Wir wissen alle hören immer wieder: Kontrolle ist wichtig. Manchmal wird aber kritisiert, dass es Doppelstrukturen gibt; es heißt, die Heimaufsicht sei da, der MD sei da, die Einrichtungen seien sowieso schon unterbesetzt und dann komme es noch
zu diesen Kontrollen. Das ist auch ein Teil der Wahrheit. Deswegen geht es jetzt darum, wirklich auf das System zu schauen, um zu sehen, wie wir die Effizienz verbessern und die Dinge genau so anpassen können, dass sie draußen wirklich helfen und wirklich ankommen.
Ich habe mir in Augsburg die Heimaufsicht noch einmal angesehen und bin auch dankbar, dass uns Kollege Seidenath schon gestern im Ausschuss die Berichterstattung dazu ermöglicht hat. Das war eine mir wichtige Initiative. Wir wollten das darstellen; es war auch Herr Erben von der Stadt Augsburg dabei. Wenn man sich das genau ansieht, dann bemerkt man, dass die Heimaufsicht sehr oft zur Beratung in diesem Heim war. Die Frage ist eben, in welchem Verhältnis Kontrolle und Beratung stehen und wann dann auch Maßnahmen getroffen, angeordnet und auch durchgesetzt werden müssen. Ich bin hier der Meinung, wir müssen das jetzt tun. Wir müssen nicht mehr lange diskutieren, sondern jetzt ein Bündel von Maßnahmen auf den Weg bringen.
Heute war die am Beitrag "Team Wallraff – Reporter undercover" von RTL beteiligte Journalistin im Ministerium; ich weiß nicht, wer von Ihnen das gesehen hat. Mir war es einfach wichtig, noch einmal von dieser Journalistin zu hören, wie sie das denn in dieser Einrichtung empfunden hat. Sie war dort als Investigativjournalistin undercover für ein paar Tage als Pflegepraktikantin und hat sich das angeschaut. Darauf müssen wir einen Blick werfen, auch wenn wir Herrn Fussek hören, der fragt, wie so etwas unabhängig von der Kontrolle im System der Angehörigen und der dort arbeitenden Pflegekräfte passieren könne. Warum funktioniert denn dort irgendetwas nicht? Ist es die Angst, den Beruf zu verlieren? Ist es, dass es den Angehörigen egal ist, was in der Einrichtung passiert, Hauptsache es ist billig? Wo genau sind dort die Stellschrauben?
Es ist deswegen gut, dass wir jetzt diesen Fünf-Punkte-Plan etablieren, diese Pflege-SOS-Anlaufstelle auf den Weg bringen und ein niedrigschwelliges Angebot schaffen, das man annehmen kann. Das Landesamt für Pflege wird für mich in der Zukunft auch eine andere Bedeutung haben. Ich habe das hier schon einmal gesagt. Das muss ein Thinktank zum Thema Pflege werden. Unabhängig von der Abwicklung irgendwelcher Förderinstrumentarien muss es Pflege auch weiterdenken.
Zur Frage des Expertengesprächs am 25. März 2022: Selbstverständlich sind Sie als pflegepolitische Sprecher alle eingeladen; das ist doch klar. Wir wollen doch zusammen etwas erreichen. Es geht ja nicht um eine parteipolitische Zuordnung, sondern darum, gemeinsam gute Ideen zu entwickeln und Pflege voranzubringen. Deswegen habe ich schon vor Kurzem versucht, das Gespräch mit allen pflegepolitischen Sprechern der Fraktionen zu führen, damit wir auch beim Pflege- und Wohnqualitätsgesetz Ideen entwickeln, wie wir dort vorgehen. Das ist der richtige Weg.
Wir müssen sehen, wie schnell wir Einrichtungen als Ultima Ratio schließen können, wenn es darauf ankommt; auch das muss möglich sein. Auch hier müssen wir die Mechanismen nachschärfen. Wir werden auch als Ausfluss aus dem Expertengespräch ein Organisationsgutachten auf den Weg bringen, um dann zu sehen, wo wir gemeinsam nachsteuern müssen. Ich möchte auch, dass die Taskforce am LGL, die jetzt noch in der Pandemie gute Dienste leistet, sich stärker in das Thema Pflege einbringt und die Heimaufsicht unterstützt.
Letztendlich müssen wir die Pflege insgesamt verbessern, die Rahmenbedingungen für die Pflegekräfte. Das ist doch das große Thema. Je mehr Menschen wir haben, die wieder in der Pflege drin sind, desto besser kann Pflege funktionieren. Deswegen geht die Aufgabe nicht nur in die eine Richtung, sondern auch in Richtung Verbesserung der Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte, Gehaltsstrukturen und all der Dinge, die auf dem Tisch liegen. Das muss jetzt passieren. Das wird nicht
mit einem Pflegebonus passieren, sondern das muss man gemeinsam größer auf den Weg bringen. Der Schutz der Menschen ist unsere Aufgabe. Wir dürfen aber auch nicht überbordende Bürokratie zulassen. Die Pflege muss insgesamt gestärkt werden, damit es den Menschen in unserem Land gut geht. Dafür möchte ich mich einsetzen. Dafür kämpfen wir in diesem Haus gemeinsam Seite an Seite.
Danke, Herr Staatsminister. Bleiben Sie bitte. Nein, so leicht geht das nicht. Sie müssen schon noch hierbleiben. – Zwei Zwischenbemerkungen: die erste von Herrn Kollegen Krahl. Bitte.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, lieber Klaus, du bekommst jetzt die einmalige Gelegenheit, mir im Plenarsaal auf die Sprünge zu helfen. Du hast nämlich gesagt: Wir müssen tun. – Jetzt hast du aber einen Redebeitrag zu einem Antrag gegeben, der fordert, zu prüfen und zu berichten, also nichts zu tun. Die konkrete Frage, weil ich das Innenleben des Ministeriums nicht kenne: Was genau passiert jetzt mit dem Antrag? Ihr seid im Ministerium quasi schon weiter als die eigene Regierungsfraktion, oder sehe ich das falsch?
Herr Kollege Krahl, wir sind in dieser Koalition einfach so gut, dass der eine etwas schreibt und der andere tut es schon.
Nachdem Kollege Krahl schon das eine oder andere vorweggenommen hat, möchte ich einen Wunsch formulieren, und zwar den Wunsch nach einem Zeitplan, wie wir jetzt weiter vorgehen. Es kann nicht beim Expertengespräch mit anschließenden Maßnahmen enden, sondern wir brauchen eine Begleitung, eine Information an den Gesundheitsausschuss, und ich würde gerne aktiv daran mitarbeiten, wenn es um Umsetzungen oder Ähnliches geht. Aber ich bitte, einen Zeitplan zu erstellen, was wann umgesetzt sein sollte.
Wir haben das Thema so aufgesetzt, dass wir erst mal diese Pflege-SOS-Anlaufstelle auf den Weg bringen. Das soll am 7. März am Landesamt für Pflege starten, sodass tatsächlich dieses niedrigschwellige Angebot da ist. Am 25. März wollen wir uns in diesem Expertengremium treffen – die Einladung ist heute schon rausgegangen – und aus diesem Expertengespräch die weiteren Schritte gemeinsam entwickeln – Organisationsgutachten und die Fragen, die sich dann stellen.
Es ist wichtig, dass wir ein gemeinsames Verständnis entwickeln. Ich will das aus meiner Erfahrung heraus ansprechen: Es passiert etwas, und der Reflex ist oft, wir brauchen neue Gesetze, Verordnungen und schärfere Maßnahmen. – Das ist einerseits sicherlich teilweise wahr. Andererseits müssen wir schauen, was wir daraus an Bürokratie und Kontrollmechanismen entwickeln, die möglicherweise Dinge einschränken.
Ich würde gerne noch mal die Themen Heimaufsicht und Medizinischer Dienst beleuchten. Wie sind die miteinander verschränkt? Wo sind da die Strukturen, wo wir vielleicht gemeinsam etwas Neues auftun müssen? Aber dazu sollten wir uns Zeit lassen, weil etwas Gutes herauskommen muss. Ich will nichts verzögern, sondern
wir wollen aus dem Expertengespräch heraus gemeinsam Meilensteine definieren, wie wir mit dem Thema umgehen.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Die Aussprache ist geschlossen. Wir kommen nun zur Abstimmung.
Wer dem Dringlichkeitsantrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER und der CSUFraktion auf Drucksache 18/21296 seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der SPD, der FREIEN WÄHLER, der CSU und der FDP. Wer ist dagegen? – Die Fraktion der AfD. Enthaltungen? – Sehe ich nicht im Saal. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.
Die Dringlichkeitsanträge auf den Drucksachen 18/21297 mit 18/21301 werden im Anschluss an die heutige Sitzung in die jeweils zuständigen federführenden Ausschüsse verwiesen.
Antrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Kerstin Celina u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Wahlpflichtfach "Deutsche Gebärdensprache" in Bayerns Schulen einführen (Drs. 18/18938)
Ich gebe bekannt, dass die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hierzu namentliche Abstimmung beantragt hat. – Ich eröffne nun die Aussprache. Die Gesamtredezeit der Fraktionen beträgt entsprechend der Geschäftsordnung 32 Minuten. Erste Rednerin ist die Abgeordnete Kerstin Celina, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Was halten Sie davon, wenn Schüler und Schülerinnen an Regelschulen die Gebärdensprache lernen können? – Diese Frage hat der BR vor wenigen Wochen Passanten und Kindern gestellt. Hintergrund ist, dass die Kultusministerkonferenz im Oktober 2021 die Empfehlung ausgesprochen hat, Gebärdensprache endlich als Wahlfach oder Wahlpflichtfach an den Schulen anzubieten.
Was antworten zufällig ausgewählte Passanten und Kinder, wenn man sie fragt? – Auf den Punkt bringt es gleich der Erste, der sagt: Jede Sprache ist positiv. – Der Nächste antwortet: Kinder kann man am besten damit erreichen, ganz offen auf andere zuzugehen. – Der Übernächste stellt fest: Es gibt viel zu wenig Leute, die Gebärdensprache sprechen. Wir grenzen damit gehörlose Menschen aus. – Ein Knirps strahlt in die Kamera und sagt: Es ist richtig schön. Ich mag es, weil es einfach Spaß macht, es zu lernen.
In der Grundschule in Kaufering lernen die Kinder jetzt schon mit Begeisterung Gebärdensprache. Bei den Bildern im BR Fernsehen geht einem das Herz auf, wenn man sieht, wie sie lernen, wie man das Wort Schneeballschlacht gebärdet oder den Satz "Dann bin ich ausgerutscht und auf den Po gefallen." Gebärden, das heißt mit Hirn und mit Hand, mit dem Gesicht, mit Mimik, mit dem ganzen Körper. Konzentration, Motorik, Rundumförderung – all das bietet Gebärdensprache. All das zusammen bietet keine andere Sprache.
Warum wird es denn in Kaufering angeboten? – Der Grund dafür ist das große Engagement der Schulleiterin und der Schulfamilie und der Menschen, die mit ihren
Spenden dieses Angebot finanzieren. Die Menschen, die Schulfamilien und die KMK gehen alle voran, aber Sie in Bayern kommen nicht hinterher; denn Sie schaffen es nicht, die Bedingungen zu schaffen, damit Gebärdensprache auch ohne Spendengelder unterrichtet werden kann. Das ist das konkrete Ergebnis Ihres "Wir regeln nichts, man kann alles freiwillig machen"-Stils. In Wirklichkeit heißt Ihre CSU-Politik: Man kann alles freiwillig machen und selbst bezahlen. Aber damit erreichen Sie keine Inklusion. Inklusion ist nämlich nicht zum Nulltarif zu haben.
Wir GRÜNE wollen Gebärdensprache als Wahlpflichtfach in Bayern einführen. Wir wollen der Gebärdensprache den ihr gebührenden Platz einräumen. Wir wollen den Kindern die Möglichkeit geben, mit Körper und Geist zu lernen, was sie im täglichen Leben brauchen können.
Aber Sie von den Fraktionen CSU und FREIE WÄHLER wollen das nicht. Sie lehnen es ab, durch mehr Gebärdensprache mehr Inklusion zu erreichen. Mit dieser Ablehnung machen Sie nichts anderes, als die Gebärdensprache selbst abzuwerten und das Erlernen von Gebärdensprache als weniger wichtig einzustufen als das Erlernen anderer Sprachen. Die meisten Schüler und Schülerinnen werden in ihrem Leben nie nach China oder Japan fahren; aber sie können das problemlos als spät beginnende Fremdsprache wählen.
Aber den gehörlosen Menschen in der Nachbarschaft begegnen sie täglich. Das ist für Sie in der CSU und bei den FREIEN WÄHLERN nicht Grund genug, ein Wahlpflichtfach Gebärdensprache einzuführen, obwohl man damit Inklusion fördern würde. Inklusion wird aber hier gelebt, in den Dörfern und Städten. Dafür ist mehr Gebärdensprache notwendig.
Latein mag als Sprache seit mehr als 2.000 Jahren existieren. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass ich jemanden damit auf der Straße ansprechen kann und Hilfe anbieten oder erbitten kann, ist doch gleich null. Aber der gehörlose Nachbar kann mir mit Mehl aushelfen oder mir vom Einkaufen Eier mitbringen, wenn ich ihn fragen kann. Es ist doch auch eine Frage des Respekts, dass man wenigstens versucht, die Sprache des Nachbarn zu lernen – und zwar nicht nur für Reisen in andere Länder, sondern für Begegnungen hier im eigenen Land, hier bei uns vor Ort.
Die Frage an Sie bleibt deshalb: Wer soll in Zukunft Gebärdensprache unterrichten, wenn Sie jetzt nicht die Basis dafür schaffen und ermöglichen, Gebärdensprache an den Schulen als attraktives Wahlpflichtfach anzubieten? Die Lücke zwischen Bedarf und Angebot wird doch immer größer, je länger Sie klare und einfache Lösungen wie diese, die wir heute hier zu Abstimmung stellen, verweigern. Ich kann das einfach nicht begreifen.
Übrigens ist – ich sage das mal ganz deutlich – Ihr politisches Umgehen mit den Bedürfnissen gehörloser Menschen immer wieder peinlich und diskriminierend. Haben Sie heute mitbekommen, was in Social Media gerade abgeht, nachdem Sie gestern beschlossen haben, die Menschen statt mit einem Gehörlosengeld, wie wir GRÜNE es vorschlagen, mit einer Einmalzahlung abzuspeisen? – Da heißt es nämlich zum Beispiel: Meine Behinderung ist auch nicht einmalig, sondern dauerhaft. – Oder ein Mann rechnet vor, was es kostet, für den Geburtsvorbereitungskurs Gebärdensprachdolmetscherinnen zu bezahlen. Auch das ist mit einer Einmalzahlung nicht zu leisten.
Sie von den Regierungsfraktionen senden gestern und heute – immer wieder – die Botschaft aus, Inklusion sei ein Randthema. Das ist aber nicht so, Inklusion ist ein zentrales Thema.
Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von CSU und FREIEN WÄHLERN, reduzieren die Vermittlung der Gebärdensprache auf das absolute Minimum, statt sie zu fördern und damit den Zusammenhalt zu fördern. Während Sie die Einrichtung des Wahlpflichtfaches DGS ablehnen, kommt von allen anderen Seiten Zustimmung zu mehr Inklusion durch mehr Gebärdensprache an Bayerns Schulen. Ich zitiere die Präsidentin des BLLV Simone Fleischmann. Sie sagt in einem Bericht des BR klar: Wir brauchen diese Fachleute an den Schulen. Es braucht diesen Spirit, denn es bedeutet ja etwas. Wenn wir das an der Schule als ein Angebot haben, dann heißt das, wir sind aufgeschlossen für Kinder, die anders kommunizieren, und wir lernen es.
wenn die Kinder von heute für eine ganz vielfältige Gesellschaft von morgen die Ressourcen lernen [...].
Ich wünsche mir in Bayerns Ministerien genau diesen Spirit, diese Kreativität und diese Vision statt der beim Thema Inklusion dort herrschenden gähnenden Leere und Langeweile. Ich versichere Ihnen aber: Wir GRÜNE bleiben an dem Thema Inklusion dran, und wir werden Ihnen das immer wieder ins Gebetbuch schreiben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Deutsche Gebärdensprache ist seit 2002 in Deutschland als eigene Sprache anerkannt. Mehr als 80.000 Menschen mit Gehörlosigkeit oder sehr schwerer Hörbehinderung nutzen die Gebärdensprache als ihre Muttersprache. Voraussetzung für Teilhabe an unserer Gesellschaft ist, dass Menschen mit ihrer Umwelt kommunizieren können.
Wenn wir auf Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene sowie im Privatbereich Barrierefreiheit erreichen wollen, dann ist einer der ersten Schritte, auch die Gebärdensprache aufzuwerten. Möglichst viele Menschen müssen motiviert werden, diese Kommunikationsform zu erlernen.
Die Unionsfraktion aus CDU und CSU hat deshalb bereits vor sechs Jahren die Kultusministerkonferenz angeschrieben und darum gebeten, die Gebärdensprache als Unterrichtsfach in Regelschulen einzuführen. Bereits 2016/17 wurde die Gebärdensprache in den Ländern Berlin, Brandenburg und Hamburg als Wahlfach eingeführt; auch in Bayern bereits 2016, zum Beispiel am Hans-Sachs-Gymnasium in Nürnberg. Frau Celina, die Koalition aus CDU und GRÜNEN in Hessen hat es – man höre: als Wahlfach – übrigens erst 2018 eingeführt.