Protocol of the Session on June 6, 2018

(Zuruf der Abgeordneten Mechthilde Wittmann (CSU))

Liebe Kollegin Wittmann, Sie haben immer noch überschüssige Energien. Das merke ich. Aber Lautstärke ersetzt keine Argumentation.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Ihr überragendes Interesse an der Aufklärung, Frau Kollegin, erkennen wir daran, dass der Schlussbericht zu diesem Untersuchungsausschuss zur besten Nachtzeit diskutiert wird.

(Tobias Reiß (CSU): Das haben Sie im Ältestenrat beschlossen!)

Wenn man ein echtes Interesse daran hat, die Ergebnisse vorzustellen, sucht man sich wahrscheinlich eine Zeit zwischen 22.00 Uhr und Mitternacht aus.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD – Zuruf der Abgeordneten Mechthilde Wittmann (CSU))

Nein, Frau Kollegin, ich gestatte keine Zwischenfrage.

Herr Kollege Pohl, darf ich Sie darauf hinweisen – –

(Markus Rinderspacher (SPD): Dürfen Sie nicht! Er redet, Sie haben nicht das Wort!)

Ich möchte nun weiterreden, weil meine Redezeit läuft.

Ich verweise auf den Ältestenrat – selbstverständlich.

(Markus Rinderspacher (SPD): Das dürfen Sie nicht, Herr Präsident!)

Ich darf darauf hinweisen, dass der Ältestenrat diese Uhrzeit beschlossen hat.

(Markus Rinderspacher (SPD): Nein, das steht Ihnen nicht zu!)

Dann unterhalten wir uns im Ältestenrat darüber – alles klar.

Ich nehme zur Kenntnis, dass wir jetzt eine Minute lang während meiner Redezeit über die Frage des Ältestenrates geredet haben.

Sie dürfen eine Minute überziehen.

Danke schön, das wollte ich hören. – Wir führen die Debatte zur besten Zeit. Wenn ich das, was ich heute von der Vorsitzenden gehört habe, Revue passieren lasse, kann ich nur sagen: Das waren weitestgehend alternative Fakten. Das Argument, dass parallel zum Untersuchungsausschuss ein Strafverfahren lief und wir deswegen so besonders große Schwierigkeiten gehabt haben, lasse ich nicht gelten. Am Anfang hieß es sogar, dass wir auf Zeugen verzichten sollten, die möglicherweise im Strafverfahren gehört werden.

Ich möchte darauf hinweisen, dass das nun der vierte Untersuchungsausschuss ist, dem ich als Mitglied oder Stellvertreter angehöre. Ich habe drei andere Vorsitzende erlebt. Ich habe im BayernLB-Untersuchungsausschuss Thomas Kreuzer als Vorsitzenden erlebt. Auch damals lief ein Ermittlungsverfahren parallel zum Untersuchungsausschuss. Der Vorsitzende Thomas Kreuzer ist mit einem etwas widerborstigen Zeugen so verfahren: Er hat ihm ein Ordnungsgeld aufgebrummt und weitere Sanktionen angedroht, wenn er schweigsam bleibt.

Der Kollege Schindler hatte den schwierigsten Untersuchungsausschuss. Damals ging es nicht um das Lebensmittelrecht, sondern um den NSU-Skandal. Es ging um terroristische Akte von Menschen, die andere Menschen ermordet haben. Es war sicherlich weitaus schwieriger und delikat, Zeugen zu vernehmen. Der

Untersuchungsausschuss ist reibungslos und gut abgewickelt worden.

Auch der Kollege Dr. Herrmann hatte einen schwierigen Untersuchungsausschuss zu leiten, nämlich zum Fall Mollath. Hier lief zwar parallel kein Strafverfahren, aber auch dieser Untersuchungsausschuss hatte sehr schwierige und ins Persönliche gehende Fragestellungen.

Ich habe bei allen drei Vorsitzenden einen weitaus größeren Ermittlungseifer feststellen dürfen als bei der Vorsitzenden dieses Untersuchungsausschusses.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, während des Ausschusses wurde insbesondere Frau Kollegin Steinberger ständig mit dem Vorwurf konfrontiert, Suggestivfragen zu stellen, was vielfach gar nicht der Fall war. Es ging eigentlich nur darum, sie aus dem Konzept zu bringen. Auch dem Kollegen von Brunn ist das widerfahren. Was die CSU-Mehrheitsfraktion hier gebracht hat, zielte nicht ganz so stark auf Aufklärung ab.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Der Höhepunkt war sicherlich, sagen wir mal, die Ausschöpfung verfahrensrechtlicher Möglichkeiten bei dem Antrag der Oppositionsfraktionen, der sachgerecht war, die beiden Staatsminister Dr. Marcel Huber und Ulrike Scharf nicht an einem Tag zu vernehmen. Da haben Sie sich mit Geschäftsordnungstricks eine Zeit verschafft, um wieder vollzählig zu sein, um diesen Antrag ablehnen zu können. Hätten Sie gleich abgestimmt, dann wäre das nicht passiert, dann hätte man beide Minister an unterschiedlichen Tagen vernommen. Das hätte dem Untersuchungsauftrag sicherlich mehr entsprochen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Was ist das Resümee dieses Untersuchungsausschusses? – Das Resümee dieses Untersuchungsausschusses ist, dass es gravierende Verstöße gab und dass diese Katastrophe nicht vom Himmel gefallen ist. Die Staatsanwaltschaft ermittelt ja. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage erhoben. Warum hat sie das wohl getan? – Frau Kollegin, Sie werfen ein, dass die Staatsanwaltschaft nicht gegen Behördenmitarbeiter Klage erhoben hat, sondern gegen den Unternehmer. Das ist zweifellos richtig. Aber der Zweck eines Untersuchungsausschusses ist nicht, die Strafbarkeit von Behördenmitarbeitern oder Mitgliedern der Staatsregierung festzustellen, sondern das politische Versagen zu dokumentieren oder zu untersuchen. Das ist in diesem Untersuchungsausschuss zweifellos gelungen.

Erstens, das ist der bedeutendste Punkt: Herr Staatsminister Dr. Huber, im Sommer 2014 gab es ein katastrophales Krisenmanagement. Das ist für mich der Hauptvorwurf, den wir erheben müssen. Ministerium, LGL, Regierung und Landratsämter haben nicht bzw. nur unzureichend miteinander kommuniziert. Sie haben die Dimension dieses Falls völlig verkannt. Letzten Endes, das verstehe ich heute noch nicht, haben Sie es unterlassen, die Bevölkerung zu warnen, obwohl Sie wussten, dass salmonellenbelastete Eier zu Hunderttausenden im Verkehr sind. Warum haben Sie das unterlassen? – Weil das Mindesthaltbarkeitsdatum der Ware bereits abgelaufen war. Das muss man sich in der Tat auf der Zunge zergehen lassen.

(Florian von Brunn (SPD): Bitte nicht!)

Ja, Herr Kollege von Brunn, Sie haben recht. Das sollte man nicht zu wörtlich nehmen. – Das muss man sich aber tatsächlich einmal vor Augen halten. Wegen eines abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatums wird nicht gewarnt. Im Übrigen entbehrt das jeder Logik. Sie behaupten, dass nicht mehr gewarnt werden muss, da Eier, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, nicht mehr verzehrt werden. Was ist die Konsequenz, wenn Sie trotzdem warnen? – Gar nichts, weil die Eier nicht verzehrt werden, dann ist auch kein Schaden entstanden. Wenn aber jemand ein Ei isst, obwohl das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, dann befindet er sich nicht nur in einer drohenden Gefahr, sondern in einer unmittelbaren, ganz konkreten Gefahr für Leib und Leben. Wenn das kein Anlass für eine Warnung ist, dann ich habe ich ein anderes Verständnis von innerer Sicherheit als Sie, die Sie sich immer so rühmen, dass die innere Sicherheit Ihr Markenzeichen ist.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Herr Dr. Rabsch vom Robert Koch-Institut hat uns im Ausschuss gesagt, dass die Schalen der Eier nach 21 Tagen weich werden und die Salmonellen in das Ei eindringen können. Somit kann ein gefährlicher Cocktail entstehen. Er hat es sogar Bombe genannt. Die Konsequenz ist, dass nicht nur eine unmittelbare Gefahr für die Gesundheit, sondern Lebensgefahr besteht. Das ist die Wahrheit. Und trotzdem hat man die Verbraucher nicht davor gewarnt, dass Eier im Verkehr sind, die nicht nur zum Verzehr ungeeignet sind, sondern deren Verzehr mit dem Leben bezahlt werden muss.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, das macht mich einigermaßen sprachlos. Beim Argument mit dem Mindesthaltbarkeitsdatum kann ich nur fragen: Wo ist

denn das Mindesthaltbarkeitsdatum aufgedruckt? – Es ist auf der Verpackung aufgedruckt, nicht auf dem Ei. Wenn Sie die Verpackung weggeworfen und die Eier in Ihren Kühlschrank einsortiert haben, haben Sie keinen Beleg mehr darüber, wann das Mindesthaltbarkeitsdatum abläuft. Auch das sollte Ihnen zu denken geben. Frau Kollegin, wenn man so leichtfertig mit der Gesundheit und dem Leben von Menschen umgeht, dann kann man sich hier nicht hinstellen und sagen: Der Untersuchungsausschuss war völlig überflüssig; na ja, es sind ja nur 400 Menschen erkrankt, und ein Mensch ist zu Tode gekommen. – Wenn das nicht Anlass genug ist, genauer hinzusehen, dann haben wir ein deutlich unterschiedliches Verständnis von parlamentarischer Kontrolle der Regierung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN, der SPD und den GRÜNEN)

Der zweite Punkt betrifft das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit und den Präsidenten Dr. Zapf. Als die Epidemie ausgebrochen war, hat er sich hingestellt und in bester bayerischer Manier gesagt: Mia san mia. Wir brauchen kein Robert Koch-Institut. Die haben uns zwar eine Taskforce angeboten, die haben Kompetenzen, die haben so etwas vielleicht schon einmal gehabt, die haben Fachleute, aber die sollen in Sachsen-Anhalt bleiben. Wir können das selbst. –

Nein, wir haben es nicht gekonnt. Wir sind nicht fertiggeworden mit diesem Ausbruchsgeschehen, und deswegen war es ein gravierender Fehler, sich nicht des Robert Koch-Instituts zu bedienen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Wenn ich diesen Dr. Zapf, der uns als Zeuge keine Freude gemacht hat, und sein Handeln im Jahre 2016 betrachte, frage ich: Was ist denn die Aufgabe dieses Herrn, dieses Chefs der Wunderbehörde LGL? Ist es tatsächlich seine Aufgabe, bei der Staatsanwaltschaft anzurufen und zu fragen, ob sie ihren Job dort richtig machen? Ist es tatsächlich seine Aufgabe, Empfehlungen dazu abzugeben, welche Gutachter die Staatsanwaltschaft gefälligst zu beauftragen hat? Ist es tatsächlich seine Aufgabe, Ermittlungsergebnisse zu kommentieren und – das schlägt in der Tat dem Fass den Boden aus – die Herausgabe einer Akte zu verlangen?

(Zuruf von der CSU: Mein Gott! – Florian von Brunn (SPD): Ist das ganz normal für euch?)

Es ist ganz normal, dass das LGL bei einer Behörde – wir haben eine unabhängige Staatsanwaltschaft; so habe ich es zumindest irgendwann einmal gelernt –

anruft und sagt: Gebt doch einmal die Ermittlungsakte heraus! Okay, Kollege, Sie können das für völlig normal halten. Ich halte es jedenfalls für einen Skandal allererster Ordnung.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Wir haben von Landräten unterschiedlicher Couleur, insbesondere von Landrat Bernreiter aus Deggendorf, gehört, dass massive Personalprobleme bestehen und man Überlastungsanzeigen geschrieben hat. Ein anderer Landrat hat gesagt: Wir haben keine mehr geschrieben, weil das eh verlorene Zeit gewesen wäre. Es passiert nichts, es passiert definitiv nichts. Also haben wir uns das gespart. – Auch das ist sicher kein Ausweis eines ordnungsgemäßen und verantwortungsbewussten Handelns der Staatsregierung.

Ich komme zum Resümee. Der Hauptvorwurf: ein Komplettversagen bei der inneren Sicherheit, ein desolates Krisenmanagement, keine Kommunikation und keine Warnung. Sie haben sich erst dann hingesetzt und diesen Skandal ernst genommen, als es Ermittlungen und Berichte im Bayerischen Rundfunk und in der "Süddeutschen Zeitung" gab. Dann allerdings haben Sie täglich telefoniert. Dann gab es Telefonleitungen, dann hat man sich ausgetauscht. Muss erst die Presse darauf hinweisen, dass ein Skandal vorliegt, damit Sie tätig werden? – Das ist mit Sicherheit ein schwerer und wesentlicher Kritikpunkt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

Wir haben außerdem gesehen, dass die Großbetriebe nicht ihrer Bedeutung entsprechend überwacht und kontrolliert werden, schon gar nicht ein Betrieb, der in der Vergangenheit kein unbeschriebenes Blatt war. Dann höre ich etwas von Sippenhaft. Darum geht es doch gar nicht. Es geht um Gefahrenabwehr, und Gefahrenabwehr heißt, dass man dort besonders hinschauen muss, wo man weiß, da hat es schon des Öfteren einmal Probleme gegeben. Und das hat man eben nicht gemacht.

In diesem Zusammenhang fand und finde ich es übrigens ganz interessant, dass dieser Herr Pohlmann offensichtlich ein Phantom ist. Niederbayern ist ja nicht gerade von einer Millionenstadt neben der anderen gekennzeichnet. Und dann kennt kein Landrat diesen Herrn Pohlmann. Den kennt niemand, kein Zeuge. Kein Zeuge hat gesagt: Ich kenne den Herrn Pohlmann, ich habe ihn auf irgendeiner Veranstaltung getroffen. – Nein, der Mann muss ein Phantom gewesen sein. Okay, in diesem Punkt jedenfalls haben wir, gebe ich zu, den Sachverhalt nicht ausermittelt oder

zumindest nicht die Ergebnisse gefunden, die wir vermutet hatten. Das ist in der Tat einzuräumen.