Selbst wenn dieser Entwurf Gesetz wird, so sind – jetzt ist es interessant – noch längst nicht alle rechtlichen Fragen geklärt. Nach wie vor stehen diesem Gesetz verfassungsrechtliche Bedenken entgegen – zum Teil wurden sie von Herrn Kolle
gen Schuberl bereits vorgetragen und zitiert –, die nicht dadurch ausgeräumt werden, dass die FREIEN WÄHLER hier ihre Zustimmung erteilen.
Es geht letztendlich um die Kernfrage, wie unabhängig die Abgeordneten des Bayerischen Landtags, die zu Regierungsbeauftragten ernannt werden, noch sein können. Für die Zahl der Minister und Staatssekretäre ist in der Bayerischen Verfassung eine Höchstzahl von 17 Personen festgelegt. Diese setzt sich in aller Regel aus den Abgeordneten dieses Hauses zusammen. Zusätzlich sollen jetzt nach dem Bayerischen Beauftragtengesetz bis zu 7 Personen benannt werden können. Das macht insgesamt 24 Personen, die aus der parlamentarischen Sphäre in den Regierungsapparat wechseln und bei denen gewissermaßen Abhängigkeiten bestehen. Es ist nahezu ein Viertel aller Abgeordneten der Koalitionsparteien, auch wenn heute nicht alle da sind. Damit stellt sich die Frage, ob das Parlament seiner wesentlichen Aufgabe – die wesentliche Aufgabe ist die Kontrolle der Regierung – noch gerecht werden kann.
Dieses Schaffen bewusster Abhängigkeiten in den Reihen der Abgeordneten führt zu einer weiteren Entparlamentarisierung unserer Demokratie. Diese Entparlamentarisierung ist Ursache für Politikverdrossenheit in diesem Land und gewissermaßen die Grundlage für eine wahre Alternative, die sich in Deutschland etablieren konnte.
Wer nämlich die parlamentarische Kontrolle nicht ernst nimmt – das machen Sie nicht, das merkt man an Ihren Reden – und nur als gefällige Kulisse sieht, leistet dieser Politikverdrossenheit in Deutschland massiv Vorschub. Gegen diese Entwicklung stellt sich die Alternative für Deutschland mittlerweile in allen Volksvertretungen, und das mit zunehmendem Erfolg, meine sehr geehrten Damen und Herren.
Bisher bewegten sich die Beauftragten ja in einer rechtlichen Grauzone. Mit diesem Entwurf ist endlich der Damm gebrochen, und wir können dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof verfassungsrechtliche Bedenken vortragen. Wir werden im Übrigen die anderen Oppositionsparteien daran messen, ob sie ihren Worten hier im Parlament auch Taten folgen lassen. Das ist insbesondere in die Richtung des Herrn Kollegen Schuberl gesprochen, der die ganzen Gesetzesverstöße ausreichend zitiert hat. Die AfD jedenfalls ist fest entschlossen. Wir werden mit aller Kraft aufräumen und diese Missstände zum Wohle unserer Demokratie kritisch überprüfen und, wenn nötig, beseitigen.
Aber unabhängig vom Ausgang einer etwaigen Verfassungsklage – vor Gericht und auf hoher See ist man bekanntlich in Gottes Hand –
hat sich gezeigt, dass die FREIEN WÄHLER in der Regierung aufgehen werden. Der zukünftige Weg, wie bereits in Schillers Drama angedeutet, ist vorgezeichnet. Die AfD-Fraktion lehnt diesen Gesetzentwurf heute ab.
Ich danke Herrn Abgeordnetem Maier und darf Frau Abgeordnete Alexandra Hiersemann von der SPD-Fraktion aufrufen. Bitte schön, Frau Hiersemann.
Herr Präsident, Kolleginnen und Kollegen! Wenn von der rechten Seite dieses Hauses der Satz "Wir werden aufräumen" kommt, wird einem immer angst und bange, muss ich sagen.
Man kann es – zur Sache – nicht oft genug sagen: Der Gesetzentwurf der Staatsregierung zu den Beauftragten zeigt auf den ersten Blick, wie sich die CSU und nun auch die FREIEN WÄHLER von etlichen Seiten der Bayerischen Verfassung nähern, um sie anzugreifen.
Dieses Gesetz ist nur ein Mosaikstein in der von der Staatsregierung und den sie nun tragenden Fraktionen betriebenen Schwächung des Parlaments. Ihr nächster Clou zur Stärkung der Aktionseinheit zwischen CSU, FREIEN WÄHLERN und Staatsregierung ist schon in Arbeit, indem Sie die Redezeiten der Opposition und die Regeln für die Debatte weiter so einkürzen und verändern wollen, dass in diesem Haus irgendwann überhaupt nicht mehr ernsthaft über Inhalte diskutiert und gerungen werden kann. Sie greifen in eherne Grundsätze des Rechtsstaats ein, indem Sie sich die Gewaltenteilung, wie sie in Artikel 5 der Bayerischen Verfassung festgeschrieben ist, gefügig machen und damit die Kontrolle der Exekutive durch das Parlament faktisch aushöhlen. Sie biegen und kneten Artikel 42 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung, denn Ihre zusätzlichen Beauftragten mögen formell nicht der Staatsregierung angehören; faktisch sind sie aber nichts anderes als eine der Regierung zugeordnete zusätzliche Verfügungsmasse. Sie wollen diese faktische Zuordnung; sonst würden Sie vielleicht zumindest ein paar Berater berufen, die nicht dem Parlament und nicht Ihren Fraktionen oder Parteien angehören.
Sie ignorieren Artikel 13 der Bayerischen Verfassung und schaffen eine neue Klasse von Abgeordneten mit Sonderstatus, Sonderaufgaben, Sondertitel, Sonderamtsentschädigung, Sonderausstattung und – der Kollege Hold hat es gerade gesagt – mit Sondermöglichkeiten und Sondernähe zu den jeweiligen Ministerien. Anstatt in Zeiten wie diesen das Parlament und seine Kontrollfunktionen zu stärken, stärken Sie die Staatsregierung. Wenn Sie in der Staatsregierung Ihren Beratungsbedarf schon so offen zur Schau stellen wollen, dann könnten Sie diese Beauftragten an das Parlament koppeln. Eine sinnvolle Beratung kann nur in Unabhängigkeit stattfinden, nicht mit Beratern, die an der kurzen Leine der Staatsregierung mitlaufen sollen.
Wir haben übrigens keine Vorbehalte gegen die von Ihnen benannten Personen selber. Ich sage das, weil Sie uns das immer so gerne unterstellen wollen. Wir personalisieren das nicht. Die Beauftragten arbeiten sicherlich sehr viel. Wir anderen übrigens auch, sogar im selben Spektrum. Auch wir arbeiten für die Bürgerinnen
Wir alle befinden uns in Zeiten, in denen die repräsentative parlamentarische Demokratie von innen und außen unter immer gefährlicheren Druck gerät. Manchmal merkt man das mittlerweile auch in diesem Hohen Hause von innen. Sie antworten darauf mit der Einschränkung der Kontrollmöglichkeiten seitens des Parlaments.
Ihr Vorgehen führt zu einer Selbstbeschränkung des Parlaments, das sein Kontrollrecht mit diesem Gesetz selber beschneiden soll. Ich frage mich wirklich, ob das überhaupt alle Abgeordneten der CSU und der FREIEN WÄHLER verstehen. Was haben Sie, Kolleginnen und Kollegen von der CSU und den FREIEN WÄHLERN, eigentlich für ein Selbstverständnis als Parlamentarier? – Das Argument der FREIEN WÄHLER, durch Erlass eines Gesetzes zu dieser Thematik werde die in der letzten Legislaturperiode von Ihnen geäußerte Kritik hinfällig, stimmt vorne und hinten nicht. Sie selber, die FREIEN WÄHLER, haben in Ihrer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof die Verletzung des Artikels 5, des Artikels 13 und des Artikels 42 Absatz 2 der Bayerischen Verfassung vorgetragen. Nun behaupten Sie, das alles sei doch nicht ganz so bedenklich, weil das künftig durch Gesetz und nicht mehr nur durch Bekanntmachung geregelt werde. Wird denn die Gewaltenteilung aus Sicht der FREIEN WÄHLER plötzlich nicht mehr angegriffen, nur weil dasselbe durch ein Gesetz geschieht? Spielt jetzt all das von Ihnen bisher Vorgetragene keine Rolle mehr? Was genau ist eigentlich aus Ihrer Klage geworden? – Es wäre interessant zu hören, ob die schon vorsorglich zurückgenommen wurde oder vielleicht doch nach dem Motto "Sicher ist sicher" erst nach Erlass dieses Gesetzes durch die beiden die Staatsregierung tragenden Fraktionen.
Dabei unterschlagen Sie von den FREIEN WÄHLERN auch noch den wesentlichen Umstand, dass die Staatsregierung auch künftig den Gegenstand der Beauftragten durch Bekanntmachung bestimmen kann. Die Staatsregierung, im Zweifel also der Ministerpräsident, kann künftig willkürlich festlegen, für welche Belange Sie gerade aus welchen populistischen Erwägungen auch immer die Beauftragten einsetzen wollen.
Beim letzten vom Kollegen Reiß vorgetragenen Argument, es brauche sogenannte Kümmerer, das immer wieder bemüht worden ist, muss man fast lachen. Zum einen ist der sogenannte Kümmerer laut Definition jemand, der sich mit etwas beschäftigt, das von anderen, die eigentlich zuständig wären, nicht erledigt werden kann. Dabei erklären Sie uns immer wieder, dass die Beauftragten, diese Kümmerer, so viele Bürgeranliegen bearbeiten, Bürgersprechstunden abhalten und Petitionen bearbeiten würden. Was glauben Sie eigentlich, was wir Abgeordnete von der Opposition tun? – Dieses Kümmerer-Argument ist gelinde gesagt eine Zumutung gegenüber den Abgeordneten, die keine Sonderbeauftragten sind – als ob wir unsere Arbeit nicht ordentlich machen würden.
Aber – das ist jetzt zum Schluss vielleicht doch interessant für Sie, sodass die Nebengespräche vielleicht kurz verstummen könnten – es gibt weitere gängige Bedeutungen des Begriffs des Kümmerers: Im Jagdwesen bezeichnet man als "Kümmerer" ein Wild, dessen Geweih schlecht entwickelt ist, und in der Landwirtschaft ist der "Kümmerer" ein – Zitat – "in der Entwicklung zurückgebliebenes Jungtier, krank oder geschwächt oder eine verkümmernde Pflanze".
So also bezeichnen Sie Ihre Beauftragten, als "Kümmerer", von denen Sie gleichzeitig unabhängige Beratung wollen? – Das ist wirklich bemerkenswert.
Da würde ich mich an Stelle der Kollegen Nussel oder Holetschek heftig dagegen wehren, von Ihnen so bezeichnet zu werden.
Ich bedanke mich bei der Frau Abgeordneten Hiersemann. – Als Nächster hat der Kollege Matthias Fischbach von der FDP das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Die meisten von Ihnen werden sich noch daran erinnern: Letztes Jahr Ende September stand hier Hubert Aiwanger und nannte unsere Regierungsbeauftragten noch "kleine Staatssekretäre". Das seien CSU-Leute mit Monatsgehalt und Büro, die jährlich Millionen Euros kosteten und mit Dienstwägen unterwegs seien. Daran hat sich eigentlich nur eines geändert: Heute sind nicht nur CSU-Leute, sondern auch FREIE-WÄHLER-Vertreter unterwegs.
Auf der Regierungsbank hat sich offensichtlich die Perspektive der FREIEN WÄHLER geändert: Die eingereichte Verfassungsklage wurde zurückgezogen, die Regierungsbeauftragten der CSU und der FREIEN WÄHLER sind jetzt schon mal kommissarisch im Amt und bei voller Bezahlung unterwegs. Interessant ist hier – der Punkt wurde auch schon angesprochen im Zusammenhang mit der Anzeigepflicht der Abgeordneten – die Frage, ob man da einen Nebenverdienst hat. Wir sollen jetzt hier als Landtag im Nachhinein das ganze Schauspiel auch noch absegnen.
Da muss man schon mal deutlich fragen: Haben sich denn wirklich all die Bedenken der FREIEN WÄHLER in Luft aufgelöst? Was ist denn mit den Bedenken, dass die Regierungsbeauftragten "kleine Staatssekretäre" seien, die Aufgaben übernehmen, die sonst vielleicht der Minister oder das Ministerium oder vielleicht ein Staatssekretär übernommen hätten? Was ist denn mit den Bedenken, dass durch die Berufung und die Bezahlung auch die Unabhängigkeit der Abgeordneten gefährdet ist? Was ist denn mit den Bedenken, dass durch diese Gewaltenverschränkung die Kontrolle der Regierung eingeschränkt wird?
Meine Damen und Herren, die Höchstgrenze für die Anzahl der Staatssekretäre und Minister ist in der Bayerischen Verfassung aus gutem Grund festgeschrieben. Das kann eben nicht durch ein einfaches Gesetz aufgehoben werden.
So falsch die Ernennung der Regierungsbeauftragten als Mitglieder der Koalitionsfraktionen an sich schon ist, muss man auch sagen: Mit diesem Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der Regierung, wurde auch eine Chance verpasst, das ganze Thema auf eine faire und transparente Basis zu stellen; denn statt die Berufung durch den Landtag vorzusehen, wie man das mit Respekt vor diesem Hohen Haus auch hätte beschließen können, ist in diesem Gesetz immer noch der Status quo, nämlich die Berufung durch die Staatsregierung, vorgesehen, und das dürfen wir als Parlament so eigentlich nicht hinnehmen.