Es liegt einmal an der Position der Opposition, dass sie daran nur mittelbar mitwirken kann. Aber meine Aufgabe verstehe ich anders.
Diese drei wesentlichen Elemente verpflichten uns, über die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums nachzudenken. Für diesen Prozess haben wir in den vergangenen drei Jahren konkrete Schritte auf den Weg gebracht. Dies entspricht dem Grundprinzip
der bayerischen Bildungspolitik: In einem differenzierten Schulwesen muss die Schule selbst für jeden Abschluss einen Anschluss bieten und die Übergänge organisieren. Die Schule selbst muss in der Lage sein, unterschiedliche Lernzeiten anzubieten. Das beginnt mit der flexiblen Grundschule. Es geht weiter mit dem Modell 9+2 an der Mittelschule. Dazu zählt die Einführung von Vorklassen an den Fachoberschulen. Es geht weiter mit den Einführungsklassen des Gymnasiums für alle, die einen mittleren Abschluss erreicht haben.
Wir sind nun dabei, auch am Gymnasium eine unterschiedliche Lernzeit und eine unterschiedliche Zeit bis zum Erreichen des Abiturs umzusetzen. Das muss organisatorisch und inhaltlich adäquat erfolgen. Darum geht es. Ein erster Schritt war die massive Verstärkung der individuellen Förderung und die Einführung des Flexibilisierungsjahres. Dies ermöglicht einzelnen Schülern, individuell ein Jahr zusätzliche Lernzeit in Anspruch zu nehmen, und das im regulären Gang der derzeitigen Form des Gymnasiums. Der zweite Schritt war der Aufbau der integrierten Reserve an den Gymnasien, auch mit an die 450 Planstellen. Der dritte Ansatz ist die Pilotphase der Mittelstufe Plus.
Diese hat die Möglichkeiten zur Verlängerung der Lernzeit am Gymnasium mit der Konzentrierung auf die Mittelstufe mit einer sehr breiten Versuchsanordnung in den Blick genommen und eine Fülle von Erfahrungen geliefert. Vor diesem Hintergrund sind wir im vergangenen Sommer in der Staatsregierung zu der Überzeugung gekommen, dass es für die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums Sinn macht, einen auf zwei Schuljahre angelegten Zeitkorridor zu beschließen. Für diesen Zeitkorridor ist für die erste Phase, nämlich der jetzt beendeten Dialogphase, eine Reihe von Eckpunkten definiert worden. Darunter fällt die gymnasiale Pädagogik, die Weiterentwicklung des Lehrplans, die Frage der Weiterentwicklung des Ganztags und das Anbieten von zusätzlicher Lernzeit am bayerischen Gymnasium. Eine Überlegung war hierzu, ob die einzelne Schule für sich einen solchen Antrag formuliert oder nicht. Die Dialogphase hat nun folgende Ergebnisse gebracht:
Die sehr unterschiedliche und heterogene Haltung der Verbände hat sich mittlerweile geklärt. Das hat der Kollege Lederer bereits angesprochen. Die gymnasiale Schulfamilie und auch die kommunalen Spitzenverbände haben inzwischen eine klare Position bezogen. Danach soll der Landtag eine grundlegende Entscheidung für ein grundständiges, neunjähriges Gymnasi
um mit der Möglichkeit einer Lernzeitverkürzung auf den Weg bringen. Das ist das Ergebnis des Dialogprozesses. Dieser Dialogprozess ist vor nicht einmal einer Woche zu einem Abschluss gebracht worden, auch mit den im vergangenen Juli angekündigten Gesprächen beim Herrn Ministerpräsidenten. Das ist der zeitliche Ablauf des Vorgehens.
Meine Fraktion beschäftigt sich jetzt intensiv mit den Ergebnissen, die vor wenigen Wochen noch ganz anders ausgesehen haben. Beispielsweise hat der Bayerische Städtetag bei der Vorlage dieses sogenannten Optionsmodells zu einem gewissen Zeitpunkt während des Ablaufs erkennen lassen, dass er sich mit dieser Form durchaus anfreunden könnte. Nach seinem Beschluss in den Gremien ist die Haltung des Bayerischen Städtetags so, wie ich sie beschrieben habe. Das heißt: Wir gehen jetzt von einer solchen politischen Kulisse aus. Dieses wird in aller Gründlichkeit geschehen.
Die zweite Phase ist dann die Entscheidungsphase. Seit dem letzten Freitag, wenn ich das Wochenende abziehe, sind genau dreieinhalb Arbeitstage vergangen. Die CSU-Fraktion hat sich während dieser Arbeitstage des bayerischen Parlaments jeden Tag intensiv mit diesem Thema beschäftigt. Wir werden die Themen, die wir gemeinsam erarbeitet haben, auch gemeinsam vorantreiben. Wir werden Ihnen die Fragen sachlich begründet in diesem Hohen Haus beantworten. Wenn wir die Entscheidung über die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums treffen, werden wir große Sorgfalt an den Tag legen. Die wöchentliche Murmeltierschau wird daran nichts ändern. Das sage ich sehr deutlich.
Wenn man diesen Weg eines neunjährigen Gymnasiums, den ich persönlich für richtig halte, einschlagen sollte, ist die Option zur Verkürzung der individuellen Lernzeit in diesem bayerischen Gymnasium neuer Prägung für mich zwingender Bestandteil. Eine Möglichkeit haben wir bereits öffentlich diskutiert. Nach diesem Modell kann man sich mithilfe entsprechender Zusatzkurse auf Pflichtfächer unterstützend vorbereiten, um möglicherweise die 11. Jahrgangsstufe auszulassen. Dieses Modell ist standortunabhängig. Nach diesem Modell ist es sogar möglich, dass die jungen Menschen in ihrem Zweig und in ihrem Klassenverband verbleiben können. Dieses Modell fußt auf dem Vorschlag des Bayerischen Philologenverbandes. Unser Fraktionsvorsitzender hat darauf hingewiesen, dass diese Entscheidung offen bleibt. Die Fraktion wird diese Entscheidung in sorgfältiger Abwägung treffen. Sollten wir diesen Weg einschlagen, wird die Möglichkeit der Lernzeitverkürzung an jedem
Gymnasium verpflichtend angeboten. Das muss aus meiner Sicht verpflichtend in der gymnasialen Schulordnung verankert werden. Das Instrument muss der Schülerschaft, die sich für diesen Weg entscheidet, offen stehen.
Für einen solchen Weg stellen wir gewisse Grundannahmen zur Diskussion. Dazu zählt die Verankerung der zweiten Fremdsprache in der sechsten Jahrgangsstufe wie bisher. Die Vermittlung der Fremdsprache sollte zur Intensivierung über einen längeren Zeitraum erfolgen. Das bedeutet, dass die dritte Fremdsprache für die achte Jahrgangsstufe vorgesehen wäre, um in der Mittelstufe Freiräume für Themen, die sich aufgrund der gesellschaftlichen Debatte ergeben, zu schaffen. Das Thema Digitalisierung war bei der letzten Reform des bayerischen Gymnasiums im Jahr 2003 in dieser Bedeutung noch nicht erkennbar. Das werden wir jetzt einbringen, um den Weg weiterzugehen.
Die 11. Klasse braucht einen völlig neuen Charakter. Im Rahmen der Weiterentwicklung sollten in der 11. Klasse Themen wie Berufsorientierung, vorwissenschaftliche Arbeitsformen bzw. Propädeutik und Begabtenförderung ihren Platz finden. Das wurde in dieser Form noch nie in der 11. Klasse am bayerischen Gymnasium angeboten. Diese Überlegungen prüfen wir intern sehr intensiv. Das könnte ebenfalls zu unserem Konzept der Weiterentwicklung gehören, falls man sich für diesen Weg entscheiden sollte. Wir wollen an einer Oberstufenkonstruktion mit starkem Fokus auf Allgemeinbildung und dem Fünf-FächerAbitur festhalten. Das sind Rahmenbedingungen und Eckpunkte, die bereits öffentlich dargelegt worden sind. Sie bilden die Grundlage der intensiven Betrachtung innerhalb unserer Fraktion.
Ein weiteres Thema ist die Weiterentwicklung der Stundentafel. Wie gehen wir mit dem Lehrplan um? Wie verändert sich die Schülerstromlenkung? Wie gehen wir in diesem Zusammenhang mit dem Thema Konnexität um? – Das haben wir mit den kommunalen Spitzenverbänden konkret besprochen. In einer Vereinbarung aus dem Jahr 2011 ist das Instrument des Konsultationsverfahrens festgeschrieben. Welche Parameter würden wir für dieses Konsultationsverfahren wählen? Wie lauten die Prognosen für den Lehrerbedarf? In seiner Gänze wird der Bedarf logischerweise, wenn man den Weg einschlüge, zum ersten Mal im Schuljahr 2020/21, wenn die erste Mittelstufe Plus das Abitur macht, und im Jahr 2025 deutlich. Das gilt auch für die möglichen Konnexitätsfolgekosten für Investitionen in diesem Zeithorizont.
Wir sind umfassend mit den Folgen einer solchen Entscheidung befasst. Ich befinde mich seit Monaten mit
den Kolleginnen und Kollegen des Bildungsarbeitskreises und des Haushaltsarbeitskreises in intensivem Dialog und Informationsaustausch. Das ist mir wichtig. Am Montagabend sind die Ergebnisse nach Ende der Dialogphase dem Fraktionsvorstand und gestern der gesamten Fraktion vorgestellt worden. Wenn die Fraktion weitere Fragen stellt, ist es deren politische Aufgabe und Verpflichtung. Das Kultusministerium wird als kundenorientierte Dienstleistungsbehörde binnen 24 Stunden der Beantwortung dieser Fragen nachkommen.
Das ist die Sachlage. Das ist der Fahrplan. Laut dem Beschluss in St. Quirin vom letzten Juli ist das Ende des laufenden Schuljahres als Zeitpunkt festgesetzt.
Früher war Ostern das Ende des laufenden Schuljahres. Wie Sie vielleicht wissen, ist seit einigen Jahrzehnten Ende Juli das Ende des Schuljahres. Bis zu diesem Zeitpunkt werden wir einen sehr schlanken Gesetzentwurf zur Veränderung des BayEUG vorlegen. Viel wesentlicher sind jedoch die Veränderungen der Vorschriften der gymnasialen Schulordnung, die Vorlage einer Stundentafel sowie ein Fahrplan zur Weiterentwicklung der Lehrpläne. Welche Folgeabschätzung ist beispielsweise für die Schülerstromlenkung erforderlich? Auch werden wir alle Fragen zum Lehrerbedarf und Konsultationsverfahren beantworten und auf den Tisch des Hauses legen. Diesen Zeitplan werden wir einhalten, wenn sich meine Fraktion für einen solchen Weg entschließen sollte. Schlagen wir einen anderen Weg ein, haben wir auch hierzu grundlegende Überlegungen zur Weiterentwicklung des Gymnasiums.
Ich kann Sie somit beruhigen: Die Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums ist eines der Kernprojekte meines politischen Tuns. Seit mehreren Jahren begleite ich das intensiv. Ich halte mich in diesem Zusammenhang an den bekannten altbayerischen Philosophen, der gesagt hat: Über eine Strategie redet man nicht, die hat man.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Ich danke Ihnen auch, dass Sie noch einmal an das Rednerpult zurückgekommen sind. Herr Kollege Hartmann hat sich zu einer Zwischenbemerkung gemeldet. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Minister Spaenle, Sie haben mehrfach von einer Weiterentwicklung gesprochen. In den letzten dreieinhalb Jahren hat sich jedoch gar nichts weiterentwickelt. Sie
haben eine Weiterentwicklung des bayerischen Gymnasiums seit dreieinhalb Jahren nur gestört. Sie erinnern sich sicher noch an Ihre Schulzeit damals. Das ist schon einige Jahre her. Was hat man zu dieser Zeit mit einem Schüler, der dauernd stört, gemacht? – Der musste sich in die Ecke stellen und sich Gedanken über seine Fehler machen, um daraus zu lernen.
Genau das erwarte ich von Ihnen. Stellen Sie sich in die Ecke des Plenarsaals, und machen Sie sich Gedanken über Ihre Fehler der letzten dreieinhalb Jahre.
Machen Sie sich Gedanken, ob Sie der richtige Minister für dieses wichtige Ministerium sind. Es geht dort um die Zukunftschancen unserer Kinder an den Schulen.
Sind Sie die richtige Person? Diese Gedanken sollten Sie sich machen. Ich bitte Sie: Gehen Sie in die Ecke. Machen Sie sich Gedanken bis zum Ende der Plenarsitzung.
Wir unterhalten uns heute über Pädagogik. Spricht man in der pädagogischen Arbeit noch über die Ecke?
Mir bleibt nichts anderes übrig, als festzustellen, dass die intellektuelle Flughöhe dieses Beitrags nur die Benotung "Versetzung gefährdet" verdient.
Sehr geehrter Herr Staatsminister, Sie haben Geschichte und Theologie studiert. Das hat man in Ihrem Beitrag heute gemerkt.
Es war interessant, die Bildungsgeschichte Bayerns noch einmal Revue passieren zu lassen. Jetzt geht es jedoch um die Zukunft des Gymnasiums und nicht um die Vergangenheit des Bildungssystems. Ich habe zwei ganz konkrete Fragen an Sie. Ich habe Ihnen genau zugehört. Ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Debatte sehr stark in die Richtung geht: Welche zusätzlichen Inhalte werden wir in das Gymnasium hineinpacken, wenn ein neunjähriges Gymnasium kommt? Sie haben über digitale Bildung und vieles mehr gesprochen. Diese Gedanken kann man sich machen. Ich will aber davor warnen. Ich will an das Volksbegehren der FREIEN WÄHLER "Mehr Zeit zum Lernen! – Mehr Zeit zum Leben! Neunjähriges Gymnasium (G9) als Alternative anbieten." erinnern. Der Unterricht sollte nicht mit möglichst vielen Stunden überfrachtet werden. Stattdessen sollte man den Schülern mehr Zeit geben, über das nachzudenken, was sie gerade erfahren haben. Das ist auch eines unserer Kernanliegen.
Die letzte Frage noch einmal: Wollen Sie nach Ihren jetzigen Plänen bei einem möglichen neunjährigen Gymnasium über 270 oder 275 Wochenstunden hinausgehen?
Die zweite Frage: Habe ich richtig vernommen, dass der Zeitplan, den Sie uns geschildert haben, in der letzten Woche sein Ende hätte finden sollen? Jetzt hieß es Ostern, und gerade sprachen Sie von der Sommerpause. Das scheint doch ein sehr flexibler Zeitplan zu sein. Ist der Zeitpunkt Sommerpause verbindlich, und meinen Sie damit den Sommer 2017? Das war die Frage, die ich auch noch stellen wollte.
Zum einen scheinen Sie im Moment von partieller Wahrnehmung geschlagen zu sein – vielleicht ist es Schnupfen oder irgend so etwas –, wenn Sie davon sprechen, dass ich nur über die Vergangenheit reden würde. Das haben Sie doch gerade gesagt. Ich habe Ihnen Überlegungen vorgetragen, die wir in unserer Fraktion gemeinsam erörtert haben, um das Gymnasium weiterzuentwickeln, wenn wir uns für einen bestimmten Weg entschließen sollten. Das ist meines Erachtens aber der Zeitstrahl nach vorne, und nicht der nach hinten.