Protocol of the Session on December 13, 2016

Nun rufe ich den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Haushaltsplan 2017/2018 Einzelplan 02 für den Geschäftsbereich des Ministerpräsidenten und der Staatskanzlei

hierzu:

Änderungsantrag von Abgeordneten der SPDFraktion

(Drs. 17/13242) Änderungsanträge der Fraktion FREIE WÄHLER (Drsn. 17/13194 und 17/13195) Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Drs. 17/13297)

Im Ältestenrat wurde für die Aussprache eine Gesamtredezeit von drei Stunden vereinbart. Davon entfallen auf die Fraktion der CSU 44 Minuten, auf die SPD-Fraktion 34 Minuten sowie auf die Fraktionen der FREIEN WÄHLER und von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN jeweils 29 Minuten. Die Redezeit der Staatsregierung orientiert sich an der Redezeit der stärksten Fraktion. Sie kann deshalb bis zu 44 Minuten sprechen, ohne dass sich dadurch die Redezeit der Fraktionen verlängert.

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst Herr Ministerpräsident Horst Seehofer. Bitte schön, Herr Ministerpräsident.

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Begleiter ist heute die Bayerische Verfassung, nicht die Ansammlung aller Zahlen aus einem Haushalt, sondern das Messen dieses Haushalts an dem Hauptauftrag, den uns die Bayerische Verfassung gibt, deren 70. Geburtstag wir in diesem Jahr begehen. Heribert Prantl hat vor Kurzem in der "Süddeutschen Zeitung" wörtlich eine Liebeserklärung an die Bayerische Verfassung geschrieben. Dieser schließe ich mich gerne an. Ich will zu Beginn dieser Debatte über unseren Doppelhaushalt 2017/2018 deutlich zum Ausdruck bringen, wir verdanken dieser Verfassung, dieser Bayerischen Verfassung, seit 70 Jahren, dass wir die stabilste Demokratie haben, die es jemals auf bayerischem Boden gab. Darauf dürfen wir stolz und dafür dürfen wir dankbar sein.

(Beifall bei der CSU, der SPD, den FREIEN WÄHLERN und Abgeordneten der GRÜNEN)

In dieser Verfassung finden sich viele Programmsätze, die vor 70 Jahren genauso richtig waren wie heute. Man kann diejenigen, die die Verfassung geschaffen haben, bewundern, dass sie angesichts des größten Trümmerfeldes aller Zeiten eine solche Weitsicht bewiesen haben. Ich beschränke mich auf einen Artikel, der aus meiner Sicht ein zentraler Auftrag für unser ganzes politisches Tun auch heute ist. Dieser Artikel ist heute genauso wichtig wie vor 70 Jahren, im Jahr 1946. Ich zitiere:

Die gesamte wirtschaftliche Tätigkeit dient dem Gemeinwohl, insbesondere der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins für alle und

der allmählichen Erhöhung der Lebenshaltung aller Volksschichten.

Ich finde, das ist ein sehr kluger Satz. Man müsste ihn da und dort in die heutige Sprache übersetzen. Aber es ist klar, was damit gemeint ist. Er ist eine Richtschnur für das politische Handeln. Ich füge hinzu: Er ist auch eine Richtlinie für die Politik meiner Staatsregierung. Messen wir also diesen großen Verfassungsauftrag an der Verfassungswirklichkeit, das heißt: Welche Wirkung entfalten diese Zahlen, die wir jetzt drei Tage lang diskutieren werden, von der Investitionsquote bis zur Personalquote? Wie steht es um unser Land, um diesen Auftrag der Bayerischen Verfassung? – Bayern ist auch nach dem achten Jahr von Horst Seehofer ein Hort der Stabilität, des Wohlstandes und der sozialen Sicherheit. Wir haben die höchste Erwerbsquote und die niedrigste Arbeitslosigkeit aller Bundesländer. Die Jugendarbeitslosigkeit ist besiegt. Wir haben die höchsten verfügbaren Einkommen aller Flächenländer, und nirgendwo in Deutschland sind weniger Menschen auf staatliche Hilfe angewiesen als im Freistaat Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Ich sage: Verfassungsauftrag erfüllt. Was besonders bemerkenswert ist: Diese Bilanz gilt nicht nur für besonders prosperierende Regionen in Bayern, sondern sie gilt für ganz Bayern. Wir haben zum ersten Mal in allen Regierungsbezirken eine Arbeitslosigkeit unter 4 %. Man kann im Grunde von Vollbeschäftigung reden. Die Spannbreite zwischen den Regierungsbezirken bei der Arbeitslosigkeit ist mittlerweile um rund zwei Drittel gesunken. Der Unterschied zwischen manchen Regierungsbezirken an der ehemaligen Zonengrenze und dem übrigen Bayern liegt jetzt bei etwa einem Prozentpunkt. Das heißt, diese Regierung und die Mehrheitsfraktion haben mit dem großen Anspruch gleichwertiger Lebenschancen in allen Regionen Bayerns ernst gemacht. Das ist die zweite Bilanz.

(Beifall bei der CSU)

Nun weiß man, wenn man lange in der Politik ist: Der Erfolg ist schön für die Menschen und für das Land; aber er ist gleichzeitig die größte politische Gefahr. Man neigt als Mensch dazu, ein Stück selbstzufrieden zu werden und bequem zu werden, wenn die Daten stimmen, wenn es dem Land gut geht, wenn das Land blüht. Deshalb ist für mich der noch wichtigere Teil neben dem aktuellen Befund über den Freistaat Bayern die Frage, wie wir für dieses Land in die Zukunft gehen. Dieser Doppelhaushalt 2017/2018 ist ein Zukunftsatlas für Bayern, der uns in eine gute Zukunft führen wird, der die Menschen im Freistaat Bayern in eine gute Zukunft führen wird. Ich möchte dies an fünf

Punkten festmachen, die Sie in diesem Haushalt wiederfinden. Für diese Punkte müssen wir aber auch als Freistaat Bayern in Berlin und in Brüssel eintreten, damit sie im Interesse Bayerns umgesetzt werden.

Erstens werden Stabilität und Sicherheit in einem Land wirtschaftspolitisch zum wichtigsten Standortfaktor. Deshalb wird sich die Staatsregierung auch in Zukunft davon leiten lassen. Viele Daten untermauern, dass wir die Stabilität Bayerns weiter erhalten. Das gilt auch in Zeiten von Globalisierung, Globalisierungstendenzen und Zuwanderung. Die Bayerische Staatsregierung vertritt weiterhin die Auffassung, dass Stabilität, Humanität und Integration bei uns im Lande nur gelingen können, wenn wir dem Rechtsstaat bei der Zuwanderung wieder zum Durchbruch verhelfen. Dafür ist eine Begrenzung der Zuwanderung erforderlich.

(Beifall bei der CSU)

Aus wirtschaftspolitischer Sicht ist die Sicherheit ein ganz wichtiger Standortfaktor. Selbstverständlich ist Sicherheit auch ein Urbedürfnis der Bevölkerung. Deshalb wird die Bayerische Staatsregierung alles Menschenmögliche tun, um die Sicherheit unserer Bevölkerung zu gewährleisten. Zwar kann niemand absolute Sicherheit versprechen, aber wir versprechen, das Menschenmögliche für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger zu tun. Dazu zählt eine Verbesserung der Ausstattung der Sicherheitsbehörden, und zwar in der Zahl und in der Qualität. Das gilt auch für die Sachausstattung. Außerdem sind weitere rechtliche Grundlagen erforderlich.

Im Antiquarium der Residenz steht eine schöne Inschrift: Geduld ist die wichtigste Tugend, um die Widrigkeiten des Alltags zu überwinden. An diesen Satz fühle ich mich oft erinnert, wenn es um die Durchsetzung der Positionen der Bayerischen Staatsregierung und der Mehrheitsfraktion in Berlin geht. Wir bekommen beinahe ausnahmslos recht. Alles, was wir den Bürgerinnen und Bürgern im Jahr 2013 versprochen haben, haben wir realisiert. Die Aussagen, die wir vor eineinhalb Jahren zur Zuwanderung gemacht haben, werden Stück für Stück Realität. Manchmal muss man nur besonders lange warten. Der Innenminister und ich haben von der Bundesregierung immer wieder gefordert, dass die bayerische Polizei bei den Grenzkontrollen mithelfen darf, die nicht nur für die Steuerung der Zuwanderung erforderlich sind. Ein Drittel der Menschen wird übrigens an der Grenze zurückgewiesen. Die Grenzkontrolle ist auch notwendig, um die Kriminalität zu bekämpfen. Die Bundesregierung hat gesagt: Das ist nicht möglich, das ist problematisch. Jetzt, zum Ende des Jahres 2016, bittet uns die Bundesregierung, bayerische Polizeibeamte zum Schutz

der Bevölkerung an den bayerischen Grenzen einzusetzen.

(Beifall bei der CSU)

Manches dauert lange. Ich will gar nicht alle Beispiele aufführen. Aber früher oder später übernimmt Berlin unsere Positionen. Das ist der erste Auftrag, den wir in den nächsten Monaten angehen werden: die Verstärkung der Stabilität und der Sicherheit unseres Landes.

Ich komme zum zweiten Punkt. Meine Damen und Herren, ich habe oft gesagt, dass es in diesem Lande gerecht zugehen muss. Das ist nach Artikel 151 der Bayerischen Verfassung auch unser Auftrag. Diese Medaille hat jedoch zwei Seiten. Wir müssen Schwachen, Behinderten, Benachteiligten und Zugewanderten helfen, wo immer wir können. Ich bin sehr froh darüber, dass Bayern entscheidend am Bundesteilhabegesetz in Berlin mitgewirkt hat, um die alte Fürsorgeleistung für Behinderte durch eine echte Teilhabe an unserem gesellschaftlichen Leben, die den Namen verdient, abzulösen. Das ist übrigens die größte Sozialreform in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Wir kennen die verantwortliche Ministerin!)

Herr Halbleib, Sie haben immer einen Tunnelblick. Die Bevölkerung interessiert es nicht, wer für was Minister ist.

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Wo ist Ihr Problem, Herr Ministerpräsident?)

Sie heben immer den Zeigefinger und sagen: Wir waren es und ihr nicht. Damit fördern Sie genau die Kräfte, die Sie eigentlich nicht fördern wollen.

(Beifall bei der CSU)

Kann man sich vor einem Parlament nicht einmal darüber freuen, dass eine Große Koalition zum Ende dieser Legislaturperiode eine der größten Sozialreformen in der bundesdeutschen Geschichte durchbringt?

(Beifall bei der CSU – Volkmar Halbleib (SPD): Das habe ich doch gemacht!)

Wir haben diese Sozialreform in der Form beschlossen, wie wir das für Bayern wollten. Ich habe nicht mehr über die letzten 124 Millionen Euro verhandelt. Wir haben gesagt: Die Länder tragen die Hälfte, und der Bund trägt die Hälfte. Damit war die Reform durch.

Trotz der vielen unterschiedlichen Ansichten zur Rente haben wir eine Entscheidung getroffen: Die Erwerbsunfähigkeitsrente wird noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet. Das betrifft Frauen und Männer, die weit vor Erreichen der Altersgrenze erwerbsunfähig werden. Sie sind gesundheitlich derart beeinträchtigt, dass sie keinen Beruf mehr ausüben können. Das ist verbessert worden. Allerdings ist es ein weiterer Fortschritt, dass wir uns noch einmal für eine deutliche Verbesserung bei der Erwerbsunfähigkeitsrente eingesetzt haben. Dieser Beitrag zeigt, dass wir miteinander – das sage ich an die Adresse der Sozialdemokraten – auch für Bayern eine gute Entscheidung getroffen haben.

(Beifall bei der CSU)

Jetzt dachte ich schon, die GRÜNEN spenden Beifall, dabei war es der linke Flügel des Kabinetts.

(Allgemeine Heiterkeit – Markus Rinderspacher (SPD): Den müssen Sie uns vorstellen! Herr Ministerpräsident, die wollen wir näher kennenlernen!)

Mehr möchte ich heute nicht sagen. Ich möchte ein ruhiges Weihnachtsfest.

Obwohl es uns besondere Schwierigkeiten gebracht hat, nenne ich das Betreuungsgeld. Das Bundesverfassungsgericht hat gesagt, der Bund habe keine Gesetzgebungskompetenz. Der Freistaat Bayern hat den Menschen im Wahlkampf im Jahr 2013 das Betreuungsgeld versprochen. Jetzt haben wir das Betreuungsgeld im Rahmen einer bayerischen Lösung umgesetzt. Wir können darüber so viel diskutieren, wie wir wollen, aber für die Lebenspraxis gibt es keinen Ersatz. Die Praxis zeigt, dass 100.000 junge Familien das Betreuungsgeld in Anspruch genommen haben. 70 % der jungen Familien haben sich frei für unser Betreuungsgeld entschieden.

(Beifall bei der CSU)

Wir müssen auch an die Leistungsträger unserer Gesellschaft denken. Das gehört zur sozialen Gerechtigkeit. Deshalb tritt die Bayerische Staatsregierung in einer Zeit mit den höchsten Steuereinnahmen aller Zeiten dafür ein, einen Teil dieser zusätzlichen Steuereinnahmen an die Leistungsträger, die Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen, zurückzugeben. Das Volumen beträgt 15 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren, außerdem sind wir 25 Jahre nach der Wiedervereinigung Deutschlands der Auffassung, dass der Solidaritätszuschlag schlichtweg abzuschaffen ist. Dafür setzen wir uns ein.

(Beifall bei der CSU)

Mit der Umsetzung dieser beiden Punkte erreichen wir die größte Steuerentlastung, die es jemals in der Bundesrepublik Deutschland gab. Das sind 15 Milliarden Euro jährlich aus der Einkommensteuer und 18 Milliarden Euro aus dem Solidaritätszuschlag im Jahr 2020. Davon profitieren insbesondere diejenigen mit mittleren und kleinen Einkommen. Ich füge hinzu, die Bayerische Staatsregierung wird auch mit Nachdruck dafür eintreten – die Verbündeten werden jede Woche mehr –, dass ein Steuerrecht gestaltet wird, mit dem die Eigentumsbildung insbesondere für Familien in Deutschland wieder möglich wird. Wir brauchen wieder mehr Eigentumsbildung auch der mittleren und kleinen Einkommen und insbesondere der Familien mit Kindern. Deshalb wollen wir für diese Familien ein Baukindergeld einführen.

(Beifall bei der CSU)

Das ist soziale Gerechtigkeit. Auf der einen Seite gibt es die gezielte Hilfe für Menschen, die dieser Hilfe bedürfen. Diese würden nichts lieber tun, als sich selbst zu helfen. Aber sie können sich nicht selbst helfen. Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die durch ihre Arbeit unser Sozialprodukt erwirtschaften. Das sind der Mittelstand, die Bauern, die Freiberufler, die Handwerker und die Arbeiter von Audi und BMW. Diese müssen wir motivieren, und wir müssen ihnen zeigen, dass ihre Leistung honoriert wird. Darum müssen wir die Steuerlast für diese Menschen reduzieren.

Der dritte Punkt ist die Bildung. Ich kann nicht oft genug sagen, dass die Bildung das Tor zum Leben ist. Sie ist übrigens auch ein Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit. In diesem Bereich ist der Haushalt kaum noch steigerungsfähig. Das werden wir morgen noch hören. Eine noch mögliche Steigerung wäre nur, wenn wir zukünftig jeden Euro unseres Haushalts für die Bildung ausgeben würden. Das ist aber wohl nicht möglich. Wir geben im Freistaat Bayern jeden dritten Euro für Bildung und Wissenschaft aus. Deshalb gelingt bei uns die Integration. Deshalb sind wir in jedem Bildungsranking, wenn nicht auf dem ersten Platz, dann immer ganz vorne mit dabei. Das ist die Frucht unserer Bildungspolitik.

(Beifall bei der CSU)

Bei uns wird jeder dritte Euro für Bildung und Wissenschaft ausgegeben. Sie müssen wissen, dass wir jeden vierten Euro an unsere Kommunen geben, im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs und bei der Unterstützung der Kommunen an anderer Stelle. Sie müssen wissen, dass wir im Finanzausgleich über 6 Milliarden Euro an andere Länder bezahlen. Daran können Sie die Finanzkraft Bayerns erkennen. Der Artikel 151 der Bayerischen Verfassung ist für uns ein

Auftrag. Die Bayerische Verfassung definiert die Wirtschaftskraft sozusagen als die Quelle für Wohlstand und soziale Sicherheit. Das ist nur möglich, weil wir wirtschaftlich so kräftig sind. Jeder dritte Euro wird für Bildung ausgegeben.

Eines möchte ich beim Thema Bildung noch ergänzen; dies wird uns im neuen Jahr beschäftigen. Es geht um das Thema Gymnasium. Auch dafür bietet die Bayerische Verfassung einen wunderbaren Text. Bildung bedeutet natürlich die Vermittlung von Wissen. Die Schule soll und muss aber auch Herz und Charakter bilden. Das steht in Artikel 131 der Verfassung. Ich finde, das ist ein fantastischer Satz. Wenn man diesen Satz ernst nimmt, dann muss man die bayerische Bildungspolitik verfolgen. Die jungen Menschen darf man nicht alle gleich behandeln wie mit einer Heckenschere. Die jungen Menschen muss man mit den Fähigkeiten, die sie mitbringen, erreichen. Man darf ihnen nicht nur Wissen einpflanzen, sondern man muss auch das Herz und den Charakter bilden. Das ist nur mit einem vielfältigen, einem gegliederten und einem durchlässigen Schulsystem möglich.