Protocol of the Session on December 8, 2016

Die Menschen mit Migrationshintergrund haben, gerade wenn sie hilfsbedürftig sind, besondere Bedürfnisse. Nachdem es in dem Pflege- und Wohnqualitätsgesetz insgesamt darum geht, sich an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren, was höchst lobenswert ist, sollte man sich eben auch an den Bedürfnissen der Menschen mit Migrationshintergrund orientieren. Das betrifft zum Beispiel kultursensible Pflege. Sie wissen, dass es da durchaus kulturelle Unterschiede gibt.

(Markus Blume (CSU): Das ist der größte Schwachsinn!)

Ich merke, Sie haben noch weniger Ahnung, als ich befürchtet habe.

(Beifall bei der SPD)

Ich erkläre es Ihnen gerne.

(Markus Blume (CSU): Das brauchen Sie nicht! – Zuruf von der CSU: Das ist der falsche Weg!)

Nein, das ist nicht der falsche Weg.

(Zuruf von der CSU)

Sie bekunden jetzt, dass Sie unter Leitkultur eben genau das verstehen, was wir befürchten, nämlich eine Unterordnung, aber keine Berücksichtigung dessen, was Menschen brauchen. Ich meine, wenn wir sagen, dass wir sozial sein wollen, dass wir uns wirklich an Bedürfnissen der Menschen orientieren wollen, dann gehört dazu auch kultursensible Pflege. Sonst kann man sich wohltönende Sonntagsreden sparen.

(Beifall bei der SPD)

Die Nummer 8 betrifft die interkulturelle Öffnung von Einrichtungen. Das heißt, dass es auch darum gehen muss, dass Menschen mit Migrationshintergrund stärker als bisher in solchen Einrichtungen tätig werden. Dies dient auch der besseren Verständigung und dem besseren Verständnis für die Menschen, die dort zu betreuen und zu pflegen sind.

Insgesamt gilt es natürlich, dass die interkulturelle Kompetenz nicht nur in Schulen und Bildungseinrichtungen zu fordern ist, sondern auch in Pflegeeinrichtungen. Das heißt, Fortbildungen für Pflegekräfte im Sinne einer Förderung der interkulturellen Kompetenz sollten selbstverständlich sein.

Diese beiden Punkte halten wir für notwendige Hinzufügungen zum Pflege- und Wohnqualitätsgesetz. Wir bitten um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Jetzt hat Herr Kollege Leiner das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Gerade in dem Bereich, wo Menschen sehr stark unserer Hilfe bedürfen, müssen wir uns auch auf die Migration einstellen. Deswegen – ich sage es gleich am Anfang – ergibt diese Änderung des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes sehr wohl Sinn.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Auch wir, die Fraktion der GRÜNEN, sind davon überzeugt, dass die Integration im Pflege- und Wohnqualitätsgesetz Änderungen erfordert. Zu beachten ist die besondere Situation von Menschen mit Migrationshintergrund, die oft besondere Anliegen und Bedürfnisse haben. Dabei ist alleine schon der Unterschied im Rollenverständnis zwischen Mann und Frau hervorzuheben. Auch die sexuelle Orientierung und die kulturelle Herkunft sind zu berücksichtigen. Die Religionszugehörigkeit sollte natürlich bei allen Menschen respektiert werden, und die Religionsausübung sollte ermöglicht werden, was besonderer Änderungen bedarf.

Des Weiteren unterstützen wir auch eine interkulturelle Öffnung der Einrichtungen und selbstverständlich auch eine Förderung der entsprechenden Angebote, wie Kollegin Petersen ausgeführt hat, auch der Ausbildungsangebote.

Die Berücksichtigung aller Bedürfnisse von Menschen mit Migrationshintergrund schafft die nötige Grundlage für ein friedliches Zusammenleben aller Kulturen in Bayern. Gemeinsam gewinnen wir.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Die Ausschüsse empfehlen die Ablehnung. Wer entgegen den Ausschussvoten zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – SPD-Fraktion und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. – CSU-Fraktion. Stimmenthaltungen! – Fraktion der FREIEN WÄHLER. Damit ist dieser Absatz abgelehnt.

Ich rufe nun auf:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Art. 17a Abs. 9 "Bestattungsgesetz" (Drs. 17/13211)

Hier beträgt die Redezeit 24 Minuten. Ich darf zunächst Herrn Kollegen Mistol das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Die SPD fordert in ihrem Änderungsantrag eine Änderung des Bayerischen Bestattungsgesetzes. Dadurch soll auch die Bestattung nur im Leinentuch erlaubt werden. Wir GRÜNE sind da ganz bei Ihnen. Wir haben dazu einen umfangreichen Gesetzentwurf vorgelegt, der ja erst gestern – jetzt

muss man vorgestern sagen – im Innenausschuss behandelt worden ist. Herr Kollege Herrmann, wenn ihr euch bei diesem Thema einmal ein Fünferl bewegen würdet, könnten wir uns jetzt die Zeit sparen. So müssen wir es aber natürlich besprechen. Dies liegt aber an euch.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es liegt wirklich an euch, dass wir nicht weiterkommen. Da wart ihr selber schon einmal weiter. Das habt ihr einkassiert. Warum, wisst ihr selber.

Ziel der Novellierung ist es, Mitbürgerinnen und Mitbürger unabhängig von ihrer religiösen Zugehörigkeit und Weltanschauung die Möglichkeit zu geben, ihre Kultur im Umgang mit Verstorbenen zu praktizieren.

Kolleginnen und Kollegen, die religiöse und weltanschauliche Zusammensetzung der bayerischen Bevölkerung hat sich in den letzten Jahren und Jahrzehnten zunehmend verändert. Das Bayerische Bestattungsgesetz spiegelt diese Veränderungen nicht in geeigneter Weise wider. Es wird weder muslimischen noch jüdischen Bestattungsriten noch den individuellen Bedürfnissen der steigenden Zahl konfessionsloser Menschen wirklich gerecht.

Die Bestattungskultur sagt auch viel über den Zustand einer Gesellschaft aus. Ein modernes Bestattungsrecht muss deshalb die unterschiedlichen kulturellen und religiösen Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigen. Eine Anpassung an die veränderte gesellschaftliche Realität bedeutet selbstverständlich nicht, dass bisher in Bayern gepflegte und gelebte Rituale aufgegeben werden müssten. Zielsetzung der Novellierung ist vielmehr, Mitbürgerinnen und Mitbürger unabhängig von ihrer Religionszugehörigkeit und Weltanschauung die Möglichkeit zu geben, ihre Kultur und eben nicht eine wie auch immer definierte Leitkultur im Umgang mit Verstorbenen umzusetzen und zum Ausdruck zu bringen.

Auch dieses Thema ist für eine gelingende Integration wichtig. Dem Änderungsantrag der SPD stimmen wir deshalb aus voller Überzeugung zu.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Bevor ich mit den Wortmeldungen fortfahre, darf ich bekannt geben, dass die SPD-Fraktion zu dem gerade in der Beratung befindlichen Absatz 9 namentliche Abstimmung beantragt hat. – Jetzt hat Herr Kollege Taşdelen das Wort. Bitte schön.

Verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! In Bayern leben weit über

eine halbe Million Menschen jüdischen und muslimischen Glaubens. Wir sollten hier im Hohen Haus alles Mögliche dafür tun, dass diese Menschen nach ihren Riten bestatten können. Dazu gehört die Bestattung im Leinentuch.

Wir hatten im Bayerischen Landtag in den Ausschüssen für Soziales und Recht und Verfassung eine Expertenanhörung. Die Experten kamen zu dem Ergebnis, dass die sarglose Bestattung, die Leinentuchbestattung, auch in Bayern kein Problem wäre. Alle bis auf einen Herrn von der Sargindustrie waren dafür, dass die Sargpflicht abgeschafft wird. Wir hatten auch – Herr Kollege Mistol hat es angedeutet – von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CSU, bei dieser Expertenanhörung eigentlich Signale bekommen, dass auch die CSU der Abschaffung der Sargpflicht zustimmen wird, zumal wir, ich glaube, eines von zwei oder drei Bundesländern sind, die noch an der Sargpflicht festhalten.

Ich glaube, es ist tatsächlich an der Zeit, dass wir diesen Menschen die Möglichkeit geben, nach ihren Riten zu bestatten. Vielleicht kann die CSU-Fraktion in diesem Fall einmal über ihren Schatten springen und diesen Menschen das Leben ein Stück weit erleichtern, damit der Tourismus in die Ursprungsländer oder in die Heimatländer endlich aufhört, der für die Angehörigen eine große Strapaze bedeutet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb beantragen wir, den Artikel 16 Absatz 1 Nummer 1 Satz 2 Buchstabe f des Bestattungsgesetzes insoweit zu ändern, als nach dem Wort "Verstorbener" die Wörter "sowie für Bestattungen nur im Leinentuch," eingefügt werden.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank. – Wortmeldungen liegen mir nicht mehr vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Abstimmen können wir jetzt noch nicht, weil vonseiten der SPD-Fraktion namentliche Abstimmung beantragt worden ist.

Ich rufe auf:

Artikel 18 "Einschränkung von Grundrechten"

hierzu:

Änderungsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Hans-Ulrich Pfaffmann u. a. und Fraktion (SPD) hier: Nummer 20 (Drs. 17/13211)

Mit der Nummer 20 des SPD-Änderungsantrags soll Artikel 18 "Einschränkung von Grundrechten" durch zwei neue Artikel, einen Artikel 16 "Folgenabschätzung" und einen Artikel 17 "Evaluation", ersetzt werden. Inhaltlich verweise ich auf die Drucksache.

Die Gesamtredezeit beträgt wiederum 24 Minuten. Ich darf jetzt Frau Kollegin Kamm das Wort erteilen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Der Artikel 18 "Einschränkung von Grundrechten" liest sich wie der Beipackzettel für ein schlechtes Medikament. Darin steht: