Protocol of the Session on December 10, 2015

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir uns mit diesem Skandal – man kann auch sagen: mit diesem Saustall im Hühnerstall – beschäftigen. Lieber Kollege Beißwenger, wenn das ein Skandal ist, dann darf ich ihn auch so benennen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es ist, wie gesagt, nicht das erste Mal, dass wir uns mit diesem Thema beschäftigen. Jedes Mal wird es schlimmer. Deshalb müssen wir und müssen Sie endlich an die Ursachen ran. Eine Wissenschaftlerin

wurde in der Presse so zitiert: Wenn man immer nur das Minimum macht, kumuliert das halt irgendwann in einer Katastrophe. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, beschreibt den Zustand der bayerischen Lebensmittelüberwachung recht gut.

Die Katastrophe ist im letzten Jahr passiert, und es wird sicher nicht die letzte sein, wenn wir nicht Wesentliches ändern. Über die Vorfälle im letzten Jahr brauche ich im Einzelnen nichts mehr zu sagen; Sie kennen sie. Aber eines ist klar: Die Hinweise auf die Firma Bayern-Ei waren erdrückend. Aber was haben unsere Aufsichtsbehörden gemacht? Wie bei einem kleinen Lebensmittelerzeuger haben Sie Proben genommen, der Unternehmer wurde beraten, ja, es wurde auch desinfiziert. Aber weiter ging es mit business as usual bis zum nächsten Salmonellenfund zwei Wochen später.

Die Öffentlichkeit wurde nicht informiert, obwohl Warnmeldungen aus vielen Teilen Europas da waren und obwohl es auch in Bayern vermehrte Krankmeldungen gegeben hat. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, hätte man vermeiden können und auch vermeiden müssen. Man hätte die Öffentlichkeit informieren müssen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Man hat einige Tageschargen zurückgeholt. Aber Millionen von Eiern blieben im Handel, obwohl sie vermutlich auch verseucht waren. Das war verantwortungslos und diente nur den Interessen des Unternehmers. Heute wissen wir auch, warum es so war.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Es wäre Aufgabe des LGL gewesen, hier einzugreifen. Aber das ist nicht passiert. Die Frau Ministerin hat sich hier immer schützend vor ihre Vollzugsbeamten gestellt und behauptet, alle hätten immer nach Recht und Gesetz gehandelt. Dass das nicht gestimmt hat, wissen wir spätestens jetzt. Das gilt leider auch für vieles andere, was uns die Ministerin in diesem Jahr so erzählt hat.

Nun wissen wir dank der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zum Glück, dass es nicht nur beim Betreiber der Hühnerfabrik erhebliche kriminelle Energie gegeben hat, sondern auch bei Teilen der Aufsichtsbehörden. Da hilft es natürlich nichts, wenn die Kontrollen der Spezialeinheit, die es ja gegeben hat, gemeinsam mit den Kreisverwaltungsbehörden durchgeführt wurden. Wir sagen, hier muss eindeutig mehr Personal beim LGL und auch mehr Unabhängigkeit her. Unser Antrag auf 20 zusätzliche Stellen beim LGL ist gestern leider mit der CSU-Mehrheit ab

gelehnt worden. Wann wachen Sie auf dieser Seite des Parlaments endlich auf?

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir brauchen aber nicht nur mehr Personal bei den Kontrollbehörden. Wir brauchen – davon sind wir zutiefst überzeugt – auch eine Umstellung des Systems. Die Organisation der Kontrollen ist bei den Kreisverwaltungen nicht gut aufgehoben; denn es gibt eine zu große Nähe zwischen den Kontrolleuren und den immer gleichen Betrieben. Eine Kumpanei zwischen Kontrolleuren und Kontrollierten darf es nicht geben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir brauchen auch eine eindeutige Gesetzeslage, was die Information der Bevölkerung angeht. Bisher gibt es dafür zu viele Ausnahmeregelungen und Kann-Bestimmungen, und darauf berufen Sie sich ja die ganze Zeit. Sie hätten gar nicht warnen müssen, sagen Sie immer. Aber, Frau Ministerin, das ist nun wahrlich keine große Leistung. Verantwortliches Handeln sieht anders aus. Wenn Menschenleben in Gefahr sind, muss alles getan werden, um das Risiko zu minimieren. Alles andere ist verantwortungslos und unerträglich.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Diesen Vorwurf richte ich ausdrücklich auch an den damaligen Verbraucherschutzminister Marcel Huber; Herr Kollege von Brunn hat das ja auch schon erwähnt. Sehr geehrter Herr Huber, Sie halten sich bisher vornehm zurück, obwohl Sie damals verantwortlich waren. Sie sind vom Fach und mit der Branche bestens vertraut. Deshalb sind wir schon gespannt, ob wir von Ihnen einmal eine Aussage zu diesen Gegebenheiten bekommen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir sind auch alle gespannt, was der Sonderermittler, der angekündigt worden ist, herausbekommt. Heute haben wir erfahren, es ist der Oberste Rechnungshof. Wir wollen hoffen, dass er wirklich alle Mittel und alle Unterstützung bekommt, die er für die Ermittlungen braucht. Wir erwarten endlich eine umfassende Aufklärung des Skandals. Wir werden auch ganz genau hinschauen, ob man uns nicht wieder mit Halbwahrheiten abspeist; denn für uns ist eines klar: Wir brauchen ein neues System der Lebensmittelkontrolle. Skandale hatten wir schon genug. Ziehen Sie endlich die richtigen Konsequenzen!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Den beiden Berichtsanträgen, die uns vorliegen, stimmen wir selbstverständlich zu. Wir finden es sehr schade, dass die CSU-Fraktion unserem Antrag, der auch ein Berichtsantrag ist, nicht zustimmt; denn ich muss eines sagen: Wenn wir warten, bis die Staatsanwaltschaft zu Ende ermittelt hat, kann es Jahre dauern. Wir brauchen vorher bessere und eindeutigere Ergebnisse.

(Anhaltender Beifall bei den GRÜNEN – Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vielen Dank, Frau Kollegin. - Jetzt hat der Herr Kollege Zierer das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Frau Ministerin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die drängendste Frage, die jetzt beantwortet werden muss, ist sicher: Haben wir es mit einem Einzelfall zu tun, oder handelt es sich um strukturelle Probleme in der amtlichen Lebensmittelüberwachung? - Das Vertrauen der Ministerin zu den Beamten in ihren Behörden draußen muss doch unendlich erschüttert sein. Frau Ministerin, Sie haben gutgläubig darauf vertraut, dass die Leute ihren Job schon richtig machen werden. Waren Sie zu naiv, Frau Ministerin? Wurden Sie belogen? Wurde Ihnen Sand in die Augen gestreut, um Sie zum Erblinden zu bringen? - Diese Fragen stellen sich anlässlich dieses Skandals eindeutig.

Wo wird denn die Überwachung vollzogen? - In den Landratsämtern und in den Veterinärämtern. Dort sitzen die Verantwortlichen. Die Ersten, die hier verantwortlich sind, sind die Amtstierärzte, die in dem Betrieb waren, und die Sachgebietsleiter, die alle mit dem Betrieb zu tun hatten. Auch ein Abteilungsleiter kann nicht behaupten, er habe von nichts gewusst. Alle Beamten, die ihren Eid geleistet haben, dass sie die Gesetze wahren wollen und ihre Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, haben diese anscheinend nicht ernst genommen. Wenn ein Landrat sagt, sein Amt könne den Betrieb aufgrund dessen Größe nicht kontrollieren, ist das ein Offenbarungseid.

Welche Schuld trifft das LGL? - Hierzu gab es im Ausschuss bisher nur Gespräche und Ausreden: Alles passt, alles ist in Ordnung. - Leider hat sich herausgestellt, dass es nicht so ist.

Uns geht es darum, dass zukünftig bei den Kontrollen andere Prioritäten gesetzt werden und nicht wieder nach mehr Kontrolleuren geschrien wird. Wir können uns sehr gut vorstellen, was dabei herauskommt, wenn mehr Kontrolleure eingestellt werden. Dann nämlich wird die Bäuerin mit ihren 50 Hennen dreimal

im Jahr kontrolliert. Ob wir den Verbrauchern einen Gefallen tun, wenn wir die kleinen Betriebe, die wir eigentlich wollen, unnütz gängeln? Diese Frage müssen wir uns stellen.

Wir begrüßen die Initiative der Staatsregierung, die Lebensmittelüberwachung fachlich von einem Sonderermittler prüfen zu lassen. Aber fragen wir uns doch, was ein Ermittler vom Obersten Rechnungshof in der Sache Bayern-Ei ermitteln wird. Ist das wirklich der richtige Fachmann? Soll er nachsehen, ob und wie viele Schmiergelder geflossen sind? Ist dieser Sonderermittler ein Hygiene- und Tierschutzexperte? Das wollen wir schon sehr genau wissen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wir erwarten im Januar einen ausführlichen Bericht über die Ergebnisse dieser Ermittlungen. Wir wollen wissen, wie es zukünftig mit der Lebensmittelüberwachung aussieht. Wir wollen konstruktive, durchdachte Vorschläge, keine Schnellschüsse, damit möglichst rasch alles vom Tisch ist. Sonst haben wir in ein paar Monaten den nächsten Skandal. Es darf jetzt nichts mehr schöngeredet werden. Das können wir uns angesichts der eklatanten Vorfälle nicht leisten. Die Leidtragenden sind nicht nur die Verbraucher, sondern auch eine Vielzahl landwirtschaftlicher Betriebe, die sauber arbeiten und die Gesetze einhalten und dadurch einwandfreie Lebensmittel produzieren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Der Verband der Lebensmittelkontrolleure fordert schon seit einiger Zeit, dass Kontrolleure nicht mehr bei den Landratsämtern, sondern generell auf einer höheren Ebene, also bei den Bezirksregierungen, angesiedelt werden sollen. Es gibt sicherlich Gründe für diese Forderung. Sie sahen möglicherweise das Defizit und kamen dadurch zu dieser Anregung. Der Vorsitzende des Verbandes der Geflügelerzeuger meinte sinngemäß, in der Lebensmittelerzeugung steckt eine große kriminelle Energie - nicht nur bei den Erzeugern, sondern auch bei den Verarbeitern. Darum muss genau hingesehen werden.

Wir wollen jetzt eine schonungslose Aufklärung, und das so schnell wie möglich. Deswegen werden wir den Anträgen der SPD und der GRÜNEN zustimmen. Diese verlangen detaillierte Aufklärung in einer Sache, die uns alle interessiert. Leider vermissen wir diese Deutlichkeit und Klarheit im Antrag der CSU. Wir werden deren Antrag deshalb ablehnen. Er ist uns nicht konkret genug. Mit dem Einsatz eines Sonderermittlers des Rechnungshofs alleine kann man bei diesen Vorfällen nicht weiterkommen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Zum Schluss noch ein Wort an Sie, Frau Ministerin. Sie haben von Anfang an betont, Ihre Beamten hätten sich nichts zuschulden kommen lassen; sie hätten nach bestem Wissen und Gewissen gearbeitet. Sie, Frau Ministerin, und auch wir wissen, dass es leider nicht so gewesen ist. Deshalb fordere ich Sie auf: Schaffen Sie Klarheit! Die Zeit des Herumeierns ist vorbei.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön, Herr Kollege. – Für die Staatsregierung hat Frau Staatsministerin Scharf um das Wort gebeten. Bitte sehr.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Mein Ministerium hat in den letzten Tagen umfassend zum Fall Bayern-Ei aufgeklärt, zuletzt am vergangenen Freitag in einer Pressekonferenz und diese Woche am Montag und am Dienstag mit einer Pressemitteilung.

(Zurufe von der SPD)

Jetzt geht es darum, das Vertrauen der Verbraucher in die Arbeit unserer Kontrollbehörden wiederherzustellen und zu stärken. Das ist mir ganz besonders wichtig.

Wir wissen auch ganz klar: Kriminelles Verhalten kann nicht ganz ausgeschlossen werden. Ich betone deswegen auch: Wenn sich diese Beschuldigungen bewahrheiten, ist ein solches Verhalten nicht hinzunehmen. Schwarzen Schafen muss das Handwerk gelegt werden. Wir müssen hier mit allen Mitteln des Strafrechts und des Dienstrechts vorgehen.

(Beifall bei der CSU)

Ein Amtstierarzt vom Landratsamt Straubing-Bogen sitzt seit dem 4. Dezember in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft Regensburg hat dazu mitgeteilt, dass er der folgenden Straftaten dringend verdächtigt ist: der Beihilfe zum vorsätzlichen Inverkehrbringen von gesundheitsschädlichen Lebensmitteln in Tateinheit mit Beihilfe zur Körperverletzung mit Todesfolge, in Tateinheit mit Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung in 40 Fällen und in Tatmehrheit mit Beihilfe zu gewerbsmäßigem Betrug in 480 Fällen. Der Beschuldigte hat im Rahmen der Vernehmungen fehlerhaftes Verhalten eingeräumt.

In der Regierung von Niederbayern soll ein Mitarbeiter in einem Fall das Dienstgeheimnis verletzt haben. Das ist ein deutlich weniger gravierender Vorwurf. Der Mitarbeiter bestreitet diesen Vorwurf, aber auch hier gilt: Es muss vollumfänglich aufgeklärt werden.

Das Verbraucherschutzministerium unterstützt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft vollumfänglich und hat umgehend gehandelt. Das heißt: sofortige Suspendierung des Amtstierarztes am Landratsamt Straubing-Bogen durch die Regierung von Niederbayern auf Anweisung meines Hauses, und für den Mitarbeiter der Regierung von Niederbayern gilt bis zur Klärung des Vorwurfs die vorläufige Entbindung von seinen Amtsgeschäften.

Ich habe höchstes Interesse an einer lückenlosen Aufklärung ohne jede Rücksicht. Deshalb haben wir über diese Vorwürfe und auch über die von uns getroffenen Maßnahmen sofort die Öffentlichkeit informiert. Jeder Fall kriminellen Handelns in einem solch sensiblen Bereich der Lebensmittelsicherheit ist einer zu viel. Das gilt für die Produzenten, das gilt aber auch ganz besonders für die Behörden.

Daher setze ich alles daran, unsere Kontrollen weiter zu verbessern, mögliche Lücken und Schwachstellen zu beseitigen, aber auch das Verbraucherbewusstsein zu unvermeidlichen Risiken im Umgang mit tierischen Produkten weiterhin zu verbessern. Deswegen meine Agenda zu sicheren Lebensmitteln, deswegen mein Drei-Säulen-Programm zu guten Lebensmitteln aus Bayern. Gute Lebensmittel aus Bayern heißt: mehr Kontrollen durch die Spezialeinheit des LGL sowohl bei den Geflügelgroßbetrieben als auch zur Qualitätssicherung der eigenen Kontrollen. Ich habe dem Hohen Haus darüber berichtet. Wir haben im Nachtragshaushalt 20 zusätzliche Stellen eingeplant und können diese ab dem 01.01.2016 besetzen.

Mehr Sicherheit durch begleitende Eigenkontrolle, ist eine weitere der drei Säulen im Drei-Säulen-Programm. Das bedeutet, zusätzlich zu den amtlichen Kontrollen überwachen die Behörden auch die Eigenkontrollen vor Ort, wenn sie dafür einen Anlass sehen.