Die Qualitätsentwicklung in unseren Kitas zum Beispiel hinkt nach wie vor den vollmundigen Ankündigungen hinterher. Statt eines schwungvollen Qualitätsaufschlags mit Rückenwind aus Berlin, der im Rahmen des Gute-KiTa-Gesetzes gekommen ist, geht nur ein Bruchteil der Gelder in die Qualitätsverbesserung. Einrichtungsleitungen haben viel zu wenig Zeit für ihre Leitungsarbeit. Deshalb soll es jetzt einen Leitungsbonus geben. Aber auch dieser ist nur ein Stückwerk. Mit Glück reicht er gerade einmal für die Hälfte der Einrichtungen.
Andere wichtige Verbesserungen bleiben gleich ganz aus, wie die Anhebung des Anstellungsschlüssels oder bessere Rahmenbedingungen in der Ausbildung oder eine bessere finanzielle Ausstattung von "OptiPrax". Dabei wäre doch gerade eine Investition zur Verbesserung der Situation der Fachkräfte wesentlich, Herr Häusler.
So bleiben wir in Bayern hinsichtlich der Verbesserung der Kita-Rahmenbedingungen weiterhin Mittelmaß, anstatt an der Spitze zu sein.
Auch die Bekämpfung der Kinderarmut kommt nicht voran. Laut AWO-Sozialatlas 2018 sind rund 250.000 Kinder in Bayern von Armut bedroht oder betroffen. Das Gleiche gilt für soziale Hilfen durch Betreuungsvereine oder für Jugendsozialarbeit an Schulen. Das ist nicht sozial, das ist nicht nachhaltig, und das ist auch nicht die Politik, die wir uns als SPD für eine soziale und moderne Gesellschaft vorstellen.
Leider koppeln Sie dieses Gesetz auch noch an einen zweiten Paragrafen, der sich mit einem völlig anderen Themenkomplex befasst, an die Änderung des AGSG, und stellen das Parlament, uns alle hier, vor die Wahl: Entweder stimmen wir am Ende dem gesamten Gesetz zu, oder wir lehnen die finanzielle Unterstützung von Kommunen ab.
Damit bringen Sie uns alle in eine wirklich unmögliche Lage. Deshalb haben wir beantragt, über die Paragrafen einzeln abzustimmen; denn wir lehnen § 1, das Krippengeld, ab – ich möchte betonen: in der uns vorliegenden Form –, § 2 stimmen wir natürlich zu.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete. Bleiben Sie bitte am Rednerpult. Kollege Häusler hat noch eine Zwischenbemerkung. – Bitte schön.
Frau Kollegin Rauscher, ich habe die Situation vorher dargestellt. Glauben Sie, dass die Situation der Fachkräfte allein mit Geld verbessert werden kann? Ich habe an Sie direkt eine ganz wesentliche Frage. Sie haben gesagt, dass der Schlüssel unbedingt verbessert werden muss. Wir wissen, dass der tatsächliche Schlüssel im Moment etwas günstiger als die gesetzlichen Rahmenbedingungen ist. Ich glaube, dies ist hinreichend bekannt. Was aber ist die Konsequenz, wenn Sie den Schlüssel tatsächlich noch enorm verbessern wollen? – Die Konsequenz ist, dass aufgrund der Personalsituation nicht mehr alle Kinder in den Kindergärten aufgenommen werden können. Hat es noch etwas mit sozial gerechter Kita-Betreuung und mit Sozialpolitik, mit verantwortbarer Kinderbetreuung und verantwortbarer Sozialpolitik zu tun, wenn Kinder aufgrund der Tatsache, dass keine Annahme mehr möglich ist, abgelehnt werden müssen? Hat man dann den Eltern in Bayern einen großen Dienst erwiesen, oder hat man ihnen einen Bärendienst erwiesen?
Wir wissen aber auch, dass, ähnlich wie in der Pflege, circa jede achte Fachkraft aus dem Bereich der frühkindlichen Bildung aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen ausscheidet.
Deswegen müssen Sie endlich in die Qualität investieren. Das werde ich immer wiederholen. In diesem Bereich unternehmen Sie nämlich definitiv zu wenig. Das muss Ihnen einfach bewusst werden. Wenn ich Arbeitsbedingungen vorfinde, die es nicht erlauben, eine qualitativ hochwertige Arbeit am Kind umzusetzen, dann löst das große Unzufriedenheit aus, noch dazu bei dieser Bezahlung. Als Folge wandern uns ausgebildete Fachkräfte in die Büros ab. Da gehören sie aber nicht hin, sondern in die Kitas. Deswegen fordere ich: mehr Geld für die Qualität.
Vielen Dank, Frau Abgeordnete Rauscher. – Ich darf als Nächste Frau Julika Sandt von der FDP-Fraktion aufrufen. Bitte schön, Frau Kollegin Sandt.
Sehr geehrter Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Manchmal gibt es Dinge, die muss man einfach wörtlich zitieren. Dazu gehört die dpa-Meldung von gestern:
Bayern gibt gemessen an seiner Wirtschaftsleistung bundesweit am wenigsten Geld für Kindertagesbetreuung aus. Auch bei der Verbreitung von Angeboten der offenen Jugendarbeit bilde der Freistaat das Schlusslicht, bemängelt eine am Mittwoch veröffentlichte Studie des Deutschen Kinderhilfswerks. Im Kinderrechteindex schafft es das Land daher nur ins Mittelfeld.
In der Meldung heißt es weiter: Die Familienministerin Kerstin Schreyer zeigte sich erfreut über die Ergebnisse. – Da bleibt einem doch die Spucke weg. Die Staatsregierung zeigt sich über Mittelmaß erfreut. Ist Mittelmaß wirklich Ihr Anspruch, wenn es um Kinderrechte geht? Sie wollen doch sonst überall vorne dabei und spitze sein. Ausgerechnet dann, wenn es um Kinder geht, sind wir im Mittelfeld, und Sie freuen sich auch noch darüber. Ich finde das unglaublich.
Bei der Betreuung der Kinder unter drei Jahren haben wir im Ländervergleich die zweitniedrigste Betreuungsquote. Beim Bekanntheitsgrad von Kinderrechten liegen wir ganz hinten. Jetzt sehe ich Ihren Gesetzentwurf zur Einführung eines bayerischen Krippengeldes und frage mich, ob der irgendetwas ändern wird. Die Antwort ist Nein.
Die Staatsregierung muss umdenken und darf Kindertagesstätten künftig nicht nur als Betreuungseinrichtungen, sondern wirklich als Stätten der frühkindlichen Bildung begreifen. Aber Ihr Gesetzentwurf zeigt einmal mehr: Sie sehen Kindertagesstätten als reine Betreuungseinrichtungen. Sie bringen keine Vorschläge für die Verbesserung der Qualität. Sie fokussieren sich nur auf eine Beitragsentlastung. Diese Beitragsentlastung wird vermutlich auch noch verpuffen wie bei den Beiträgen für die Kindergärten. Viele Träger haben nämlich die Gebühren erhöht, sodass bei den Eltern am Ende nichts hängen bleibt. Nicht einmal ein Mehr für die Eltern bringt es am Ende.
Auch nach der Behandlung im Ausschuss bleiben viele Fragen offen: Was passiert mit den Eltern, die keinen Kitaplatz bekommen und auf eine alternative Betreuung angewiesen sind? Wieso gibt es einen derart abrupten Abfall der Leistung? Der Betrag wird nur an Familien ausgezahlt, die jährlich nicht mehr als 60.000 Euro Einkommen zur Verfügung haben. Das sind für einen Doppelverdienerhaushalt 2.500 Euro brutto. Zudem wird eine abrupte Grenze gezogen. Wenn beispielsweise eine Mutter eine Gehaltserhöhung von 100 Euro erhält und damit über die festgelegte Grenze kommt, dann bekommt sie netto 53 Euro mehr. Ihr werden aber 100 Euro weggenommen. Eine Gehaltserhöhung bedeutet also, dass diese Familie am Ende 47 Euro netto weniger in der Tasche hat.
Die ganz große Frage bei der Kinderbetreuung ist: Wo bleiben die Fachkräfte? – Hier lobe ich Sie sogar, weil Sie nun mit Influencerinnen für den Erzieherberuf werben. Das ist auf jeden Fall sinnvoll. Natürlich leisten die Erzieherinnen und Erzieher in diesem Land eine hervorragende Arbeit. An dieser Stelle auch von uns ein ganz herzliches Dankeschön dafür. Jedoch muss man auch etwas für die Erzieherinnen und Erzieher in unserem Land tun. Neulich war eine Besuchergruppe aus der Akademie für Erziehungsberufe im Bayerischen Landtag. All diese Erzieherinnen und Erzieher haben gesagt, dass der Weg in den Erzieherberuf so wahnsinnig steinig sei, dass er zu lang dauere und sich alle verschuldeten, bis sie den Beruf ergreifen könnten. Hier werden Hürden aufgebaut, die dafür sorgen, dass der Beruf der Erzieherin auch weiterhin ein Mangelberuf bleiben wird. Da muss man anpacken, da muss man ran. Das ganze Geld darf nicht nur in die Kostenfreiheit gesteckt werden.
Unser Anspruch ist nicht das Mittelmaß. Mit diesem Gesetzentwurf bleibt es aber beim Mittelmaß. Frühkindliche Bildung ist die Basis für den weiteren Erfolg in der Schule, im Beruf und im Leben.
Vielen herzlichen Dank. – Ich darf den Kollegen Swoboda (fraktionslos) aufrufen. Auch hier erinnere ich an die Redezeit. Sie haben dieses Mal keine zwei Minuten, sondern nur 120 Sekunden Zeit.
Werter Herr Präsident, liebe Abgeordnete, verehrte Gäste! Sehr geehrte Frau Staatsministerin Schreyer, Ihr Gesetz ist bisher im Parlament nicht besser geworden.
Sie behaupten, nach wie vor eine Politik der Wahlfreiheit zu betreiben. In Wahrheit betreiben Sie aber eine Klientelpolitik für Leute, die es gar nicht nötig haben, indem Sie diesen Leuten das Krippengeld bezahlen. Damit wollen Sie Erziehung und Bildung verbessern. Was ist das Ergebnis? – Die Bereitschaft dieser Eltern, ihre Kinder in die Kinderkrippe zu geben. Das ist quasi eine skurrile Form der Kindsentziehung. Man könnte auch sagen, dass das eine Art Judaslohn für die verratene Liebe der Eltern an ihren Kindern ist, weil sie die Kinder weggeben.
Sehr verehrte Abgeordnete, sehr verehrte Frau Schreyer, Sie fördern eindeutig die Fremdbetreuung. Da brauchen Sie gar nicht echauffiert zu sein. Sie fördern diese, obwohl Sie wissen, dass die soziale und emotionale Kompetenzvermittlung im Elternhaus genauso wichtig und richtig ist.
Sie brauchen gar nicht dazwischenzurufen. – Das ist erziehungswissenschaftlich gleichermaßen anerkannt.
Die kognitiven Fähigkeiten können auch im Elternhaus vermittelt werden – natürlich auch in der Fremdbetreuung. Frau Schreyer, mit dem Krippengeld schaffen Sie vielleicht ein Zuckerl für Wählerinnen und Wähler, aber nicht für die Kinder und auch nicht für die Kinderkrippen. Auf die Kinderkrippen wird ein Run zukommen. Immer mehr Kinder werden in die Kinderkrippe geschickt werden, und dies, obwohl dort Personalmangel herrscht. Der Personalmangel in den Kinderkrippen ist allgegenwärtig. Sie haben ihn heute schon angesprochen.
Abschließend sage ich Ihnen, Frau Schreyer: Verbessern Sie die Arbeitsbedingungen in den Kinderkrippen, mehr Personal, keine Praktikanten im Einsatzpersonalschlüssel! Machen Sie den ersten Schritt vor dem zweiten; Sie haben heute den zweiten vor dem ersten getan. Das kann nicht richtig sein, Frau Schreyer.
Ich bedanke mich für Ihren Beitrag. – Meine sehr verehrten Damen und Herren, es liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.
Der Abstimmung liegen der Gesetzentwurf der Staatsregierung auf Drucksache 18/3888, der Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 18/4163 sowie die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie auf Drucksache 18/5030 zugrunde.
Vorab ist über den von den Ausschüssen zur Ablehnung empfohlenen Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 18/4163 abzustimmen. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das ist die Fraktion der GRÜNEN. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der CSU, der FREIEN WÄHLER, der AfD und der FDP. Stimmenthaltungen? – Das sind die Fraktion der SPD und der fraktionslose Abgeordnete Swoboda. Der fraktionslose Abgeordnete Plenk fehlt. Damit ist dieser Änderungsantrag abgelehnt.
Wir kommen nur zur Abstimmung über den Gesetzentwurf. Der federführende Ausschuss für Arbeit und Soziales, Jugend und Familie empfiehlt Zustimmung. Der endberatende Ausschuss empfiehlt ebenfalls Zustimmung. Die SPD-Fraktion hat gemäß § 52 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung Einzelabstimmung zu den Paragrafen 1 und 2 des Gesetzentwurfs beantragt.
Wer § 1 – das ist die Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetzes – zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen der CSU und der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen! – Das sind die Fraktionen der GRÜNEN, der AfD, der SPD und der FDP sowie der fraktionslose Abgeordnete Swoboda. Der fraktionslose Abgeordnete Plenk fehlt. Enthaltungen? – Keine. Damit ist das so beschlossen.