Ich frage mich schon: Was ist überhaupt Ihr Bild von Debattenkultur? Wer klebt denn hier Plakate an Scheiben, anstatt sich mit Argumenten zu artikulieren? Wer versucht, durch Gasmasken am Rednerpult Debatten lächerlich zu machen? Wer hatte einen in seinen Reihen, der hier im Landtag bei einer Trauerminute für den durch einen feigen Rechtsextremisten getöteten Walter Lübcke als Einziger sitzen blieb? Wer bezeichnet die NS-Zeit als "Vogelschiss der Geschichte"? Wer verlässt den Sitzungssaal, wenn Charlotte Knobloch beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus unbequeme Wahrheiten ausspricht? Wer also ersetzt hier Debattenkultur durch Peinlichkeiten und erbärmliche Respektlosigkeit? Und wer forciert die Verrohung des gesellschaftlichen Diskurses, meine Damen und Herren?
Für mich muss das Nachdenken über Debattenkultur auf einem ganz anderen Niveau stattfinden. Ja, auch ich sehe, es täte vielen in unserem Land sehr gut, etwas mehr Gelassenheit im Umgang mit unsinnigen Meinungsäußerungen anderer an den Tag zu legen. Wenn zum Beispiel Schauspieler im Frust über den Lockdown verschwurbelt das Funktionieren unserer Demokratie in Zweifel ziehen, dann erfordert eine offene Debattenkultur eher, sich mit ihren Zerrbildern auseinanderzusetzen, anstatt gleich zu fordern, sie nicht mehr aus unseren Rundfunkbeiträgen zu alimentieren. Aber genau das hat doch dann am Ende als Reflex auf die "Allesdichtmachen-Kampagne" stattgefunden, eine lebhafte Debatte über Zerrbilder, über Vorbildfunktion und auch darüber, was man sagen sollte und was nicht, wenn man ernst genommen werden will. Siehe da, jeder konnte sich in die Debatte einbringen, niemandem wurde der Mund verboten, niemand hat seinen Job verloren, weil er Unbequemes gesagt oder Unbelegbares behauptet hat.
Genau das ist der feine Unterschied zwischen Ihrem Zerrbild von Zensur, das Sie mit dieser Aktuellen Stunde erreichen wollen.
Es macht eben einen großen Unterschied, ob man etwas nicht sagen darf oder ob man sich vielleicht gar nicht traut, etwas zu sagen, weil man den Widerspruch nicht aushält oder weil man damit blamiert, entlarvt oder isoliert wird. Diese Unterscheidung ist mir ganz wichtig.
Unsere Grundordnung schützt jede Meinung. Das ist keine leere Hülse. Unser Staat setzt diesen Schutz auch durch. Der Staat ist dabei ein Vorbild an Toleranz gegenüber Mindermeinung, gegen skurrile und gegen unsinnige Meinung. Erst wenn Meinung zu Hass und Hetze wird, wenn die Grundrechte anderer verletzt werden, dann endet das Recht auf freie Meinungsäußerung. Genau dann ist dieses Netzwerkdurchsetzungsgesetz eben auch erforderlich.
Lassen Sie mich am Rande noch sagen: Auch Versammlungen gehören zur Debattenkultur. Dieser Staat schützt Woche für Woche auch die Versammlungs- und Meinungsfreiheit derer, die diesen Staat und unsere Ordnung ablehnen, die sich gegen ihn auflehnen. Diesen Schutz der Freiheit Andersdenkender lässt sich unsere Demokratie sogar einiges kosten. An dieser Stelle deshalb herzlichen Dank an die Ordnungsbehörden und vor allem an all die Polizeibeamten, die sich Wochenende für Wochenende dafür bespucken, beschimpfen lassen müssen, dass sie genau Ihre Meinungsfreiheit schützen, meine Damen und Herren!
Auf diesen Demos skandieren Ihre Parteigänger Meinungsfreiheit und greifen dann tätlich Journalisten an, die Interviews führen wollen oder die sich erlauben, das Geschehen filmisch zu dokumentieren. Aber auch unbequeme Fragen von Journalisten und Wissenschaftlern gehören zur Debattenkultur.
Meine Damen und Herren, dass ausgerechnet Sie Meinungsfreiheit und Debattenkultur fordern, das ist ungefähr so, wie wenn der Wolf vor der Stalltür Freiheit für die Hühner fordert. – Danke, meine Damen und Herren.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Kolleginnen und Kollegen von der AfD, wenn man sich Ihre politische Arbeit anschaut, kommt man zum Schluss: Sie scheinen hier im Bayerischen Landtag nichts anderes zu sein als die verlängerte Werkbank einer zentralgesteuerten Parteikampagne. Am 30. April fand eine Aktuelle Stunde zum selben Thema im Landtag von NordrheinWestfalen statt, am 7. Mai das gleiche Spiel im Deutschen Bundestag, heute nun hier im Bayerischen Landtag.
Gestern haben Sie im Wissenschaftsausschuss einen Gesetzentwurf eingebracht, mit dem Sie die Einsetzung eines hauptamtlichen und aus Steuermitteln finanzierten Freiheitsbeauftragten an allen 33 bayerischen Hochschulen fordern. Gerade der gestrige Gesetzentwurf zeigt deutlich, wessen Geistes Kind Ihre Freiheitsinszenierung hier im Parlament ist. Auf Nachfrage hat Ihr Vertreter im Ausschuss, Herr Kollege Singer, nämlich nicht einen einzigen Fall an einer bayerischen Universität benennen können, wo ein solcher Freiheitsbeauftragter hätte tätig werden sollen. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist nicht nur Inszenierung von Freiheit, das ist am Ende auch eine absurde Verschwendung von Steuergeldern.
Dann schreiben Sie, dass das Geld für diesen Freiheitsbeauftragten vom Budget der Gleichstellungsbeauftragten genommen werden soll. Das zeigt auch eines: Immer wenn Sie von Freiheit reden, geht es Ihnen nicht darum, die Bürgerinnen und Bürger zu stärken, sondern nur darum, Ängste zu schüren, die Gesellschaft zu spalten. Das ist das Geschäftsmodell der AfD.
Ich will noch eine grundsätzliche Bemerkung und konkrete Vorschläge zum Thema machen. Ja, alle Staatsgewalt geht vom Volke aus, so steht es in unserem Grundgesetz. Dabei bildet der Grundsatz der freien Wahl die Herzkammer unserer Demokratie. Der freie Wahlakt der Bürger findet jedoch nicht im luftleeren Raum statt, sondern gründet auf einer freien öffentlichen Meinungsdebatte. Konstituierend hier
für ist das individuelle Grundrecht auf freie Meinungsäußerung. Das ist nicht nur normativ so, nein, Gott sei Dank, das ist gelebte verfassungspolitische Praxis in Bayern und in Deutschland.
Das Recht auf freie Meinungsäußerung bedeutet aber nicht nur, dass man im Rahmen der Gesetze seine Meinung frei äußern kann, sondern es bedeutet auch, dass ich es aushalten muss, wenn die anderen mir sagen, was sie von meiner Meinung halten. Auch das ist Meinungsfreiheit. Da scheinen Sie von der AfD aber ehrlich gesagt etwas zart besaitet zu sein. Immer dann, wenn Ihnen der Wind entgegenbläst, sprechen Sie allzu gern vom Kartell der Altparteien oder von der Lügenpresse. Dabei vergessen Sie, dass hinter dem sogenannten Kartell der Altparteien oder der sogenannten Lügenpresse nichts anderes steht als die weitaus größte Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, die allesamt durch den Gebrauch ihrer Meinungsfreiheit Ihnen mitteilen, was von Ihren Vorschlägen zu halten ist.
Sie sagen auch eines deutlich: Wir lassen uns unsere freiheitliche und rechtsstaatliche Demokratie nicht von einer politischen Kraft, die auf Angst und Spaltung setzt, zerstören.
Zur Analyse des heutigen Themas gehört auch, dass sich der öffentliche Meinungsdiskurs im digitalen Kontext – darauf ist schon hingewiesen worden – komplett verändert hat. Die Verbreitung von Fake News, also von bewussten falschen Informationen in Wort und Bild, ist eines der größten der Gifte für unsere öffentliche Meinungsdebatte. Auch hier agieren Mitglieder Ihrer Fraktion an der Spitze der Bewegung und werden, Gott sei Dank, dafür auch strafrechtlich belangt.
Zur Wahrheit gehört auch, dass wir mit unserem bisherigen rechtlichen Instrumentarium dem nicht wirklich Herr werden. Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz ordnet Entfernung oder Sperrung rechtswidriger Inhalte zwar an, aber nur, wenn Straftatbestände erfüllt sind. Der Großteil der bewussten Falschmeldungen erfüllt dies nicht. Auch das Kennzeichnen von Falschmeldungen ist ein Rennen, das sich nicht gewinnen lässt. Dabei gilt es zu betonen – das sage ich Ihnen hier auch mal –, dass Fake News, also unrichtige Informationen, unter dem Blickwinkel der Meinungsfreiheit überhaupt kein schützenswertes Gut sind. Wer bewusst Falschmeldungen verbreitet, kann sich nicht auf Meinungsfreiheit berufen. Das ist ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes.
Was also tun? – Ich denke, wir müssen auf zwei Ebenen ansetzen. Wir müssen zum einen dafür sorgen, dass die Urteilskraft und die Kritikfähigkeit aller Bürgerinnen und Bürger, aber insbesondere unserer Kinder gestärkt werden. Damit gehen wir leider bisher stiefmütterlich um. Ich sage es ganz deutlich: Hier etwas entgegenzusetzen, dazu hätten wir hier im Bayerischen Landtag die Kompetenzen, die Mittel und auch die Möglichkeiten.
Ja, wir müssen auch eine Debatte darüber führen, wie wir unser rechtliches Instrumentarium fortentwickeln können. Ich halte eine gesetzliche Richtigstellungspflicht für politische Parteien und ihre Funktionäre bei Fake News für diskussionswürdig. Sie alle kennen das aus dem Presserecht. Da gibt es diesen Gegendarstellungsanspruch bereits. Übertragen auf Fake News in sozialen Medien –
– würde das bedeuten – ich komme zum Schluss –, dass an gleicher Stelle, mit derselben Publizität und vor demselben Forum eine Richtigstellung vorgenommen werden muss. Ich bin überzeugt, dass es sich lohnt, über so etwas nachzudenken.
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz, das man kritisieren kann, das aber ein Fortschritt in dieser ganzen Debatte war, bietet sich als Sitz einer solchen Normierung an. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Kollege Flisek. – Nächster Redner ist Herr Kollege Helmut Markwort für die FDP-Fraktion.
Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir reden heute über ein wichtiges, zentrales Thema der Freien Demokraten, über Freiheit in den Medien und eine freiheitliche Debattenkultur. Seit Theodor Heuss halten wir diese Werte hoch. Er war Chefredakteur einer Tageszeitung und hat viele kluge Bücher geschrieben, bevor er der erste Bundespräsident unseres Landes wurde. Dieser gebildete Liberale hat das geistige Klima in Deutschland geprägt. Wir setzen diese Tradition fort, beispielsweise mit dem Vorkämpfer Wolfgang Kubicki; denn die Meinungsfreiheit und die anderen Grundrechte werden von vielen Seiten bedroht.
Was viele fühlen, haben die Meinungsforscher aus Allensbach empirisch bestätigt: Fast zwei Drittel der Bürger sind der Ansicht, dass man sehr aufpassen müsse, zu welchem Thema man sich wie äußert. – So viel zur beängstigenden Stimmung in der öffentlichen Meinung, die wir ernst nehmen müssen.
Jetzt zur veröffentlichten Meinung, die oft anders ist. Jeder kann spüren, dass sich die Macht der Medien verschiebt. Sie werden immer einflussreicher, geraten aber in eine Schieflage. Die Printmedien werden schwächer. Die Auflagen nahezu aller Zeitungen und Zeitschriften sinken, ihre Vielfalt schrumpft.
Ich will ein Beispiel nennen: In den Nachrichten hören Sie oft von Interviews für die Funke Mediengruppe. Diese Gruppe ist ein Konglomerat von einem Dutzend großer Tageszeitungen, die einmal selbstständig waren und miteinander konkurriert haben. Sie erscheinen in fünf Bundesländern und werden von einem Konzern gesteuert. Für die Verleger ist das rentabel, für die Informationsvielfalt gefährlich.
Früher haben zwölf parlamentarische Redaktionen unterschiedlich über die Regierung berichtet. Jetzt gibt es ein gemeinsames Interview. Früher konnten Journalisten zwischen diesen Blättern wechseln. Wer heute mit einer dieser Zeitungen ein Problem hat, kann für die anderen schnell Persona non grata sein.
Diese Funke-Tendenz gibt es in ganz Deutschland. Immer mehr Zeitungen sind in einer Hand. Ein Münchner Verleger – Respekt dafür! – ist inzwischen der mächtigste Zeitungsmann in Hessen. Überall wird an den Redaktionen gespart – ein Schaden für die journalistische Qualität. Auch bei Zeitschriften wird abgebaut. Der unter Henri Nannen bedeutende "Stern" hat seine politische Redaktion ausgelagert. Der einst stolze Hamburger Verlag Gruner + Jahr muss unter das Dach von Radio Télé Luxemburg kriechen.
Starke Meinungsmacher sind nach wie vor die öffentlich-rechtlichen Sender, die wir mit mehr als 8 Milliarden Euro finanzieren. Nach verschiedenen Studien kann die Mehrheit ihrer redaktionellen Mitarbeiter als eher grün-links eingestuft werden. Eine Sonntagsumfrage unter den Redakteuren ergab, dass die meisten ihre Stimme den GRÜNEN geben möchten. Neuerdings hat eine Umfrage unter den
150 Volontären der ARD großes Aufsehen erregt: Die GRÜNEN erreichten die absolute Mehrheit mit 57,1 %, DIE LINKE kam auf bemerkenswerte 23,4 %, die SPD auf 11,7 %. Union und FDP erreichten nicht einmal gemeinsam die Sperrgrenze von 5 %.
Nun hat jeder das Recht zu wählen, wen er will. Wenn er bei ARD oder ZDF arbeitet, ist er dennoch zur Ausgewogenheit verpflichtet. Das ist nach der reinen Lehre richtig, in der Praxis schwierig. Niemand kann seine Gesinnung komplett ausschalten, wenn er Nachrichten und Themen gewichten muss. Wir wissen, dass es Objektivität nicht gibt.
Legen Sie jeden Tag die "Süddeutsche" und die "Frankfurter" nebeneinander, und Sie werden viele Unterschiede feststellen: Worüber die einen vierspaltig berichten, das ist den anderen nur eine kleine Meldung wert. Die Auswahl von groß, klein oder gar nicht findet im Kopf der Redakteure statt. Die "Tagesschau", nach wie vor die meistgenutzte Nachrichtensendung, präsentiert jeden Tag etwa zehn Meldungen, zehn aus einem Angebot von mehr als hundert. Die Redakteure müssen Themen, Bilder und Redner auswählen.
Die Subjektivität des öffentlich-rechtlichen Personals lässt sich bei der Besetzung der Talkshows erkennen. Linke wie Sarah Wagenknecht und viele GRÜNE werden am häufigsten eingeladen. Die Kandidatin Baerbock feiern manche wie Groupies. Im Netz kursiert die Scherzfrage, ob man den Rundfunkbeitrag von der Steuer absetzen könne, als Parteispende für die GRÜNEN.
Im Netz erleben wir eine neue Medienwelt. Meinungschance für alle und Schwarmintelligenz auf der einen Seite, auf der anderen aber so unsympathische Erscheinungen wie Shitstorm und Cancel Culture. Wir Freien Demokraten stören uns vor allem an der neuerdings erlaubten Privatjustiz.