Trotz des tragischen Unglücks ist die Bahn das sicherste Verkehrsmittel – Kollege Huber und auch die anderen Vorredner haben dies schon erwähnt. Bei Einhaltung des Regelwerks ist auch eine eingleisige Strecke sicher zu betreiben. Daher ist der logische und wahrscheinlich der erste Schritt, sich das technische Regelwerk anzusehen und zu überprüfen, ob die Entscheidungsabläufe und die Kommunikation zwischen Fahrdienstleiter und Lokführer weiter präzisiert werden müssen.
Nach allem, was wir wissen, war in diesem Fall menschliches Versagen die Ursache. Deswegen erscheint es natürlich auch naheliegend, darüber nachzudenken, ob wir mit technischen Systemen sozusagen eine Brandmauer einziehen können, die dann greift, wenn menschliches Versagen ins Spiel kommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Untersuchungen von schweren Bahnunglücken sind bis ins Detail geregelt. Es gibt die EU-Richtlinie über die Eisenbahnsicherheit. In Deutschland ist die Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle beim Eisenbahnbundesamt als unabhängige Behörde für die Aufklärung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb zuständig.
Noch am 9. Februar hat die zuständige Behörde die Zugkollision bei Bad Aibling zu einem Unfall gemäß Artikel 19 Absatz 1 der einschlägigen EU-Sicherheitsrichtlinie erklärt und die notwendigen Untersuchungen aufgenommen. Nach der Verordnung über die Untersuchung gefährlicher Ereignisse im Eisenbahnbetrieb sind solche schweren Unfälle detailliert zu untersuchen, auszuwerten, aber auch entsprechende Sicherheitsempfehlungen abzugeben, die dazu beitragen, dass sich solche Unglücke in Zukunft nicht wiederholen können. Von daher hätte es eigentlich die Anträge nicht gebraucht. Sie dokumentieren aber zusammen mit entsprechenden Beschlüssen – deshalb werden wir zustimmen –, dass wir im Hohen Hause die Aufarbeitung des Unglücks ernst nehmen. Wenn der Untersuchungsbericht dann endlich vorliegt, gilt es, ihn hier auch umfassend zu behandeln und die entsprechen
Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Staatsregierung hat Herr Staatsminister Joachim Herrmann um das Wort gebeten. Bitte schön, Herr Staatsminister.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das schwere Zugunglück in Bad Aibling hat uns sicherlich alle sehr betroffen gemacht. Elf Todesopfer sind zu beklagen, und über 80 Menschen wurden verletzt. Ich möchte im Namen der gesamten Bayerischen Staatsregierung an dieser Stelle den Angehörigen der Opfer noch einmal unser Beileid aussprechen. Den Verletzten wünsche ich eine rasche und vollständige Genesung.
In den vergangenen Tagen haben mich zahlreiche Zuschriften von Bürgerinnen und Bürgern erreicht, die sich besorgt fragen, wie es dazu kommen konnte und was unternommen werden kann, damit sich eine solche Tragödie nicht wiederholt. Die zuständige Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen den diensthabenden Fahrdienstleiter im Stellwerk von Bad Aibling eingeleitet. Die Ermittlungsbehörden gehen aktuell davon aus, dass er den in Richtung Rosenheim fahrenden Zug durch ein Ersatzsignal die Einfahrt in den Streckenabschnitt ermöglicht hat, auf dem bereits der Gegenzug unterwegs war. Demnach war menschliches Versagen die Ursache für das Unglück. Hinweise auf technische Mängel oder technisches Versagen gibt es bislang jedenfalls nicht. Auch gibt es keine Erkenntnisse, dass die vom Freistaat Bayern mit dem Angebot des Schienenpersonennahverkehrs beauftragte Bayerische Oberlandbahn eine Mitschuld an dem Unglück hat. Doch die Erkenntnis, dass menschliches Versagen ein derartiges Unglück ausgelöst hat, wirft immer auch die Frage auf, welchen Randbedingungen der Mensch im System unterworfen ist und in welcher Form diese vielleicht das Fehlverhalten begünstigt haben. Diese Diskussion ist verständlich. Sie muss geführt werden.
Allerdings warne ich auch vor voreiligen Schnellschüssen bei Forderungen nach Konsequenzen. So ist zum Beispiel nicht realistisch, sämtliche Strecken zweigleisig auszubauen. In Bayern haben wir über 100 eingleisige Strecken mit einer Gesamtlänge von 2.735 Kilometern – das entspricht nahezu der Hälfte des bayerischen Eisenbahnnetzes. Sie alle zweigleisig auszubauen, würde allein in Bayern einen dreistelligen Milliardenbetrag verschlingen. Es würde auch Jahrzehnte dauern, dies umzusetzen. Vor allen Din
gen lässt sich aus der Unfallstatistik nicht ableiten, dass eingleisige Strecken generell unsicherer wären als zweigleisige Strecken. Auch auf zweigleisigen Strecken muss manchmal aus technischen Gründen im Gegenverkehr gefahren werden und so weiter und so fort.
Wie im Antrag formuliert, sollten wir bezüglich einer möglichen Optimierung der Sicherheitssysteme zunächst die Vorlage des abschließenden Untersuchungsberichts der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle des Bundes abwarten. In dem Bericht wird die Untersuchungsstelle darlegen, wo Handlungsbedarf besteht, und dann auch konkrete Empfehlungen aussprechen.
Nach meiner Einschätzung sind die möglichen Handlungsfelder im vorliegenden Dringlichkeitsantrag bereits gut umrissen.
Erstens. Wir werden uns darüber Gedanken machen müssen, an welcher Stelle es menschliche Eingriffsmöglichkeiten in technische Sicherungssysteme geben muss und wie diese abgesichert werden können. Konkret wird es darum gehen, wie auf der einen Seite die Eingriffsmöglichkeit des Menschen möglichst gut gegen Fehlhandlungen wie in Bad Aibling abgesichert werden kann, ohne auf der anderen Seite den Bahnbetrieb übermäßig zu behindern oder diese Eingriffsmöglichkeiten gerade dann unmöglich zu machen, wenn der Mensch eingreifen soll, weil er feststellt, dass die Maschine technisch versagt. Auch das sollten wir bitte nicht völlig verdrängen. Wir alle erleben täglich, wie Computer versagen, wie irgendeine Technik nicht funktioniert. Aus meiner Sicht wird es auch in Zukunft so bleiben müssen: Am Schluss muss in unserer Gesellschaft immer der Mensch die Letztentscheidung haben. Wir wollen weder eine Rechtsordnung noch eine Gesellschaft, die am Schluss eine Technik als letzte Entscheidungskompetenz über den Menschen stellt. Das kann nicht die Zielsetzung unserer Gesellschaft sein.
Zweitens. Wir werden uns Gedanken über die Funkabdeckung an Bahnstrecken machen müssen. Im Falle des Bad Aiblinger Zugunglücks hat die Staatsanwaltschaft Traunstein mittlerweile ihre Ermittlungen auch auf das Zugfunknetz an der Unglücksstrecke ausgeweitet. Das Bayerische Landeskriminalamt ist von mir wie von der Staatsanwaltschaft beauftragt, das Funknetz der DB Netz AG auf eventuelle Funklöcher zu überprüfen. Hierzu führen Telekommunikationsspezialisten entsprechende Messungen durch. Auch finden Messfahrten der DB Netz AG auf der Unfallstrecke zwischen Bad Aibling und Kolbermoor statt. Die Ermittlungen des Eisenbahn-Bundesamtes,
Drittens wird die Frage zu diskutieren sein, ob und in welcher Form Züge ergänzend zu den bisherigen Sicherheitssystemen mit Kommunikationssystemen zum Kollisionsschutz ausgestattet werden sollen. Zu beachten ist dabei das geltende europäische Recht. Es sieht vor, dass Strecken bei Neubau und Modernisierung mit dem Europäischen Zugsicherungssystem ETCS – European Train Control System – auszustatten sind. Dieses System gibt es schon in mehreren europäischen Ländern. Seit Dezember 2015 kommt es auch in Deutschland zum Einsatz. Zuletzt ist es auf der Neubaustrecke zwischen Erfurt, Halle und Leipzig eingebaut worden. ETCS ermöglicht eine Kommunikation zwischen Zügen und Strecke ohne ortsfeste Signale und bietet somit den geforderten Kollisionsschutz.
Unglücke wie dieses bedeuten natürlich auch schwierige Zeiten für die technischen Aufsichtsbehörden. Im aktuellen Fall ist das sowohl für die Infrastruktur als auch für die Züge das Eisenbahn-Bundesamt. Wenngleich Bayern offiziell nicht in der Verantwortung steht, so sichere ich natürlich dennoch zu, dass wir seitens der Staatsregierung alles tun werden, damit die Handlungsempfehlungen der Eisenbahn-Unfalluntersuchungsstelle umgesetzt werden, sobald diese vorliegen. Dies hat in Deutschland übrigens eine gute Tradition. So wurde nach dem letzten vergleichbaren Eisenbahnunfall, der sich 2011 im sachsen-anhaltinischen Hordorf ereignete und damals zehn Todesopfer forderte, die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung verschärft. Man hat damals die Abdeckung des gesamten Streckennetzes mit einer technischen Zugbeeinflussung vorgeschrieben, die innerhalb von drei Jahren immerhin bis Ende 2014 in ganz Deutschland erfolgreich umgesetzt wurde.
Eines dürfen wir trotz der fürchterlichen Bilder rund um das Zugunglück nicht vergessen: Die Bahn ist und bleibt in unserem Land das sicherste Verkehrsmittel zu Land. Die Wahrscheinlichkeit zu verunglücken, ist bei der Bahn um ein Vielfaches geringer als zum Beispiel bei Pkw-Fahrten. In Relationen ausgedrückt: Bahnreisende haben ein 63-mal geringeres Todesrisiko und ein 113-mal geringeres Verletzungsrisiko als im Pkw-Verkehr.
Ich hatte vergangenen Montag wieder die Aufgabe, die Verkehrsunfallstatistik für das vergangene Jahr vorzustellen. 614 Tote waren auf Bayerns Straßen im vergangenen Jahr 2015 zu beklagen. Dabei sind in den allermeisten Fällen die Menschen schuld. Es ist heute die absolute Ausnahme, dass das technische Versagen eines Kraftfahrzeugs der Unfallgrund ist. Es
kommt noch vor, aber in der Relation viel seltener als die Unfälle, die auf die Schuld von Verkehrsteilnehmern zurückzuführen sind. Die Bürgerinnen und Bürger Bayerns können deshalb weiterhin auf die Schiene vertrauen. Dies gilt umso mehr, wenn alle Beteiligten die Lehre aus Bad Aibling gezogen haben; denn jeder Unfall zeigt uns in der Regel auf, wie die Sicherheit weiter verbessert werden kann.
Was den Schadenersatz gegenüber den Hinterbliebenen der Toten und den Verletzten anbetrifft, so haben sich die nach der Gesetzeslage gleichermaßen in Gefährdungshaftung und damit verschuldensunabhängig haftenden Unternehmen, die Betreiber der Bayerischen Oberlandbahn und die DB Netz AG, darauf verständigt, dass zunächst das Versicherungsunternehmen der BOB einheitlich die gesamte Schadensabwicklung betreibt, damit ein Geschädigter nicht von einem Unternehmen an das andere verwiesen wird. Das ist für die BOB nach unseren Informationen der HDI, Haftpflichtverband der Deutschen Industrie. Uns liegt – das will ich ausdrücklich sagen – zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine einzige Beschwerde eines Betroffenen vor, dass das nicht richtig funktionieren würde. Nach unseren Informationen hat der HDI sehr schnell den Kontakt hergestellt. Von den Unternehmen wurde gesagt, dass sie in den ersten Tagen Schwierigkeiten hatten, überhaupt an die Daten der Betroffenen heranzukommen. Das müssen wir in der Tat klären, wie vorhin schon angesprochen worden ist. Ich glaube, das ist ein Problem, das sich – ich hoffe es jedenfalls – für die Zukunft einigermaßen vernünftig wird klären lassen.
Ich möchte abschließend an dieser Stelle ein großes Lob an die vielen Helferinnen und Helfer richten, die an der Bewältigung des Unglücks mitgewirkt haben. Sie alle haben dazu beigetragen, dass der Rettungseinsatz reibungslos abgelaufen ist. Wir wissen, dass nicht nur einige der Angehörigen der Opfer und einige Verletzte, sondern auch eine ganze Reihe der Helfer noch eine Weile der psychologischen Betreuung bedürfen werden; denn auch bei einigen der Helfer, auch bei solchen, die schon viele Unglücksfälle miterlebt haben, ist das, was sie dort erleben mussten und gesehen haben, eine große Belastung. Insgesamt können wir feststellen, dass dort hervorragende Arbeit geleistet worden ist. Das ist ein Beispiel für den großartigen Fortschritt auch in unseren Hilfeleistungssystemen im Vergleich zum Standard von noch vor 10, 20, 30 oder 40 Jahren, auch wenn man an das letzte große Unglück in dieser Region, in Warngau, vor 41 Jahren denkt.
Wir möchten uns seitens der Staatsregierung im Rahmen eines Staatsempfangs bei den Helferinnen und Helfern bedanken. Herr Ministerpräsident Seehofer
wird hierzu gemeinsam mit Frau Landtagspräsidentin Stamm für den 7. März abends in die Residenz hier in München einladen. Zuvor wird es einen ökumenischen Gottesdienst im Münchner Liebfrauendom geben. Dieser wird für alle Beteiligten nochmals eine Gelegenheit zum Innehalten und zur gemeinsamen Verarbeitung dieser sicherlich schockierenden Erlebnisse bieten. – Wir werden dem Landtag aufgrund der vorliegenden Anträge sobald wie möglich zu allen aufgeworfenen Fragen berichten.
Vielen Dank, Herr Staatsminister. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung. Die Anträge werden dazu getrennt.
Ich lasse zunächst über den Dringlichkeitsantrag der CSU-Fraktion auf Drucksache 17/10182 abstimmen. Wer dem Antrag der CSU-Fraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich um ein Handzeichen. – Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen worden.
Ich lasse jetzt über den Dringlichkeitsantrag der Fraktion FREIE WÄHLER auf Drucksache 17/10207 abstimmen. Hier wurde darum gebeten, dass der Antrag geändert wird. Ich lasse also über die geänderte Fassung abstimmen. Ich darf die geänderte Fassung nochmal verlesen, und zwar sollen der dritte und der vierte Absatz neu gefasst werden. Dort heißt es:
Die Staatsregierung wird aufgefordert, bei Bedarf darauf hinzuwirken, dass die Landeszentralstelle Psychosoziale Notfallversorgung in Bayern Opfer, Angehörige und Rettungskräfte sowie die Betroffenen bei der Bewältigung der Unglücksfolgen, unter anderem durch Vermittlung spezieller Angebote der psychischen und seelsorgerischen Betreuung, unterstützt.
Die Staatsregierung wird ferner aufgefordert zu berichten, wie die Abwicklung von Entschädigungsleistungen für die Betroffenen realisiert wird.
Wer dem Antrag der Fraktion der FREIEN WÄHLER in dieser geänderten Fassung seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen.
Ich lasse jetzt über den Dringlichkeitsantrag der SPDFraktion auf Drucksache 17/10208 abstimmen. Wer
dem Antrag der SPD-Fraktion seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Ich bitte, Gegenstimmen anzuzeigen. – Keine. Stimmenthaltungen? – Auch keine. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag einstimmig angenommen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich danke Ihnen für den Verlauf der Debatte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass sie auch den Betroffenen und vor allen Dingen den vielen Helfern deutlich gemacht hat, wie wir hier im Hohen Hause mit ihnen fühlen und nach wie vor bei ihnen sind und wie wir uns für die Zukunft, vor allen Dingen, was den technischen Bereich anbelangt, aufstellen wollen. Auch Ihnen, Herr Staatsminister, gilt ein herzliches Dankeschön, dass hier so schnell wie möglich, so schnell Sie dazu in der Lage sind, dem Hohen Haus Bericht erstattet wird.
Ich bin sehr dankbar, dass die Staatsregierung und der Bayerische Landtag den Helferinnen und Helfern gemeinsam ihren herzlichen Dank zum Ausdruck gebracht haben. Kolleginnen und Kollegen, danke für diese Übereinstimmung! Das hat dem Hohen Hause gutgetan.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Florian Ritter, Franz Schindler u. a. und Fraktion (SPD) Prüfung eines Verbotsverfahrens der Parteien "Die Rechte" und "Der Dritte Weg" (Drs. 17/10183)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Josef Zellmeier, Petra Guttenberger u. a. und Fraktion (CSU) Parteiverbotsverfahren müssen sorgfältig überlegt sein - erst informieren und dann entscheiden (Drs. 17/10209)
Ich darf die gemeinsame Aussprache eröffnen. Als Erstem erteile ich Herrn Kollegen Schindler das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bekanntlich ist es ein Leichtes, eine Partei zu gründen, weil es hierfür kaum formale Hürden gibt. Ganz anders ist es, und das aus guten Gründen, beim Verbot einer Partei. Die Hürden sind hierfür in Deutschland außerordentlich hoch. Nur die Verfassungsorgane Bundestag, Bundesregierung oder Bundesrat sind berechtigt, einen Antrag auf Verbot einer Partei zu stellen. Nur das Bundesverfassungsgericht ist berufen, über die Verfassungswidrig
Ob ein entsprechender Antrag gestellt wird, muss in der Tat jeweils sorgfältig überlegt werden. Das ist immer eine Frage der politischen Opportunität und hängt von grundsätzlichen Fragestellungen ab, ob ein Parteiverbot überhaupt als ein legitimes Mittel zur Bekämpfung einer verfassungsfeindlichen Partei angesehen wird oder nicht. Das hängt auch davon ab, ob das Wirken einer als verfassungsfeindlich eingeschätzten Partei als relevante Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung oder den Bestand der Bundesrepublik eingeschätzt wird oder auch nicht.
Das ist ja auch der Grund dafür, warum es bislang so wenige Parteiverbotsverfahren in der Geschichte der Bundesrepublik gegeben hat, von denen bekanntermaßen nur zwei in dem Sinne erfolgreich waren, dass Parteien verboten worden sind. Das waren bereits in den Fünfzigerjahren die Sozialistische Reichspartei und dann die KPD. Für die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Partei reicht es bekanntermaßen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch nicht aus, dass die jeweilige Partei die bestehende Ordnung ablehnt. Das dürfen Parteien selbstverständlich. Hier muss eine aggressiv-kämpferische Haltung gegen die demokratische Grundordnung hinzukommen.
Wie sich aus den Beobachtungen durch die Verfassungsschutzbehörden ergibt, verfolgen die 2012 hauptsächlich von ehemaligen Mitgliedern der inzwischen aufgelösten DVU gegründete Partei DIE RECHTE und die 2013 unter maßgeblicher Beteiligung ehemaliger NPD-Funktionäre und Aktivisten des verbotenen Freien Netzes Süd in Heidelberg gegründete Partei DER III. WEG Ziele, die sich gegen den demokratischen und sozialen Rechtsstaat und die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Grundgesetzes wenden.
Die Gründung der Partei DER III. WEG wurde erstmals auf den Internetseiten des zwischenzeitlich verbotenen Freien Netzes Süd publiziert. Unverkennbar ist, dass es sich bei dieser Partei um eine Nachfolgeorganisation des verbotenen Freien Netzes handelt. Im Verfassungsschutzbericht 2014 des bayerischen Innenministeriums wird ausgeführt, dass der überwiegende Teil der Aktivisten des verbotenen Freien Netzes Süd mit der Partei DER III. WEG sympathisiert, Mitglied oder Fördermitglied ist und dass die ehemaligen Kameradschaften aus dem Umfeld des Freien Netzes Süd ihre Aktivitäten schon weitgehend unter das Dach der Partei DER III. WEG verlagert haben. Die Partei tritt übrigens demnächst in Rheinland-Pfalz zur Landtagswahl an.
In der Partei DIE RECHTE finden sich in einigen Bundesländern ebenfalls Strukturen und Führungspersonal ehemaliger verbotener rechtsextremistischer Organisationen wieder. Im Verfassungsschutzbericht 2013 des Landes Nordrhein-Westfalen wird zum Beispiel ausgeführt, dass die Gründung des Landesverbands dieser Partei im Jahr 2012 kurz nach und in Reaktion auf das Verbot der Kameradschaften Dortmund und Hamm erfolgte und dass die Partei eine Auffangorganisation für einen wesentlichen Teil dieser Kameradschaften darstellt. In den Verfassungsschutzberichten der Länder Niedersachsen und Berlin wird festgestellt, dass DIE RECHTE Nachfolgeorganisation verbotener Kameradschaften ist.
Meine Damen und Herren, die genannten sogenannten Parteien – das Wort "sogenannten" muss ich fast wieder zurücknehmen; denn sie sind welche –, also die genannten Parteien sind gegründet worden, um unter Nutzung des Parteienprivilegs verbotene Vereinigungen unter anderem Namen fortzusetzen. Das, meine ich, muss sich der freiheitliche Rechtsstaat nicht gefallen lassen.