Protocol of the Session on October 26, 2016

Herr Zellmeier, jetzt fangen Sie schon wieder an. Mit unserem Antrag haben wir versucht, genau das zu vermeiden.

Wenn wir uns die Realität und die Gemengelage in unserem Land ansehen, dann sehen wir, dass Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte massiv steigen und immer mehr Menschen Opfer von rechter Gewalt werden. Es wurde sogar ein Polizist von einem Reichsbürger getötet. Ja, er wurde getötet. In einem Teil der Bevölkerung sind die Einstellungsmuster so, dass sie andere ablehnen, nur weil sie angeblich nicht typisch deutsch, bayerisch oder whatever sind. Menschen werden abgelehnt, weil sie vielleicht eine andere Religion oder eine andere Hautfarbe haben. Wenn wir diese Fakten zusammentragen und genauer ansehen, dann merken wir, dass es einen massiven Anstieg gibt. Ich verstehe wirklich nicht, warum Sie als CSUFraktion nicht einmal einem Antrag zustimmen können oder selber einen Antrag stellen, in dem steht, dass wir in Bayern ein Problem mit dem Thema Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus haben. In diesem Antrag sollten dann auch die Maßnahmen stehen, mit denen Sie dieses Problem lösen wollen. Das verstehe ich einfach nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Beim islamistischen Terrorismus vermischen Sie die Sachen auch nicht. Wir müssen uns mit den Sachen beschäftigen, bei denen wir ein Problem haben. Dann können wir Maßnahmen und Lösungen erarbeiten.

Abgesehen davon ist Ihr Antrag inhaltlich voller Fehler. Ich möchte das an zwei Beispielen deutlich machen. Sie schreiben in Ihrem Antrag, dass das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus ständig

weiterentwickelt wird. Ich weiß nicht, wer den Antrag geschrieben hat. Aber er wurde, so glaube ich, nicht mit den Kollegen aus dem Innenausschuss besprochen. Das ist genau die Debatte, die wir seit Jahren in diesem Hohen Haus führen. Das Problem ist doch gerade, dass das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus nicht durch die Wissenschaft evaluiert wird. Das Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus räumt dem Thema Repression einen so hohen Stellenwert ein und der Prävention nur einen kleinen. Wir hatten letzte Woche eine Anhörung mit namhaften Experten im Innenausschuss. Diese Expertinnen und Experten haben alle unsere Kritikpunkte wiederholt. Die Expertinnen und Experten haben gesagt: Wir dürfen den Rechtsextremismus nicht nur aus einem kleinen Winkel betrachten, sondern wir müssen auch die Aspekte gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rassismus etc. mit hineinnehmen. Dann können Sie doch in Ihrem Antrag nicht schreiben: Mit unserem Handlungskonzept läuft alles super, und wir entwickeln das ständig weiter. Das stimmt nicht, ist nicht so.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Der andere Punkt hat mich auch geärgert. Sie haben in Ihrem Antrag geschrieben, Sie würden sich dazu bekennen, den Opfern zu helfen. Ich möchte an den Juni 2015 erinnern. Wir haben hier darüber debattiert, weil wir GRÜNE einen Antrag eingebracht haben, dass wir endlich eine Beratungsstelle für Opfer von rechter und rechtsextremistischer Gewalt brauchen. Wir haben das Thema hoch- und runterdiskutiert und haben gesagt, warum das so wichtig ist, und zwar, weil der Rassismus und Extremismus zunimmt. Diese Seite im Plenum hat diesen Antrag abgelehnt. Jetzt schreiben Sie in Ihrem Antrag: Wir als Landtag stellen fest, dass wir den Opfern helfen. Wenn Sie das wirklich machen, müssten Sie in Zukunft eine Opferberatungsstelle einrichten oder unserem Antrag diesbezüglich zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Dr. Herrmann.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Schulze, Sie wundern sich, warum wir einen eigenen Antrag bringen, und Sie vermuten, dass wir Ihren ablehnen. Ihr Antrag bietet eine gute Gelegenheit, grundsätzlich über die Frage Extremismusbekämpfung in unserem Land zu sprechen. Über das Spezialthema Reichsbürger und die schlimme Tat von letzter Woche werden wir nachher noch zu sprechen kommen.

Sie haben Ihren Antrag "Für Demokratie und Rechtsstaat" überschrieben. Ich räume gerne ein, dass ich selten einen Antrag der GRÜNEN gelesen habe, der so viele Passagen enthält, denen ich voll und ganz zustimmen kann. Das hängt vielleicht auch damit zusammen, dass es weitgehend Allgemeinplätze sind. Auch ich verurteile Stimmungsmache und Hetze in der realen Welt und in den sozialen Medien. Auch wir sind solidarisch mit den Opfern von Gewalt, und auch ich bin der Meinung, dass repressive Maßnahmen wichtig sind, aber durch präventive Bausteine ergänzt werden müssen. Dieser grundlegenden Zielsetzung sind wir uns im ganzen Bayerischen Landtag völlig einig. Dazu brauchen wir nicht den Antrag der GRÜNEN; denn das entspricht bereits der täglichen Praxis aller Behörden in Bayern. Der Landtag braucht nichts zuzusichern, der Landtag braucht nichts zu versprechen, was jeden Tag von Polizisten, Schulen und Gerichten praktiziert wird. Genau das ist es, was die Staatsregierung in ihrem Handlungskonzept gegen Rechtsextremismus und Salafismus mit dem Netzwerk für Prävention und Deradikalisierung umsetzt, und zwar sehr erfolgreich, wie die objektiven Zahlen zeigen, insbesondere im Vergleich mit den Bundesländern, in denen Rot oder Grün regiert.

Ich will gar nicht auf die Einzelheiten dieser Programme eingehen, über die wir schon häufiger diskutiert haben und wozu letzte Woche eine Anhörung durchgeführt wurde. Ich will vielmehr verdeutlichen, warum wir dem Antrag nicht zustimmen und warum Sie ganz grundsätzlich falsch liegen in Ihren Herleitungen und Schlussfolgerungen, die dem Antrag zugrunde liegen. Ich mache das an der Kritik fest, die dem Antrag zu entnehmen ist, dass wir uns nicht nur mit dem rechten Rand, sondern mit Einstellungen und Gesinnungen in der Mitte der Gesellschaft befassen sollen. Ich kann Ihnen gleich sagen, dass wir von einer solchen Herangehensweise nichts halten. Ihr Grundansatz der sogenannten gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit ist verfehlt, weil ihm ein falsches Menschenbild und ein falsches Gesellschaftsbild zugrunde liegen. Eine pluralistische Gesellschaft ist gerade durch ihre Unterschiedlichkeit geprägt, dadurch, dass wir unterschiedliche Gruppen, unterschiedliche Lebensmodelle haben. Sie ist auch dadurch geprägt, dass sich diese unterschiedlichen Gruppenmodelle, unterschiedlichen Individuen und unterschiedlichen Kollektive mit unterschiedlichen Meinungen und Wertvorstellungen auseinandersetzen. Der Staat muss dafür sorgen, ein System zu haben, das diese Interessengegensätze in einen gerechten Ausgleich bringt und die Rechte des Einzelnen, vor allem die Grundrechte, wahrt und sichert. Es ist aber nicht die Aufgabe des Staates, eine völlig homogenisierte Gesellschaft zu erzwingen, die völlig frei von Gruppenkonflikten wäre, in der quasi alle dasselbe zu denken und zu tun haben. Eine sol

che Vorstellung ist illiberal, unnatürlich und illusorisch. Das wäre Robespierre pur.

Solange Rechtspositionen Dritter nicht beeinträchtigt werden, ist das freie Äußern seiner Meinung eines der zentralen Grundrechte unserer Verfassung. Selbstverständlich dürfen Rassismus, Antisemitismus oder Islamfeindlichkeit keinen Platz in Bayern haben. Es ist aber gerade nicht die Aufgabe der Polizei und des Verfassungsschutzes, eine Art Gesinnungs-TÜV durchzuführen.

Ich weise daher ganz entschieden zurück, dass Sie und andere das ganze Land unter einen rechtsextremen Generalverdacht stellen. Hier und an anderen Stellen berufen Sie sich auf die sogenannten "Mitte"Studien. Aus diesen Studien haben Sie herausrechnen lassen, dass die bayerische Bevölkerung eine besonders rechtsextreme und ausländerfeindliche Einstellung habe. Auch die in dieser Woche zitierte Studie der LMU behauptet, 56 % der bayerischen Bevölkerung seien bezogen auf Muslime menschenfeindlich. Ein solches Ergebnis entspricht nicht meiner persönlichen Wahrnehmung und auch nicht der Wahrnehmung der meisten Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der CSU)

Eine solche Schlussfolgerung ist, um es mit dem Kommentar des Chefredakteurs des "Münchner Merkur" heute zu sagen, ziemlich unverschämt. Es ist infam, mehr als die halbe Bevölkerung als Problembürger abzustempeln und sie dann anschließend zum Zielobjekt eines wirksamen Handlungskonzepts gegen Rechtsextremismus zu machen. Man könnte das auch Umerziehungsprogramm nennen.

(Beifall bei der CSU – Unruhe)

Auf Ihr Ergebnis kann man nur kommen, wenn man ideologiegetrieben Fragen stellt. Deshalb zweifle ich die Wissenschaftlichkeit dieser Studien an, und zwar nach dem Motto: Je weiter links ich stehe, desto früher beginnt rechts.

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Nachher dann.

Von Beginn an standen die "Mitte"-Studien wegen eklatanter methodischer Schwächen in der wissenschaftlichen Kritik. Wenn schon die Bejahung der These, die Sitten und Bräuche des Islam sind mir nicht geheuer, reicht, um sich dem Verdacht auszusetzen, gegenüber Muslimen menschenfeindlich eingestellt sein, dann belegt dies den undifferenzierten Generalverdacht, ebenso wenn die Bejahung der

Frage in einer früheren Studie: Stehen sie der wirtschaftlichen Stärke Deutschlands positiv gegenüber, zur Einordnung in ein rechtes Spektrum führt.

Deshalb schließe ich mich der Bewertung des Berliner Politologen Klaus Schroeder an, der sagte, diese Studie sei nicht seriös, sondern eine ausgesprochen linke Kampfschrift gegen liberale und konservative Auffassungen und die hiesige Gesellschaftsordnung. Ich sage: Hören Sie einfach mal auf, unsere Gesellschaft mit Ihren ideologiegetriebenen Ansätzen umerziehen zu wollen, unabhängig davon, ob es die Ideologie von der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit oder die Genderideologie ist. Normale Menschen, die nicht zehn Semester Soziologie studiert haben, verstehen nicht mehr, wovon die Rede ist. Sie stigmatisieren große Teile der Bevölkerung völlig zu Unrecht. Mit dieser Denkweise spalten Sie unsere Gesellschaft. Sie stoßen rechtstreue Bürger vor den Kopf, die nicht mehr sagen, was sie denken, weil sie nicht so perfekt wie so manch andere auf der politisch korrekten Klaviatur mitspielen können.

Ist das Ihre Vorstellung von Meinungsfreiheit? – Ich glaube, man entfremdet dadurch Menschen von unserem politischen System und braucht sich nicht zu wundern, wenn sich diese dann Extremen zuwenden.

(Lachen des Abgeordneten Dr. Sepp Dürr (GRÜNE))

Auf diese wissenschaftlich erscheinende, aber trotzdem falsche ideologische Grundlage können wir keine konkreten Handlungen des Staates stützen und werden das auch nicht tun. Was wir brauchen und was wir haben, sind Konzepte, die im konkreten Einzelfall Wirkung zeigen, die vom Extremismusbegriff ausgehen, also davon, dass sich Menschen außerhalb des demokratischen Spektrums, außerhalb der freiheitlichdemokratischen Grundordnung bewegen und derartige Gedanken in konkrete Handlungen umwandeln. Darum geht es. Das zu beobachten, ist die Aufgabe des Verfassungsschutzes und der Behörden. Die Extremismusbekämpfung ist darüber hinaus eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung.

(Zuruf der Abgeordneten Isabell Zacharias (SPD))

Wir brauchen auch die Beteiligung der Bevölkerung und deren Unterstützung, die in der überwiegenden Mehrheit – ich gehe davon aus, das ist die Erfahrung von jedem hier – Rassismus, Antisemitismus und ähnlichen extremistischen Vorstellungen eine deutliche Absage erteilt.

(Dr. Paul Wengert (SPD): Wer hat denn das aufgeschrieben?)

Das ist der Grund, weshalb wir Ihren Antrag ablehnen und zu unserem um Zustimmung bitten.

(Beifall bei der CSU)

Bitte bleiben Sie am Rednerpult. Wir haben eine Zwischenbemerkung vom Kollegen Florian Ritter.

(Isabell Zacharias (SPD): Was ist Genderideologie? Das möchte ich gern einmal wissen!)

Sehr geehrter Herr Kollege Herrmann, ich habe ein paar Anmerkungen zu machen. Sie sollten einmal zur Kenntnis nehmen, dass diese Einstellungsstudien – es gibt ja nicht nur die "Mitte"-Studie – in der Sozialwissenschaft mittlerweile gang und gäbe sind und kein besonderer Ausdruck einer wie auch immer gearteten linksextremen Wissenschaft, die nach Ihrer Meinung an deutschen Universitäten gelehrt wird. – Das ist der erste Punkt.

(Beifall bei der SPD und Abgeordneten der GRÜ- NEN)

Der zweite Punkt ist: Sie sagen, Sie wollen in diesen Debatten letztendlich die wissenschaftlichen Ansätze nicht dabeihaben, das sei alles völlig praxisfern. Die bayerische Polizei greift bei der Kriminalitätsbekämpfung zu Recht auf die modernsten naturwissenschaftlichen und sozialwissenschaftlichen Erkenntnisse, Beispiel Profiling, zurück. Wenn es hier aber um Präventionsprogramme geht, sagen Sie: Nein, also da wollen wir die Wissenschaft eigentlich nicht dabeihaben, das könnte unsere Ideologie, die wir seit Jahren hier im Hause verbreiten, infrage stellen. Ganz so, Herr Kollege, geht es im Umgang mit der Wissenschaft dann auch wieder nicht, dass man sie heranzieht, wenn man sie gerade braucht, und sie ansonsten ablehnt.

Niemand hier hat behauptet, dass es hier darum geht, die Meinungen durch die Polizei überwachen zu lassen, sondern wir haben immer gesagt, dass es darum geht, eine politische Auseinandersetzung auch in der Gesellschaft zu führen, wobei wir alle für einen demokratischen, pluralen und toleranten Staat eintreten. Das ist unser Ziel. Wie soll man Ihrer Meinung nach mit dem Antisemitismus umgehen? – Ich interpretiere jetzt einmal nicht, was Sie gesagt haben, dass nach Ihrer Meinung Antisemitismus völlig in Ordnung sei, wenn er nicht in rechtsextremen Organisationen verbreitet worden sei.

Herr Kollege, bitte beachten Sie die Zeit.

So interpretiere ich das nicht. Ich würde Sie bitten, einmal zu sagen, was wir gegen den Antisemitismus tun sollen, den wir auch außerhalb extremistischer Organisationen haben.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Bitte.

Herr Kollege, erstens will ich einmal klarstellen, dass ich nicht von "linksextremistischer Wissenschaft" an deutschen Universitäten gesprochen habe. Wenn es schon so weit wäre, dann wäre es schwierig.

Zu der anderen Frage will ich sagen: Ich glaube, es ist einfach eine unterschiedliche Herangehensweise. Ich habe herausgestellt, dass wir uns völlig einig sind in der Einschätzung extremistischen Gedankenguts und möglicherweise im schlimmsten Fall daraus resultierender Handlungen. Die Frage ist nur, wie man das bekämpft. Meine feste Überzeugung ist, dass ich vom Extremismusbegriff ausgehen muss, abgeleitet aus dem Grundgesetz oder der freiheitlich-demokratischen Grundordnung im Sinne der wehrhaften Demokratie im Sinne des Bundesverfassungsgerichts. Alles, was sich in diesem Spektrum befindet – ein Teil berührt auch die Meinungsfreiheit – ist zunächst einmal zu akzeptieren.

Ich tue mich schwer damit, wenn ich von diesem Grundansatz abweiche und auf solche undifferenzierten oder schwer zu greifenden Definitionen wie diejenige der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit oder diese "Mitte"-Studien zurückgreife und versuche, das Koordinatensystem damit einzustellen. Das Problem fängt schon mit der Frage an, welche Mitte eigentlich gemeint ist. Von wo betrachte ich das? Einer, der rechts steht, wird die Mitte woanders definieren als einer, der links steht. Ich halte das für kein geeignetes Kriterium.

In der Auseinandersetzung, meine ich, muss man verfassungsfeindliches Gedankengut, das sich in Antisemitismus oder anderen extremistischen Einstellungen äußert, identifizieren und bekämpfen. Man muss natürlich präventiv dafür sorgen, dass das nicht zum Ausbruch kommt, dass es sich nicht verfestigt, sich nicht weiterentwickelt. Das passiert in Bayern, und zwar ganz erfolgreich.

Ich will nicht – das sehe ich häufig in diesen Anträgen und der Vorstellung der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit –, dass wir durch das Land gehen und schauen, wo wir mit irgendetwas Infizierte finden. Der eine bekommt den Aufkleber "Nazi", der andere den Aufkleber "Rassist", der Dritte den Aufkleber "Se

xist". Ich glaube, diese Vorstellung treibt die Gesellschaft auseinander.

Herr Kollege, Ihre zwei Minuten Redezeit sind auch um.

Darum halte ich das für falsch. Der Gedanke muss sein: Wo ist Extremismus? Den müssen wir bekämpfen, präventiv und repressiv.