ich bin fest davon überzeugt, mit Tatkraft, mit Optimismus und mit Realismus können diese Probleme so gelöst werden, dass die da drüben auf der rechten Seite nichts mehr zu lachen haben. Das muss das Ziel sein, meine Damen und Herren. – Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte die Worte der Frau Landtagspräsidentin Aigner nach der Sommerpause aufgreifen. Ich glaube, viele haben das genauso empfunden wie unsere Landtagspräsidentin. Es gab furchtbare Ereignisse: das Messerattentat in Solingen, der furchtbare Anschlagsversuch auf das israelische Generalkonsulat in München. Das ist absolut zu verurteilen. Ich möchte aber eines sagen, und das ist mir wichtig, weil ich viel mit den Communities zu tun habe: Die allermeisten Muslime bei uns im Land leben überwiegend friedlich und möchten ihren Glauben friedlich leben. Ich glaube, diese Botschaft darf man im Landtag auch einmal so benennen.
Herr Becher, als ich den Titel der Aktuellen Stunde gesehen habe, habe ich mir gedacht: Super, unsere Fraktion bringt eine Aktuelle Stunde ein "Realismus statt Populismus: Zuwanderung steuern, Arbeitsmarktintegration fördern". Ich habe mir gedacht: Toll, dann können wir über unsere Asylpolitik reden. Dann bin ich aber darauf gekommen, dass Antragsteller die GRÜNEN sind, und habe mich gefragt, ob ich jetzt in der Realsatire bin. Das habe ich als relativ lustig empfunden.
Ich möchte auch an die Sommerpause erinnern. In der Zeit nach den ersten beiden Wahlen meinte Ricarda Lang, die jetzt zurückgetreten ist, noch, die Migration sei kein Thema gewesen. Ich zolle ihr Respekt, dass sie es eingesehen hat und zurückgetreten ist. Nach den nächsten Wahlen gab es Sprechzettel, anscheinend aus der Berliner Parteizentrale – beide habe von Zetteln abgelesen –: Die GRÜNEN müssen ihre Politik an die Lebensrealität der Menschen anpassen. – Das ist doch das Eingeständnis, dass die letzten drei Jahre in der Bundesregierung nichts mit der Lebensrealität der Menschen zu tun gehabt haben.
Ich denke, Politik muss sich allgemein an der Lebensrealität ausrichten. Ich habe gestern die Posts auf Instagram verfolgt. Es ist ein Wahnsinn. Ihre Parteivorsitzende hier in Bayern, Frau Lettenbauer, beklagt sich andauernd, dass unser Ministerpräsident ganz deutlich sagt, momentan geht es mit diesen GRÜNEN nicht. – Das ist doch nur die Wahrheit. Sie verhindern alles, was zur Regelung der Migration beiträgt. Sie tun immer so, als würden Sie humane Flüchtlingspolitik betreiben. Was Sie machen, ist aber absolut inhuman.
(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN – Johannes Becher (GRÜNE): So schlecht kann die Rede nicht gewesen sein! – Weitere Zurufe von den GRÜNEN)
Herr Becher, hören Sie zu! "Zuwanderung steuern" schreiben Sie in den Titel Ihrer Aktuellen Stunde. Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen sind nichts, was wir uns gewünscht haben. Es ist nicht schön, Leute an den Grenzen zurückweisen zu müssen. Sie haben das vorher richtig beschrieben: Unser Land ist momentan überfordert. Wir müssen in Europa ein Zeichen setzen. 70 % der Migranten, der Asylbewerber, die in die Europäische Union einreisen, kommen momentan nach Deutschland. Deshalb müssen wir über Zurückweisungen sprechen. Die Leute kommen alle aus einem sicheren Drittstaat zu uns. Deswegen wäre das der richtige Schritt.
Das muss man auch mal sehen. Das ist übrigens auch im Interesse von Menschen mit Migrationshintergrund. Ich bekomme oft genug gespiegelt, dass wir hier Kontrolle brauchen, weil wir auch die Menschen, die schon im Land sind, schützen müssen. Seit Jahren diskutieren wir über europäische Lösungen; Sie haben es angesprochen. Ich befürworte das. Wir haben 2026 die EU-Asylreform. Ich begrüße das. Ich glaube aber, das ist viel zu spät. Wir müssen jetzt Zeichen setzen und in der Debatte deutlich sagen, dass sich diese Menschen schon in einem sicheren Land befinden. Wir schicken sie nicht zurück nach irgendwo, sondern sie sind dann in Österreich oder der Tschechischen Republik. Das sind sichere Länder. Es ist unabdingbar, dass wir das endlich machen.
Sie haben Regelungen zur Arbeit angesprochen. Wo wird die Arbeit geregelt? Wo werden die Regelungen zur Arbeitsaufnahme gemacht? – Die werden im Bund gemacht. Ich möchte Sie noch einmal daran erinnern: Sie sind seit drei Jahren in der Bundesregierung in Verantwortung, Herr Becher.
Ein Weiteres ist mir noch ganz wichtig, weil wir solche Diskussionen schon hatten: Sie haben unseren ehemaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer angesprochen. Er hat immer gesagt: Humanität und Ordnung. Wir sollten eher einmal darüber diskutieren, wie man Humanität definiert. Um Menschen aufzunehmen, braucht man auch die Akzeptanz in der Bevölkerung. Die ist momentan nicht mehr in dem Maße vorhanden. Deshalb muss die Zuwanderung gesteuert werden. Wir brauchen auch die Integrationsmöglichkeiten. Wir in Bayern sind da die Nummer eins. Wir brauchen von den GRÜNEN keine Ratschläge, wie Integration funktioniert.
Als Integrationsbeauftragter werde ich bei der Integrationsbeauftragtenkonferenz in Berlin tagsüber von allen beschimpft, aber am Abend kommen alle zu mir und fragen, wie wir das in Bayern eigentlich machen, wo doch bei uns in Bayern alles so gut funktioniert. Das ist die Realität.
Das Zweite ist: Auch Bayern kommt an den Rand seiner Möglichkeiten zur Integration. Das ist faktisch schon so. Ich komme sehr viel herum. Bei den vielen Helferkreisen, bei den Hauptamtlichen – bei ihnen will ich mich ganz herzlich bedanken – sagen alle das Gleiche: Wir brauchen eine Regulierung. Deshalb sind Zurückweisungen an den Grenzen absolut der richtige Weg.
Mir tut es wahnsinnig weh, wenn ein Syrer ein Messerattentat begeht und wir dann in solch eine Diskussion kommen; denn auch Syrer oder Afghanen sind überwiegend absolut friedliebende Menschen, die hier ihrer Arbeit nachgehen wollen. Wir müssen Zuwanderung steuern, um eben auch diese Menschen zu schützen.
Letzter Punkt: Arbeit. Ich habe in meinem Bericht an den Ministerpräsidenten geschrieben, dass auch ich dafür bin, die Menschen so schnell wie möglich in Arbeit zu bringen. All das wird im Bund geregelt. Sozialversicherungspflichtige Arbeit soll bevorzugt werden, hat der Ministerpräsident ganz deutlich gesagt, aber auch gemeinnützige Arbeit. Auch das dient dem Schutz der Betroffenen. Wenn die Bevölkerung sieht, diese Menschen arbeiten, ist beim Großteil die Akzeptanz gleich viel größer.
Übrigens wollen die Geflüchteten sehr gerne arbeiten. Frau Demirel, Sie haben gestern in einem Video erklärt, dass wir Arbeit erfinden müssten. Wir müssen keine Arbeit erfinden. Es gibt genug Arbeit. Die 80-Cent-Jobs in den Anker-Zentren sind rasend schnell vergriffen, weil die Leute arbeiten wollen.
Das Erste ist sozialversicherungspflichtige Arbeit – da bin ich an Ihrer Seite, momentan geht es aber nicht anders –, das Zweite ist die ehrenamtliche Arbeit. Das erhöht die Akzeptanz in der Bevölkerung. Dass man das von diesen Menschen verlangt, ist man der einheimischen Bevölkerung schuldig.
Ich hoffe, dass wir irgendwann darüber diskutieren können. Ich unterstütze voll die Kandidatur von Herrn Merz. Als wir damals die Migrationstür geöffnet haben, hat er gesagt, dass wir mit den demokratischen Parteien der Mitte diskutieren würden. Er hat auch die GRÜNEN genannt. Ich bin mir nicht sicher, ob die GRÜNEN momentan eine demokratische Partei der Mitte sind. Gestern habe ich gehört, dass der Vorstand der Grünen Jugend zurückgetreten ist, weil ihnen die Asyl- und Zuwanderungspolitik der grünen Spitze zu hart sei – so steht es in den Meldungen.
Sie wollen eine neue, noch linkere Partei gründen. Ich sage nur: Oh Gott, ich hoffe, dass wir zu einer vernünftigen Debatte kommen. Herr Becher, Teile Ihrer Rede
waren ganz vernünftig. Wenn Sie Ambitionen haben, zu uns zu kommen, wenden Sie sich vertrauensvoll an uns.
(Beifall bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN – Zuruf des Abgeordneten Johannes Becher (GRÜNE) – Unruhe)
Es wäre gut, wenn man den Redner noch verstehen könnte. Das ist ein kleiner Hinweis im Hinblick auf den Geräuschpegel. Als Nächster spricht Herr Kollege Richard Graupner für die AfD-Fraktion.