Das ist nicht neu. Vor zwei Jahren haben wir alle, die wir hier waren, einstimmig das neue Gesetz beschlossen. Einstimmig! – Nicht aufregen, Klaus Adelt!
Jetzt wird es abgeschafft. Die Mehrheit der Bevölkerung will das, egal ob sie betroffen ist oder nicht. Wir sind dem Wähler verpflichtet. Wir sind für die Abschaffung, wenn die Kommunen nicht im Regen stehen gelassen werden.
Durch die Abschaffung verschwinden die Probleme aber nicht wie von Zauberhand. Kollege Herrmann hat das schon gesagt. Das ist ein Systemwechsel sonder
gleichen und kann nicht mit einem Federstrich gemacht werden. Vielmehr gilt es, darüber ausführlich zu beraten – nicht nur in der CSU, sondern in den Ausschüssen mit allem Drum und Dran. Wir wollen keine neuen Härten schaffen, sondern alte beseitigen.
Wir haben noch einige offene Fragen: Um wie viel Geld geht es bei den Ausfallbeträgen? Es geistern Zahlen von 60 Millionen über 120 Millionen bis zu 190 Millionen herum. Keiner weiß es genau. Auch Sie von den FREIEN WÄHLERN wissen es nicht, sondern geben wie im Lotto irgendwelche Zahlen bekannt.
Wir müssen uns darum kümmern, dass die Kommunen nicht auf den Kosten sitzen bleiben. Das muss moderat ablaufen, und auch das muss genau geprüft werden. Wir wollen nicht, dass die kommunalen Straßen durch Einsparungen bei den Kindertagesstätten, bei Frei- oder Schwimmbädern und anderen Einrichtungen ausgebaut werden. Wir wollen auch nicht, dass die Straßen weiterhin wegen Untätigkeit verrotten.
Eine weitere Frage: Soll der finanzielle Ausgleich über den Freistaat erfolgen? Wir fordern das auch. Wie lässt sich das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen bewahren? Entscheidet die Staatsregierung? Entscheidet das Landratsamt, welche Straße ausgebaut wird oder nicht? Wer entscheidet angesichts der aufkommenden Wünsche der Bürger nach hoher Qualität, ab welchem Zustand und in welcher Qualität ausgebaut wird? Wer entscheidet das? Wo wird der Cut bei den Beitragsbescheiden gesetzt? Wann ist der Stichtag? – All diese Fragen muss man klären. Was ist mit den Gemeinden, die gerade konsolidieren? Müssen die weiterhin Beiträge erheben?
(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Natürlich nicht! – Thorsten Glauber (FREIE WÄHLER): Natürlich nicht!)
Was ist mit rückwirkenden Beiträgen? Was ist mit Ausbaumaßnahmen, die derzeit laufen oder abgeschlossen sind oder noch im Vollzug stehen? – Das sind zig Fragen.
Hinzu kommt noch die Forderung nach Rückzahlung der Beiträge der letzten 20 Jahre. Sie geistert hier, von Ihnen gefördert, im Raum herum. Also, so etwas Blödes habe ich nicht einmal als Bürgermeister gehört.
(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und Abgeord- neten der CSU – Hubert Aiwanger (FREIE WÄH- LER): Sondern noch blödere Dinge?)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Strabs ist tot. Das wissen wir. Aber das erfordert ausführliche Bera
tungen und nicht immer mal wieder einen Einwurf, man könnte es so oder so machen. Leute, ausführliche Beratung muss sein, das geht nicht von heute auf morgen!
Die Absicht ist da. Der Gordische Knoten muss im Jahr 2018 durchschlagen werden, damit die Kommunen wieder investieren. Jetzt müssen die Aufträge raus. Jetzt muss geplant werden, weil sonst wieder überhaupt nichts passiert.
Wer den Menschen weismacht, mit der Abschaffung der Strabs und mit der Bekundung dieser Absicht allein seien alle Probleme beseitigt, streut ihnen Sand in die Augen. Ich sage Ihnen leider die Wahrheit. Es gilt noch ein paar Probleme ausführlich zu beraten und zu entscheiden, bevor man sagen kann: So und so läuft es weiter. Wir müssen bald zu einer vernünftigen Lösung kommen.
Da gebe ich Ihnen recht. Aber, wie schon gesagt, einfach aus dem Handgelenk wie bei der Abschaffung der Feuerschutzbeiträge geht es nicht. Damals hat das Europäische Parlament gesagt, die Feuerschutzabgabe darf nicht mehr erhoben werden. Das war einfach. Jetzt ist es weitaus komplizierter.
Ich will zum Ende kommen. Kollege Aiwanger, ich bin erst seit wenigen Jahren hier im Parlament. Wie schafft man es, ständig auf die Regierungsbank zu schielen und zu hoffen, dass man bei einem solchen Auftreten nach der nächsten Wahl auch dort sitzt? Das verstehe ich beim besten Willen nicht.
Das erkläre mir mal einer, wie man auf diesen Platz schielen kann, indem man ständig mit unsachlichen Argumenten dagegen donnert.
Lasst uns in diesem Sinne die Sachen schnell und vernünftig beraten. Dann kommen wir zu einem guten Ergebnis.
Vielen Dank. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN darf ich jetzt dem Herrn Kollegen Mistol das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.
Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen! Verlässlichkeit ist eine Zier, doch besser lebt sich’s ohne ihr! – Das scheint das Motto der FREIEN WÄHLER für das Wahljahr 2018 zu sein.
Und was macht die CSU? – Sie stimmt aus purer Angst um den Machtverlust sogleich in den Gesang ein. Hier habe ich mir auch einen Reim überlegt: Was gestern total falsch ich fand, dafür kämpf ich nun im ganzen Land.
Kolleginnen und Kollegen, für uns GRÜNE ist klar: Das System der Straßenausbaubeiträge hat seine Schwächen. Es ist mitunter ungerecht, und schon gar nicht ist es populär. Um es gleich deutlich zu machen: Jeder Systemwechsel produziert natürlich Verlierer. Es gilt, bei einem Systemwechsel neue Ungerechtigkeiten zu vermeiden. Wenn eine Mehrheit hier in diesem Haus für den Systemwechsel ist, was ich so wahrnehme, dann werden auch wir GRÜNE auf diesem toten Pferd nicht weiterreiten. Wir werden aber ganz genau aufpassen, dass es bei dieser Aktion so gerecht wie möglich zugeht.
Fakt ist aber auch: Mit der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge allein ist das Grundproblem nicht aus der Welt. Auch zukünftig wird jemand den Straßenausbau bezahlen müssen. Das ist längst nicht das einzige Problem.
Herr Kollege Aiwanger, allein der Titel Ihrer Aktuellen Stunde enthält schon einen Widerspruch: Die Forderung, Straßenausbaubeiträge schnellstmöglich, sofort und am besten rückwirkend abzuschaffen, beendet
Es macht keinen Sinn, die Reform jetzt übers Knie zu brechen. Wir erwarten endlich wieder mehr Sachlichkeit in der Debatte statt des hysterischen Wahlkampfpopulismus, dem bei diesem Thema nun auch die CSU verfallen ist.
Ich sage Ihnen: Wir waren in dieser Legislaturperiode schon einmal weiter und waren auch schon konstruktiver. Hier denke ich an die Expertenanhörung und an die daran anknüpfende Debatte. Der Gesetzentwurf der FREIEN WÄHLER – das ist heute auch schon klar geworden – ist nicht zu Ende gedacht. Er ist praxisfremd; das haben wir auch in der Ersten Lesung schon gesagt.
Noch plan- und kopfloser erscheinen mir allerdings aber die Kolleginnen und Kollegen von der CSU. Sie haben nicht nur diesen Meinungswechsel der FREIEN WÄHLER um 180 Grad noch getoppt, sondern Sie haben zwischenzeitlich die Kann-Lösung – die schlechteste aller Varianten, die es gibt – favorisiert und sind jetzt als Getriebene auf den Trichter gekommen, einen gänzlichen Systemwechsel anzustreben.
Sie twittern auf Ihren Social-Media-Kanälen: "Bürger entlasten!" Da frage ich mich schon, ob Sie die Menschen für dumm verkaufen wollen. Wenn künftig die Grundstückseigentümer nicht mehr bezahlen, muss es jemand anderes tun, und das sind dann die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler. Es geht nicht darum, die Bürger zu entlasten; denn irgendwo müssen die Mittel herkommen. Nachdem ich davon ausgehe, dass Sie das Geld dafür nicht selber drucken, werden wir alle die Kosten natürlich auf die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler umlegen müssen, und das müssen wir dann auch so sagen. Von einer Entlastung der Bürgerinnen und Bürger kann wirklich nicht die Rede sein.
Zudem kommt eine Vielzahl von zu klärenden Rechtsproblemen auf die Gemeinden und die Städte zu: Wie kann ein faires Finanzierungsmodell für die Kommunen künftig aussehen? Wie muss der Übergang gestaltet werden? Was ist mit bereits rechtskräftigen Rechnungsbescheiden, laufenden Ausbaumaßnahmen? Was geschieht mit den laufenden Widerspruchsverfahren? – Das wurde alles schon angesprochen, aber auf diese Knackpunkte wird es ankommen.
Sie treiben damit schon jetzt den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern die Sorgenfalten auf die Stirn. Bei mir liegen nicht wenige Schreiben, gerade auch von Bürgermeistern der FREIEN WÄHLER, auf dem Tisch, die wirklich Sorge haben, dass ihre Kommunen auf den Kosten sitzen bleiben, und denen offensichtlich das Vertrauen fehlt, dass Sie die Sache in ihrem Sinn regeln.
Kolleginnen und Kollegen, mit einem Schnellschuss ist weder den Kommunen noch den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern geholfen. Stattdessen müssen zunächst alle möglichen Lösungsvorschläge auf ihre kurz-, mittel- und langfristigen Folgen abgeklopft werden. Wir GRÜNE halten deshalb, wie das auch der Gemeindetag fordert, an der für das Frühjahr geplanten Evaluation fest, auf deren Basis dann gründlich und ernsthaft über die Zukunft der Straßenausbaubeiträge diskutiert werden soll.