Protocol of the Session on February 23, 2022

Die Unionsfraktion aus CDU und CSU hat deshalb bereits vor sechs Jahren die Kultusministerkonferenz angeschrieben und darum gebeten, die Gebärdensprache als Unterrichtsfach in Regelschulen einzuführen. Bereits 2016/17 wurde die Gebärdensprache in den Ländern Berlin, Brandenburg und Hamburg als Wahlfach eingeführt; auch in Bayern bereits 2016, zum Beispiel am Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg. Frau Celina, die Koalition aus CDU und GRÜNEN in Hessen hat es – man höre: als Wahlfach – übrigens erst 2018 eingeführt.

Wir schließen uns dem auch weiterhin an. Der Antrag der GRÜNEN fordert jedoch die Einführung eines Wahlpflichtfaches – und darin besteht der grundlegende Unterschied. Ich gehe deshalb gerne auf diese Überlegungen ein, die Frau Celina hier vorgetragen hat; als Nichtmitglied des Bildungsausschusses ist sie vielleicht auch nicht ganz gut informiert.

Wir müssen sehen, was im Sinne der Bildungsförderung, der Inklusion und der Integration für gehörlose Schülerinnen und Schüler der beste Weg ist. Wir halten den Ersatz einer Fremdsprache – darum geht es hier – oder gar des Unterrichtsfaches Deutsch durch die Gebärdensprache als Pflichtfach unter diesen Gesichtspunkten für einen völlig falschen Ansatz, liebe Kolleginnen und Kollegen. Gehörlose Schü

lerinnen und Schüler wären somit ja von fundamentalen Bildungsinhalten ausgeschlossen und im Laufe ihrer weiteren Ausbildung – oder in einem Studium – auch von Bildungswegen. Das, liebe Frau Celina, verstehen wir nicht unter Inklusion. Gehörlose Schülerinnen und Schüler können hierfür nachweislich die Leistungsanforderungen erfüllen.

Frau Kollegin Celina, mit der Einführung eines Wahlpflichtfaches, das andere curriculare Lerninhalte ersetzt und Schülerinnen und Schüler in diesen Wahlpflichtklassen zusammenzieht, würden wir überdies dem Kerngedanken der Inklusion genau zuwiderhandeln. Mit der Einführung eines Wahlpflichtfaches zulasten anderer Sprachen erschweren wir außerdem Teile der gesellschaftlichen und beruflichen Teilhabe.

In der Schule vor Ort erscheint es uns gerade im Sinn der Teilhabe und mit Blick auf alle Schülerinnen und Schüler wesentlich zielführender, unter Berücksichtigung der örtlichen Situation, der Nachfrage und des Bedarfs DGS als Wahlfach anzubieten; dies wird bereits heute getan.

An den weiterführenden Schulen erfolgt bereits heute grundsätzlich die Förderung von hörbehinderten Schülerinnen und Schülern im Rahmen der Einzelinklusion. Begleitet werden sie durch den Mobilen Sonderpädagogischen Dienst – Hören. Er diagnostiziert, fördert gehörlose Schüler, berät die Schülerinnen und Schüler, deren Mitschüler, die Eltern und die Lehrkräfte. Bei besonderem Bedarf – auch das sollte nicht unter den Tisch fallen – besteht ein Anspruch auf einen ausgebildeten DGS-Dolmetscher. Das steht im Bundesgesetz in § 112 SGB IX. Seit Jahren unterziehen sich – auch das gehört zum Rahmen, zur Kenntnis, zur Behandlung dieser Thematik – hörbehinderte Schülerinnen und Schüler damit erfolgreich den zentral gestellten Abschlussprüfungen oder Abiturprüfungen.

Noch etwas zum Thema Lehrbefähigung im Antrag der GRÜNEN: Ein Wahlpflichtfach Deutsche Gebärdensprache würde entsprechend ausgebildete Lehrkräfte voraussetzen. Im Antrag der GRÜNEN wird – auch zur Sicherung eines qualitativen Angebots – die Erteilung einer Lehrbefähigung für staatlich anerkannte Gebärdensprachdozierende gefordert. Grundsätzlich ist aber – auch das sieht das Schulgesetz bei uns natürlich vor – für eine Lehrbefähigung mindestens das Bestehen der Ersten Staatsprüfung im entsprechenden Lehrfach Voraussetzung für den Unterricht. Das ist hier – auch mangels eines einschlägigen Lehramtsstudiums – nicht gegeben. Wir halten diesen Vorschlag deshalb nicht für zielführend.

Ich fasse zusammen: Wir werden uns weiter an den Empfehlungen der Kultusministerkonferenz vom 7. Oktober 2021 orientieren, die ausdrücklich den Weg zum Wahlfach Deutsche Gebärdensprache eröffnen. Dies berücksichtigt auch den Artikel 24 Absatz 3 der UN-Behindertenrechtskonvention, nämlich Bildung in Sprachen zu vermitteln unter Berücksichtigung der bestmöglichen schulischen und sozialen Entwicklung. Dies sehen wir durch die Zulassung von Wahlfächern Deutsche Gebärdensprache wie vorgenannt am besten gewährleistet, nicht durch Wahlpflichtfächer.

Abschließend, ein bisschen neben dem Thema – Sie sind immer auf dem Thema Inklusion herumgeritten –: Ich empfinde es als keinen guten Zug gegenüber den Kolleginnen und Kollegen Ihrer eigenen Fraktion und der anderen Parteien in diesem Hause, die sich seit Jahren bemühen, Inklusion nach vorne zu bringen. Wir haben inzwischen Inklusion in allen Schularten. Wir verstärken alle Bemühungen zur Umsetzung der Inklusion, jetzt auch in den weiterführenden Schulen wie Realschulen, Gymnasien, beruflichen Schulen. Wir schaffen jedes Jahr 100 neue Stellen zusätzlich für Inklusion im Personaltableau – jedes Jahr 100! Zwischenzeitlich sind wir bei 1.700 Stellen angelangt. Wir schaffen jedes Jahr 100 neue Stellen zusätzlich für multiprofessionelle Teams, also 100 Stellen für Inklusion und 100 für

multiprofessionelle Teams. Wir haben eine völlig neue Struktur aufgebaut, über die Regierungen, über die Schulämter, an den weiterführenden Schulen über die Ministerialbeauftragten. Ich weise energisch zurück, dass hier nichts getan würde, sondern Dinge verschlafen würden. Da haben Sie offenkundig keine Ahnung.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Bleiben Sie bitte noch am Rednerpult. – Frau Celina, Sie haben sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet.

Lieber Kollege Dünkel, wie ich vorhin schon sagte, vermisse ich den Spirit und die Kreativität und die Visionen, um Inklusion in dem Bereich voranzubringen. Es geht nicht darum, jemanden durch individuelle Begleitung in einer Klasse zu integrieren, wie Sie das vorhin sagten, sondern es geht darum, dass möglichst viele Menschen auf Augenhöhe miteinander kommunizieren können und möglichst viele Menschen im jungen Alter, wenn sie aufnahmebereit und fähig sind, Sprachen zu erlernen, die Deutsche Gebärdensprache lernen können.

Natürlich haben wir ein Wahlfach DGS, aber das Angebot ist abhängig von Spenden oder der Zahlungsfähigkeit der Fördervereine, und es stehen kaum gebärdende Lehrkräfte zur Verfügung. Deswegen muss der Unterricht in Deutscher Gebärdensprache in der Regel durch staatlich anerkannte Gebärdensprachdozenten und -dozentinnen und Honorarlehrkräfte erfolgen. Aber ein kontinuierliches Unterrichtsangebot, –

Ihre Redezeit ist zu Ende.

– was wiederum bedeuten würde, dass ich dann in Zukunft mehr Menschen habe, die Gebärdensprache können, kriegen wir nicht mit einem Wahlfach hin, sondern nur mit einem Wahlpflichtfach.

Bitte, Herr Dünkel.

Wenn ich mich recht erinnere, war der fehlende Spirit nicht Ihre Idee, sondern die von Frau Fleischmann; Sie haben sie zitiert. Das zum Ersten.

Zum Zweiten: Ich glaube, ich habe ausführlich erläutert, worin wir die besonderen Nachteile eines Wahlpflichtfaches sehen, auch im Sinne der Integration, auch im Sinne der Teilhabe, auch im Sinne der Inklusion. Ich habe alles vorgetragen. Daran ändert auch dieser Gesichtspunkt nichts.

Ich möchte noch auf eines zu sprechen kommen, das ist so typisch GRÜNE: Wir ordnen an, und dann muss das gemacht werden. – Auch das Wahlpflichtfach ist ein Wahlfach; niemand muss ein Wahlfach buchen, und es muss niemand ein Wahlpflichtfach belegen. Darin besteht der Unterschied; die Schülerinnen und Schüler können das ganz gut alleine, auch ohne Sie.

(Beifall bei der CSU sowie Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Danke schön. – Als nächsten Redner rufe ich den Abgeordneten Ulrich Singer, AfD-Fraktion, auf.

(Beifall bei der AfD)

Wertes Präsidium, geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist sehr wichtig und sehr lobenswert, ein guter Ansatz, dass wir das Thema der Deutschen Gebärdensprache hier im Haus diskutieren und dass es dadurch weiter in die Gesellschaft getragen wird.

Auch wir von der AfD-Fraktion setzen uns dafür ein, dass Barrieren abgebaut werden, wo es möglich ist. Frau Kollegin Celina, da sind wir uns völlig einig. Es ist auch unseres Erachtens sinnvoll, zum Beispiel die Gebärdensprache als Wahlfach verstärkt in die Schulen hineinzutragen und dort weiterzuentwickeln.

Der vorliegende Antrag zielt aber auf etwas ganz anderes ab, Frau Kollegin Celina. Sie wollen die Gebärdensprache als Wahlpflichtfach einführen. Dieser Ansatz schießt aus verschiedenen Gründen über das Ziel hinaus. Kollege Dünkel von der CSU hat viele Punkte angesprochen, die ich gar nicht alle wiederholen möchte.

Der Antrag ist in dieser Form meines Erachtens gar nicht umsetzbar. Die klassische Schule ist nicht der richtige Platz, um das vollständig als Wahlpflichtfach abzudecken. Es hat sich gezeigt, dass die bisherigen Versuche und Angebote nicht hinreichend ausgeschöpft wurden. Teilweise wurde die Mindestteilnehmerzahl gar nicht erreicht. Deswegen sollte man hier kleiner anfangen, eben nicht als Wahlpflichtfach, sondern das als Wahlfach weiter fördern.

Uns fehlen vor allem auch die Lehrkräfte, die in Gebärdensprache unterrichten können; sie stehen nicht zur Verfügung und müssten erst ausgebildet werden. Es ist natürlich eine Herumtrickserei, wenn man dann einfach auf Gebärdensprachdolmetscher zurückgreifen würde, wie es die GRÜNEN in ihrem Antrag vorsehen. Deswegen sehen wir das sehr problematisch.

Auch ist es so, dass die Einführung eines Wahlpflichtfaches dazu führt, dass andere Wahlpflichtfächer zurückstehen würden, und das wollen wir nicht. Es gibt viele, viele tolle Sprachen, die momentan als Wahlpflichtfächer angeboten werden. Daraus soll man eine aussuchen, und wenn jemand obendrauf noch weitere Sprachen lernen möchte, dann können wir das nur fördern, nur unterstützen. Das ist wunderbar. Da ist die Deutsche Gebärdensprache eine tolle Wahl. Da müssen wir natürlich versuchen, das Angebot zu erhöhen.

Was auch ganz wichtig ist – in der heutigen Diskussion wurde das bisher nicht angesprochen –: Wir haben hervorragende Hörzentren, die sind sehr gut qualifiziert. Da haben wir die gebündelte Kompetenz, um Menschen, die hörbehindert sind, zu unterstützen. Hier gibt es eine Förderung in Kleingruppen; sie ist unter pädagogischer Anleitung hervorragend ausgestattet. Hier haben wir die Fachkompetenz, wir haben die Sozialkompetenz, und wir geben den Schülern auch noch ein gesteigertes Selbstbewusstsein und Persönlichkeitsbildung mit auf den Weg. Dafür sind diese Zentren hervorragend geeignet, man kann sie nur loben.

Unser Vorschlag wäre, in größeren Gemeinden, zum Beispiel im Rahmen von Volkshochschulen, die Deutsche Gebärdensprache zu fördern und zu unterrichten. Im Rahmen weiterer Pilotprojekte könnte man das als Wahlfach anbieten.

Ich fasse zusammen, geschätzte Kollegen: Viel wichtiger ist, dass die Schule wieder Schule wird. Der Fokus muss doch erst mal darauf liegen, die Bildungslücken der letzten zwei Jahre zu schließen, nicht zusätzliche Angebote hopplahopp zu schaffen, die wir so gar nicht einführen können, weil uns die dazu erforderlichen Lehrkräfte fehlen.

Wer die Gebärdensprache erlernen möchte – das kann ich nur unterstützen –, der kann auf bestehende Einrichtungen zurückgreifen. Diese Einrichtungen – das ist sehr wichtig – sind auszubauen. Wir brauchen weitere Projekte und müssen das fördern, damit die Deutsche Gebärdensprache in möglichst vielen Schulen als Wahlfach angeboten wird. Aber darauf, Kollegin Celina, zielt Ihr Antrag nicht ab. Sie gehen in eine ganz andere Richtung, und deswegen können wir diesen Antrag nur ablehnen. Aber, wie gesagt, es ist gut, dass wir das Thema diskutiert haben; es

muss stärker ins Bewusstsein rücken, und dann wird sich hier sicherlich auch bei der Unterrichtung im Rahmen von Wahlfächern etwas tun.

(Beifall bei der AfD)

Danke, Herr Kollege Singer. – Nächster Redner ist der Abgeordnete Robert Riedl, FREIE-WÄHLER-Fraktion.

Sehr geehrter Herr Präsident!

(Der Redner trägt in Gebärden vor – Beifall)

Ich gehe davon aus, dass nur wenige von Ihnen verstanden haben, was ich gesagt habe. Das ist ganz normal; denn es war nicht einfach, sondern schwer. Ich wiederhole es: Guten Abend, meine sehr geehrten Damen, guten Abend, meine sehr geehrten Herren! Wie geht es Ihnen? Mir geht es super. Ich habe kein Corona. – Dies ist das Zeichen für Corona.

(Der Redner trägt in Gebärden vor)

Dieses Zeichen heißt: Mein Name ist. Das Erste, was ich gezeigt habe, war Gebärdensprache. Das Zweite hat nichts mit der Gebärdensprache zu tun. Es war eine Methode, das Lesen zu lernen, sogenannte Handzeichen, die in Diagnose- und Förderklassen genutzt werden, um das Lesen mit Bewegung zu erlernen.

Meine Damen und Herren, ich weiß, wie schnell kleine Kinder diese Zeichen lernen. Ich mache das seit 25 Jahren. Ich muss aber dazu sagen: Ich beherrsche die Gebärdensprache nicht. Ich habe mich nur gut vorbereitet.

(Beifall)

Meine Damen und Herren, so, wie es sehende Hände gibt, zum Beispiel beim Greifen und beim Fühlen, gibt es auch sprechende Hände für die Gestik, zum Dirigieren oder zum Kommunizieren. Schon allein die Tatsache, dass nur ganz wenige die Deutsche Gebärdensprache verstehen oder anwenden können, zeigt uns, wie richtig, wichtig und notwendig es ist, dieses Thema in diesem Hohen Haus zu behandeln. Darüber sind sich, glaube ich, alle Fraktionen einig. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, der Weg, wie man Menschen sensibilisieren kann, die Deutsche Gebärdensprache als nicht Betroffene zu erlernen, unterscheidet uns.

In einem Arbeitskreis und nach vielen Gesprächen mit Gebärdensprachdolmetschern und Betroffenen sind wir zu der Einsicht gekommen, dass der Weg, den dieser Antrag aufzeigt, nicht der richtige ist. Ich vergleiche diesen Antrag mit einer Person, die einen neuen Fußballverein gründen möchte, aber gleich in der Bundesliga spielen will. Sie hat weder Spieler noch Trainer noch Trainerausbilder. Sie hat noch nicht einmal einen Fußballplatz. Das geht nicht. Auch ein solcher Verein muss in der A-Klasse anfangen. Genauso verhält es sich mit dem Inkludieren der Gebärdensprache.

Meine Damen und Herren, das Ziel, die Gebärdensprache als Wahlpflichtfach in den allgemeinbildenden Schulen der Sekundarstufe I zu verankern, ist nicht umsetzbar. Das wird nicht funktionieren. Wir müssen die Kinder schon in der Kita spielerisch an die DGS heranführen. Die Kinder sollen mit anderen nicht betroffenen Kindern kommunizieren. Möglicherweise kennt der eine oder andere von Ihnen das Projekt "Talking Hands".

Wir haben in Bayern 1.839 allgemeinbildende Schulen der Sekundarstufe I. In diesen Schulen wollen Sie ein Wahlpflichtfach einführen. Eine zweite Zahl, die vielleicht noch wichtiger ist: Wir haben in Landshut die einzige Stätte, die in der Deut

schen Gebärdensprache ausbildet. Um dort den Bachelor zu erreichen, brauchen die Studierenden sieben Semester.

Herr Kollege, ich muss Sie leider darauf hinweisen, dass Ihre Redezeit abgelaufen ist. Ich möchte mich ganz herzlich für diese außergewöhnliche Rede bedanken. Ich möchte Sie aber darauf aufmerksam machen, dass die Kolleginnen und Kollegen, die hinter Ihnen saßen, Schwierigkeiten hatten, die Gebärden zu erkennen. Bei der Anwendung der Gebärdensprache sollten die Redner daran denken, dass auch die hinter ihnen Sitzenden alles mitbekommen sollten.

Es tut mir leid. Ich hätte noch 30 Sekunden gebraucht, um Ihnen einige Punkte näherzubringen. Das können wir vielleicht an anderer Stelle machen.