Protocol of the Session on May 20, 2021

Vielen Dank, Frau Kollegin Kurz. – Nächste Rednerin ist für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Frau Kollegin Gabi Schmidt.

Frau Kollegin Kurz, ich möchte mich jetzt auf Sie beziehen. Ich glaube nicht, dass die AfD-Fraktion bezwecken wollte, dass wir uns über Vielfalt im Netz unterhalten. Mir kommt der Titel dieser Aktuellen Stunde eher so vor, als erhofft sich die AfD-Fraktion eine Generalamnestie für schlechtes Verhalten im Netz und im Leben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Lachen bei der AfD)

Schön, dass Sie Humor haben. Bei dem, was Sie so schreiben, ist das gut.

(Zurufe)

Es ist schön, dass Sie lachen; denn es ist wirklich nicht ernst zu nehmen, wenn man den Bock zum Gärtner macht. Meinungsfreiheit hört auf, wo Diskriminierung anfängt, und die Königin der Diskriminierung sind eigentlich Sie.

Ich nehme jetzt bloß den eigentlichen Vorredner, der ja ausgetauscht wurde: Herrn Stadler. Von gestern bis heute konnte ich mir in Ermangelung von Zeit bloß einen mit seinen Diskriminierungen im Netz vornehmen. Zu mehr hat es leider nicht gereicht. Sie haben so viele menschenfeindliche Kommentare oder Likes auf Ihren Seiten, dass wir Ihnen dieses Thema, wenn wir es ernsthaft behandeln wollen, wirklich nicht zutrauen können.

Da liked Herr Stadler gern, wenn die Kanzlerin einen Zitteranfall hat, und jemand schreibt darunter: "Ja, Adolf hat sich auch zu Tode gezittert. Vielleicht geht es jetzt weiter." – Dann kommt ein Like vom Kollegen Stadler usw.

Hetze und Diskriminierung im Netz – übrigens wurden allein im letzten Monat sieben Facebook-Beiträge und -Konten gesperrt, und das schon jetzt, bei diesem dünnen Gesetz. Vielleicht ist es ein bisschen so wie im Märchen, dass irgendwann jemand schreit: Entschuldigen Sie, der Kaiser hat keine Kleider an! – In dem Bereich ist die AfD komplett nackt.

(Die Abgeordnete hebt eine Zeitung hoch)

Das ist jetzt nur eine Zeitung, die auf drei Seiten aufdröselt, wo Sie Menschen beleidigen und diskriminieren. Ich schaue jetzt die Kollegin an. Uns ist es genauso passiert. Da werden auf einer Parteiseite noch Beleidigungen verteilt und verbreitet.

Meinungsfreiheit und Streit in der Sache sind absolut in Ordnung. Dass Sie etwas gegen das Impfen haben, ist das eine. Dass dann aber einige von Ihnen Impfzwillinge sind, dass man miteinander beim Impfen war, ist das andere und ist Wahrheit, die man im Netz verbreiten dürfte. Dass Impfen uns umbringt, wäre eine Unwahrheit und würde gelöscht werden.

Das müssen wir in Zukunft gut auseinanderhalten. Dafür sind Sie aber die absolut Falschen.

(Zuruf des Abgeordneten Ralf Stadler (AfD))

Schlechter als Sie? Die anderen habe ich alle noch nicht angeschaut, Herr Stadler. Übrigens, Herr Stadler, da habe ich etwas: Sie kommen im Netz mit Recht und Unrecht nicht zurecht.

(Zuruf)

Ich würde es einmal im realen Leben probieren, Herr Stadler. Ich lasse Ihnen gern einen Luftballon da. Sie brauchen Luftballons nicht im Netz zu manipulieren. Es gibt Parteien, die können sie mit Ihrem Aufdruck bestellen. Sie brauchen das gar nicht online zu machen und Amnestie zu verlangen, gell? Ich habe jetzt einen für den Kollegen gehabt, damit Sie es auseinanderkennen. Der hat sogar dieselbe Farbe.

Sie beleidigen Menschen ständig, immer und überall. Sie schreiben, Sie gingen nicht mehr bei Saturn einkaufen, weil eine Verkäuferin dort Muslima sei und ein Kopftuch trage. Schämen Sie sich!

(Beifall)

Wenn Sie schon im realen Leben Menschen nicht anständig behandeln können,

(Zuruf)

wie können wir ausgerechnet Ihnen die Netzpolizei zutrauen?

(Zurufe)

Hallo! Können Sie einmal mit diesen Zwischenrufen aufhören! Wir sind hier nicht auf dem Fußballplatz, sondern im Plenarsaal! Zwischenrufe sind in Ordnung, aber Dauerfeuer ist es nicht.

(Beifall)

Frau Schmidt hat jetzt das Wort. Sie haben gleich das Wort, aber jetzt ist noch Frau Schmidt an der Reihe. – Frau Schmidt, bitte schön.

Wenn Sie im Netz nicht zwischen mein und dein und richtig und falsch unterscheiden können, wie, glauben Sie denn, können Sie die treibende Kraft dafür sein, in Zukunft die Regeln fürs Netz festzulegen? Was Sie im realen Leben nicht zum Nachbarn sagen dürfen, das dürfen Sie im Netz auch nicht zu ihm sagen. Es wird immer beleidigend sein, wenn Sie in Jubel ausbrechen, wenn ein grüner Politiker als Bettwanze bezeichnet wird, oder wenn Sie es liken, dass man einen Außenminister oder einen ehemaligen Ministerpräsidenten an die Wand stellen will. Und Sie wollen sich aufmachen, Netzpolizei zu sein und mehr Meinungsfreiheit zu wollen!

Frau Schmidt, Ihre Redezeit ist zu Ende!

Meinungsfreiheit endet da, wo die Diskriminierung anderer beginnt.

(Zurufe)

Und die Diskriminierung beginnt schon mit Ihren Zwischenrufen, die keiner verstehen kann. Ich freue mich, dass Sie so großartig zeigen können, dass Sie Meinungsfreiheit nicht ertragen.

Frau Kollegin Schmidt!

Genau deshalb sind Sie die Falschen. – Danke schön.

(Beifall)

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Stadler für die AfD-Fraktion.

(Gabi Schmidt (FREIE WÄHLER): Entschuldigen Sie, ich habe noch 25 Sekunden! Ich lasse Ihnen die Zeitung da!)

Nein! Frau Schmidt, nehmen Sie die Zeitung bitte mit. Herr Stadler hat das Wort. Bitte schön.

(Beifall bei der AfD)

Habe die Ehre, Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete! Das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern, ohne eine Zensur befürchten zu müssen, ist ein Grundrecht des liberalen Rechtsstaates und in Artikel 5 des Grundgesetzes verbrieft. Richtigerweise muss dieses Grundrecht als Meinungsäußerungsfreiheit bezeichnet werden: Sie dürfen zwar alles sagen, auch in anderen Ländern, aber nicht ungestraft. – Das ist mittlerweile ein geflügeltes Wort.

(Zuruf)

Hören Sie doch zu! – Damit sind aber nicht die Schranken der Strafgesetze gemeint, sondern unbequeme Meinungen, die nicht dem Zeitgeist entsprechen und damit der Bestrafung durch den Mainstream unterliegen.

(Zuruf)

Politisch nicht korrekte Inhalte werden bestraft, nicht nur medial, sondern auch beruflich und sozial. Die Verbannung vom Stammtisch ist noch das harmloseste Mittel, um jemanden für seine Meinung abzustrafen.

(Zurufe)

Einer Allensbach-Umfrage aus dem Jahre 2019 zufolge haben zwei Drittel der deutschen Bevölkerung das Gefühl, ihre Meinung nicht mehr frei äußern zu können. Es gibt Rede- und Auftrittsverbote für Prominente aus Politik und Kultur. Schauspieler werden aus Filmen, Gedichte von Hauswänden, Autoren aus Verlagsprogrammen und Autorinnen aus Debütantinnensalons entfernt. Die Schauspieler, die mit ihrer satirischen Aktion #allesdichtmachen auf die schwierige Situation von Künstlern im Corona-Lockdown hinweisen wollten, haben das leidvoll erfahren müssen. Satire darf alles. – Von wegen! Einige sind aufgrund des Drucks der Meinungsmacher schon zurückgerudert und haben den Gang nach Canossa angetreten, um keine beruflichen Nachteile zu erleiden.

(Zurufe)

Dass CSU-Politiker nicht mit Satire umgehen können, wissen wir alle. Das habe ich auch persönlich in diesem Hause schon von oberster Stelle erfahren müssen. Die Freiheit der Andersdenkenden ist nur da, wenn sie auch stattfindet, und nicht nur in den Sonntagsreden. Die gesinnungsethische Empörungskultur verschafft sich in der Öffentlichkeit immer mehr Raum.

(Zuruf)

Die sogenannte Cancel Culture, die Streich- oder Abbruchkultur bedeutet und als Aufruf zur Ächtung oder Boykottierung von Menschen dient, die sich vermeintlich politisch nicht korrekt verhalten, die diskriminierende Aussagen getroffen oder Handlungen ausgeführt haben sollen, ist ebenfalls gängige Praxis. Man soll abgeschreckt werden und aus Angst vor Repressalien lieber schweigen. Diese Intoleranz führt zur Selbstzensur und wirkt wie eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Im Ergebnis führt sie dazu, dass eine offene Debatte nicht mehr stattfindet.

Vor allem in den öffentlich-rechtlichen Medien ist von einem Sieg der Gesinnung über die rationale Urteilsfähigkeit zu sprechen. Das Mittel des Weglassens unbequemer Meinungen und Fakten ist zum Prinzip des journalistischen Handelns der Leitmedien geworden. Der "SPIEGEL", das Sturmgeschütz der Demokratie, wie er einst genannt wurde, fällt nur noch durch friendly fire auf und beschädigt so die liberale Demokratie in ihrem Kern.

Wenn wir weiterhin eine offene, kritische Gesellschaft wollen, in der auch unbequeme Meinungen Platz haben, sollten wir schleunigst gegensteuern und das Recht, ungestraft seine Meinung zu sagen, schützen. Es darf doch nicht sein, dass Medien oder die Regierung bestimmen, in welchem Korridor sich Meinungen bewegen dürfen, etwa indem jeder, der nicht die richtige Sprache spricht, gleich verdächtigt wird, ein Rassist oder Sexist oder Nazi zu sein. Auch Medien müssen akzeptieren, dass sie nicht immer das letzte Wort haben und kein Grundrecht auf alleinige Betroffenheit und einen Rundumschutz vor Kritik haben. Es ist unsere Aufgabe, zu einer offenen und pluralistischen Debatte zu kommen. Ich bin der Meinung, wir sollten auch hier im Landtag inklusive der Landtagspräsidentin mit gutem Beispiel vorangehen und den offenen Diskurs, der unsere Demokratie ausmacht, auf Augenhöhe zulassen.