Protocol of the Session on June 29, 2016

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Klaus Adelt, Dr. Paul Wengert u. a. und Fraktion (SPD) PI Selb: Sicherheit vor Ort gewährleisten dauerhafte Polizeipräsenz aufrechterhalten (Drs. 17/9401)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Peter Meyer u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Bürgerwunsch ernst nehmen - Polizeiinspektion Selb erhalten (Drs. 17/9380)

Ich eröffne die Aussprache und weise darauf hin, dass wir 24 Minuten Redezeit vereinbart haben. – Erster Redner ist der Kollege Adelt.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte nicht sehr zahlreiche Damen und Herren auf den Zuschauerrängen! Sie werden heute Zeugen davon, welche Bedeutung die CSU ihrem Slogan "Näher am Menschen" auf dem Gebiet ihrer angeblichen politischen Kernkompetenz "Innere Sicherheit" beimisst. Meine Damen und Herren, Sie werden staunen.

Zunächst komme ich zur PI Fahndung in Selb. Um es vorwegzunehmen: Die Ansiedlung der geplanten Polizeiinspektion Fahndung mit den Schwerpunkten auf Einbruchs-, Rotlicht- und Drogenkriminalität in Selb war angesichts der Crystal-Meth-Problematik zweifellos richtig. Das war eine gute Entscheidung, über die sich die Menschen in unserer Region gefreut haben. Wir halten es aber, gelinde gesagt, für wenig zielführend, dass dies zulasten der Polizeiinspektion Selb geschehen soll, die zu einer einfachen Polizeiwache umgewandelt werden wird.

(Beifall bei der SPD)

In den Worten des Ministeriums, allen voran von Staatssekretär Eck, klingt das folgendermaßen:

Die polizeilichen Zuständigkeiten im Landkreis Wunsiedel für Selb und Marktredwitz werden auf Vorschlag des Polizeipräsidiums Oberfranken ab Herbst 2016 optimiert und nach einem Jahr sorgfältig geprüft.

Damit bekommt das Wort Euphemismus wohl eine neue Qualität.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Genau!)

Die PI Fahndung – ich möchte es wiederholen – ist ein Gewinn für die Region. Aber sie wird kein Ersatz für die aufzulösende PI Selb sein, auch wenn die CSU dies beteuert; denn die Aufgaben der PI Selb sind die Eingrenzung des grenzüberschreitenden Drogenschmuggels und -handels und die Koordination der Schleierfahndung. Das klassische Aufgabenportfolio der Polizeiinspektion, beispielsweise der Wachstreifendienst oder der Ermittlungs- und Erhebungsdienst nach Sachbereichen, werden von dieser PI nicht abgedeckt. So fiel in der Tat ein großer Teil der 1.572

begangenen Straftaten in den Bereich der Rauschgiftkriminalität, was in Zukunft von der PIF abgedeckt würde. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Beschaffungskriminalität eine erhebliche Rolle spielen wird. Diese wird von der PI Fahndung gerade nicht abgedeckt.

Ich komme zur Sollstärke. Die Sollstärke der Polizei im Landkreis Wunsiedel beträgt 138 Stellen, während die Iststärke, also das verfügbare Personal, mit 110 Stellen beziffert wird. Das ist ein Minus von 28 Stellen. In Selb reden wir von einer Sollstärke von 40 Bediensteten. Die tatsächlich verfügbare Personalstärke beträgt aber 31 Bedienstete. Diese Zahl beinhaltet bereits die kürzlich geschaffenen neuen drei Stellen. Nachdem aber im Herbst dieses Jahres drei Beamte in den Ruhestand wechseln werden, ergibt dies eine Pseudoverbesserung, wie wir sie bestens kennen. Die tatsächliche Personalstärke beträgt demnach 28 Stellen. Also werden 12 Polizisten fehlen. Wer jetzt verkündet, dass zusätzliche Planstellen kommen werden, ist wenig glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Aber das sind wir ja gewöhnt; denn zwischen der Schaffung und der Besetzung von Stellen besteht ein erheblicher Unterschied. Schon jetzt müssen die Münchberger und die Kollegen aus dem Landkreis Hof aushelfen, wenn es im Landkreis Wunsiedel eng wird. Das wird mit der Schließung der PI Selb nicht besser.

Die Selber Polizeiinspektion weist mit 72 % eine hervorragende Aufklärungsquote auf. Damit liegt sie deutlich über dem bayerischen Durchschnitt von 64 %. Jetzt die Polizeiinspektion dichtzumachen, zeugt von einer sehr eigentümlichen Art, gute Arbeit wertzuschätzen. Einwandfrei!!

(Beifall bei der SPD)

Die neue Wache mit 12 Beamten soll werktags von 6.00 bis 22.00 Uhr und an Feiertagen von 8.00 bis 18.00 Uhr geöffnet sein. Dies kompensiert das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung mit Sicherheit nicht. Wie sieht der Protest der Selber Bevölkerung aus? – 5.000 Bürgerinnen und Bürger haben eine Petition unterzeichnet, 1.000 Personen haben gegen die Entscheidung protestiert. Das war ein deutliches Signal, was die Menschen von den Plänen zur Schließung der PI Selb halten, nämlich gar nichts. Der SPD-Antrag sieht das genauso, ebenso der Antrag der FREIEN WÄHLER. Wir haben den Antrag heute erneut hochgezogen.

Doch was macht die CSU? – Sie merkt natürlich, dass es Protest gibt, und macht dann eines: Wenn einer

nicht mehr weiter weiß, gründet er einen Arbeitskreis. Dieser Arbeitskreis sollte zunächst in Selb stattfinden, hat dann aber in München stattgefunden. Jeder kann sich dabei denken, was er will. Am Runden Tisch wurde sehr heftig diskutiert. Man ist ohne Ergebnis auseinandergegangen. Doch als die Selber zu Hause waren, erfuhren sie die vorweggenommene Entscheidung des Staatssekretärs Eck, der beschlossen hat: Die PI Selb wird geschlossen und zur Wache degradiert.

(Ludwig Freiherr von Lerchenfeld (CSU): Abenteuerlich!)

Wenn es aber darum geht, die Sicherheitspolitik bei der Flüchtlingsfrage nach vorne zu bringen, dann bleibt man dahinter. Wenn die Selber Bevölkerung auf die Straße geht, um für das Bedürfnis nach Sicherheit und für den Erhalt ihrer PI zu kämpfen, wird sie abqualifiziert. Das geschieht gerade jetzt, wo die PI zum Oberzentrum hochgestuft werden soll. Vielleicht helfen dann tschechische Polizisten aus? – Man weiß es ja nicht.

Herr Kollege, beachten Sie bitte die Uhr?

Ich komme jetzt zum Schluss, aber das dauert noch ein wenig.

(Allgemeine Heiterkeit)

Nein, nein, das geht nicht!

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sie wirklich näher am Menschen sein wollen, dann müssen Sie diesen Wunsch ernst nehmen. Ich darf den Kollegen Holetschek zitieren, der sagt: Die CSU nimmt die Anliegen der Bürger ernst.

Bitte schön.

Ich darf alles nochmal wiederholen.

(Thomas Kreuzer (CSU): Nein, nein!)

Nein, nicht das vom Kollegen Holetschek. – Das dürfte doch alles sagen. Stimmen Sie deshalb unserem Antrag zu und erhalten Sie die PI Selb.

(Beifall bei der SPD)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Hanisch.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die

FREIEN WÄHLER haben sich ganz klar für den Erhalt der Polizeiinspektion in Selb ausgesprochen. Ich glaube, es geht heute nicht nur um den Erhalt der Polizeiinspektion in Selb. Es geht um die Ängste der Bürger, um die Ängste der Bevölkerung im ländlichen Raum im östlichen Bayern. Meine Damen und Herren, es geht um die steigende Anzahl der Einbruchsdelikte. Wir hatten das vor einigen Wochen im Ausschuss und auch hier im Plenum. Wir konnten feststellen, dass hier gravierende Probleme bestehen und die Bevölkerung Angst hat. Es geht um die Drogenproblematik in diesem Raum, um die Drogenproblematik in den Regierungsbezirken Oberpfalz, Niederbayern und Oberfranken. Sie kennen die Problematik mit Crystal Speed. Auch darüber haben wir hier bereits des Öfteren gesprochen. Dagegen brauchen wir Polizei vor Ort. Dort nutzt uns eine PI Fahndung relativ wenig. Dort werden teilweise Polizisten von den Inspektionen zur Schleierfahndung abgezogen. Natürlich ist die Schleierfahndung unwahrscheinlich wichtig; aber sie muss mit anderem Personal besetzt werden als dem Personal der Inspektionen.

Meine Damen und Herren, es geht bei der Frage nach der Polizeiinspektion Selb ganz global um gleichwertige Lebensverhältnisse in Bayern. Das haben wir in unsere Verfassung hineingeschrieben. Immer, wenn es im Detail darum geht, etwas dafür zu tun, dass gleichwertige Lebensverhältnisse, auch die Sicherheit im grenznahen Bereich gewährleistet werden, haben wir Probleme und es gibt Schwierigkeiten. Wir brauchen mehr Polizei; das ist schon x-mal erwähnt worden. Hätte man sich dieser Herausforderung schon vor Jahren gestellt, müssten wir über Themen wie die Schließung der Polizeiinspektion Selb oder anderer Polizeiinspektionen in Bayern heute nicht reden.

Meine Damen und Herren, in Selb soll es eine Polizeiinspektion Fahndung geben. Ein Schwerpunkt wird die Schleierfahndung sein. Die neue Polizeiinspektion wird relativ gut ausgestattet sein. Deren Einrichtung war längst notwendig; darüber brauchen wir nicht zu diskutieren. Das ist also kein Entgegenkommen für die dortige Region.

Die Staatsregierung erweckt den Eindruck, die Polizeiinspektion Selb könne geschlossen oder zumindest personell reduziert werden. Als Argument wird genannt, Polizeipräsenz werde nach wie vor gegeben sein. Dort geht es aber nicht um die Wahrung der Optik, sondern darum, dass vor Ort ausreichend Polizisten sind, die die notwendige Arbeit machen. In dieser Region mangelt es an Polizisten. Daher ist die Schließung der Polizeiinspektion Selb, die wie ein Damoklesschwert über uns schwebt, nicht hinnehmbar. Selb wäre übrigens die erste Große Kreisstadt Bay

erns ohne Polizeiinspektion. Auch das ist ein Punkt, über den nachgedacht werden sollte.

Ich fasse zusammen: Wir sind für den Antrag der SPD. Wir sind für unseren eigenen Antrag. Wir sind gegen die Schließung der Polizeiinspektion Selb. – Vielen Dank.

Herzlichen Dank. – Nächster Redner ist Kollege Freiherr von Lerchenfeld.

Frau Präsidentin, Hohes Haus! Das, was von meinen Vorrednern zu dem Thema Polizeiinspektion Selb verkündet wurde – von der Opposition war in den vergangenen Wochen nichts anderes zu hören –, war nichts anderes als eine plumpe Verdrehung der Tatsachen. Ihr Verhalten trägt zu einer massiven Verunsicherung der Bevölkerung in Selb und Umgebung bei.

(Beifall bei der CSU)

Es ist deshalb eine Verdrehung der Tatsachen – bitte hören Sie mir an dieser Stelle genau zu; ich will es Ihnen gern erklären –, weil Ihre Vorwürfe nach objektiver Prüfung sehr einfach zu widerlegen sind.

Wer sich einmal nüchtern und sachlich die Faktenlage zu dem Fall der Polizeiinspektion Selb anschaut, der kann nur zu dem Ergebnis kommen, dass die Sicherheitslage im Raum Selb durch die angedachte Strukturreform massiv verbessert wird. Dies wird schon nach einer Betrachtung der Zahl unserer Polizeibeamten deutlich. Zurzeit verrichten 40 Polizisten ihren Dienst in der PI Selb. Nach Durchführung der Strukturreform wird es in Selb eine Polizeiwache mit 12 Einsatzkräften geben – zusätzlich aber die neu zu schaffende PI Fahndung mit 35 Beamten. Deren Zahl wird übrigens bis zum Jahr 2018 um weitere 10 erhöht – ich habe mich persönlich dafür eingesetzt –, sodass schließlich 45 Beamte in der PI Fahndung tätig sein werden. Daraus folgt, dass tagsüber 17 zusätzliche Einsatzkräfte im Raum Selb vorhanden sein werden. Ich wiederhole: Allein durch Analyse der Zahlen lässt sich feststellen, dass im Raum Selb deutlich mehr Polizisten zur Verfügung stehen werden als bisher. Dies wird zu einer Verbesserung der Sicherheitslage führen.

Hinzu kommt eine enorme Verbesserung der strukturellen Abläufe der polizeilichen Arbeit. Darauf kommt es doch letzten Endes an.

(Beifall bei der CSU)

Die neuen Kräfte der neuen Polizeiinspektion Fahndung können sowohl uniformiert als auch in Zivil

neben ihrem Kerngebiet – Fahndung – jederzeit zur Unterstützung der Polizeiwache Selb hinzugerufen werden. Unsere Beamten werden also keine Däumchen drehen, nur weil eine spezielle Gefahrenlage nicht mit ihrem Aufgabenkerngebiet übereinstimmt. Sie werden ihre Kollegen jederzeit unterstützen und auch von allein eingreifen, wenn unsere Bürger polizeiliche Hilfe benötigen. Zudem bin ich mir sicher, dass sich durch die zivilen Einsatzkräfte so mancher Straftäter aufgreifen lässt, der sich von uniformierten Kräften aufgrund ihrer klaren Kennzeichnung als Polizisten nicht so leicht hätte festsetzen lassen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, eines will ich an dieser Stelle klarstellen: Als Mitglieder des Bayerischen Landtags sind wir verpflichtet, uns von den unterschiedlichsten Themen ein Bild zu machen und unsere Erfahrungen in die Debatte einzubringen. Dies gilt auch im Fall der PI Selb. Wir sollten uns jedoch nicht anmaßen, die über Monate und sogar Jahre hinweg penibel erarbeiteten Vorschläge von polizeilichen Führungskräften und Spitzenbeamten des Innenministeriums vollkommen infrage zu stellen. Selbstverständlich werden wir neue Polizeistrukturen nach einem Jahr auf den Prüfstand stellen und, wenn nötig, nachjustieren. Das sind wir der Bevölkerung gerade im Raum Selb schuldig. Aber wir sollten, wie gesagt, durchaus Vertrauen in die Vorarbeit der zuständigen Experten haben.