Protocol of the Session on January 25, 2018

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich eröffne die 121. Vollsitzung des Bayerischen Landtags. Presse, Funk und Fernsehen sowie Fotografen haben um Aufnahmegenehmigung gebeten. Sie wurde erteilt.

Ich darf Sie, verehrte Kolleginnen und Kollegen, zur ersten Sitzung im neuen Jahr sehr herzlich begrüßen und darf Ihnen alle guten Wünsche mit auf den Weg geben, vor allen Dingen, was die gesundheitliche Situation anbelangt. Den Kolleginnen und Kollegen, die heute wegen Krankheit nicht da sind, wollen wir einen Gruß senden und gute Besserung wünschen.

(Allgemeiner Beifall)

Wenn wir heute die erste Sitzung im neuen Jahr haben, bedeutet das für uns, dass wir uns sozusagen auf das Ende der Legislaturperiode zubewegen; in einigen Monaten ist es so weit. Sie wissen, was ich mir wünsche. Ich wünsche mir, dass wir hier im Hohen Haus und, wenn es geht, auch darüber hinaus ein gutes, konstruktives Miteinander haben. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger auch zu Recht von uns, und es ist auch ganz, ganz wichtig für das Ansehen des Parlaments. Ich wäre dankbar, wenn die Argumente, so strittig sie sind, auch vor Wahlen sachlich und inhaltlich vorgetragen werden. Es ist immer wichtig, wie wir dabei miteinander umgehen und wie das auf die Bürgerinnen und Bürger wirkt. Das stärkt letztlich auch unsere Demokratie. – Herzlichen Dank, dass Sie mir die Möglichkeit gegeben haben, dass ich das zu Beginn der Sitzung heute loswerden konnte.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, darf ich noch den Kolleginnen und Kollegen, die in der Zwischenzeit runde Geburtstage feiern konnten, herzliche Glückwünsche übermitteln. Das sind Frau Staatsministerin Ulrike Scharf und Herr Kollege Jürgen Ströbel; beide hatten am 16. Dezember Geburtstag. Am 10. Januar hatte Herr Staatsminister Dr. Marcel Huber und am 17. Januar Frau Kollegin Gabi Schmidt Geburtstag. Ich wünsche Ihnen im Namen des gesamten Hauses und persönlich alles Gute und weiterhin viel Erfolg bei Ihren parlamentarischen Aufgaben.

(Allgemeiner Beifall)

Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, ich rufe den Tagesordnungspunkt 1 auf:

Aktuelle Stunde gem. § 65 BayLTGeschO auf Vorschlag der Fraktion FREIE WÄHLER "Straßenausbaubeiträge schnellstmöglich abschaffen - Rechtsunsicherheit beenden!"

Dem Hohen Haus ist bekannt, wie die einzelnen Redezeiten sind; ich brauche das nicht vorzutragen. – Als Ersten darf ich für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Herrn Kollegen Aiwanger bitten. Hier sind zehn Minuten angemeldet worden. Bitte schön, Herr Kollege.

Liebe Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen des Bayerischen Landtags! Auch von meiner Seite noch zu Beginn des neuen Jahres anlässlich der ersten Sitzung ein gutes neues Jahr. Ich wünsche auch, dass wir in diesem Haus gute Entscheidungen für die bayerische Bevölkerung treffen mögen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die FREIEN WÄHLER haben für heute als Thema gewählt: Straßenausbaubeiträge abschaffen, Rechtssicherheit herstellen oder die zunehmende Rechtsunsicherheit beenden. Sie erleben draußen täglich, dass vor allem die Bürgermeister wissen wollen, wohin denn nun der Zug fährt. Nachdem auch Sie sich wohl dazu entschlossen haben, in Richtung Abschaffung zu gehen, steht bei uns das Telefon nicht mehr still mit den Fragen: Müssen wir jetzt noch Beitragsbescheide hinausschicken? Wie geht es weiter? Sind laufende Maßnahmen beitragsfrei? Können wir sogar damit rechnen, dass noch ein bisschen in die Vergangenheit zurückgegriffen wird und alte Maßnahmen infrage gestellt werden? Sollen wir für Maßnahmen, die vor einigen Jahrzehnten beendet, aber bisher noch nicht abgerechnet worden sind, noch schnell Bescheide hinausschicken, so wie es die Rechtsaufsicht als verlängerter Arm der Staatsregierung gewollt hat, dass jetzt noch schnell Beiträge eingetrieben werden?

Dem Ganzen setzt der Gedanke die Krone auf, ob es denn nicht sinnvoll wäre, jetzt kurz vor "Ladenschluss" noch Straßenausbaubeitragssatzungen zu erlassen, obwohl man bisher keine hatte und auch nicht wollte, weil man damit nach der Abschaffung vielleicht in eine bessere Förderkulisse käme. Was hier alles an Rechtsunsicherheit besteht, können Sie als allein regierende Partei am schnellsten abräumen, es sei denn, Sie wollen warten, bis unser Volksbegehren Klarheit bringt, die Sie jetzt nicht bringen werden.

Auch wenn Sie jetzt vielleicht noch nicht den letzten Plan haben, geben Sie bitte zumindest einige Eckdaten bekannt, was denn Sinn macht und was nicht Sinn macht. Ich würde mir erwarten, dass Sie in der heutigen Debatte den Bürgermeistern wenigstens sagen,

es würde nichts mehr bringen, jetzt noch schnell Satzungen zu verabschieden. Hunderte Gemeinden in Bayern haben noch keine Satzung. Sagen Sie ihnen wenigstens heute belastbar: Es macht keinen Sinn, hier noch etwas zu unternehmen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Sagen Sie ihnen vielleicht auch, sie sollen keine Beitragsbescheide mehr hinausschicken, weil Sie ja angekündigt haben, unseren Weg mitzugehen. Oder lassen Sie die Bürgermeister mit Ihrem Beschluss allein, dass Sie wohl irgendwie wollen, aber nicht genau wissen, wohin, wann, warum und wie? – Ich erwarte mir von Ihnen – deshalb ist das, was wir heute auf die Tagesordnung bringen, hochaktuell – Aussagen zu den wichtigsten Fragen, die damit zusammenhängen. Gleichwohl machen wir FREIE WÄHLER es uns nicht so einfach, Ihnen die Aufgabe vor die Füße zu werfen und zu sagen: "Macht mal", obwohl Sie es am Ende sowieso so machen können und werden, wie Sie wollen. Trotzdem erlauben wir uns, Ihnen einige Gedanken mitzugeben.

Gedanke Nummer eins ist, dass Hunderte Rechtsstreite und Widersprüche gegen Beitragsbescheide momentan anhängig sind, die die Justiz massiv belasten und lahmlegen, sehr viel Geld auffressen und Unsicherheit schaffen. Vielleicht gelingt es Ihnen, im Rahmen dieser Neuregelung auch eine große Zahl dieser Rechtsstreite in einem Aufwasch mit zu erledigen.

Bitte denken Sie auch daran – das ist natürlich auch ein Hinweis –, besser den Stichtag ein bisschen in die Vergangenheit zu legen, als ihn in der Zukunft festzusetzen. Bitte sagen Sie nicht: Ihr Hunderte Gemeinden, die ihr jetzt in dem Verfahren seid, habt Pech gehabt; denn wir setzen den Stichtag in der Zukunft fest, sodass alle in den laufenden Verfahren noch bezahlen müssen und erst in Zukunft Beitragsfreiheit herrscht. – Seitens des Freistaates geht es nicht um sehr viel Geld, es geht aber um viel Geld der Bürger und um großen politischen Unmut, wenn Sie diese Brisanz nicht erkennen.

Also noch einmal: Sagen Sie nicht, dass diejenigen, die mit dem Straßenbau begonnen haben und bei denen noch alte Bescheide vorliegen, in den sauren Apfel beißen müssen und dass die Versprechung irgendwann nach der Landtagswahl kommt. Versuchen Sie vielmehr, Rechtsstreitigkeiten abzuräumen. Die bayerische Justiz wird es Ihnen danken, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Wenn wir eine Förderkulisse aufstellen, können wir an viele Parameter denken. Trotzdem wird man in die Richtung gehen müssen, Zuschüsse aus einem Fördertopf zu bezahlen. Im ersten Aufwasch wird es nicht gelingen, der Sache nur durch Kilometerpauschalen gerecht zu werden, weil diejenigen, die jetzt Verfahren durchführen oder diese in nächster Zeit planen, errechnet hatten, Geld aus einem Bürgerumlagesystem zu erhalten.

Wir können nicht sagen: Liebe Gemeinde, jetzt hast du Pech gehabt und bekommst nichts mehr. – Wir müssen hierfür mindestens einen Fördertopf vorsehen. Wir werden das auch in den nächsten Jahren tun müssen, um Erneuerungsmaßnahmen über eine Kilometerpauschale hinaus zu finanzieren.

(Zurufe von der CSU)

Wir werden das vor allem auch für diejenigen tun müssen, die jetzt in den sauren Apfel beißen mussten, nämlich für die Stabilisierungskommunen, damit wir am Ende kein System haben, bei dem die Reichen die Beträge gerne mitnehmen, während die Mittel den Armen aber nicht reichen, um die Straßen zu sanieren. Sie werden mindestens für die Stabilisierungskommunen und darüber hinaus deutlich etwas drauflegen müssen.

Dann wird es eine Abgrenzungsproblematik geben, weil wir reiche Kommunen, die eine Satzung hatten, jetzt nicht deutlich schlechterstellen können. Also wird man das mit einem Fördersystem unterstützen müssen, damit alle Gemeinden einen ordentlichen Förderbetrag bekommen, um wegfallendes Geld der Bürger zu ersetzen.

Parallel haben wir das System des Unterhaltszuschusses für Kommunalstraßen in Höhe von 1.626 Euro pro Kilometer und Jahr. Diese Mittel werden den Gemeinden überwiesen, um etwa mit Blick auf den Winterdienst oder mit Blick auf die normalen Sanierungen über die Runden zu kommen. Man wird auch die Höhe dieses Fördertopfes bzw. die Höhe dieser Pauschale – sie war schon mal höher – anheben müssen, damit langfristige Planungen funktionieren.

Natürlich kostet Straßenbau Geld. Er war vielleicht in den letzten Jahren ein bisschen eine Billignummer im Haushalt des Freistaates Bayern, aber ich sage Ihnen ganz klar: Dafür werden wir mehr Geld in die Hand nehmen müssen, damit unsere Straßen wieder befahrbar sind und damit Anlieger nicht bis hin zur Existenzbedrohung abkassiert werden.

Unsere ganz klare Botschaft lautet: Das ist Aufgabe des Staates und der Allgemeinheit; das ist nicht die Aufgabe desjenigen, der zufällig dort wohnt.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Von Ihrer Seite höre ich, das würde plötzlich sehr viel Geld kosten, und die Bürgerbeteiligungen hätten die Ansprüche reduziert. Meine Damen und Herren, es ist eine ganz fiese Nummer zu sagen: Wenn sie selbst mitzahlen müssen, schauen sie nicht so genau hin. – Ich warte nur auf Ihren Vorschlag, dass die Eltern von schulpflichtigen Kindern die Schulhäuser selbst sanieren müssen, damit sie auch zufrieden sind, wenn der Putz von den Wänden fällt.

(Heiterkeit und Beifall bei den FREIEN WÄH- LERN)

Das kann doch nicht unser Ansatz sein. Wir müssen dafür sorgen, dass die Straßen in Bayern, darunter auch die Kommunalstraßen, in ordentlichem Zustand sind.

(Zurufe von der CSU)

Sie haben das in der Vergangenheit schon bei den Staatsstraßen nicht geschafft. Jetzt müssen wir wenigstens die kommunalen Straßen in einen ordentlichen Zustand bringen und diesen Zustand aufrechterhalten. Dafür ist unser Vorstoß goldrichtig. Am Ende sollte man nicht den Zustand der Finanzen einer Kommune schon daran erkennen, wie kaputt die Straßen sind.

Meine Damen und Herren, der Zustand der Straßen ist uns wichtig. Darum müssen wir uns kümmern. Wir müssen auch dafür sorgen, dass das Geld wirklich beim Straßenbau ankommt. Deswegen sind wir so vehement dafür, das Bürokratiemonster Straßenausbaubeiträge zu eliminieren, da ein Großteil dieser Gelder nicht mehr im Straßenbau, sondern bei der Justiz und bei den Beraterfirmen gelandet ist. Sie hören jetzt den Aufschrei aus genau dieser Szene. Jahrelang wurde Geld damit verdient, den Leuten das komplizierte System zu erklären. Aber am Ende war kein Geld mehr da, um die Straßen zu sanieren. Man hat dann zwar gewusst, wie es rechtssicher funktioniert, hat sich die Baufirmen aber nicht mehr leisten können. Das war das Produkt Ihres falschen Systems.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich glaube deshalb, dass es höchste Zeit ist zu erkennen, dass wir hier abräumen müssen.

(Zurufe von der CSU und der SPD – Glocke der Präsidentin)

Wenn Sie uns mit in die politische Verantwortung nehmen wollen, sage ich Ihnen: Wir haben Sie aus dem Dornröschenschlaf erweckt; denn anders ist nicht zu erklären, dass von Ihrer Seite jetzt das mitleiderregende Geschrei kommt, Sie seien von unserem Vorstoß überrumpelt worden.

(Lachen bei der CSU)

Wer mit absoluter Mehrheit regiert, dieses Thema wie eine Monstranz vor sich herträgt und es politisch zu verantworten hat, kann nur geschlafen haben.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ansonsten wäre es uns doch nicht gelungen, Sie zu überrumpeln.

(Zurufe von der CSU)

Wenn Sie sagen, Sie hätten es sowieso vorgehabt, Sie hätten nur bis April gewartet, entgegne ich Ihnen: Dann haben Sie heute wohl schon die fertigen Pläne in der Schublade. Bitte klären Sie die Bürgermeister und die Bevölkerung darüber auf, was Sie in der Schublade haben.

(Heiterkeit bei den FREIEN WÄHLERN – Lachen bei der CSU)

Da Sie so höhnisch herüber grinsen, gebe ich Ihnen zum Abschluss folgende Sätze mit, die ich Ihnen eigentlich gerne erspart hätte: Hätten Sie sich in den letzten Monaten darum gekümmert, was die wirklichen Sorgen und Nöte der Bevölkerung sind, hätten Sie dieses Thema erkannt. Aber der Parteiapparat war mehr damit beschäftigt, zu überlegen, wie man den Ministerpräsidenten um die Ecke bringt.

Herr Kollege Aiwanger, Ihre Zeit ist vorbei.

Sie haben sich währenddessen nicht um die Probleme der Bevölkerung gekümmert.

(Widerspruch bei der CSU)

Ich bitte Sie heute, die Probleme bei diesem Thema zu lösen.