Protocol of the Session on October 15, 2014

Wir haben heute intensiv über Flüchtlinge diskutiert. Auch an dieser Stelle ein Satz dazu: Es kommt vor, dass Flüchtlingsfamilien in einen Ort kommen und dort plötzlich ein erhöhter Bedarf an Kindergartenplätzen vorliegt. Für einen kurzen Zeitraum wird die Gruppengröße vielleicht überschritten. Die Einrichtungen brauchen Klarheit, wie sie damit umgehen sollen, wenn in einem Übergangszeitraum zwei oder drei Kinder mehr da sind als vorgesehen. Kurzfristig sind die Rahmenbedingungen zu verbessern, mittelfristig ist der Anstellungsschlüssel zu verbessern.

(Beifall bei den GRÜNEN und Abgeordneten der FREIEN WÄHLER)

Vielen Dank. – Jetzt hat Herr Kollege Vogel das Wort. Bitte schön.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße es ausdrücklich, dass die Anträge hochgezogen worden sind und wir uns heute im Hohen Haus zum ersten Mal in dieser Legislaturperiode mit dem Thema Kinderbildung und -betreuung auseinandersetzen.

Zum einen geht es um unsere junge Generation und damit um Bayerns Zukunft. Zum anderen habe ich jetzt die Möglichkeit, zum ersten Mal in diesem Haus zu sprechen.

(Allgemeiner Beifall – Zurufe von der CSU: Bravo! – Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihn müsst ihr öfter ranlassen! Er macht sich gut!)

- Vielen Dank. – Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns im sozialpolitischen Ausschuss bereits im Juli mit einer Vielzahl von Themen im Zusammenhang mit dem Bayerischen Kinderbildungs- und -betreuungsgesetz auseinandergesetzt; Frau Rauscher hat es angesprochen. Aber frei nach der Devise: "Was interessiert mich Fachkräftemangel, was interessieren mich Finanzen?" wurden Anträge mit einem Gesamtvolumen von 770 Millionen Euro jährlich gestellt.

(Zuruf von den GRÜNEN: Nicht von uns!)

Allein die Realisierung des Antrags der SPD-Fraktion würde Kosten von 261 Millionen Euro jährlich verursachen. 261 Millionen Euro! Ich sage Ihnen: Wir als CSU-Fraktion haben die beste Bildung für unsere Kinder im Blick.

(Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Im Blick schon, aber nicht realisiert!)

Wir sehen es aber auch als unsere Verantwortung der nächsten Generation gegenüber an, eine generationengerechte Haushaltspolitik zu betreiben, sodass diejenigen, die betreut werden, nicht auf Schulden sitzen bleiben, sondern Chancen haben. Deshalb lehnen wir als CSU die Finanzierung der Betreuung auf Pump ab.

(Beifall bei der CSU)

Frau Rauscher, Sie haben sich über die "Lungenfunktion" des BayKiBiG Gedanken gemacht. Ich stelle fest - voller Selbstbewusstsein! -: In Bayern war die Be

treuungssituation für unsere Jüngsten nie besser als heute.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD)

Als das BayKiBiG in Kraft getreten ist, lag der Anstellungsschlüssel bei 1 : 12,5, mittlerweile liegt er bei 1 : 11. Der Zahl der pädagogischen Fachkräfte, insbesondere der Erzieherinnen, ist seit dem Jahr 2006, also in einem Zeitraum von acht Jahren, um 68,5 % gestiegen. Bei den Kinderpflegerinnen und -pflegern beträgt die Steigerung in diesem Zeitraum 47 %, sodass wir feststellen können: Im Vergleich zu 2006 sind heute 57 % mehr pädagogisches Personal in unseren Kindertageseinrichtungen tätig. Das ist ein großer Erfolg, den wir uns nicht kaputtreden lassen.

(Beifall bei der CSU)

Die Zahlen zeigen, dass Bayern kraftvoll in die Betreuung unserer Jüngsten investiert.

Wir müssen allerdings feststellen - das gehört zur Wahrheit dazu -, dass in vielen Orten Bayerns nach wie vor Fachkräftemangel herrscht. Viele Kommunen, viele Träger suchen händeringend Erzieherinnen und Erzieher zur Betreuung der Kleinsten. Wir haben in Ballungsräumen wie München beispielsweise die Situation – das ist nachzulesen –, dass Öffnungszeiten gekürzt werden, weil man nicht das notwendige Personal hat. Einrichtungen sind zwar gebaut worden, können aber nicht in Betrieb genommen werden, weil die nötigen Fachkräfte fehlen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Ihr müsst sie besser bezahlen!)

In dieser Situation den Personalbedarf der Träger bzw. der Gemeinden zu erhöhen - wenn sie ihn nicht decken, verlieren sie die komplette staatliche Förderung -, halte ich für unseriös und unverantwortlich.

(Beifall bei der CSU)

Ich bin Vater eines Sohnes von eineinhalb Jahren.

(Zurufe von allen Fraktionen: Bravo!)

Ich weiß, dass mein kleiner Bub in der Kita mehr als das Doppelte an Betreuungsaufwand genießt als meine Tochter, die fünf Jahre alt ist. Das ist klar. Deshalb strebt die CSU mittelfristig einen stärkeren Gewichtungsfaktor für Kinder unter drei Jahren an. Wir können aber den Fachkräftemangel nicht wegdiskutieren. Würden wir den Antrag der SPD umsetzen, würden wir damit die Kinderkrippen und unsere Träger verpflichten, sofort ein Drittel mehr Personal zur Verfügung zu stellen. Frau Rauscher, erklären Sie einmal

dem Oberbürgermeister von München, dass er ein Drittel mehr Personal in München braucht. Oder erklären Sie in Ebersberg: Ab nächstem Jahr braucht ihr ein Drittel mehr Personal. Viel Spaß dabei!

(Beifall bei der CSU)

Die CSU geht einen anderen Weg. Der verlässliche Basiswert wird aufgrund der Regelanpassung in diesem Jahr auf über 1.000 Euro steigen. Die CSULandtagfraktion hat beschlossen, die Beitragsentlastung auszusetzen und stattdessen dieses Geld 1 : 1 den Trägern zur Verfügung zu stellen, damit sie genügend Mittel haben, um das Personal, wenn es verfügbar ist, einzusetzen. So können die Anstellungs- und die Personalquote verbessert werden.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege, Ihre Redezeit.

Wir vertrauen unseren Trägern. Schon heute liegt der Anstellungsschlüssel bei 1 : 9,12. Das bedeutet, wir brauchen überhaupt nicht diese große Verbesserung von 1 : 10 auf 1 : 9, weil wir bereits jetzt in Bayern faktisch 1 : 9,1 haben.

Ich möchte Sie noch einmal an Ihre Redezeit erinnern.

Wir lehnen den Antrag ab. Warum? – Keine Märchenstunde nach den Sterntalern. Die Fachkräfte fallen nicht vom Himmel. Das Geld fällt nicht vom Himmel. Wir wollen verlässlich sein. Deshalb lehnen wir Ihre Anträge ab.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Vogel, ich darf Sie noch einmal ans Rednerpult für eine Zwischenbemerkung bitten.

Herr Kollege Vogel, ich finde es erstaunlich, wie schlau Sie sind, dass Sie so die Situation in den bayerischen Kitas beurteilen können.

(Beifall bei der CSU)

Liebe Kolleginnen und Kollegen aus der CSU-Fraktion, seien Sie ruhig laut bei diesem Thema. Aus meiner Sicht ist es fahrlässig, was hier betrieben wird. Ihr Applaus macht das nicht besser, sondern schlimmer.

(Beifall bei der SPD)

Herr Kollege, es ist nicht angebracht, hier über das Sandmännchen oder so etwas zu reden. Mir ist es zutiefst wichtig, dass wir dieses Thema ernst nehmen.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Uns auch!)

Herr Vogel, Sie wissen, dass es hier um einen ganzen Strauß von Maßnahmen ging, die Sie komplett abgelehnt haben.

(Kerstin Schreyer-Stäblein (CSU): Weil sie schlecht waren!)

Alles muss immer kostenneutral bewerkstelligt werden. Natürlich leiden wir unter einem Fachkräfteengpass. Sie wissen aber hoffentlich, dass die durchschnittliche Verweildauer von Fachkräften in Kitas bei zwei bis drei Jahren liegt. Als Hauptgrund dafür wird angegeben, dass die Rahmenbedingungen schlecht sind, die Belastungen zu groß sind und die pädagogische Qualität nicht nach den gesetzlichen Vorgaben gewährleistet werden kann. Das sind die Gründe dafür, warum Pädagogen ihr Berufsfeld verlassen. Diese Gründe führen zu dem Fachkräftemangel, der es uns aus Ihrer Sicht nicht ermöglicht, dass wir den Anstellungsschlüssel verbessern und die Gewichtungsfaktoren erhöhen können.

Noch etwas zu den Investitionen: Vielleicht kennen Sie die Studie zum volkswirtschaftlichen Nutzen von frühkindlicher Bildung in Deutschland von Herrn Fritschi aus dem Jahr 2008. Jeder Euro reinvestiert sich. Wenn wir Kinder heranwachsen lassen, ohne darauf zu achten, dass ausreichend Bindungs- und Bildungskompetenzen entstehen, werden wir uns in 15 bis 20 Jahren wieder unterhalten, Herr Vogel. Ich bin gespannt, was Sie dann dazu sagen werden.

(Beifall bei der SPD, den FREIEN WÄHLERN und den GRÜNEN)

Frau Rauscher, vielen Dank für Ihre Zwischenbemerkung. Zunächst zur Erläuterung: Ich bin seit sechs Jahren der Vorsitzende des Trägervereins eines Kindergartens mit über 70 Kindern. Ich weiß, was in den Einrichtungen passiert.

Ich habe Ihnen bereits im sozialpolitischen Ausschuss gesagt: Hören Sie auf, den Erzieherberuf schlechtzureden.

(Beifall bei der CSU – Widerspruch bei der SPD – Unruhe - Glocke der Präsidentin)

Herr Kollege Vogel, einen Augenblick, bitte. Lassen wir die Emotionen noch einige Augenblicke laufen. Dann hören wir Herrn Kollegen Vogel wieder zu. Ansonsten bitte ich alle anwesenden Erzieherinnen, dafür zu sorgen, dass wir wieder Ruhe bekommen. Bitte, Herr Kollege Vogel.

Sehr gut, Frau Präsidentin. – Frau Rauscher, weshalb Sie mit Ihren Aussagen unrecht haben müssen: Wir haben heute in Bayern 18.000 Erzieherinnen mehr als im Jahr 2006. Diese leisten eine ganz hervorragende Arbeit.