Protocol of the Session on November 14, 2017

Dieses Zitat stammt aus dem Lehrerbildungsnormativ von 1857.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Damals ging es darum, dass die niederen Lehrämter, die Volksschullehrer, nicht so gut ausgebildet sein

sollten, damit sie ihren Schülerinnen und Schülern keine Flausen in den Kopf setzten und diese gar zu richtigen Demokraten würden.

(Ingrid Heckner (CSU): Oh mei!)

Diese Zeiten sind vorbei. Aber es ist interessant, in die Geschichte des getrennten Lehramts zu schauen. Heute wissen wir, dass es auf die Lehrkräfte ankommt. Die Lehrkräfte können nicht gut genug ausgebildet sein.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das hat schon der neuseeländische Bildungsforscher Hattie in seiner viel zitierten Studie festgestellt. Es kommt nicht auf die Fragen der Schulstruktur oder auf die Klassengrößen an, sondern auf die Kompetenz der Lehrkräfte. Es kommt darauf an, dass die Lehrkräfte die Schülerinnen und Schüler im Blick haben und genau wissen, was während des Unterrichts passiert. Sie müssen den Unterricht entsprechend steuern. Dafür müssen sie gut ausgebildet sein.

Im Gesetzentwurf geht es darum, die Ausbildung für Lehrkräfte an der Unterrichtswirklichkeit zu orientieren. Lehrerinnen und Lehrer müssen während des Studiums gut auf den späteren Beruf vorbereitet werden. Im Rückblick auf das Studium bemängeln viele Lehrkräfte, dass sie nicht ausreichend für den Beruf gerüstet sind. Nach einer Studie des BLLV fühlt sich lediglich ein Viertel der Studierenden gut auf den späteren Beruf vorbereitet. Das gilt es zu ändern.

Allen ist der viel zitierte Praxisschock bekannt, den viele erleiden, wenn sie während des Referendariats an die Schule kommen. Sie stellen dann fest, dass die Schule ganz anders ist, als im Studium gedacht. Sie sind oftmals nicht vorbereitet. Es ist klar, dass wir eine Ausbildung auf wissenschaftlich hohem Niveau brauchen, sowohl fachwissenschaftlich als auch in den sogenannten Bildungswissenschaften wie Pädagogik und Psychologie.

Die Schule muss auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren, nicht reflexartig, aber reflektiert. Wir leben heute in einer Zeit, die sich zu einem digitalen Zeitalter entwickelt. Darüber werden wir heute noch sprechen. An den Schulen gibt es sehr heterogene Schülergruppen. Die Schülerinnen und Schüler sind unterschiedlich und individuell. Auch das Thema Inklusion spielt eine große Rolle. Wir wissen, dass wir in einer Einwanderungsgesellschaft leben. Lehrerinnen und Lehrer müssen darauf vorbereitet werden.

In der Zukunft wird es immer mehr Ganztagspädagogik geben. Vielleicht kommt bald der Rechtsanspruch auf Bundesebene. Die Herausforderungen für Lehre

rinnen und Lehrer sind schulartübergreifend. In allen Schularten geht es um diese Themen. Deswegen sollten wir das Gemeinsame an der Lehrerausbildung hervorheben und nicht immer das Trennende betonen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Jedoch setzt die Lehrerausbildung in Bayern bisher auf das Trennende und auf das Schulartspezifische. Die Lehrerausbildung in Bayern setzt zu wenig auf die gemeinsamen Aufgaben, die alle Lehrkräfte zu bewältigen haben. Das wollen wir ändern.

In allen Studiengängen muss das fachwissenschaftliche Niveau hoch sein, auch im Grundschullehramt. Die IQB-Studie zeigt, dass eine gute Ausbildung der Grundschullehrkräfte im Fach Deutsch oder Mathematik für die guten Schülerleistungen mit entscheidend ist. Bayern steht hier gar nicht so schlecht da. In allen Lehrämtern muss die Ausbildung auf einem hohen fachwissenschaftlichen Niveau stattfinden.

Beim Thema Referendariat ist zu sagen, dass hier die Theorie aus dem Studium mit der Unterrichtspraxis verknüpft werden muss. Schon früher im Studium müssen Theorie und Praxis besser verzahnt werden. Die Referendare müssen besser auf die Unterrichtswirklichkeit vorbereitet werden; da darf es nicht nur davon abhängen, ob man in der Referendarausbildung eine gute oder schlechte Seminarleiterin hat. Die Ausbildung muss stärker verstetigt werden.

Momentan müssen wir auch feststellen, dass der starke Schulartenbezug in der Lehrerausbildung den flexiblen Einsatz der Lehrkräfte im Schuldienst blockiert. Im letzten Jahr haben etwa 1.600 Realschullehrkräfte keine Stelle an der Realschule bekommen. Beim Gymnasium gibt es eine ähnliche Größenordnung. Diese Lehrkräfte wurden an anderen Schularten eingesetzt, da es dort wegen zu weniger Lehrkräfte gebrannt hat. Jedoch mussten diese zum Teil eine Zusatzqualifikation erwerben, um richtig eingesetzt werden zu können. Hier ist festzustellen, dass die Steuerungsmöglichkeiten der Lehramtsausbildung schiefgehen. Wir müssen auch im Studium etwas verändern.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, unser Gesetzentwurf hat die Überschrift: "Auf die Lehrkräfte kommt es an". Wir wollen eine neue Struktur der Lehrerausbildung. Wir sehen vor, dass alle Lehramtsstudierenden eine Bachelorausbildung machen, in der eben die gemeinsamen Themen eine Rolle spielen und die Bildungswissenschaften wichtig sind. Die Lehre der Fachwissenschaften soll darin schon beginnen; aber gerade mit diesem Lehrerstudium wollen wir die jungen Leute für die Herausforderungen qualifizieren, die an den

Schulen eine Rolle spielen, wie Digitalisierung, Inklusion, Heterogenität und Sprachbildung. Das ist für alle Schülerinnen und Schüler wichtig. Dafür braucht es eine entsprechende pädagogische Ausbildung.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir setzen voraus, dass in einem Masterstudiengang eine Spezialisierung und eine Vertiefung folgen, mit der die Absolventen später an den Schulen eingesetzt werden. Dabei sagen wir ganz klar: Die Spezialisierung richtet sich vornehmlich nach den Altersstufen der jungen Leute und erst in zweiter Linie nach den Schularten; denn alle Lehrerinnen und Lehrer unterrichten Achtjährige, Dreizehnjährige und Siebzehnjährige, vielleicht mit durchaus unterschiedlichem fachlichen Niveau, aber die Aufgaben sind sehr ähnlich. Deswegen sehen wir vor, dass Studierende einen Master für die Ausbildung zur Grundschullehrerin oder zum Grundschullehrer machen und dann bis zur sechsten Klasse eingesetzt werden können. Eine Sekundarstufe-I-Lehrkraft soll in der Sekundarstufe beispielsweise an Mittelschulen, Realschulen und Gymnasien eingesetzt werden. Lehrkräfte für die Sekundarstufe II sollen in der Oberstufe an Gymnasien und an beruflichen Schulen, an FOS und BOS, eingesetzt werden.

Wir sehen vor, dass man dann einen Master of Education macht, der Voraussetzung für das Referendariat ist. Im Referendariat müssen wir eine andere Form der Beratung und des Coachings haben.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Im Referendariat brauchen wir eine andere Form der Bewertung. Heute muss man im Referendariat eine Musterstunde halten, eine Super-Unterrichtsstunde, die man sein Leben lang nie mehr halten kann, weil man nie mehr die Zeit hat, sich so lange vorzubereiten. Diese Stunde entscheidet derzeit die Note. Das kann nicht sein. Wir brauchen eine Bewertung im Referendariat, die sich an der tatsächlichen Unterrichtspraxis orientiert, die gestaffelt sein muss und nicht mehr in dieser Form erfolgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wichtig ist noch, dass das Studium für alle Lehrämter gleich lange dauert, nämlich mindestens neun Semester. Das ist die erste Voraussetzung für eine gleiche Bezahlung aller Lehrkräfte. Als Begründung für die ungleiche Bezahlung wird immer die ungleiche Studienzeit angeführt, wobei das meines Erachtens nicht stichhaltig ist. Die gleiche Studienzeit ist eine Voraussetzung.

Ganz wichtig ist, dass wir eine Qualitätsverbesserung des Lehramtsstudiums brauchen. Wir brauchen mehr Geld. Gegenwärtig kostet ein Lehramtsstudiengang pro Jahr etwa 4.000 Euro pro Studierenden. Wir wollen eine Verdoppelung dieser Mittel. Wir brauchen kleinere Gruppen und ein besseres Verhältnis zwischen Professoren und Studierenden. Wir brauchen eine gute Betreuung während der Praktika, und wir brauchen die Möglichkeit, die Lehrerstudiengänge digital besser auszustatten. Deswegen sehen wir dafür auch eine Verbesserung der Mittel vor.

Und ja, ein Nebeneffekt ist: Wir werden den Numerus clausus für Referendare, den Sie vor zwei Jahren eingeführt haben, wieder abschaffen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte um gute Diskussionen zu diesem Thema auch in den Ausschüssen; denn wir sind uns einig: Auf die Lehrkräfte kommt es an. Sie können gar nicht gut genug ausgebildet werden. Das sieht unser Gesetzentwurf vor.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke schön, Herr Kollege. – Als Nächster hat der Kollege Lederer von der CSU das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Wertes Präsidium, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die GRÜNEN haben einen Gesetzentwurf mit dem Ziel der Einführung eines Stufenlehrers eingereicht. Ihnen zufolge soll es vier verschiedene Arten von Stufenlehrern geben: für die Primarstufe, die Sekundarstufe I, die Sekundarstufe II und die Inklusion. Sie sehen außerdem die Abschaffung der schulartspezifischen Lehrerausbildung vor, wie wir sie in Bayern haben. Darüber hinaus soll eine Regelstudienzeit für alle Lehrämter eingeführt werden, die gleich ist und maximal zehn Semester beträgt; das heißt, für manche Lehramtsstudiengänge hätten wir eine Verlängerung um mehrere Semester. Dazu kommt noch, dass die GRÜNEN die erste Staatsprüfung abschaffen möchten. Dafür wollen sie Bachelor- und Masterstudiengänge einführen.

(Unruhe – Glocke des Präsidenten)

Der Vorbereitungsdienst soll von 24 auf 18 Monate verkürzt werden. Betreuung und Bewertung während des Referendariats sollen strikt getrennt werden. Ich gehe davon aus, dass auch eine personelle Trennung gemeint ist, wenn Sie von strikter Trennung sprechen.

Dem Titel dieses Gesetzentwurfs "Auf die Lehrkräfte kommt es an", liebe Kolleginnen und Kollegen, kann

ich zustimmen. Aber der Anspruch, den dieser Titel stellt, wird dann von dem, was im Gesetzestext steht, aus meiner Sicht nicht gedeckt. Im Gegenteil: Der Anspruch dieses Titels und das, was im Gesetzestext steht, klaffen weit auseinander. Ich bin davon überzeugt, dass das jetzige Lehrerbildungssystem diesem Anspruch viel besser gerecht wird.

Der Kollege Gehring hat es vorher angesprochen: In der Pressekonferenz haben die GRÜNEN die IQBStudie 2016 zitiert, in der Bayern sehr gut abgeschnitten hat. Diese Studie belegt, dass das differenzierte bayerische Schulsystem, aber auch die Lehrerbildung, die wir in Bayern haben, den aktuellen Herausforderungen bestens genügen. Das Ergebnis zeigt, dass sich das bisherige System, die bisherige Struktur bewährt hat und eben nicht abgeschafft werden sollte. Bayern bildet Lehrer gemäß den Anforderungen in der Praxis aus, entsprechend den Schularten, in denen die Lehrer unterrichten. Das differenzierte Schulwesen bietet zum einen Schülern unterschiedlichster Begabung eine optimale Bildungslandschaft und stellt zum anderen unterschiedlichste Anforderungen an die Lehrerpersönlichkeit in puncto Pädagogik, Fachlichkeit und Didaktik.

Wir haben zum Beispiel an den Grund- und Mittelschulen das Klassenleiterprinzip. Lehrer unterrichten ihre Schüler in mehreren Fächern, verbringen deswegen sehr viele Stunden mit den Schülern gemeinsam im Unterricht und stehen hier als Ansprechpartner zur Verfügung. Deswegen werden speziell auf dieses Angebot in weiten Teilen die Pädagogik, die Didaktik und die Psychologie ausgerichtet.

An Realschulen und Gymnasien ist es anders. Deswegen werden hier die Schwerpunkte anders gelagert, ohne diese Bereiche wie Pädagogik, Fachlichkeit oder Didaktik zu vernachlässigen. Sie möchten das zu weiten Teilen ändern.

Anders als im Gesetzentwurf dargestellt, ist die jetzige Lehrerausbildung nicht starr und zementiert; im Gegenteil: Sie wird natürlich weiterentwickelt, und Themen wie Integration und Inklusion sind selbstverständlich Ausbildungsstand.

(Thomas Gehring (GRÜNE): Aber bei der Inklusion haben wir zehn Jahre gewartet!)

Jetzt kommen wir zum ersten Punkt, an dem dieses Gesetz krankt: Mit der ersten Staatsprüfung haben wir über die Lehramtsprüfungsordnung I – LPO I – Steuerungsmöglichkeiten vonseiten des Ministeriums. In Ihrem Gesetzentwurf schreiben Sie: Wir machen einen Bachelorstudiengang mit einer Länge von sechs bis acht Semestern; dann hängen wir einen Masterstudiengang mit zwei bis vier Semestern an;

und die Universitäten legen die Studien- und Prüfungsordnung fest. Lieber Kollege Gehring, Sie haben dann keinerlei Möglichkeiten mehr, auf das einzuwirken, was in der Prüfungsordnung steht, und es ist den Universitäten überlassen, inwieweit sie auf die eine oder andere Herausforderung eingehen oder nicht. Das ist genau das Gegenteil von dem, was Sie mit Ihrem Gesetzentwurf eigentlich initiieren wollten: Sie lassen sich Instrumente der Steuerung aus der Hand nehmen. Das ist der völlig falsche Weg.

Der Gesetzentwurf sieht darüber hinaus eine Angleichung der Studienzeit für das Studium aller Lehrämter vor. Für die Studiengänge der Lehrämter Grund- und Mittelschule soll es eine Verlängerung geben, für die anderen soll die Studiendauer gleich bleiben, bei gleichzeitiger Reduzierung der Länge des Referendariats. Dabei habe ich doch in Ihrem Gesetzentwurf zum Referendariat Folgendes gelesen:

… das Referendariat … stellt eine entscheidende Phase in der gesamten Lehrkräfteausbildung dar, denn hier sollen Theorie und Praxis verknüpft und die Lehrkräftepersönlichkeit weiterentwickelt und gestärkt werden.

Obwohl Sie das Referendariat als so wichtig erachten und vorher noch den Praxisschock angesprochen haben, wollen Sie seine Länge um 25 % verringern. Ich denke, das ist der verkehrte Weg.

Ihr Gesetzentwurf bleibt auch in vielen Bereichen unglaublich vage, unklar und ist manchmal sogar etwas wirr. So soll zum Beispiel – ich zitiere wieder – "eine neue Balance von Fachwissenschaft, Fachdidaktik und Bildungswissenschaften" entstehen. Aber welche? Ich habe im Gesetzentwurf dazu nichts gelesen. Wer legt das fest, wenn Sie aufgrund der Bachelor- und Masterstudiengänge die Lehramtsprüfungsordnung nicht mehr als Regulativ haben, sondern nur noch die Universitäten das bestimmen?

Des Weiteren steht im Gesetzentwurf, im Masterstudiengang, der zwei bis vier Semester dauere, soll eine Schwerpunktsetzung nach Schularten vorgenommen werden. Andererseits möchten Sie aber, dass diese Lehrkräfte in allen Schularten unterrichten – zumindest gibt es einige Schularten, in denen wohl alle vier Lehrerausbildungsrichtungen unterrichten werden. Das heißt, Sie nehmen eine Spezialisierung vor, werfen dann aber die Leute ins kalte Wasser, weil sie überall unterrichten können müssen.

Ein weiterer Punkt, der mir Rätsel aufgibt, ist die Lehrerbildung an beruflichen Schulen. Es wird ausgeführt, dass das Lehramt für berufliche Schulen den Schwerpunkt bei einem Unterrichtsfach hat und eine berufliche Fachrichtung vertieft studiert werden soll. Gleich