Mittlerweile haben wir nicht nur genauso viele Studentinnen wie Studenten, sondern auch 46 % Promotionen von Frauen. Das heißt: Junge Frauen können es. Sie können sich durchsetzen, aber später in ihrer Karriere stoßen sie offensichtlich immer noch an gläserne Decken, durch die ihre männlichen Kollegen einfach hindurchspazieren. Die Frage ist: Woran liegt das? Wir haben in Bayern 18,7 % Professorinnen, während es in Berlin beispielsweise 30 % sind. Es wird auch nicht besser, wenn wir einfach abwarten und sagen: Wir bleiben bei freiwilligen Zielvorgaben, weil wir diese hundert Jahre, die wir noch warten müssen, jungen Frauen einfach nicht zumuten können.
Die Kolleginnen und Kollegen von der SPD fordern zusammen mit uns einen Katalog einfacher Maßnahmen, nichts, was sich anderswo nicht bewährt hätte. Mit diesen simplen Werkzeugen verschaffen wir den Hochschulen mehr Möglichkeiten, um Frauen die Chance zum Aufstieg zu ebnen. Wir GRÜNE haben uns in unserem Antragspaket auf Maßnahmen beschränkt, die in anderen Bundesländern bereits erfolgreich eingeführt wurden. Auch dazu muss ich sagen: Dort gab es keine Widerstände, im Gegenteil: Durch die Maßnahmen, mit denen verbindliche Regelungen getroffen wurden, hat sich auch die Kultur geändert. Der Aufstieg für Frauen ist nicht nur aufgrund der Regelungen leichter geworden, sondern auch dadurch, dass eine andere Kultur Einzug gehalten hat.
Ich möchte mit den Berufungsverfahren beginnen; das ist unser erster Punkt. In der Psychologie und in der Arbeitsmarktforschung ist die Neigung der Menschen, automatisch eine Position mit jemandem zu besetzen, der ihnen selber ähnlich ist, seit Langem bekannt. Deswegen muss uns nicht wundern, dass die Männer in Berufungskommissionen, in denen hauptsächlich Männer sitzen, dazu neigen, jeweils ihr jüngeres Ich zu berufen. Das ist gar keine böse Absicht. Das ist Psychologie. Diesem Verhalten kann man entgegenwirken, indem die Berufungskommission zu 40 % mit Frauen besetzt wird. Das ist auch in Brandenburg der Fall. Das hat sich offensichtlich bewährt.
Berufungskommissionen und Berufungslisten sind nicht so trivial, wie es auf den ersten Blick scheint. Mittlerweile sind Frauen auf der Shortlist häufig vertreten. Einer qualifizierten Frau nützt es außer ihrer Ehre jedoch nichts, wenn sie auf Platz 2 gesetzt wird. Sie erhält deshalb keinen Job. Damit kann sie sich nichts leisten. Wir müssen dafür sorgen, dass im Freistaat endlich verbindliche Regelungen gefunden werden. Die Berufungsleitfäden müssen gendergerecht angepasst werden, damit eine gleichwertige qualifizierte Verfahrensweise eingeführt wird. Momentan machen das die meisten Hochschulen nach bestem Wissen und Gewissen. Es mangelt jedoch an einheitlichen Vorgaben, die den Hochschulen helfen könnten, ein qualitativ hochwertiges Verfahren durchzuführen.
Der zweite Punkt betrifft das akademische Personalmanagement. Dies sollte geschlechtergerecht gestaltet werden. Nordrhein-Westfalen hat ein Kaskadenmodell in seinem Hochschulgesetz eingeführt. Was heißt das? – Wenn in Bayern mittlerweile 30 % der Habilitationen von Frauen stammen, fordern wir für die nächsthöhere Stufe einen Frauenanteil von 30 % bei den Professuren. Das ist nicht zu viel verlangt. Die Frauen haben bereits bewiesen, dass sie es können. Sie wären dafür qualifiziert. Genauso verhält es sich bei den Dissertationen. Wenn 45 % der Dissertationen von Frauen stammen, sollte dies für die nächste Ebene auch möglich sein.
Wir wollen, dass das fachbezogen geschieht. Immer wieder hören wir das Argument, dass es gerade in MINT-Fächern zu wenige Frauen gebe. Passen wir die Quote einfach entsprechend an. Damit erhalten die Frauen, die qualifiziert sind, auch die Chance aufzusteigen.
Der nächste Punkt betrifft die Hochschulleitung. Wir wollen nicht, dass die Hochschulleitung ein reiner Herrenclub bleibt. Derzeit gibt es eine Kann-Bestimmung, mit der Frauenbeauftragte in die Hochschulleitung berufen werden können. Tatsächlich hat das nur eine einzige Universität in Bayern umgesetzt. Aus der Wirtschaft wissen wir, dass es wichtig ist, Gleichstellung auch von oben zu betreiben. Nur dann kann sie erfolgreich sein. Deshalb möchten wir, dass Frauenbeauftragte verbindlich in die Hochschulleitungen aufgenommen werden. Es ist nicht sinnvoll, wenn sie bei Debatten nur punktuell anwesend sind, aber nicht dauerhaft verfolgen können, was passiert. Wir glauben, dass die Entscheidungskultur davon abhängt, wie viele Frauen in Hochschulgremien vertreten sind. Die Hochschulräte haben mittlerweile viele Aufgaben
vom Senat übernommen. Dazu zählt beispielsweise die Wahl des Präsidiums. An dieser Stelle fordern wir ebenfalls einen Frauenanteil von 40 %, wie dies in anderen Bundesländern der Fall ist. Es ist relativ einfach, dies umzusetzen, weil viele Stellen extern besetzt werden. Das ließe sich im Prinzip sofort umsetzen. Bayern kann dort voranschreiten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben den zweijährlichen Bericht der Staatsregierung erhalten. Dort steht zum Thema Gleichstellung in der Wissenschaft: Der Anteil der Frauen in den akademischen Führungspositionen stagniert aktuell. – Ich finde es beschämend, dass daraus offensichtlich kein Handlungsbedarf abgeleitet wird. Wenn der Frauenanteil stagniert und wir noch 100 Jahre brauchen, bis sich Frauen endlich in angemessenem Umfang in Führungspositionen befinden, müssen wir doch handeln. Wir können nicht sagen: Das lassen wir einfach weiterlaufen; irgendwann wird es sich schon richten, vielleicht aber auch nicht.
Weiter schreiben Sie, dass die Hochschulen mehr Gleichberechtigung benötigten, um Frauenförderung in der Wissenschaft auch als Standortfaktor zu begreifen. Sogar die Deutsche Forschungsgemeinschaft bezieht mittlerweile Gleichstellungskriterien bei der Mittelvergabe ein. Das zeigt, dass wir für unseren Standort mehr Professorinnen brauchen. Je nach Ranking – das ist unterschiedlich – befindet sich Bayern entweder auf dem drittletzten oder auf dem letzten Platz. Ansonsten schreiben wir uns immer auf die Fahnen, dass Bayern einen Spitzenplatz einnehmen soll. Wir können unsere Exzellenz nicht anders sichern. Wir schwächen unseren Standort, wenn wir den besten Köpfen nicht auch die besten Chancen geben, nämlich die Chancen, die sie verdienen.
Ich möchte noch ein letztes Thema einbringen, das ich als sehr wichtig erachte. Wir reden immer davon, dass wir uns in einem postfaktischen Zeitalter befinden. Wir müssen aber mit Fakten arbeiten. Deshalb begrüße ich den Antrag der SPD, mit dem ein Genderreport gefordert wird. Auf diese Weise können wir sehen, wie die aktuelle Lage ist.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meine Rede wie meine Kollegin Claudia Stamm mit einer Geschichte beginnen. An einem Tag mitten im Oktober – das Jahr können Sie sich aussuchen – starten 100 Studierende in ihr Erstsemester. Die 100 Studierenden teilen sich auf in 52 Frauen und 48 Männer.
Ja, das ist schon ein Erfolg. Herzlichen Dank, Herr Kollege Roos. – Wenige Jahre später wollen einige Damen und Herren promovieren. Sie wollen den Doktortitel erhalten. Darunter befinden sich nur noch 45 Frauen. Mindestens sechs Jahre oder weitere Jahre später geht es um die Habilitation, die für einen Lehrstuhl oder einen Professoren- oder Professorinnentitel erforderlich ist. Jetzt sind es nur noch – hören Sie gut zu – 27 Frauen. Die Hälfte der Frauen haben wir schon verloren. Wenn es darum geht, einen Lehrstuhl zu erhalten, bleiben nur noch 17 Frauen übrig. Wir sind mit 52 Frauen gestartet. Jeder mit etwas Mathematikkompetenz stellt fest, dass in dieser Geschichte etwas falsch läuft. Bei den MINT-Fächern haben wir einen Frauenanteil von lediglich 11 %. Es besteht ein großer Handlungsbedarf.
Was ist an dieser Geschichte krumm? Was passiert da? Wie können wir diese Geschichte in einen Bestseller verwandeln? – Die Geschichte kann nur dann zu einem Bestseller werden, wenn die Rahmenbedingungen gut sind. Deshalb machen wir von der SPD – die GRÜNEN haben das schon gemacht – ganz einfache und unkomplizierte Vorschläge, die man gar nicht ablehnen kann. Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Seien Sie nicht so.
Ich freue mich, dass der Minister gerade hereingestolpert ist, als hätte er gewusst, dass ich ihm jetzt zurufen werde: Frauenförderung und Gleichstellung sind Chefsache! Herr Staatssekretär, Sie sind mir auch recht, aber der Minister ist mir "rechter".
Kolleginnen und Kollegen, er ist der Chef. Wenn wir über die Gleichstellung an Hochschulen und Universitäten reden, muss das Chefsache sein, Herr Minister Spaenle. Es reicht nicht aus, dass der Ministerpräsident Frauenförderung in seiner Partei hochhält. Auch der Fachminister muss dies zur Chefsache erklären und alles dafür tun. Das haben Sie übrigens in Ihrer Antrittsrede im Ausschuss auch angekündigt. Ich
kann Ihnen nur sagen: Sie haben nichts gemacht. Die Zahlen sind immer noch erbärmlich. Dazu komme ich später noch. Herr Kollege Spaenle, Sie müssen das zur Chefsache machen. Sie müssen dafür sorgen, dass es einen institutionalisierten Dialog gibt. Diesen müssen Sie organisieren.
Gerade die Kolleginnen und Kollegen aus dem Hochschulausschuss wissen, dass wir mit allen Hochschulen und Universitäten Zielvereinbarungen geschlossen haben. Dabei handelt es sich um einen sehr dicken Ordner. Mit jeder Universität und jeder Hochschule sind Zielvereinbarungen verabredet worden. In jeder Zielvereinbarung heißt es: Jawohl, wir wollen Gleichstellung und Investition in Frauen; Frauen sollen nach oben kommen und Lehrstühle besetzen. Kolleginnen und Kollegen, mir fehlt oft die konkrete Zahl. Wird eine konkrete Zahl festgesetzt, würde ich erwarten, dass eine Universität oder Hochschule, die diese Zahl grandios übertrifft, finanziell belohnt wird. Für eine Hochschule und eine Universität muss es sich lohnen, in Frauenförderung zu investieren. Das muss man belohnen. Kolleginnen und Kollegen, wer das nicht macht, muss dafür bestraft werden. Ich erwarte Geld zurück. Es sollte wehtun, wenn die Frauenförderung, die in der Zielvereinbarung festgeschrieben ist, nicht eingehalten wird.
Außerdem erwarte ich, dass in den Zielvereinbarungen festgeschrieben wird, dass zusätzliche Mittel für die Umsetzung der Gleichstellungszielvereinbarung zur Verfügung gestellt werden. Kolleginnen und Kollegen, dafür muss man Geld in die Hand nehmen. Man belohnt, wenn es gut läuft. Man missbilligt, wenn es nicht gut läuft.
Der nächste Punkt ist mir persönlich am wichtigsten. Die Gleichstellung muss im Hochschulgesetz festgeschrieben werden. Freunde der Sonne, es reicht nicht aus, schöne Worte zu finden, wie wichtig uns allen Gleichstellung ist. Das muss wehtun, Das muss einklagbar sein. Deshalb muss das Hochschulgesetz in Bayern geändert werden. Gleichstellungsbeauftragte müssen in die Hochschulleitung einbezogen werden, und zwar unabdingbar. Sie müssen ein Vetorecht haben. Die Gleichstellungsbeauftragte oder der Gleichstellungsbeauftragte muss bei Gefährdung von Gleichstellungszielen die Möglichkeit haben, durch ein Veto auszudrücken: Diese Berufung geht nicht. Das ist mir und uns ganz wichtig.
Übrigens brauchen wir dafür finanzielle Ressourcen. Wenn ich mir anschaue, wie viel bzw. wie wenig Geld – das ist die richtige Vokabel – die Universitäten für
eine Gleichstellungsbeauftragte bzw. einen Gleichstellungsbeauftragten bekommen, stelle ich fest, dass das sehr unterschiedlich ist. An den Universitäten ist es etwas mehr, an den HAWs ist es weniger. Für die nicht eingeweihten Kolleginnen und Kollegen sage ich: Das sind die Hochschulen für angewandte Wissenschaften. Der Betrag liegt zum Teil nur im niedrigen vierstelligen Bereich. Wie soll Gleichstellungsarbeit in einer Bildungseinrichtung in einem tertiären Bildungsbereich bewerkstelligt werden, wenn man dafür keine Mitarbeiterin und keinen Mitarbeiter hat? Wie soll Gleichstellung erreicht werden, wenn dafür niemand freigestellt wird, sondern nebenher noch Vorlesungen etc. gehalten werden müssen? Die Gleichstellung muss wichtig sein, und dafür braucht man finanzielle Ressourcen.
Als letzter Punkt muss die Zielquote im Hochschulgesetz verändert und festgezurrt werden. Es soll eine Zielquote von bis zu 50 % Frauen in Gremienbesetzungen festgelegt werden.
Kolleginnen, jetzt spreche ich Sie einmal ganz persönlich an. Wir Kolleginnen wissen ja, was ich meine. Wenn alle Gremien mit Männern besetzt sind, die meinen, durch lautes und schnelles Schnattern die Meinungsführerschaft für sich in Anspruch nehmen zu können, – –
Auch das ist erwünscht. Fest steht, dass Gremien, die zu gleichen Teilen mit Männern und Frauen besetzt werden a) schnellere Sitzungen abhalten – das sei nur mal nebenbei bemerkt –, b) konzentrierter arbeiten und c) bessere Ergebnisse hervorbringen.
Gerne besetzen wir die Gremien auch ausschließlich mit Frauen. Ihr habt das 70 Jahre lang komisch organisiert. Wir zeigen euch dann, wie wir es 70 Jahre lang richtig gut organisieren. Da geht was.
Kolleginnen und Kollegen, der Sozialdemokratie, aber auch den GRÜNEN in Bayern ist es wichtig, dass wir die Gleichstellungspolitik in Hochschulen und Universitäten endlich hochziehen. Herr Minister Spaenle, die Kollegin Osgyan hat es bereits gesagt: Wir sind deutschlandweit im mittleren, hinteren Feld. Das ist
die dritte Kreisliga oder irgendwie sowas. Wir wollen doch immer in der Champions League spielen. Wir wollen doch immer ganz weit vorne sein, mit allem Pipapo. Das heißt, dass Sie das auch tun müssen. Ich, wir Frauen und auch die Männer akzeptieren nicht, dass wir in diesem Bereich abgeschlagen ganz weit hinten sind.
Abschließend will ich sagen, dass ich keine Lust habe, erst in 84 Jahren endlich eine gute Geschichte erzählen zu können. So lange wird es dauern, bis die Gleichstellung funktioniert. So lange wird es dauern, bis derselbe Anteil an Frauen promoviert, habilitiert ist und anschließend einen Lehrstuhl bekommt. Wenn wir dann irgendwann bei einem Anteil von 50 % sind, dann ist es eine gute Geschichte.