Welch unwürdiges Einknicken vor der Kommission, die versucht, mittels eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen unser Land ihren unionalen Zentralismus mit Macht durchzusetzen. Dieser Macht dürfen wir niemals mit Ohnmacht begegnen. Unsere Antwort auf den unionalen Zentralismus heißt: souveräner Nationalstaat.
Der Versuch der EU, die eigenen Kompetenzen gleichsam selbst zu definieren, widerspricht jedem begrenzten Kompetenzübertrag, den die Verträge kennen. Dieser Hunger nach EU-Dominanz über alle Mitgliedstaaten ist mit unserer Verfassungsidentität unvereinbar. Welch ein Segen ist da die Unabänderlichkeitsklausel des Artikels 79 Absatz 3 des Grundgesetzes! Alle Bestrebungen des EuGH, dem Bundesverfassungsgericht das Joch aufzuerlegen, verkommen vor ihr zur blassen Makulatur.
Unser Grundgesetz trägt die Farben Schwarz, Rot, Gold, und eben kein Blau mit irgendwelchen Sternchen obendrauf.
Allen gewählten Volksvertretern stünde es gut zu Gesicht, sich dessen ab und an auch wieder bewusst zu werden. Mag eine Art EWG auch nützlich sein, das Herz der deutschen Identität schlägt einzig in den Grenzen unseres Staatsgebietes, und sonst nirgendwo. Eine EU, die unsere rechtsstaatlichen Prinzipien mit Füßen tritt, mittels Vertragsverletzungsverfahren unser höchstes Gericht beeinflussen will und zudem unsere unverrückbare Verfassungsidentität für unbeachtlich hält, hat ihre Integrität verspielt.
Unser Deutschland ist gewiss nicht in der Büßerhaltung, sich von irgendeiner Kommission bestrafen lassen zu müssen. Nein, unser Deutschland zieht den Kahn, von dem aus diese Kommissare Schmutz auf unsere Gerichte werfen. Die Mütter und Väter unseres Grundgesetzes haben seinerzeit aus gutem Grund die Ewigkeitsklausel verfasst. Einzig unserem Volk selbst haben sie mit Artikel 146 ein Fenster
gewiesen, das in breitem Konsens seit über siebzig Jahren geschlossen bleibt und das wir wegen eines temporären Erscheinens einer EU bestimmt nicht öffnen. Jeder supranationale Angriff auf unsere Verfasstheit – und nichts anders ist dieses Vertragsverletzungsverfahren – legitimiert unsere Forderung nach dem "Dexit" immer ein Stück mehr. Dem Grundgesetz verpflichtet stimmen Sie bitte unserem Antrag zu!
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich interessant, dass sich ausgerechnet die AfD hier zur Hüterin unserer Verfassung und ihrer Organe stilisieren will. Ich erspare mir hierzu jeden Kommentar. Den vorliegenden Antrag der AfD lehnen wir als CSU jedenfalls ab; denn er dokumentiert nur zwei Punkte: erstens die Ignoranz für komplexe Zusammenhänge und zweitens platte Europafeindlichkeit.
Ich will es klar sagen: Auch ich sehe die Anleihe-Kaufprogramme der EZB und speziell das PSPP, das seit dem Jahr 2015 durchgeführt wird, mit Sorge. Allein im Rahmen des PSPP wurden Papiere für über 2,3 Billionen Euro gekauft und die Bilanzsumme der EZB auf über 6 Billionen Euro erhöht. Diese Programme und ihre Wirkung sind auch in der Finanzwissenschaft durchaus umstritten. Gerade weil diese Programme so große wirtschaftliche und politische Bedeutung haben, war es wichtig, dass sich der EuGH damit auseinandergesetzt hat. Der EuGH hält diese Programme aufgrund des Auftrags der EZB zur Sicherung der gesamteuropäischen Wirtschaft für vertragskonform. Das Bundesverfassungsgericht dagegen hat natürlich einen anderen Blickwinkel. Es entstehen durchaus Risiken in der Bilanz der EZB, die letztlich auf die Mitgliedstaaten zurückfallen können. An dieser Stelle ist das Haushaltsrecht des Bundes als Kernbereich des Bundestags und damit auch die Kompetenz eines Mitgliedstaats berührt. Daher hat das Bundesverfassungsgericht mit Nachdruck und zu Recht eingefordert, dass die Angemessenheit und die Verhältnismäßigkeit der Programme genau geprüft und dargelegt werden sollen.
An dieser Stelle jedoch einfach in europafeindliche Reflexe zu verfallen und die Europäische Kommission zum Feind zu erklären, ist schon recht schlicht. Nur zur Information: Die Europäische Kommission ist die Hüterin der Europäischen Verträge. Sie muss für die Wahrung des europäischen Rechts eintreten und Vorgänge im Rahmen von Vertragsverletzungsverfahren prüfen. Das ist ihre Aufgabe. Daher ist der zweite Punkt Ihres Antrags – das sage ich ganz einfach – sinnfrei. Solche komplexen Fragen können nur in einem vernünftigen und konstruktiven Miteinander der Institutionen gelöst werden. Daher ist auch der Vorschlag der Bundesregierung, den Dialog zwischen dem EuGH und den nationalstaatlichen Gerichten über das Vorabentscheidungsverfahren hinaus weiter zu stärken, genau richtig und auch der richtige Weg. Das verkörpert übrigens der europäische Geist des Miteinanders. Wir dürfen in der Sache streiten. Wir dürfen unterschiedliche Standpunkte haben und darlegen, aber wir lösen die Probleme gemeinsam. Wer stattdessen einfach seiner Europafeindlichkeit freien Lauf lässt und sogar vom "Dexit" fabuliert, hat offensichtlich kein Verständnis für die Herausforderungen der globalisierten Welt.
Kurz gefasst: Wenn wir mit den großen Playern China, Russland und den USA auf Augenhöhe sein wollen, müssen wir Europäer zusammenhalten und auch zusammen agieren. Wir als CSU sind nicht immer mit allem einverstanden, was in der EU passiert, aber wir bleiben trotzdem überzeugte Europäer. Wir wollen weiter für die enge Verbindung der europäischen Mitgliedstaaten arbeiten und in diesem Sinne
auch Politik machen. Die Platte der Anti-Europa-Rhetorik der AfD lehnen wir genauso wie diesen Antrag ab, meine sehr geehrten Kollegen von der AfD.
Vielen Dank, Herr Dr. Rieger. Bitte bleiben Sie noch am Mikrofon. – Es folgt eine Zwischenbemerkung von Herrn Abgeordneten Böhm von der AfD-Fraktion.
Lieber Kollege Dr. Rieger, dies nur vorab: Eine EU, die gegenüber Mitgliedstaaten rechtsstaatliche Grundsätze einfordert, darf natürlich nicht selbst ihre eigenen rechtsstaatlichen Prinzipien missachten. Das wissen Sie genauso gut wie ich. Darüber sollten wir heute reden. Aber das nur vorab.
Ihren eigenen Prolog und hier über das PSPP zu reden, das kann ich nur als ein Vorschieben irgendwelcher Randnotizen bezeichnen; denn des Pudels Kern ist das Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland. Dazu kommt die erbärmliche Reaktion des Finanzministers, der künftig wahrscheinlich Kanzler der Bundesrepublik sein wird. Dazu hätten Sie hier Stellung nehmen sollen. Das wäre die Gelegenheit für Sie gewesen.
Herr Böhm, ich antworte nur kurz. Ich habe schon geschildert, dass wir hier unterschiedliche Auffassungen des EuGH und des Bundesverfassungsgerichts zu einer sehr wichtigen Frage haben. Aber ich will Ihnen nur eines sagen: Das ist ein Nebenproblem auf europäischer Bühne, das Sie dazu ausschlachten, Ihre europafeindliche Politik darzulegen. Die Probleme liegen ganz woanders. Das verkennen Sie auf europäischer Ebene. Ich habe es ja angedeutet. Wenn Sie den Abzug aus Afghanistan sehen oder eine Vereinbarung zwischen den USA, Großbritannien und Australien im indochinesischen Meer, also eine globale Politik unter Ausschluss der EU – ich sage es einmal so –, dann sehen Sie, wo die Probleme sind. Die Probleme bestehen doch darin, dass wir in der EU zusammenhalten und gemeinsam agieren müssen, damit wir auf weltpolitischer Bühne nicht ins Hintertreffen geraten, und sie bestehen nicht in dem, was Sie da jetzt benutzen, um Ihren populistischen Antrag zu stellen.
Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Rieger. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat Herr Kollege Florian Siekmann das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fasse mich kurz und stelle fest, dass die Eindämmung der CoronaPandemie wohl dazu führt, dass das Thema der Corona-Leugnung für die AfD jetzt unattraktiv geworden ist und man deswegen wieder die Europäische Union als Feindbild ausgemacht hat. Sie suchen verzweifelt mit neuen und hanebüchenen Rechtfertigungen irgendwelche Gründe, um einen EU-Austritt Deutschlands zu bewirken. Sie ignorieren dabei vollkommen die allseits bekannten Probleme: die desaströsen wirtschaftlichen Folgen, weil Hunderttausende von Arbeitsplätzen in Bayern auf dem Spiel stehen würden, die desaströsen geopolitischen Folgen, weil wir 80 Millionen Menschen in Deutschland in die geopolitische Isolation führen würden, und die desaströsen gesellschaftlichen Folgen.
Beim Urteil und der Auseinandersetzung, die wir jetzt gerade erleben, geht es ja eigentlich nur darum, dass wir in einem geordneten Verfahren unterschiedliche Rechtsauffassungen innerhalb der Europäischen Union aushandeln. Das beweist, dass die Europäische Union eine lebendige Rechtsgemeinschaft ist, die sich in den letzten fünfzig Jahren entwickelt hat und für die wir als demokratische Fraktion und
für die auch die anderen demokratischen Fraktionen hier im Haus den Anspruch haben, diese weiterzuentwickeln. Wir haben viele gute Vorschläge gemacht. Andere haben Vorschläge dafür gemacht. Das Einzige, was Ihnen einfällt, ist der Austritt Deutschlands.
Vielen Dank, Herr Kollege Siekmann. – Nächster Redner ist für die FREIEN WÄHLER der Kollege Tobias Gotthardt.
Sehr geehrter Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen! Kollegen der AfD, ganz ehrlich, wenn man einmal den Sachverhalt jenseits Ihrer europapolitischen Schnappatmung betrachtet, dann wird man sehr schnell feststellen, dass sich sowohl Politik als auch Wissenschaft einig sind, dass der Fall, den Sie da herausziehen, um für den großen Skandal zu sorgen, von allen Seiten sehr ruhig betrachtet wird. Der Kollege Siekmann hat es genauso wie vorhin der Kollege Rieger sehr gut ausgeführt: Wir haben in diesem Streitpunkt zum ersten Mal zwar ein konkretes Aufbegehren des Bundesverfassungsgerichts gegen den EuGH, aber wir haben spätestens seit 1992 und dem Vertrag von Maastricht einen sehr selbstbewussten Bundesverfassungsgerichtshof, der nicht die AfD braucht, um sich und unsere Verfassung zu verteidigen. Er macht das sehr gut, und zwar in einer vernünftigen Streitkultur mit dem EuGH. Das ist Tatsache und nicht das, was Sie uns hier erzählen wollen.
Ein zweiter Punkt: Schlimm finde ich wie auch die Vorredner, dass Ihre einzige Antwort auf ganz natürliche und sehr sinnvolle Streitpunkte im europäischen Rechtssystem und auf eine Streitkultur im Rechtssystem ist: Raus da! Dexit! – Sagen Sie einmal: Wo irrlichtern Sie denn herum? – Dieser Weg führt ins Nichts. Ein "Dexit" ist kein Weg, für niemanden hier in diesem Haus,
Wenn Sie einen vernünftigen Beitrag zu der Debatte liefern wollen, dann beteiligen Sie sich doch bitte schön an der aktuell zur Stunde laufenden Konferenz zur Zukunft Europas. Da können Sie vernünftige Vorschläge einbringen und sagen, was sinnvoll wäre.
Ich tue Ihnen einen Gefallen und nenne Ihnen drei Möglichkeiten, wie wir einen Beitrag leisten können. Wir können zum Beispiel den ohnehin funktionierenden richterlichen Dialog und die Zusammenarbeit auf der europäischen Ebene besser institutionalisieren. Das wäre ein sinnvoller Weg, den wir gerne gehen können. Da bin ich dabei. Wir können zum Beispiel auch eine Schlichtungsstelle zwischen den nationalen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof schaffen. Auch das wäre eine gute Institutionalisierung. Oder wir können grundsätzlich das Prozessrecht auf der europäischen Ebene klären und verbessern, um solche Grauzonen zu vermeiden. Die Frage ist: Wo ist denn die Kompetenz der EZB? – Aber all das tun wir innerhalb der Europäischen Union und nicht, wie Sie, auf einem Weg, der alle Türen verschließt.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Eines vorab: Wir leben in einem System der Gewaltenteilung. Das Bundesverfassungsgericht bedarf überhaupt nicht des Schutzes; es schützt sich selber durch die Rechtsprechung und durch Respekt vor der Rechtsordnung. Schon gleich gar nicht bedarf es des Schutzes durch Sie, Kolleginnen und Kollegen von der AfD; denn Sie sind ja diejenigen, die meistens die Erfahrung machen, dass Ihre Begehren beim Bundesverfassungsgericht krachend scheitern, weil Ihre Vorstellungen von Grundrechten und Grundgesetz in den meisten Fällen wirklich abstrus sind. Das zeigt sich auch wieder in diesem Antrag.
Der Rechtsweg für Rechtsverletzungsverfahren ist festgelegt. Das Verfahren läuft. Das ist rechtsstaatlich gesichert. Das heißt doch nicht, dass das möglicherweise zu einem Ende führt. Aber wir sind stolz darauf, dass es solche Rechtsverletzungsverfahren gibt – zu Recht gegen Ungarn, zu Recht gegen Polen –, weil dort genau das gemacht wird, was Sie hier auch versuchen. Sie sabotieren die Rechtsstaatlichkeit, indem Sie die Dinge so vereinfachen, dass Grundrechte einfacher Bürgerinnen und Bürger nur dann zur Geltung kommen, wenn es Ihnen genau recht wäre. In dem Zusammenhang verbiegen Sie die Tatsachen, dass es unerträglich ist.
Die Konsequenz dieser Forderung ist der Austritt aus der EU. Leute, das ist hetzerisch, sachfremd, fachfremd und auch europafeindlich! Ich sage es Ihnen ganz deutlich, genau in diesem Jahr. Wir haben 75 Jahre Bayerische Verfassung. Wir wissen, was wir Europa zu verdanken haben. Das ist friedensfeindlich. Damit schadet es auch unserem Ansehen und unserem Selbstbewusstsein als eine Nation, die aus ihrer Vergangenheit gelernt hat und die gerne bereit ist, diese Erfahrungen solidarisch, aber auch kollegial einzubringen.
Ein Vertragsverletzungsverfahren hat uns nicht geschadet. Wenn dabei etwas Gutes für uns alle herauskommt, dann können wir sagen: Es passt. Wir sind in der EU. Wir sind Partner und nicht Gegner. – Deswegen ist dieser Antrag wirklich sinnlos.
Vielen Dank, Herr Kollege Arnold. – Nächster Redner ist für die FDP-Fraktion Herr Kollege Helmut Markwort.
Sehr geehrtes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der AfD ist voller Empörung und Protest, aber ohne Argumentation und ohne Spur einer geistigen Auseinandersetzung. Natürlich ist es ärgerlich, wenn unser Land mit einem Vertragsverletzungsverfahren überzogen wird. Das können wir nicht mögen, und wir stehen auch auf der Seite des Bundesverfassungsgerichts; aber das Thema muss politisch und juristisch gelöst werden.
Ich habe eine Anfrage der FDP aus dem Deutschen Bundestag nachgelesen. Ich habe sie mitgebracht. Das sind fünf Seiten, in denen das Thema zwischen FDP und Bundesregierung sehr differenziert und professionell gelöst wird. Ich könnte jetzt daraus vorlesen, aber das Präsidium würde mich vom Pult jagen, weil es fünf Seiten sind. Ich kann aber allen Interessierten die Fundstelle nennen.
Die Lösung der AfD ist keine. Sie wollen uns Ihren Parteitagsbeschluss im Bayerischen Landtag unterjubeln – den Austritt aus der EU. Darauf wird niemand hereinfallen.
Die FDP hat eine klare Position. Wir haben auch viel zu kritisieren, aber ich kann es in einer schönen Schlagzeile zusammenfassen: Die FDP-Abgeordneten im Europäischen Parlament gehören der drittgrößten Fraktion an, die "Renew Europe" – "Europa erneuern" – heißt. Wir wollen Europa reformieren und verbessern, aber nicht zerstören. Daran arbeiten wir.