Protocol of the Session on December 5, 2019

Sie sind noch auf der Suche nach ihren persönlichen Neigungen. Sie sind noch auf der Suche nach dem, was sie sich in diesem Beruf wünschen. Das ist auch in Ordnung so. Studium und Praxis gewährleisten, dass Begeisterung für ein bestimmtes Fach entwickelt wird. Anstatt auf diesen Entwicklungsprozess der jungen Medizinerinnen und Mediziner Rücksicht zu nehmen, wird den Studentinnen und Studenten eine Strafe in Höhe von 250.000 Euro angedroht.

(Dr. Ralph Müller (AfD): (Beitrag nicht autorisiert) Der Wissenschaftsausschuss hat eine Million vorgeschlagen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie wählen also das Mittel der Abschreckung und nicht das Mittel der Förderung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meines Erachtens ist das keinesfalls der richtige Weg. Außerdem stellt sich hier sogar die Frage, ob die Quote verfassungsgemäß ist, da sie immerhin die Berufsfreiheit in beachtlicher Weise einschränkt. Die Landarztquote löst das generelle Problem des Ärztemangels zudem ohnehin nicht.

Es fehlt nicht nur an Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmedizinern, sondern auch an HNO-Ärzten, Kinder- und Jugendpsychiaterinnen und -psychiatern, Kinderärztinnen und Kinderärzten. Bei der letzten Lesung sprachen Sie auch von der Einführung einer Quote für Pädiater. Wie stellen Sie sich das genau vor? Führen wir nun für jede Fachrichtung eine Quote ein, die dann in zwanzig Jahren greift? –

Man kann doch mit einer qualitativ hochwertigen Ausbildung, wie das Medizinstudium eine ist, keine Versorgungsplanung betreiben. Das klingt nach Planwirtschaft und ist wenig innovativ. Meiner Meinung nach ist ein Medizinstudium dazu nicht gedacht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ein solches Vorgehen wird ganz sicher auch dem Imageproblem des Landarztberufs nicht gerecht. Klar ist: Wir brauchen weniger Zwang, sondern einfach mehr kluge Maßnahmen.

(Zuruf: Die da wären?)

Erstens. Eine gute Lösung würde viel mehr Studienplätze schaffen, ein Auswahlverfahren für alle Studienanfänger in Medizin einführen und die Attraktivität des Berufs erhöhen. Das gilt für die Stellen im öffentlichen Dienst genauso wie für alle anderen Stellen. Die neuen Studienplätze an der Uni Augsburg sind ein Anfang. Wir brauchen aber insgesamt mehr Lehrstühle für Allgemeinmedizin.

Zweitens. Wir sollten auf die Studierenden hören. Sie müssen in der Ausbildung früh genug vor Ort eingebunden werden. Es wäre sinnvoll, dass Universitäten öfter mit Krankenhäusern in ländlichen Regionen kooperieren. Verbringen Studierende bereits einen Großteil ihres Studiums dort, werden sie nach Abschluss ihres Studiums auch häufiger freiwillig in diese Krankenhäuser zurückkehren.

Drittens. Wir brauchen einen Systemwechsel; das wissen wir alle. Unser Gesundheitssystem wird so nicht Bestand haben können. Kurzfristig müssen wir die Bedarfsplanung ändern. Das heißt, wir brauchen eine gründliche, sektorenübergreifende Überprüfung der Versorgungssituation, um den tatsächlichen regionalen Bedarf zu ermitteln und darauf entsprechend zu reagieren.

Als letzter Punkt, warum das Konzept der Quote am Ziel vorbeischießt – Sie haben es bereits erwähnt: 35,2 % der Hausärzte und Hausärztinnen in Bayern sind bereits jetzt über 60 Jahre alt. Die Quote wird aber aufgrund von Studium und Fachausbildung frühestens in 12 Jahren Erfolge zeitigen. Die Rechnung geht also ganz offensichtlich nicht auf. Eine Wirkung erst in 22 Jahren, wenn die Ärzte ihre verpflichtenden zehn Jahre hinter sich haben, ist viel zu langsam. Sie müssen jetzt handeln. Wir spüren die Folgen des Mangels bereits jetzt. Sie brauchen Förderprogramme für Kommunen, für innovative Lösungen, zum Beispiel die Bereitstellung von Praxisräumen. Mehr Hilfestellung und weniger Zwang, das wäre mein Wunsch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herzlichen Dank, Frau Kollegin. – Als Nächster hat der Abgeordnete Andreas Winhart für die AfD-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der AfD)

Sehr geehrter Herr Vizepräsident, werte Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in der Zweiten Lesung das Bayerische Landarztgesetz. Viele junge Menschen, die ihr Abitur mit Erfolg abgelegt haben, streben ein Medizinstudium an. Leider bleibt vielen dieser Traum bislang verwehrt, da die Voraussetzungen für den hohen Numerus clausus nicht vorliegen. Das mag die verschiedensten Gründe haben, sei es eine gewisse Nervosität in den Abiturprüfungen, die der eine oder andere vielleicht nachvollziehen kann, oder die eine oder andere schlechte Note in abiturrelevanten Prüfungen. Trotzdem sind dies gebildete junge Menschen, die die Motivation für ein schweres und im Gegensatz zu vielen anderen Studiengängen langwieriges Studium hätten. Sie sind motiviert, anderen

Menschen mit medizinischem Wissen zu helfen. Ein hohes Gut. Welch einen Schatz haben wir da jahrelang nicht an den Universitäten Bayerns für das Medizinstudium zugelassen?

(Alexander König (CSU): Da helfen nur Medizinstudienplätze! Alles andere ist Quatsch!)

Wie viele sind zum Studium ins Ausland gegangen, abgewandert und oftmals nicht wiedergekommen? Sie gingen beispielsweise ins benachbarte Österreich. Wie vielen jungen Bayern hat man die Erfüllung des Berufswunsches verwehrt, während man Abiturienten aus anderen Bundesländern und Staaten bereitwillig die Tür zum Medizinstudium in Bayern geöffnet hat, nur um zuzusehen, wie sie danach wieder in ihre Heimat zurückkehrten? Ein Land wie Bayern ist in der Lage, genügend Mediziner für den eigenen Bedarf auszubilden. Trotzdem haben wir zur Kenntnis zu nehmen, dass es in der jahrelangen Regierungszeit der CSU nicht gelungen ist, genügend Ärztenachwuchs vor allem in den ländlichen Regionen Bayerns zu halten. Nun, Ende 2019, hat man den Handlungsbedarf auch aufseiten der Regierung erkannt und versucht zu retten, was noch zu retten ist. Realistisch gesehen werden die Maßnahmen dieses Gesetzes erst in rund 10 bis 15 Jahren greifen. Es entsteht eine Lücke, die Sie von der Regierungskoalition gerne verschweigen und für die Sie offensichtlich keine kurzfristige Lösung haben. Die Landärzte werden heute von Tag zu Tag weniger, nicht erst in 15 Jahren.

(Beifall bei der AfD)

Aber auch für die interessierten Medizinstudenten ist das ein fast unkalkulierbarer Zeitraum. Mit einem Knebelvertrag und mit existenzbedrohenden Vertragsstrafen ist man zum Erfolg verdammt. Das Zuckerl NC-freies Medizinstudium lockt, aber es hat einen sehr faden Beigeschmack.

Wir halten das Ansinnen für richtig, für die Versorgung mit Landärzten jetzt endlich Maßnahmen zu ergreifen. Sie könnten aber mit Blick auf die Lebenssituation, die finanziellen Risiken und den für einen Abiturienten nicht einschätzbaren Studienerfolg deutlich weniger risikobehaftet ausfallen. Wir wollen die jungen Leute doch eigentlich für dieses Landarztsystem motivieren, ja, wir wollen sie dafür werben, und deshalb sollten wir sie nicht von vornherein zu Knebelverträgen zwingen.

Mit den Landärzten allein ist es aber nicht getan. Mein Fraktionskollege Magerl hat Sie in der Ersten Lesung bereits auf die Frage aufmerksam gemacht, was mit den diversen anderen Fachärzten ist, bei denen auch künftig Stellen offenbleiben. Wir wissen, sachdienliche Hinweise der AfD sind meistens nicht Ihr Ding. Wir nehmen aber auch zur Kenntnis, dass Sie in Ihrem zusätzlichen Antrag zumindest ansatzweise darüber nachgedacht haben.

(Beifall bei der AfD)

Anscheinend sehen Sie bei Ihrem Gesetz Nachbesserungsbedarf, zum Beispiel beim Öffentlichen Gesundheitsdienst. Mit Ihren Bemühungen um den Öffentlichen Gesundheitsdienst machen Sie aber den Landarztstellen unnötig Konkurrenz. Der Zugang zum Öffentlichen Gesundheitsdienst könnte durchaus dadurch erleichtert werden, indem man den Bewerbern nach dem Studium beispielsweise die Wahl lässt, ob sie einen Landarztsitz oder eine ÖGD-Stelle annehmen wollen.

Die AfD sieht den Bedarf einer Regelung für die Landärzte als gegeben an, wir lehnen aber die viel zu hohen Lebensrisiken für die jungen Medizinstudenten ab. Wir werden uns wie bereits im Ausschuss bei diesem Gesetz enthalten. Die Nachbesserungen lehnen wir ebenfalls ab.

Herr Abgeordneter, Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Ihren Beweihräucherungsantrag auf Drucksache 18/4702 lehnen wir wegen Überflüssigkeit ab.

(Beifall bei der AfD)

Herzlichen Dank, Herr Abgeordneter. – Nächste Rednerin ist für die SPD-Fraktion die Abgeordnete Ruth Waldmann. Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, Hohes Haus! Wir sind heute in der Zweiten Lesung. Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass die Bedeutung der Hausärzte ganz enorm ist und dass wir dafür sorgen müssen, überall in Bayern eine gute Versorgung zu haben. Alles, was dabei hilft, ist deswegen willkommen. Deshalb haben wir dem Landarztgesetz bislang auch zugestimmt, und das werden wir auch heute tun, obwohl wir Bedenken haben bezüglich der sehr langen Laufzeit. Wir werden erst in 22 Jahren wissen, ob das Gesetz tatsächlich so wirkt, wie wir es wollen. Und wir haben auch Bedenken, weil die Vertragsstrafen sehr hoch sind angesichts dieser langen Zeit für junge Leute. Trotzdem, es ist einen Versuch wert. Allerdings ist auch klar, dieses Landarztquotengesetz ist nicht die Lösung aller Probleme der ärztlichen Versorgung auf dem Land oder bei der Versorgung mit Hausärzten oder mit Kinderärzten.

Jetzt komme ich zu dem zusätzlichen Antrag, den Sie im Ausschuss eingebracht und jetzt auch noch zur Einzelberatung hochgezogen haben. Ehrlich gesagt, damit machen Sie das Gesetz ein bisschen lächerlich. Das ist ein Antrag, bei dem auf einer ganze Seite Begrüßungsformeln stehen. Wir sollten also zunächst als Ausschuss und sollen nun auch als Landtag begrüßen, was für ein großartiges Gesetz hier auf den Weg kommt. Wir sollen auch Ankündigungen des Ministerpräsidenten begrüßen, und wir sollen einen Appell an andere Bundesländer begrüßen, so etwas auch zu machen, obwohl es in 10 von 16 Bundesländern entweder schon ein Landarztgesetz gibt oder auf dem Weg ist. Aber wir müssen ihnen das jetzt unbedingt noch mit auf den Weg geben.

(Dr. Fabian Mehring (FREIE WÄHLER): Es fällt schwer, aber es wäre wichtig!)

Ich muss echt sagen, es ist eigentlich eine Zumutung für einen Fachausschuss, uns mit einem derart überflüssigen Appell zu einem Grüß-Gott-Komitee zu machen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

In dieser Form ein Gesetz einzubringen und uns anschließend zu diesem Jubel- und Begrüßungsantrag zu nötigen, weil Sie die Mehrheit haben, so etwas gibt es, glaube ich, sonst nur in China und in Nordkorea, wo der Volkskongress die Ankündigungen der großen Vorsitzenden begrüßen und bejubeln muss.

(Unruhe bei der CSU und den FREIEN WÄHLERN – Tanja Schorer-Dremel (CSU): Das ist jetzt aber wirklich an den Haaren herbeigezogen!)

Mit diesem Begrüßungsantrag machen Sie sich wirklich lächerlich. Das ist echt peinlich.

Auf der zweiten Seite kommt aber ein Passus, bei dem es sich durchaus lohnt, noch einmal genauer hinzuschauen. Sie sagen, es gibt auch einen Mangel an Kinderärzten und Kinderärztinnen. Das ist richtig. Das haben Sie da irgendwie noch hineingewurstelt, das soll mal geprüft werden. Jetzt ist es aber so, dass wir für die

Landarztquote einen Anteil an den Medizinstudienplätzen von 5,8 % vorsehen. Das ist nicht wahnsinnig viel. Wenn wir da jetzt noch die Kinderärzte einbeziehen – hier steht: innerhalb der dann bestehenden Landarztquote – und dann in einem weiteren Schritt den gesamten Bereich der allgemeinfachärztlichen Versorgung hineinnehmen, dann wird die Zahl derer doch immer kleiner, die dann tatsächlich als Landärzte zur Verfügung stehen, was ursprünglich doch eigentlich mit diesem Gesetzentwurf beabsichtigt war.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir die Kinderärzte da auch noch hineinwursteln und in einem zweiten Schritt die allgemeinfachärztliche Versorgung, dann kommen wir fast in einen Promillebereich bei den Studienplätzen, der dann tatsächlich im Sinne dieses Landarztgesetzes wirkt. Da muss man dann schon sagen: Das Ei wird immer kleiner, aber das Huhn gackert mit diesem Begrüßungsantrag dazu immer lauter. – Das passt wirklich hinten und vorne nicht zusammen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD)

Damit tun Sie in dieser Angelegenheit leider keinen Gefallen. Trotzdem wollen wir es mit dem ursprünglich eingebrachten Gesetzentwurf versuchen und auch mit der Ergänzung, was den Öffentlichen Gesundheitsdienst angeht. Auch da müssen wir etwas tun. Aber ob wir mit dem einen Prozent dann tatsächlich eine Lösung haben, das ist eine andere Frage. Aber man kann das erst einmal anfangen.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön, Frau Kollegin. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Dr. Dominik Spitzer für die FDP-Fraktion. Herr Abgeordneter, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Werte Kollegen von der CSU und den FREIEN WÄHLERN: Sie verfolgen mit Ihrem Antrag das Ziel, die Einbeziehung von Kinderärzten und der allgemeinfachärztlichen Versorgung in die Landarztquote prüfen zu lassen. Dann lassen Sie doch bitte auch gleich die Fächer Rheumatologie, Dermatologie und Neurologie mit prüfen; denn auch hier haben wir bereits riesige Versorgungslücken, und nicht wenige Inhaber von Praxen werden zukünftig keinen Nachfolger haben.

Des Weiteren möchten Sie die Einführung eines landeseigenen Studieneignungsverfahrens prüfen lassen. Ist Ihnen bewusst, dass die Schüler, die vor dem Abitur stehen, sich dann auf zwei Medizinertests vorbereiten müssen? Herr Seidenath, Sie haben angeführt, man könnte das auch nachziehen. Da sehe ich aber das Problem mit der zeitlichen Komponente. Ich kann mir vorstellen, dass das sehr eng wird, diesen Test noch vor Studienbeginn auszuwerten und dann die Studienplätze dafür zu vergeben. Wieder einmal würden unnötig Steuergelder ausgegeben, in diesem Fall für einen bayerneigenen zusätzlichen Studientest.

Nun zur Landarztquote: Der Landarzt hat kein Kapazitäts-, sondern ein Attraktivitätsproblem. TSVG, Telematikinfrastruktur, Regressangst bei jeder Verordnung im medikamentösen wie im Heilmittelbereich, überbordende Bürokratie und zunehmend Anfragen von Krankenkassen und vom Versorgungsamt – ich lade Sie gerne dazu ein, mal einen Tag mit mir in der Praxis zu verbringen, damit Sie wissen, wovon ich hier eigentlich rede.