(Finanzausgleichsänderungsgesetz 2018) (Drs. 17/18699) - Erste Lesung und Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Haushaltsgesetzes 2017/2018 (Nachtragshaushaltsgesetz 2018 - NHG 2018) (Drs. 17/18700) - Erste Lesung
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und erteile zunächst Herrn Staatsminister Dr. Markus Söder das Wort. Bitte schön, Herr Staatsminister, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Finanzausgleichsgesetz, Nachtragshaushalt, Ergänzung um netto 520 Millionen mehr – ist das so viel? Was bedeutet das? Geht es nur um ein Zahlenwerk? Haushaltspolitik wird immer unter dem Begriff Mathematik abgehandelt. Aber Haushaltspolitik ist mehr. Haushaltspolitik ist Staatsphilosophie. Bei der Haushaltspolitik münden Ideen in Ergebnisse praktischer Politik. In der Haushaltspolitik gilt der Grundsatz: "Ohne Moos nix los!" In anderen Bundesländern kann man sehen, welche Lücken und Probleme eine unsolide Finanzpolitik im Land schafft. Unser Haushalt ist das Gegenmodell. Wir in Bayern, meine sehr verehrten Damen und Herren, haben wirtschaftliche Leistungsfähigkeit und finanzielle Solidität aufzuweisen, und darum geht es den Menschen in Bayern besser als den Menschen in anderen Bundesländern.
Solide Finanzen sind nicht langweilig. Im Gegenteil, sie sind die Grundlage eines geordneten Staatswesens. Bayern ist heute so stark wie nie zuvor. Wir sind in diesem Jahrzehnt gewachsen wie niemand sonst. Wir zählen zu den leistungsfähigsten Volkswirtschaften in ganz Europa und auf der ganzen Welt. Eine Million Arbeitsplätze sind in den letzten zehn Jahren in Bayern neu geschaffen worden.
Wir haben mit 2,6 % derzeit die niedrigste Arbeitslosenquote über die Regionen hinweg. Die Arbeitslosigkeit ist anders verteilt als früher. Eine Zahl muss man sich immer merken, wenn man sieht, in wie vielen Ländern Europas junge Menschen keine Zukunft haben: Wir haben die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in ganz Europa. Dies zeigt: Bayern ist das Hoffnungsland für junge Menschen und die nächste Generation.
Manchmal liest man, Bayern habe zufälligerweise einen guten Lauf. Es ist gar nicht so leicht, das so darzustellen. Das, was wir heute präsentieren, ist kein Zufallsergebnis oder nur ein Zettel, auf dem aufgeschrieben steht, was jeder will. Es sind bewusste politische Entscheidungen. Die Stabilität und die Leistungsfähigkeit Bayerns sind nicht das Ergebnis eines Zufalls, sondern Ergebnis einer langfristigen und strategisch guten Politik in Bayern, und die setzen wir mit dem heutigen Tage fort, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Politik bedeutet nie Stillstand. Wir wissen, dass es in Bayern nicht nur Glitzer und Glamour, sondern auch Herausforderungen gibt. Wir wissen, dass es Probleme gibt, dass es Menschen gibt, die extrem leistungsfähig sind, dass es aber auch viele andere gibt, die mitgenommen werden wollen. Darum ist es wichtig, dass wir mit dem vorliegenden Nachtragshaushalt in Ergänzung unseres starken Haushalts auch weiter in die Zukunft und in die Menschen investieren. Dabei stellt sich immer die Frage, welchen Kompass wir haben. Jede Haushaltspolitik braucht am Ende einen Kompass. Dieser Kompass bedeutet ein modernes und nachhaltiges Staats- und Gesellschaftsverständnis. Bayern ist ein weltoffenes, aber auch wertgebundenes Land. Wie stellen wir uns den Staat vor, und wie wirkt sich das in der Finanzpolitik aus?
Wir wollen einen soliden Staat mit geordneten Finanzen. Wir wollen einen starken Staat, der Rechtssicherheit und Ordnung dort gewährleisten kann, wo es die Bürger erwarten. Wir wollen einen innovativen Staat, der Kreativität fördert und wirtschaftlichen Mut nicht behindert. Wir brauchen einen sorgenden Staat, der Menschen hilft, die sich selber nicht helfen können, und der denen Rückhalt gibt, die nicht nur mit Technik und kalter Verwaltungseinheit, sondern auch mit Würde durchs Leben gehen wollen. Last but not least brauchen wir einen bodenständigen Staat, der die Heimat erhält und die Regionen fördert. Unser Ziel und unser Leitmaßstab ist immer: Bayern soll Bayern bleiben, wie es ist, aber es soll sich weiterentwickeln, es soll offen für Entwicklungen in der Welt sein und den Menschen vermitteln, dass es schön ist und bleibt, in Bayern zu leben.
Solider Staat: Mit unseren Finanzen sind wir Marktführer und die Nummer eins. Wir sind sogar Pioniere in Deutschland. Zum 13. Mal – es bleibt dabei – machen wir keine Schulden. Heute ist das gar nicht mehr so attraktiv, weil viele Länder unserem Weg gefolgt
sind, obwohl sie uns damals alle angegriffen haben. Sie erinnern sich, früher hieß es bei Debatten in diesem Hohen Haus: Schulden muss man machen, dann kommt man voran. Haben Sie ein Land, eine Gemeinschaft, eine Volkswirtschaft erlebt, die durch dauerhaftes Schuldenmachen am Ende stärker geworden ist? – Schulden machen bedeutet nur den Abzug von Leistungsfähigkeit und eine Schwächung; Zukunftsvorsorge wird dabei nicht getroffen. Bayern macht das Gegenteil davon. Wir schauen in die Zukunft.
Wir machen keine neuen Schulden und tilgen alte Schulden. In guten Zeiten tilgen wir sogar noch einmal mehr. Wir haben in diesem Nachtragshaushalt die Schuldentilgung um eine Milliarde erhöht. Damit kommen wir für das Jahr 2018 auf 1,5 Milliarden und haben somit bislang 5,6 Milliarden getilgt. Das ist übrigens auch das Ergebnis einer nachhaltigen Politik, bei der die Sanierung der Landesbank im Mittelpunkt stand. Nur weil wir in diesem Jahr den Abschluss der Herausforderungen durch die Landesbank schaffen konnten, können wir jetzt auch wieder alte Schulden tilgen. Da schließt sich übrigens wieder der Kreislauf. Probleme gab es, aber über Probleme nur ein Leben lang zu jammern, ist keine Lösung. Wir haben die Probleme angepackt, wir haben gemanagt, saniert und verändert. Und Stück für Stück bekommen wir die Dividende als Lohn für das, was wir gemacht haben. Damit ist die Schuldentilgung deutlich erhöht worden.
Wir haben einen positiven Finanzierungssaldo. Wir haben ein geordnetes Wachstum, und wir haben mit 12,1 % eine Investitionsquote, die deutlich höher ist als in vergleichbar starken Ländern wie zum Beispiel Baden-Württemberg. Wir haben die Personalquote stabilisiert, was in Zeiten von Mehrausgaben in Höhe von 38,4 % für Bildung, Sicherheit, Ordnung und Polizei ein wichtiges Element ist. Die Zinsquote ist mit 1,1 % sensationell niedrig. Unser Ziel ist es, sie irgendwann bei null zu haben. Das ist unsere Aufgabe.
Wir haben einen Rekord-Länderfinanzausgleich von 6,3 Milliarden. Man muss es jedem bayerischen Bürger sagen: 6,3 Milliarden werden nach wie vor von der Leistungsfähigkeit Bayerns anderen zugute geschrieben, das zwar nicht mehr lange, aber jedenfalls noch im Moment.
Obwohl wir Wachstum und Mehrausgaben haben und die Kosten für den Länderfinanzausgleich steigen, behalten wir bis Ende des Jahres 2018 immer noch eine Rücklage von über vier Milliarden Euro. Das lässt die Bürger Bayerns besonders ruhig schlafen. Nennen Sie mir einen, der das kann: Investieren, sparen, til
gen und gleichzeitig noch etwas auf der hohen Kante haben – das kann nur Bayern. Wir sind wirklich einzigartig in Deutschland.
Wir sitzen jedoch nicht nur auf dem Festgeldkonto und sagen: Das war‘s. Wir investieren auch, und zwar genau in die Herausforderungen, die wir als Staat und Gesellschaft sehen.
Dazu zählt erstens der starke Staat. Natürlich sind Schutz, Sicherheit und Ordnung die Grundlagen der Freiheit. Übrigens erwarten die Bürger in unserem Land, dass wir uns darauf konzentrieren, zunächst die Sicherheit zu gewährleisten, bevor wir über andere Fragen reden. Wir haben mit 5,2 Milliarden Euro, die wir insgesamt in Sicherheit und Ordnung investieren, einen Höchststand erreicht. Wir müssen über die Polizei nachdenken. Das hat unser Innenminister immer wieder getan. In anderen Bundesländern werden jetzt Polizeistellen neu ausgeschrieben. Meine Damen und Herren, in anderen Bundesländern befinden sich die Stellen im Vergleich zu den letzten Jahrzehnten auf dem Tiefstand. Bei uns ist das Gegenteil der Fall. Wir sind dabei, die Stellen für die Ausbildung zu schaffen. Bayern verfügt derzeit über einen Höchststand der Stellen, die wir je bei der Polizei hatten. Ich kann nur eines sagen: Seit 2009 haben wir über 4.000 neue Stellen bei der Polizei geschaffen. Das ist der wichtigste Beitrag für die Sicherheit der Bürger in unserem Land. Das macht kein anderes Bundesland.
Joachim Herrmann, wir schaffen nicht nur mehr Stellen, wir rüsten die Polizei auch aus. Manchmal liest man in den Medien, wie es in anderen Bundesländern bei der Polizei zugeht. Ich kann nicht beurteilen, ob das alles stimmt. Ich nenne beispielsweise Berlin. Dort ist die Polizei nicht einmal in der Lage, ihre eigenen Einheiten zu schützen. Der Polizei werden Beweisstücke geklaut. Meine Damen und Herren, das zeigt das Bild eines Rechtsstaats, in den die Bürger zu Recht ihr Vertrauen verlieren. In Bayern ist das anders. Wir haben nicht nur Stellen geschaffen, sondern rüsten die Polizei auch aus – im Nachtrag noch einmal ganz deutlich. Wir werden das Polizeibudget stärken und uns auf die Herausforderungen der IT einstellen. Das ist ganz wichtig. Es reicht nicht, nur Stellen zu schaffen, wir müssen unsere Polizei auch ausrüsten, damit sie den Verbrechern und Kriminellen eine Antwort geben kann. Dann reicht es nicht, Steinschleudern zu bringen, wenn andere mit großen ITMaßnahmen kommen. Wir wollen, dass die bayerische Polizei in der Lage ist, jedem Verbrecher auf der Welt auf höchstem Niveau zu begegnen.
Viele unserer Bürger sorgen sich um die Unterkünfte für Menschen, die neu bei uns im Land sind und Asyl begehren. In den letzten Jahren hat es immer wieder Sicherheitsbedenken gegeben. Deshalb investieren wir jetzt über 100 Millionen Euro, um die Sicherheit aller zu stärken, der Menschen, die zu uns kommen, aber auch der Menschen, die im Umfeld leben. Meine sehr verehrten Damen und Herren, das ist ein ganz starkes Signal an die Menschen, die sich sorgen und anderen helfen, und an die Menschen, die eine neue Heimat suchen. Wir sollten ihnen vermitteln, dass ihre Sicherheit für uns die höchste Priorität hat. Wir geben Geld aus, um ihre Unterkünfte zu schützen und um die Sicherheit im Umfeld zu erhöhen. Kein anderes Land macht das.
Ein letztes Wort zur Sicherheit, auch das ist wichtig: Wir bezahlen unsere Beamten auch gut. Das gilt nicht nur für die Polizisten, aber dort ist es exemplarisch. Wir bezahlen auch alle anderen Beamten gut. Darüber haben wir oft geredet. Der öffentliche Dienst in Bayern wird ordentlich unterstützt. Wir gehen noch einmal einen Schritt weiter, weil wir nämlich feststellen, dass es mit den normalen Gehältern im öffentlichen Dienst vor allem in den Ballungsräumen nicht mehr so leicht ist, ein normales Leben zu erhalten. Wir gehen weiter und bauen Staatsbedienstetenwohnungen, 1.000 in München und 1.000 in Nürnberg. Die ersten Wohnungen werden schon bezogen. Zum Vergleich: Der Quadratmeterpreis beträgt dort nicht wie üblich 15 oder 16 Euro pro Quadratmeter, sondern beispielsweise 9 Euro pro Quadratmeter. Für unsere jungen Beamtinnen und Beamten, die eine Familie gründen wollen, ist Wohnen dort möglich. Wir gehen aber noch einen Schritt weiter und erhöhen die Ballungsraumzulage um 50 %. Wir sind der festen Überzeugung, dass ein starker Staat unabhängige Beamte braucht, die ordentlich alimentiert werden. Deshalb erhöhen wir in Ballungsräumen die Ballungsraumzulage, um ein Signal zu setzen.
Zweitens: der innovative Staat. Viele Bürger haben manchmal den Eindruck, dass der "innovative Staat" im Vergleich zum Rechtsstaat, der für Schutz und Ordnung sorgt, die Innovation behindert. Innovativer Staat bedeutet, Kreativität zuzulassen, Innovation zu fördern und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu ermöglichen. Täuschen wir uns nicht, weil es uns im Moment wirtschaftlich so gut geht. Derzeit befindet sich die Wirtschaft auf einem Niveau, das man sich nur erträumen kann. Das heißt nicht, dass wir uns
nicht anstrengen müssen, um das Niveau zu halten; denn die Welt ändert sich jeden Tag. Jeden Tag ändern sich Wettbewerb und Leistung. Wer stillsteht, hat diesen Wettbewerb schon lange verloren. Deshalb ist es uns an dieser Stelle wichtig, vor allem in die wichtigste Herausforderung, die Digitalisierung, zu investieren.
Bayern hat in der Vergangenheit große Transformationsprozesse erfolgreich gestaltet: vom Agrarland zum Industrieland, vom Industrieland zum Hightech-Land und jetzt an der Schwelle zur Digitalisierung. Die Digitalisierung stellt eine Herausforderung für uns alle dar, der wir uns manchmal nicht stellen. Bei der alten Dampfmaschine hat sich der Fortschritt daran bemessen, dass die Maschine größer und lauter wurde. Die Digitalisierung ist jedoch lautlos und klein. Manchmal merkt man nicht, wenn man den Wettbewerb bereits verloren hat. Dies dürfen wir für unser Land nicht zulassen. Deswegen investieren wir mit unserem Masterplan BAYERN DIGITAL II, der von Marcel Huber zusammengestellt und choreografiert wurde, genau in die Bereiche, von denen wir glauben, dass dort der Wettbewerb der Zukunft entschieden wird. Wir investieren beispielsweise in die Infrastruktur für Breitband. Derzeit verlegen wir 35.000 km Glasfaser. Meine Damen und Herren, das ist mehr, als das gesamte Staatsstraßen- und Kreisstraßennetz in Bayern Kilometer hat. Zeigen Sie mir ein Bundesland, das so stark in die Digitalisierung des ländlichen Raums investiert wie Bayern. Wir sind vorne an der Spitze.
Zu Recht sagt man: Nichts ist perfekt, was noch besser werden könnte. Das ist völlig klar. Deshalb investieren wir weiter. Ziel ist es, Gigabit in Bayern für jeden nutzbar zu machen. Deshalb haben wir uns für die nächsten Jahre auf Milliardeninvestitionen festgelegt. Wir ziehen auch noch nach. Während wir beim WLAN und beim Breitband stark sind, haben wir uns gemeinsam entschieden, uns eines weiteren Themas, nämlich des Mobilfunks, anzunehmen. Das ist eine, wie ich finde, echte Zukunftsaufgabe. Das wird nicht von jedem so gesehen. Immer gibt es einen, der mault und sagt: Das will er nicht, weil er Antennen nicht mag. Die Verbindung hätte er jedoch schon gerne. Meine Damen und Herren, wir haben uns zum erklärten Ziel gesetzt, Mobilfunk in Bayern nicht nur in den Städten, sondern überall im Land in gleicher Weise endlich zu dem Niveau zu verhelfen, wie es dem Standort Bayern gebührt. Dafür investieren wir; denn Mobilfunk eröffnet überall und jedem die Chance, eine Verbindung zu haben.
Wir investieren sehr stark in Forschung und Mittelstand. Wir müssen dem Mittelstand bei der Digitalisierung helfen. Der Digitalbonus wird verlängert und gestärkt. Das ist ein Anliegen vieler Mittelständler. Wir sind mit bewussten Investitionen in die Forschung von Robotik und künstlicher Intelligenz ganz stark vornedran und wollen den internationalen Wettbewerb aufnehmen. Mir scheint die Digitalisierung im Verkehr eine der Schlüsselchancen zu sein, um in wachsenden Ballungsräumen Lebensqualität und wirtschaftlichen Fortschritt wieder enger zusammenzubringen. Das scheint mir für die Landespolitik eine große Herausforderung zu sein: Es wird nicht nur reichen, das Wachstum zu steigern. Wir müssen vielmehr Wachstum, und zwar das reale wirtschaftliche Wachstum und die reale Leistungsfähigkeit, mit Lebensqualität im Hinblick auf Wohnungen und Luftreinhaltung synchronisieren. Dazu könnte die Digitalisierung im Verkehr einen entscheidenden Beitrag leisten.
Wir wollen die digitale Bildung voranbringen. Das ist die vielleicht größte Herausforderung. Wir schaffen nicht nur digitale Klassenzimmer und 500 neue Stellen, um die Digitalisierung in der Schule voranzubringen. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Digitalisierung bedeutet nicht nur hip und Hype. Die Digitalisierung wird die Arbeitswelt verändern und neue Jobs schaffen. Alte Jobs können nicht in gleicher Weise erhalten werden. Mit einer Änderung im Bildungssystem müssen wir es schaffen, nicht nur diejenigen mitzunehmen, die an der Spitze des Fortschritts marschieren, weil sie geborene Informatiker sind, sondern vor allem ganz normalen Menschen eine Perspektive zu bieten. Die Menschen müssen dabei mitgenommen werden. Das ist eine ganz zentrale Herausforderung.
Ein solider Staat, ein starker Staat, ein innovativer und ein sorgender Staat ist unsere Vorstellung. Die aus meiner Sicht im Moment drängendste soziale Frage der Zukunft ist die nach den eigenen vier Wänden. Noch niemals gab es so wenige Chancen für die Bildung von Eigentum, und noch nie war es für Normalverdiener in Ballungsräumen so schwer, eine Wohnung zu finden. Das ist nicht nur in München so. Das Problem besteht mittlerweile in vielen Großstädten, und es schwappt auch hinaus in die umgebenden Landkreise. Auch dort steigen die Preise. Menschen, die ihr Leben lang zur Miete gewohnt haben, sind im Alter plötzlich mit extremen Mietsteigerungen konfrontiert. Das stellt ein Land vor große Herausforderungen.
Seien wir doch einmal ganz ehrlich: Die gesamte Politik in Deutschland hat die letzten Jahre das Thema
zwar gesehen – dies ist eine Zustandsbeschreibung, kein Vorwurf –, wir haben auch über die Mietpreisbremse gesprochen, aber der politische Erfolg ist eher begrenzt. Wir haben davon gesprochen, die Bauzyklen zu verkürzen, um schneller bauen zu können. Doch nach wie vor dauert es etliche Jahre, um ein Baukonzept in einer Großstadt voranzubringen. Wir haben uns auch überlegt, Förderungen aufzulegen, passiert ist bislang aber relativ wenig. Egal, in welcher Konstellation die Regierung in Berlin agieren wird, Herr Kollege Rinderspacher, wenn wir hier nichts machen, dann bekommen wir auf Dauer ein Problem mit den Menschen in unserem Land. Das gilt, gleichgültig, ob die Regierung liebevoll, lose, alleine oder miteinander geführt wird. Wir müssen abwarten, was daraus wird, zumal es von Ihrer Seite, von Ihrer Partei relativ viele Vorschläge gibt.
Deshalb müssen wir auch in Bayern überlegen, was wir ergänzend zur Politik in Berlin tun können. Wir bauen jetzt so viele Wohnungen wie nie zuvor. Beim Wohnungsbau haben wir noch einmal nachgelegt, Joachim Herrmann. Unser Ziel ist es, den Wohnungsbau nicht nur für Beamte, sondern den sozialen Wohnungsbau ganz allgemein zu stärken, mit dem Ziel, bis 2020 28.000 staatlich geförderte Wohnungen zu haben. Meine Damen und Herren, wir müssen uns aber über den Tag hinaus Gedanken machen, wie wir es schaffen, Eigentum förderbarer zu machen. Ich persönlich glaube, die Chance, eigene vier Wände zu erwerben, ist als Lebensziel eines Menschen und für die Absicherung im Alter ganz wichtig. Hier haben wir zu wenig getan. Eigentum ist im Hinblick auf die Lebensqualität am Ende nämlich immer besser als Miete. Der Staat muss sich überlegen, wie er Eigentum fördern kann, nicht nur, wie er Mietpreise begrenzen kann. Das halte ich für wichtig.
Gesundheit und medizinische Fürsorge sind heute beim Nachtragshaushalt ebenfalls wichtige Aspekte, wenn es um das Soziale geht. Seien wir doch einmal ehrlich: Erst in den Wahlarenen bei der Bundestagswahl ist dem Großteil der deutschen Politik das Thema aufgefallen. Experten haben davon gewusst. Aber Demoskopen, Journalisten, Strategen und solche, die daran arbeiten, haben nicht gemerkt, dass es sich hier um ein Thema handelt, das die Menschen mehr bewegt, als wir gedacht haben. Dann, in einer Wahlarena, egal wo, hat einer plötzlich erzählt, was er bekommt, was er braucht, wie seine Situation ist. Dann ist die gesamte Medienblase hochgeschreckt – wie das in Deutschland so ist –, und plötzlich war es das große Thema. Man darf sich aber nicht täuschen: Das stand auch in der Relation zu Summen, die wir anderswo investieren. Die Menschen, denen man
sagt, für zehn Euro mehr Rente hättest du vor Jahren viel mehr Geld investieren müssen, stellen die Frage: Warum ist es bei mir nicht möglich, ein bisschen mehr zu helfen? Bei mir wird es recht knapp, während es für andere leicht möglich ist, Milliarden zu investieren.
Hier geht es nicht um ein Gegeneinander-Ausspielen. Es muss aber klar sein: Die Akzeptanz eines Staates und seiner Politik basiert nicht nur darauf, was man schnell verspricht, sondern auch darauf, dass die Menschen Verlässlichkeit und Treue des Staates ihnen gegenüber spüren, zumal, wenn sie ihr Leben lang loyal gegenüber dem Staat waren. In unserem Land muss deshalb klar sein: Wer krank wird, der muss in jeder Phase seines Lebens die Chance haben, ordentlich behandelt zu werden. Krankenhäuser dürfen nicht nur in Ballungsräumen entstehen. Wir geben deshalb 140 Millionen Euro mehr im Rahmen des FAG, des Finanzausgleichsgesetzes, aus, um Krankenhausinvestitionen auch im ländlichen Raum zu finanzieren. Geburten dürfen nicht nur in den großen Zentren möglich sein, sondern man muss auch zu Hause, in seiner Region, eine Familie gründen können. Glauben Sie mir: Der Ausbau von Hospiz- und Palliativmedizin ist in einer humanen, sozialen und christlichen Gesellschaft ein hohes Gebot. Ich habe es in meiner eigenen Familie erlebt: Es reicht nicht, wenn bis zum letzten Meter des Lebens Technik, Computer und Schlauch generiert werden können. Es ist auch wichtig, die Würde auf den letzten Metern des Lebens zu erhalten. Da gilt es zu investieren.