Nun zur Landarztquote: Der Landarzt hat kein Kapazitäts-, sondern ein Attraktivitätsproblem. TSVG, Telematikinfrastruktur, Regressangst bei jeder Verordnung im medikamentösen wie im Heilmittelbereich, überbordende Bürokratie und zunehmend Anfragen von Krankenkassen und vom Versorgungsamt – ich lade Sie gerne dazu ein, mal einen Tag mit mir in der Praxis zu verbringen, damit Sie wissen, wovon ich hier eigentlich rede.
Können wir gerne machen. – Dazu kommt noch, dass es auf dem Land häufig keine vernünftige Infrastruktur gibt, weshalb kaum ein Arzt dorthin ziehen möchte, ganz egal, wie viele Boni ihm dort geboten werden.
35 % der aktuell 9.300 Hausärzte in Bayern sind über 60 Jahre alt. Das wurde schon gesagt. Das bedeutet, dass circa 3.200 von ihnen in den nächsten fünf bis sieben Jahren in Rente gehen werden und ihre Praxen verlassen. Ihre Landarztquote greift aber erst nach elf Jahren, also viel zu spät. Pro Jahr sind Ihre 5,8 % – Herr Seidenath hat es auch gesagt – ungefähr hundert zum Teil unglückliche Ärzte mit einem später hohen Frustrationsrisiko, die Sie aufs Land schicken wollen, und damit ein Tropfen auf den heißen Stein.
Des Weiteren wissen die Studenten im Rahmen der Landarztquote nicht, was sie erwarten könnte. Spannend wird es für Frauen, die Kinder bekommen. Hier stellt sich die Frage, ob diese Frauen später in Teilzeit arbeiten können. Was passiert bei längerer Krankheit, wenn Angehörige gepflegt werden müssen? Und es gibt noch vieles mehr.
Wer es sich leisten kann, der wird – Surprise! – im Ausland studieren. Wir brauchen mehr Studienplätze für Medizin, nicht nur in den anderen Bundesländern, sondern weiterhin auch in Bayern. Das Studium muss mehr zum ambulanten Bereich hin geöffnet werden, zum Beispiel das Praktische Jahr durch Anbindung an die Praxen. Wir müssen Erlebniswelten schaffen, die zu einem Klebeeffekt für junge Leute führen. Wir erwarten von einem Studium der Medizin die beste Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten.
Sie versuchen mit Ihrem Gesetz, Versäumnisse aus der Vergangenheit und der Gegenwart zu kompensieren. Der bessere Weg wäre, die Gängelei in der Kassenmedizin abzubauen, Medizinern Regressängste zu nehmen und die Freiberuflichkeit zu stärken.
Ich würde mir für meinen Berufsstand wünschen, dass dieser wunderschöne Beruf wieder mit Freude ausgeübt werden kann.
Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Spitzer. – Nächste Rednerin ist die Abgeordnete Susann Enders für die Fraktion FREIE WÄHLER. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.
(Beitrag nicht autorisiert) Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich begrüße es, dass ich jetzt zu diesem guten Gesetzentwurf reden darf.
Vielen Dank für Ihre Vorreden. Sie wissen ja, wie das ist: Wenn man etwas erreicht, dann ist es für die Opposition zu wenig. Tut man nichts, ist es auch zu wenig für die Opposition. Richtig machen können wir es nicht. Aber wir sind der Meinung, dass wir mit diesem Gesetzentwurf eines Bayerischen Land- und Amtsarztgesetzes einen Schritt in die richtige Richtung gehen.
Der Gesetzentwurf enthält zwei Teile: Regelungen zu den Landärzten und Vorschriften zu den Amtsärzten.
Zu den Landärzten: Ziel des Gesetzentwurfs ist die Gewährleistung einer wohnortnahen hausärztlichen Versorgung in ganz Bayern, ein langjähriges Anliegen der FREIEN WÄHLER. Die Landarztquote ist im Koalitionsvertrag zwischen CSU und FREIEN WÄHLERN enthalten. Die Tätigkeit des Hausarztes scheint für viele junge
Mediziner, vielleicht auch im Vergleich mit lukrativeren Tätigkeiten als Facharzt, wenig interessant zu sein. Zuletzt waren hier etwa 10 % der Ärzte in Weiterbildung.
Deshalb ist es wichtig, den an einer Tätigkeit als Landarzt Interessierten die Möglichkeit zu diesem Studium zu eröffnen. Auch in Anbetracht der demografischen Entwicklung und der Zunahme des Anteils älterer und häufig multimorbider Patienten kommt einer Landarztquote in bedarfsgerechter Ausgestaltung eine maßgebliche Bedeutung zu. Die Landarztquote stellt zusammen mit anderen Maßnahmen des Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns ein wichtiges Instrument zur flächendeckenden Versorgung dar.
Nun zum Inhalt des Gesetzentwurfs für das Bayerische Land- und Amtsarztgesetz: Durch eine Vorabquote wegen besonderen öffentlichen Bedarfs im Sinne des Artikels 9 Absatz 1 des Staatsvertrags über die Hochschulzulassung sollen in Bayern bis zu 5,8 % aller an bayerischen Fakultäten zur Verfügung stehenden Medizinstudienplätze für Bewerber mit einem besonderen Interesse an einer hausärztlichen Tätigkeit im ländlichen Raum reserviert werden. Die Höhe des tatsächlichen Bedarfs wird durch die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns festgestellt. Es ist ein zweistufiges Auswahlverfahren vorgesehen, wobei nicht auf die Abiturnote abgestellt wird. Das war gerade uns FREIEN WÄHLERN besonders wichtig. Der Abiturient mit einem Abiturdurchschnitt von 1,0 wird nicht zwingend der bessere Arzt sein als der mit einem Schnitt von 1,8.
In der ersten Stufe werden ein fachspezifischer Studieneignungstest, das Vorliegen einer Berufsausbildung in einem Gesundheitsberuf sowie geeignete ehrenamtliche Erfahrungen berücksichtigt. Die Erfahrung zeigt, dass Studierende mit einem exzellenten Testergebnis ähnlich erfolgreich im Medizinstudium sind wie die Studierenden mit einem sehr guten Abitur. Empathie und Sozialkompetenz sind wichtige Eigenschaften für Ärzte, und ein einschlägiges ehrenamtliches Engagement kann hierfür ein Indikator sein – das zum heutigen Tag des Ehrenamtes.
In der zweiten Stufe finden strukturierte und standardisierte Auswahlgespräche statt. Die ausgewählten Kandidaten verpflichten sich dem Freistaat gegenüber, unverzüglich nach Abschluss des Studiums eine Weiterbildung in Bayern in der Fachrichtung Allgemeinmedizin oder Innere Medizin aufzunehmen und für die Dauer von zehn Jahren als Hausarzt in Bayern tätig zu sein. Bei Nichteinhaltung der Verpflichtung droht eine Vertragsstrafe – ja, und das ist richtig so. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit übernimmt die Durchführung des Bewerbungs- und Auswahlverfahrens.
Nun die Regelung zu den Amtsärzten: Durch einen Änderungsantrag von CSU und FREIEN WÄHLERN sind auch Regelungen zu den Amtsärzten in den Gesetzentwurf aufgenommen worden. Es wird eine Vorabquote für den Öffentlichen Gesundheitsdienst eingeführt. Hierfür soll ein Kontingent von bis zu einem Prozent aller zur Verfügung stehenden Medizinstudienplätze vorab reserviert werden. Die Bewerber müssen sich verpflichten, nach erfolgreichem Abschluss des Studiums und einer ärztlichen Berufserfahrung von 18 Monaten unverzüglich eine Tätigkeit im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Bayern aufzunehmen, dort die Weiterbildung im Fachgebiet "Öffentliches Gesundheitswesen" zu durchlaufen und nach erfolgreichem Abschluss der Weiterbildung für mindestens weitere zehn Jahre hauptberuflich im Öffentlichen Gesundheitsdienst in Bayern tätig zu bleiben.
Dieses Gesetz mit Entschließungsantrag wird maßgeblich dazu beitragen, dem Ärztemangel im hausärztlichen sowie im amtsärztlichen Bereich entgegenzuwirken,
(Beitrag nicht autorisiert) und ist daher ein wichtiger Beitrag zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in Stadt und Land.
(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN sowie Abgeordneten der CSU – Dr. Fabi- an Mehring (FREIE WÄHLER): Bravo!)
Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der fraktionslose Abgeordnete Raimund Swoboda. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, werte Gäste! Die Debatten im Ausschuss und im Plenum spiegeln trotz Kontroversen eine gewisse Erleichterung wider. Das Bayerische Land- und Amtsarztgesetz kommt, und das ist vernünftig und richtig so; denn mehr Ärzte braucht das Land, sowohl in der Fläche als auch im staatlichen Gesundheitsvorsorgebereich; denn ohne Ärzte gibt es keine Heilung. Gerade in der Fläche – das möchte ich unseren Kollegen von der CSU und den FREIEN WÄHLERN besonders ans Herz legen –, wo einmal das CSU- und FREIEWÄHLER-Gen besonders verbreitet war, breitet sich nun der Ärger über den Landarztmangel und das Praxissterben aus, und dies könnte in der Folge bei Ihnen zu einem CSU- und FREIE-WÄHLER-Sterben führen. Das will doch keiner.
Ob das Gesetz, das erst 2030 wirksam werden soll – nämlich durch die erleichterte Quote für Medizinstudenten ohne Numerus clausus –, wirklich der Renner ist, bleibt offen. Aber es ist eine Hoffnung und vor allem eine Notbremse; denn das geht schon über Jahre so. 2007 kamen 2.200 Landärzte in der Meistersingerhalle zusammen und forderten mehr Selbstständigkeit und weniger Gängelung durch die Krankenkassen. Ein Jahr später waren es schon 25.000.
Es gab einen Aufschrei der Empörung im Olympiastadion in München gegen das Landpraxissterben. Dann hat Gesundheitsminister Dr. Söder die völlig verkorkste Lage von damals durch ein Hausärzte-Hearing retten wollen und eine Nachwuchsgarantie für Landarztpraxen angepeilt. Sein Nachfolger, Minister Dr. Marcel Huber, hat dann abgeholfen und das, was jetzt fortgesetzt wird, begonnen: die Bezuschussung von Landarztpraxen und die Einführung eines Vierjahresstipendiums. Das war ein erster Weg, aber jetzt muss es weitergehen, und das Ende des Weges ist noch nicht absehbar.
Ich komme zum Schluss. Ich bezweifle, dass das Landarztgesetz ein nachhaltiger Motivationsfaktor sein wird; denn, schlicht gesagt, fehlt die zeitgeistliche Wertediskussion bei der ganzen Sache.
Die Abwendung von der egozentrischen WorkLife-Balance hin zu der Frage "Was kann ich für den Mitmenschen tun?" muss in den Köpfen der Medizinstudenten verankert werden.
Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter. – Für die Bayerische Staatsregierung hat nun die Staatsministerin Melanie Huml das Wort.
Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, heute das Landarztgesetz mit verabschieden zu können; denn es war doch ein langer Weg, und es ist ein wirklich guter Abschluss. Deshalb freue ich mich, dass wir es heute gemeinsam auf den Weg bringen können.
Denn Ärztinnen und Ärzte müssen dort tätig sein, wo sie gebraucht werden, wo die Menschen leben, sprich: wohnortnah, und es ist auch unsere Aufgabe, dafür entsprechende Anreize zu setzen. Aktuell ist es so, dass wir im Moment eine gute Versorgung und ein sehr hohes Niveau haben. Aber wir wollen dieses natürlich auch für die nächsten Generationen erhalten. Wir wollen gleichwertige Lebensbedingungen nicht nur auf dem Papier stehen haben, sondern auch in der Praxis umsetzen. Dazu gehört auch eine gute ärztliche Versorgung auf dem Land, und dafür setzen wir uns ein.
Zwar liegt der Sicherstellungsauftrag und damit die Verantwortung für die Ärzteversorgung bei der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, aber das hält uns als Staatsregierung nicht davon ab, auch Akzente zu setzen, zum Beispiel mit – es wurde bereits einiges genannt – dem Niederlassungsförderprogramm, dem Stipendium, mehr Studienplätzen und, und, und – Bernhard Seidenath hat ebenfalls bereits einiges ausgeführt. Das heißt, wir beginnen nicht erst heute oder haben erst in den letzten Wochen damit begonnen, sondern es ist bereits in den letzten Jahren sehr viel auf den Weg gebracht worden, und es ist auch schon einiges an Erfolgen vorhanden. Wir konnten schon viele Niederlassungen unterstützen, gerade auch im hausärztlichen Bereich. Aber es braucht eben noch weitere Akzente, wie die Landarztquote, die wir heute hoffentlich umsetzen können.
Die Landarztquote ist ein weiterer wichtiger, richtiger Schritt, wie ich finde, und seit 2014 ein Thema, für das ich mich einsetze. Zwischenzeitlich gab es auch Schützenhilfe auf Bundesebene von Emmi Zeulner und vom Arbeitskreis, der ebenfalls unterstützt hat. Seit 2014 ist das Ganze ein Thema; das heißt, es hat schon einige Jahre gebraucht, bis überhaupt die Voraussetzungen vorhanden waren, dass wir als Land die Landarztquote einführen können. Wir tun es heute, und es freut mich sehr, dass wir diesen Beschluss heute fassen.
Die konkreten Ausgestaltungen möchte ich Ihnen noch etwas näherbringen. Mein Dank gilt an dieser Stelle auch dem Kollegen Bernd Sibler und dem Wissenschaftsministerium für die stete und hilfreiche Unterstützung sowie dem Ausschussvorsitzenden Bernhard Seidenath und den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss, die dies unterstützt haben. Sie waren wichtige Mitstreiter. Vielen Dank dafür!
Wie sieht es nun im Konkreten aus? – Konkret wird es so sein, dass wir bis zu 5,8 % aller Medizinstudienplätze in Bayern für Studierende vorhalten werden, die später im hausärztlichen Bereich in der Fläche tätig sein werden. Das sind etwa 110 Studienplätze pro Jahr, die reserviert werden. Das Besondere dabei ist auch,
dass die Abiturnote für diese Bewerberinnen und Bewerber nicht entscheidend ist. Auch dies ist in gewisser Weise ein Paradigmenwechsel, dass wir bei der Voraussetzung für das Medizinstudium andere Schwerpunkte setzen, und wie ich finde, ist dies auch hier der richtige Weg. Danke, dass Sie ihn mitgehen!
Denn mit der Landarztquote erhalten nun auch Bewerberinnen und Bewerber ohne 1,0-Abitur – oder manchmal ist es ja schon 0,9 oder noch mehr, was man benötigt –, aber mit fachlicher und emotionaler Kompetenz die Chance, Medizin zu studieren. Es wird ein zweistufiges Auswahlverfahren geben mit folgenden Auswahlkriterien in der ersten Stufe: erstens dem sogenannten Medizinertest, also dem fachspezifischen Studieneignungstest, wie es so schön heißt, zweitens
Berufserfahrung bzw. Berufstätigkeit sowie drittens ehrenamtliche Tätigkeit. Auch dies ist etwas Besonderes, was bei der Studienplatzvergabe berücksichtigt wird. Es wird natürlich nicht ganz einfach werden, die Kriterien festzulegen; aber wir stellen uns dem, weil wir es für richtig halten.
In der zweiten Stufe wird es dann Auswahlgespräche geben, um die besondere Motivation und die soziale Kompetenz der Bewerberinnen und Bewerber einbringen zu können. Danach werden dann die Studienplätze vergeben.
Derjenige, der über dieses Verfahren einen Studienplatz bekommt, verpflichtet sich vertraglich, die Weiterbildung zum Allgemeinmediziner oder auch eine internistische Ausbildung zu durchlaufen, denn auch hierbei kann man hausärztlich tätig sein, und anschließend mindestens zehn Jahre in einem Bedarfsgebiet tätig zu sein, das heißt, in einem Gebiet, in dem es Unterversorgung gibt oder diese droht, sprich: dort, wo wir die Ärzte brauchen. Wir wollen, wenn wir schon diese Anreize setzen, erreichen, dass die Ärzte dort tätig sind, wo sie benötigt werden. Danke, dass wir diesen Weg gehen können! Es stimmt: Wer diesen Vertrag nicht einhält, wird mit einer Strafe von 250.000 Euro belegt. Das ist auch etwa das, was uns ein Studienplatz im Bereich Medizin kostet. Dies soll zeigen, dass es keine fiktive Summe ist, sondern das, was wir als Staat investieren.