Protocol of the Session on May 7, 2015

nicht mehr so wie früher ist, als etwas Neues einfach nur hinzugewachsen ist. Jetzt steckt so viel Kraft dahinter, dass etablierte Unternehmer durch neue Geschäftsmodelle quasi von der Straße gedrängt werden. Da reicht eine Idee aus – das Beispiel von Uber wurde genannt –, um eine ganze Branche in Aufruhr zu bringen. Da reicht eine neue Technologie aus – Stichwort "Digitalfotografie" –, um Milliardenkonzerne in den Abgrund zu treiben. Da kann man auch nur staunen, dass eine 50-Mann-Bude wie WhatsApp nicht nur mit 19 Milliarden Dollar bewertet ist und den Besitzer wechselt, sondern auch aus der ganzen Telekommunikationsindustrie jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag an Erträgen absaugt.

Digitalisierung passiert überall; auch das ist wichtig. Es ist nicht so, dass es in Zukunft digitalfreie Räume gibt. Jede Branche, jeder Lebensbereich und jede Region wird betroffen sein. Die Medien- und die IT-Branche – darüber werden wir heute später noch reden – sind die Ersten, die die Auswirkungen schon in aller Härte spüren. Aber es geht genau in den Feldern weiter, die die Ministerin genannt hat, nämlich da, wo wir heute stark sind, beim Automobilbau, bei der Gesundheit, beim Maschinenbau und bei vielem mehr. Die Bildung ist nicht zu vergessen. Da wird es auch dramatische Änderungen geben, genauso wie vielleicht sogar bei unserem Verständnis vom Gemeinwesen, mindestens aber bei der Frage, wie wir hier in Zukunft überhaupt ordnend wirken können.

Die Digitalisierung wird auch in ihrer Dynamik unterschätzt. Wir erleben eine Entwicklung, die nicht linear, sondern exponentiell stattfindet und quasi abhebt. Das kann man sich gut vergegenständlichen, wenn man sich überlegt, was früher den Höchstleistungsrechner ausgemacht hat, auf den wir in Bayern im Jahr 2000 so stolz waren. Der Höchstleistungsrechner am Leibniz-Rechenzentrum in München war damals Europas schnellster Rechner. Er war bis 2006 in Betrieb und wurde dann abgelöst. Heute reicht die Rechenleistung einiger weniger Smartphones der neuesten Generation aus, um die gleiche Rechenleistung abzubilden. Meine Damen und Herren, da kann man eine lebhafte Vorstellung davon bekommen, wie schnell und wie dramatisch sich die Digitalisierung entwickelt.

(Beifall bei der CSU)

Die Digitalisierung ist, wenn man so will, ein technologischer, ökonomischer, aber auch gesellschaftlicher Urknall, und wir sind mittendrin und erleben, wie sich Grundkoordinaten von Wirtschaften, aber auch von unserem Zusammenleben verschieben. Dabei spricht viel dafür, dass Daten das neue Öl, die neuen Algorithmen wahrscheinlich das neue Gold sein werden.

Da, meine Damen und Herren, stehen wir jetzt an einer entscheidenden Wegscheide. Wir können entweder die Augen zumachen und sagen, dass alles ganz schlimm wird, jammern, dass wir gar nicht wissen, wie wir damit umgehen sollen, ganz hohe Zäune errichten, die Entwicklung verbieten und uns von ihr abkoppeln – oder aber die Chancen nutzen.

Klar ist auch, dass der nächste Strukturbruch ein digitaler sein wird, und umgekehrt wird das nächste Wirtschaftswunder ein digitales sein. Wir als CSU, als Fraktion und als Staatsregierung haben uns – anders als Sie – dafür entschieden, am nächsten Wirtschaftswunder arbeiten zu wollen.

(Beifall bei der CSU)

Das tun wir seit drei Jahren in einer Art und Weise, die das Gesamte in den Blick nimmt. Denn wenn man am nächsten Wirtschaftswunder arbeiten will, geht es vor allem darum, gute neue Ideen entstehen zu lassen. Diese guten Ideen – das ist mein erster Punkt – brauchen einen Nährboden. Das heißt, wir brauchen Infrastruktur. Darüber ist gesprochen worden. Wir wollen – ich zitiere die Ministerin – ein digitales Ökosystem im ganzen Land entwickeln, das aber nicht nur aus Infrastruktur besteht, sondern zu dem auch vieles andere gehört. Wir haben in Bayern ja die besten Voraussetzungen. Wir haben Spitzenforschungseinrichtungen, wir haben Universitäten im ganzen Land, und wir haben Software-Unternehmen, die heute keiner vermutet. Wer denkt schon bei Siemens oder BMW an Software-Herstellung? Aber diese Unternehmen haben heute im höchsten Maße mit Software zu tun. Diesen Boden fruchtbar zu machen, ist originäre Aufgabe der Politik, und das hat die Ministerin Aigner vorhin herausgestellt.

Ein Zweites. Gute Ideen brauchen auch Talente. Talente können wir aber nicht einfach backen, sondern wir müssen sie anziehen und mit Exzellenz gewinnen. Deswegen, liebe Ilse Aigner, war es so wichtig, das "Zentrum Digitalisierung.Bayern" auf den Weg zu bringen, um Punkte zu schaffen, mit denen wir die Talente von morgen entweder selber ausbilden oder aus dem Ausland zu uns bringen. Wir können diese Talente nicht mit warmen Worten, liebe Frau Kollegin Karl, oder mit dem Beklagen von Zuständen nach Bayern locken, sondern nur, indem wir ein paar Leuchttürme errichten, damit die Talente sagen: Wenn ich in bestimmten Feldern unterwegs sein will, habe ich gar keine andere Möglichkeit, als nach Bayern zu gehen; da gibt es überhaupt nichts anderes auf der Welt. Diesen Weg wollen wir hier beschreiten.

Ein Drittes. Gute Ideen brauchen Vorbilder und Erfolgsgeschichten, aber kein Lamento. Wir haben ja in

Bayern viel. Wir haben die Firma Secomba in Augsburg, die im letzten Jahr den Deutschen Gründerpreis gewonnen hat. Wir haben erlebt, wie ein neues Entrepreneurship Center an der TU München mit Unterstützung der Wirtschaft und ohne staatliches Geld im weitesten Sinne errichtet und gestern eröffnet wurde. Wir haben gestern den Börsengang des bayerischen Unternehmens Windeln.de – da kann man jetzt schmunzeln, und das klingt auch nicht spektakulär – erlebt.

(Dr. Christian Magerl (GRÜNE): Das war eine Fehllandung!)

Sie bezeichnen es als Fehler oder Fehlstart. Ich sage aber: Das Unternehmen hat an der Börse einen dreistelligen Millionenbetrag eingesammelt. Jetzt weiß ich nicht, ob das ein Fehler oder erfolgreich war; darüber kann man lange streiten. Wir haben in Bayern auch Unternehmen, die, obwohl sie in den in Zukunft relevanten Bereichen Weltmarktführer sind, den meisten Menschen unbekannt sind. Ich nenne beispielhaft das bayerische Unternehmen EOS, das im Bereich des 3-D-Drucks Weltmarktführer ist. Es sorgt dafür, dass anderswo der 3-D-Druck überhaupt erst einmal eine Rolle spielt. Das ist Technologie "Made in Bavaria". Über diese Erfolgsgeschichten müssen wir reden.

(Beifall bei der CSU)

Vierter Punkt: Gute Ideen müssen gerinnen können. Dafür sind Kristallisationspunkte und Netzwerke notwendig. Das "Zentrum Digitalisierung.Bayern" entfaltet seine Wirkung in der Fläche, das heißt in ganz Bayern. Ich möchte auch das Gründerzentrum "WERK1.Bayern" erwähnen. Es ermöglicht Gründern zusammenzukommen, sich miteinander auszutauschen, Bezugspunkte zu Clustern und anderen Strukturen zu schaffen und mit etablierten Unternehmen, insbesondere solchen des Mittelstands, in Kontakt zu treten.

Fünftens. Gute Ideen haben heute eine globale Dimension. Das ist ein Unterschied zu früher. Es reicht nicht mehr aus, sich zu überlegen, wie man den deutschen Markt oder Teile des europäischen Marktes erreicht. Als wir gemeinsam mit Ilse Aigner in Tel Aviv waren, haben wir gelernt, dass dort jedes Unternehmen darauf aus ist, sofort den Weltmarkt zu erobern. Das muss der Maßstab auch für unsere Unternehmen sein. Deswegen sind die Internationalisierungsbemühungen, über die Ilse Aigner vorhin gesprochen hat, so wichtig.

Wenn es zutrifft, dass wir die Bemühungen um Internationalisierung verstärken müssen, dann müssen wir auch überlegen – das ist mein sechster Punkt –, wie die Kapitalausstattung unserer Unternehmen verbessert werden kann. Kapital ist der wesentliche Treiber

innovativer Entwicklungen. Insofern gibt es einen großen Unterschied zwischen Unternehmen bei uns und Unternehmen in den Vereinigten Staaten. Die Unternehmen dort werden in Kapital gebadet, das heißt, es fehlt nicht an Kapital. Zwar wird dort nur eines von zehn Unternehmen groß; aber das ist kein Problem, da diejenigen, die es geschafft haben, richtig groß werden. Wir können nur versuchen, Anstöße zu geben und etwaige Wettbewerbsnachteile halbwegs auszugleichen. Ein wichtiger Ansatzpunkt sind die steuerlichen Rahmenbedingungen. Auch darauf hat die Ministerin zu Recht hingewiesen. Wir müssen Deutschland in steuerlicher Hinsicht so attraktiv machen, dass ein Anreiz besteht, in junge, hoffnungsvolle Unternehmen zu investieren. Steuererhöhungsdebatten, wie sie von der SPD ständig initiiert werden, helfen uns bzw. den Unternehmen nicht weiter.

(Beifall bei der CSU)

Gute Ideen brauchen – siebtens – zu ihrer Verwirklichung Sicherheit und Vertrauen. Nur dann, wenn ich Zutrauen haben kann, dass meine Investition sicher und das Geschäftsmodell tragfähig ist, werde ich investieren. Deswegen haben wir in Bayern ein CyberAllianz-Zentrum aufgebaut und Sicherheitsnetzwerke etabliert. All das dient dazu, neben den wirtschaftlichen Aspekten auch Sicherheitsaspekte in den Blick zu nehmen.

Achter Punkt: Eine wichtige Voraussetzung für die Umsetzung guter Ideen ist das richtige gesellschaftliche Umfeld. Dazu gehören der Gründergeist, von dem die Ministerin gesprochen hat, und Offenheit. Wir müssen aber auch die richtige Balance zwischen Chancen und Risiken finden. Wir dürfen nicht bei jeder neuen Idee sofort die Risiken hervorheben, sondern sollten zunächst einmal die Chancen in den Blick nehmen. Andernfalls laufen wir Gefahr, dass diejenigen, die Chancen nutzen wollen, nicht bei uns in Deutschland tätig werden.

Neunter Punkt: Wir müssen nicht nur die richtigen Fragen stellen, sondern auch die richtigen Leitplanken für neue Ideen setzen. Auch darüber hat die Ministerin gesprochen. Wir erleben das Entstehen einer Marktwirtschaft der Zukunft und müssen uns gemeinsam überlegen, welche Leitplanken wir setzen wollen bzw. welche Regeln gelten sollen. Uns allen ist es sicherlich wichtig, dass die Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft auch in dieser neuen Welt zur Geltung kommen. Aber dafür müssen wir uns gemeinsam anstrengen. Wir müssen uns überlegen, welche ordnungspolitischen Prinzipien uns wichtig sind und wie wir sie zur Geltung bringen können. Ein wichtiger Baustein ist die Vollendung des europäischen Binnen

marktes im digitalen Bereich. Dieser Schritt kann uns insoweit sehr helfen.

Es geht auch darum, die richtigen Debatten zu führen. Ich erinnere daran, dass wir im Landtag gemeinsam eine, wie ich meine, sehr kluge Entscheidung getroffen haben. Auch wenn das Thema als nicht sehr bedeutend erscheinen mag, so will ich doch erwähnen, dass wir die altehrwürdige Hochschule für Politik an der Technischen Universität München angesiedelt und mit einem neuen Auftrag versehen haben. Sie soll neue Entwicklungen in den Blick nehmen und neue politische Antworten empfehlen. Genau darum geht es. Ich wiederhole: Gute Ideen brauchen auch Leitplanken.

(Beifall bei der CSU)

Zehnter Punkt: Gute Ideen brauchen zu ihrer Umsetzung aber auch eine gute Politik. Diese finden innovative Menschen bei uns in Bayern. Wir sind dabei, eine digitale Aufbruchstimmung im gesamten Land zu erzeugen. Dies ist jedoch nicht möglich, wenn man, wie Kollegin Karl es getan hat, hier 20 Minuten lang etwas vorjammert. Es reicht auch nicht aus, ein paar Facetten zu beleuchten und nur für ein bisschen Digitalisierung zu plädieren. Bei der Digitalisierung müssen wir mit glühendem Herzen dabei sein. Wir müssen richtig investieren, und zwar aus einem Guss.

(Beifall bei der CSU)

Ich danke den Mitgliedern der CSU-Fraktion, die schon im Jahr 2012 die Bedeutung der Digitalisierung hervorgehoben haben. Lieber Erwin Huber, lieber Thomas Kreuzer, ihr habt – neben anderen – schon damals erkannt, dass die Digitalisierung das Potenzial hat, die Welt zu verändern. Seitdem ist klar, dass wir nicht mehr nur über Netzpolitik, sondern auch über Digitalisierungspolitik reden müssen.

Ich danke Minister Herrmann, der als erster Minister in Deutschland eine Regierungserklärung zum Thema Cyber Security gehalten hat. Das geschah nicht nebenher, sondern war Teil einer Politik aus einem Guss, Frau Kollegin Karl. Das nenne ich verantwortungsvolle Politik für unser Land.

(Beifall bei der CSU)

Ich nenne Markus Söder, der es als erster Landesminister in Deutschland geschafft hat, ein Breitbrandprogramm aufzulegen, das diesen Namen verdient und das vor allem gängig ist.

Liebe Frau Kollegin Karl, was Sie vorhin zu den Themen Breitband und Digitalisierung ausgeführt haben, war weitgehend faktenfrei.

(Beifall bei der CSU)

Ich wollte eigentlich nicht weiter darauf eingehen. Aber Sie haben einen solchen Unsinn geredet, dass ich das nicht unkommentiert stehen lassen kann. Wieso beklagen Sie, dieses Programm lasse nur Geschwindigkeiten von 30 Mbit/s zu?

(Annette Karl (SPD): Das habe ich so überhaupt nicht gesagt! Hören Sie doch zu, bevor Sie hier Schmarrn erzählen!)

Es ist eine EU-Vorgabe, dass Breitband bei 30 Mbit/s beginnt. Nur dort können wir sozusagen die Grenze ziehen.

(Annette Karl (SPD): Immer ist die EU schuld!)

Der entscheidende Punkt ist doch, dass am Ende die Kommunen entscheiden, wie schnell das Internet bei ihnen ist.

(Widerspruch der Abgeordneten Annette Karl (SPD))

- Da können Sie abwinken, wie Sie wollen. - Die Kommunen schreiben aus. Fakt ist, dass sich fast die Hälfte aller Kommunen dafür entschieden hat, für höhere Geschwindigkeiten als 30 Mbit/s auszuschreiben. Das heißt, wir haben Hochgeschwindigkeitsinternet in ganz Bayern.

(Beifall bei der CSU)

Ich wiederhole: Das ist kein Patchwork, sondern Ausdruck dessen, dass wir Politik aus einem Guss betreiben, Frau Kollegin Karl.

Ich darf ergänzen, dass die letzten Bausteine zu einer Digitalisierungsoffensive hinzugefügt wurden, die neben Ludwig Spaenle, der für den wissenschaftlichen Teil zuständig war, vor allem Ilse Aigner vorangetrieben hat. Sie hat uns den Erfolg heute in eindrucksvoller Art und Weise vorgestellt.

Ich darf daran erinnern, dass Horst Seehofer der erste Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes ist, der die Digitalisierungsoffensive in den Mittelpunkt einer Regierungserklärung gestellt hat; das war im Jahr 2013.

(Beifall bei der CSU)

Wir nehmen mit unserer Digitalisierungsoffensive alle Bereiche in den Blick. Das beginnt bei der Infrastruktur, umfasst aber auch weitere Fragen, zum Beispiel: Wie können neue Wissenskerne in unserem Land etabliert werden? Wie können wir auf diesem Feld Exzellenz erringen? Wie können wir neue Dynamik ent

fachen? - Es geht aber auch um die Frage, wie wir es schaffen, alle mitzunehmen. Die Digitalisierungsoffensive ist kein Einzelwerk, sondern – ich wiederhole es – Teil einer Politik aus einem Guss, die es so in Deutschland sonst nicht gibt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CSU)

Ich könnte Sie verstehen, wenn Sie auf bessere Konzepte anderswo verweisen könnten, Frau Kollegin Karl. Aber egal, wohin wir in Deutschland schauen: Wo Sie regieren, heißt es Fehlanzeige in Bezug auf die Digitalisierung. Die Ministerpräsidentin von NRW hat ein Programm zur Digitalisierung aufgelegt, das eine Zeitung mit der Schlagzeile "Mega-Schwach" kommentiert hat.

(Markus Rinderspacher (SPD): Schauen Sie nach Berlin, nach Niedersachsen und nach Schleswig-Holstein!)