Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Landesentwicklungsprogramm ist nach eigener Angabe der Staatsregierung – ich zitiere – das fächerübergreifende Zukunftskonzept der Staatsregierung für die räumliche Ordnung und Entwicklung Bayerns; sein Ziel ist der Erhalt und die Schaffung gleichwertiger Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Bayern ist damit in Deutschland in einer wirklich einzigartigen Situation. Auf Initiative der SPD wurde dieses Ziel gleichwertiger Lebensbedingungen auch in die Verfassung aufgenommen. Bayern geht damit einen positiven Sonderweg, der es von den anderen Bundesländern unterscheidet, die mehr auf passive Sanierung und ähnliche Themen setzen. Auch die Europäische Union geht leider den Weg der immer weiteren Urbanisierung und der Konzentration auf Städte, nicht der Entwicklung ländlicher Räume.
Dieses Landesentwicklungsprogramm ist ein wichtiger Baustein bei der Schaffung gleichwertiger Lebensverhältnisse. Wir haben in der Diskussion zu diesem Verordnungsentwurf eine Anhörung gemacht. In der Anhörung ist noch einmal ganz deutlich geworden, dass es um Ausgleich zwischen strukturschwachen und strukturstarken Regionen geht, aber natürlich auch um einen Ausgleich zwischen Umweltbelangen und den Erfordernissen von wirtschaftlicher Entwicklung. Gerade den strukturschwachen Regionen muss wirtschaftliche Weiterentwicklung ermöglicht werden. Die Meinungen darüber, wie man diesen Ausgleich schaffen kann, was vor Ort geregelt werden kann und was letztendlich landesweit vorgegeben werden muss, gehen allerdings auseinander. Ich weiß, der Ausgleich zwischen Ökologie und Ökonomie ist nicht einfach und kostet Anstrengung. Aber das ist eine Anstrengung, die wir für eine gute Entwicklung Bayerns, auch für unsere Kinder und Enkel unternehmen müssen.
Herr Minister Söder, Sie haben sich dieser Anstrengung nicht unterzogen. Sie ignorieren die Nachhaltigkeitsstrategien Ihrer eigenen Staatsregierung. Sie ignorieren den fächer- und themenübergreifenden Anspruch des Landesentwicklungsprogramms, indem Sie wichtige Zukunftsherausforderungen wie die Bevölkerungsentwicklung in den Städten mit all den Auswirkungen auf Verkehr, auf Wohnraum und Umwelt vollkommen außen vor lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Landesentwicklungsprogramm setzt den rechtlichen Rahmen der Landesentwicklung und trifft klare Vorgaben im Umgang mit Raumkonkurrenzen. Die Entwicklung der Kommunen läuft dann innerhalb dieser Leitplanken. Die Idee, Regionen mit besonderem Förderungsbedarf auszuweisen und sie mit erhöhten Fördermitteln zu bedenken, ist an sich eine gute Sache. Wenn Herr Minister dann aber in einem so reichen und erfolgreichen Land – der Kollege Huber hat sehr breit ausgeführt, wie erfolgreich und wie reich Bayern ist, ich will das auch gar nicht bestreiten – über 50 % der Kommunen als besonders bedürftig tituliert, stimmt mich das bedenklich.
Wenn man dies aber macht und meint, dass über 50 % aller Kommunen in Bayern besonders bedürftig seien, dann muss sich dies auch im Haushalt des Freistaates abbilden, dann muss man die Fördermittel, die für diese Kommunen zur Verfügung gestellt werden, deutlich erhöhen; denn sonst bleibt für einzelne Kommunen einfach zu wenig übrig.
Ich kann einen Kuchen nicht auf immer mehr Esser verteilen und mich dann wundern, wenn die Kuchenstücke kleiner werden. Da muss man etwas größer backen, sprich man muss deutlich mehr in den Haushalt einstellen, als momentan geplant ist. Wir können deshalb auch dem Antrag der GRÜNEN zu den Räumen mit besonderem Handlungsbedarf leider nicht zustimmen; denn – wie gesagt – wir sind der Meinung, der Kuchen muss größer werden, wenn die Esser mehr geworden sind, und nicht umgekehrt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, einige Experten haben in der Anhörung gefordert, im Raum mit besonderem Handlungsbedarf nochmals einen extra Raum mit ganz besonderem Handlungsbedarf auszuweisen, sprich für besonders bedürftige Kommunen, und die Fördergelder erst einmal dort zu konzentrieren. Über diese Anregung hätte man sicherlich vertieft diskutieren müssen; aber wie alle anderen Anregungen in der Anhörung ist auch diese spurlos am Ministerium und seinem Chef vorbeigezogen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben dem Änderungsantrag der CSU einstimmig zugestimmt, was Mindestabstände von Freileitungen bei Stromtrassen angeht. Ich denke, das ist eine gute Sache zum Schutz der Bevölkerung. Aber ich erwarte von den möglichen Koalitionären in Berlin schon, dass sowohl der Südostring als auch der Bayernring komplett unter
die Erde verbuddelt werden, und zwar in einem Graben. Es kann nicht sein, dass der Südostring unter der Erde und der Neubau des Bayernrings darüber liegt. Das ist planerischer Schwachsinn und nicht zu dulden.
Wenn die Staatsregierung im Auftrag des Landtags ein Gutachten zur Entwicklung der Zentralen Orte in Auftrag gibt, erwartet man eigentlich als gemeiner Parlamentarier, dass dieses Gutachten dann wenigstens gelesen wird und vielleicht auch seine Anregungen aufgenommen werden. Minister Söder hat es sich da sehr einfach gemacht. Er hat zum Beispiel am 11. Mai im Wirtschaftsausschuss gesagt, Gutachten seien nicht immer mit der Realität in Einklang zu bringen. Der Entwurf der LEP-Fortschreibung nimmt dann konsequenterweise auch keinen einzigen Vorschlag der Gutachter auch nur ansatzweise auf. Hier wird also nach dem Motto gehandelt: Trau nur dem Gutachten, das deine eigene Sicht der Dinge und deine eigenen Vorurteile bestätigt; der Rest wird ignoriert. Lieber Minister Söder, so beratungsresistent zu sein, ist aber keine Empfehlung für einen Politiker, vor allen Dingen nicht für einen so ehrgeizigen wie Sie.
In dem Gutachten – wir haben das gelesen – ging es um die Sinnhaftigkeit, die Aufgaben, die Verteilung im Land und die Funktionen der Zentralen Orte. Die Zentralen Orte sind die Knoten im Netz der Daseinsvorsorge, und der Staat entwickelt über diese Zentralen Orte das Land und sorgt dafür, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge erfüllen können. Wir als SPD-Fraktion stehen klar hinter dieser Vorstellung von Zentralen Orten, die sich in der Entwicklung Bayerns sehr bewährt hat. Leider gibt es in der Staatsregierung seit einigen Jahren eine andere Auffassung zu dem Thema der Zentralen Orte. Für sie ist ein Zentraler Ort nur noch ein Titel, den man einer Kommune gibt, die dann damit machen kann, was sie will, und die es auch bleiben lassen kann. Eine Unterstützung für die damit verbundenen Aufgaben kann sie vonseiten der Staatsregierung aber nicht mehr erwarten.
In der Konsequenz wird die Anzahl der Zentralen Orte auch massiv erhöht. Wenn selbst der Bayerische Gemeindetag in der Anhörung sagt, dass es jetzt des Guten zu viel ist, sollte man das ernst nehmen und sich überlegen, dass man erst einmal die Aufgaben vernünftig diskutiert und dann darüber nachdenkt, wie viele Zentrale Orte welcher Stufe man dafür braucht, und nicht umgekehrt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in dem Gutachten wird gefordert – das ist wirklich die wichtigste Forderung –, den einzelnen Zentralen Orten eine klare Entwicklungskonzeption mitzugeben. Das ist vor allen Dingen wichtig für die neuen grenzüberschreitenden Zentralen Orte, die Sie, Kollege Huber, gar nicht erwähnt haben. Denn natürlich müssen grenzüberschreitende Zentrale Orte andere Funktionen und Aufgaben haben als die normalen Zentralen Orte. Wenn ich als Schüler in Waldsassen wohne, kann ich nicht in Eger zur Schule gehen, und wenn mir in Waldsassen mein Portemonnaie geklaut wird, kann ich nicht in Eger zur Polizei gehen, um dort den Diebstahl anzuzeigen. Also müssen wir uns erst einmal überlegen, welche Aufgaben grenzüberschreitende Zentrale Orte zu erfüllen haben. Dazu steht im kompletten Landesentwicklungsprogramm überhaupt nichts außer dem dürren Satz, die Kommunen mögen sich überlegen, was sie mit dem Titel anfangen. Nun ist es so, dass zum Beispiel Waldsassen sehr gut unterwegs ist, indem die dortigen Verantwortungsträger Konzeptionen für ihren speziellen grenzüberschreitenden Zentralen Ort entwickeln. Aber ich denke, es ist Aufgabe des Staates, sich, bevor er eine solche Kategorie einführt, einmal zu überlegen, was das eigentlich überhaupt sein soll.
Das Gleiche gilt für die neue Kategorie der Metropolen. Auch hier ist kein Konzept hinterlegt. Es ist nicht klar, wie sich die Metropolen im Verhältnis zu den Metropolregionen verhalten sollen, welche Verbindungen es gibt und was denn nun eigentlich das grundsätzlich Neue an den Metropolen ist.
Die Krönung in dem internen Wettbewerb von Staatsregierung und CSU um den schönsten Titel für einen Zentralen Ort ist der neue Titel der Regionalzentren. Er wurde nach einer Anhörung, in der wirklich niemand auch nur ansatzweise eine solche Kategorie gefordert hat, plötzlich über einen CSU-Änderungsantrag eingeführt. Das war ein Schnellschuss ohne jede Konzeption und ohne jede Aufgabenbeschreibung. Ich vermute, es gab nur das vage Gefühl, man könne doch nicht Orte wie Würzburg und Weiden in einen Topf werfen, da müsse man schon noch eine Differenzierung vornehmen. Aber so ein vages Gefühl hat nichts mit Politik zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, im letzten Landesentwicklungsprogramm wurde die Anzahl der Zentralitätsstufen mühselig reduziert, um das System praktikabel zu halten. Jetzt ist man wieder bei der alten Anzahl, nur um, wie gesagt, Titel statt Mittel zu verteilen. Wir sind der Meinung: Geben Sie den Kommunen endlich die ausreichende Unterstützung, die sie brau
Es ist schon obskur, wenn man auf der einen Seite aus Würzburg ein Regionalzentrum macht und diesem auf der anderen Seite gegen den Rat aller Experten das Staatsarchiv klaut. Das ist keine konsistente und keine durchdachte Politik; denn gerade die Zentralität des Ortes Würzburg bedingt ja, dass dort Einrichtungen wie das Staatsarchiv angesiedelt sind.
Ich komme noch zum Anbindegebot. Zunächst einmal, lieber Kollege Huber, macht es natürlich einen Unterschied im Flächenverbrauch, ob ein Gewerbegebiet angebunden ist oder nicht, es sei denn, Sie schaffen alle Mitarbeiter und alle Materialien per Hubschrauber in das neue, nicht angebundene Gewerbegebiet. Andernfalls brauchen Sie Straßen und Versorgungsleitungen, und daraus ergibt sich natürlich ein Flächenbedarf.
Aber zum Anbindegebot. Herr Minister Söder hat gesagt, ihn interessierten da nicht die Gutachten oder die Anhörung, sondern nur die Stellungnahmen der Betroffenen, und das sind aus seiner Sicht die Bürgermeister. Ja, die Bürgermeister sind betroffen. Aber betroffen sind auch die Natur und die Landschaft. Deshalb geht es hier wieder um einen Ausgleich, um die Interessen in Einklang zu bringen. Dafür haben wir das LEP. Wir müssen den Flächenverbrauch und die Flächenversiegelung in den Griff bekommen. Regierungskunst besteht meiner Meinung nach darin, die Bedürfnisse nach Senkung des Flächenverbrauchs mit den Interessen einer wachsenden Industriegesellschaft in Einklang zu bringen. Aber, Minister Söder, Ihr Entwurf ist keine Regierungskunst. Er ist noch nicht einmal solides Regierungshandwerk. Er ist auch kein Gesellenstück, er ist einfach nur Stümperei.
Die wirtschaftliche Entwicklung der Kommunen muss sichergestellt werden, das ist richtig, aber das Anbindegebot ist kein Entwicklungshindernis für Kommunen. 40 % Leerstand an Gewerbeflächen in Bayern sprechen hier eine deutliche Sprache. Um Gewerbe anzusiedeln, braucht es mehr als eine Fläche. Wir brauchen gute Standortfaktoren wie Breitbandversorgung und Verkehrsinfrastruktur, aber auch weiche Faktoren wie gute Kinderbetreuung und Nahversorgung und außerdem eine gute regionale Wirtschaftsförderung.
Es gibt sicher konkrete Problemfälle; ich habe mir letztes Jahr einen in Niederbayern angesehen. Aber für diese konkreten Problemfälle gibt es ja das Mittel
der Zielabweichung. Bei der Betrachtung solcher Fälle kann man in Einzelfällen konkrete Lösungen finden. Ich brauche dafür nicht das komplette Anbindegebot aufzuweichen. Geplant war ja, Gewerbegebiete komplett entlang von Autobahnen zuzulassen und für interkommunale Gewerbegebiete überhaupt keine Einschränkungen mehr vorzusehen. Sie können jetzt auch mitten in der Pampa angesiedelt werden, Hauptsache, zwei Kommunen sind sich einig.
Nun – und das ist durchaus positiv zu sehen – hat die Anhörung die CSU-Fraktion durchaus zum Nachdenken angeregt. Es ist gut, dass sich die CSU dort auch einmal als lernfähig erweist. Das dauert immer elendig lange, aber das sind wir ja gewohnt. So wurde im Änderungsantrag der CSU eine Einschränkung aufgenommen, dass das Orts- und Landschaftsbild nicht wesentlich beeinträchtigt werden darf und dass kein alternativer Standort vorhanden sein darf. Das ist eine kleine Verbesserung – deshalb stimmen wir diesem Antrag auch zu –, aber wahrlich kein Grund zur Euphorie; denn die wesentliche Beeinträchtigung des Ortsbildes ist kein eindeutiger juristischer Begriff. Dies wird Auslegungssache der Regierungen sein und wird jede Menge gerichtlicher Auseinandersetzungen nach sich ziehen. Außerdem enthält das Baugesetzbuch bereits den Passus, dass eine Verunstaltung von Orts- und Landschaftsbildern zu vermeiden ist. Dies auch im LEP ausdrücklich zu betonen, ist sicher gut, aber kein ausreichender Schutz.
Lieber Kollege Huber, wenn sich jetzt die gesamte CSU-Fraktion für ihren großen Mut gegenüber ihrem eigenen Minister gegenseitig auf die Schultern klopft, dann erinnert mich das schon ein wenig an folgendes Bild: Ein Mann sieht, wie sein Kumpel ein Haus anzündet, und schaut eine Zeit lang zu; dann holt er endlich die Feuerwehr und lässt sich dann dafür loben, dass nur der Dachstuhl abgebrannt ist und nicht das ganze Haus.
Für das LEP heißt das: Die Aufweichung des Anbindegebots ist unnötig, auch in der jetzt vorliegenden Form.
Ähnliche Anmerkungen kann ich zum Bereich Tourismus machen. Sie erwecken immer den Eindruck, hier ginge es um die kleine Waldhütte irgendwo in der Idylle. Worum geht es aber im Verordnungsentwurf? – Um lärmende Freizeiteinrichtungen, sprich: zum Bei
spiel Gokart-Anlagen, die in Zukunft mitten in die Natur gebaut werden dürfen – eine Verschandelung von Heimat, wie es schlimmer nicht geht.
Kommen wir noch zum Thema Einzelhandel. Im Ausschuss hatten wir das Problem aufgegriffen, dass viele kleine Geschäfte in einem Gewerbegebiet, über das ich ein Dach ziehe, auch großflächigen Einzelhandel ausmachen. Die CSU-Fraktion ist auf diese Kritik eingegangen und hat in einem Änderungsantrag eine Klarstellung vorgenommen. Diesem Änderungsantrag hätten wir auch gerne zugestimmt. Leider wird im zweiten Teil des Antrags eine Regelung eingeführt,
dass Einzelhandelsgeschäfte bis 1.200 m2 überall gebaut werden dürfen, auch ohne Berücksichtigung der Zentralität der Nachbarorte. Das ist für uns Blödsinn, wenn man, wie wir, das System der Zentralen Orte weiterhin als Steuerungssystem empfindet. Deshalb können wir diesem Antrag leider nicht zustimmen, obwohl der erste Teil sehr sinnvoll ist.
Der Reichtum an Natur macht die Schönheit Bayerns aus. Bayern hat den größten Flächenverbrauch in Deutschland. Deshalb hat das bayerische Wirtschaftsministerium bereits vor einigen Jahren eine eigene Nachhaltigkeitsstrategie aufgestellt. In dieser Nachhaltigkeitsstrategie heißt es: Wir streben eine Reduzierung des Flächenverbrauchs an bis langfristig hin zu einer Kreislaufflächenwirtschaft, sprich: Flächenverbrauch gleich null. Wir haben dann den Antrag gestellt, dieses eigene Ziel mindestens als Grundsatz ins LEP aufzunehmen. Dies hat die CSU abgelehnt. Daran sieht man: Was Sie zum Heimatschutz und Flächenverbrauch sagen, ist alles nur Blabla. Noch nicht einmal auf Ihre eigenen Ziele wollen Sie sich festlegen lassen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Landesentwicklung – der Name sagt eigentlich schon, worum es geht. Über diesem Begriff Landesentwicklung müssen für mich und die Fraktion der FREIEN WÄHLER gleichwertige Lebensverhältnisse in unserem Bayernland stehen, meine Damen und Herren.