Hierdurch sollen den jungen Volljährigen zusätzliche Strukturen und Managementimpulse gegeben wer den. Die Handwerkskammern, die Industrie und Han delskammern, die Berufsschulen mit den Integrati onsklassen, die Jugendsozialarbeit, die arbeitsweltbezogene Jugendsozialarbeit und die vie len, vielen ehrenamtlichen freiwilligen Helferkreise – diese sind bisher noch nicht genannt worden – von den Pfarrgemeinden bis zu den verschiedenen Initiati ven unterstützen hier. Durch Ihren Antrag ist der Ein druck zu gewinnen, der Freistaat würde den Kommu nen keine Unterstützung bei der Versorgung junger Menschen, die zu uns kommen, zur Verfügung stel len. Ich sage wie schon beim letzten Tagesordnungs punkt, Herr Kollege Fahn: Dies ist nicht richtig. Las sen Sie mich ein paar Zahlen nennen:
Erstens. Der Freistaat erstattet seinen Kommunen sämtliche Kosten, spitz abgerechnet, für unbegleitete Minderjährige. Hierfür hat das Hohe Haus für das Haushaltsjahr 2016 über 630 Millionen Euro veran schlagt, weil im Vergleich mit den anderen 15 Bun desländern mit Abstand die größte Zahl junger unbe gleiteter Flüchtlinge nach Bayern gekommen ist. Für das Jahr 2017 wurden dafür 364 Millionen Euro im Haushalt veranschlagt.
Zweitens. Darüber hinaus haben wir den Kommunen 2016 10 Millionen Euro für Verwaltungskosten – Herr Kollege Fahn, hören Sie zu! – im Zusammenhang mit unbegleiteten Minderjährigen ausgezahlt. Auch für 2017 wurde der Betrag von 10 Millionen Euro vom Hohen Haus im Haushalt veranschlagt.
Drittens. Die Kollegin Kaniber hat es schon deutlich gesagt: Zu den Kosten der jungen Volljährigen haben
Der Freistaat beteiligt sich bis Ende 2018 mit 112 Milli onen Euro an diesen Kosten. Das sind immerhin 40 Euro pro Tag – nicht pro Woche oder pro Monat, sondern pro Tag! – für jeden unbegleiteten volljähri gen Flüchtling. Das ist pro Monat ein Betrag von 1.200 Euro. Da können Sie nicht sagen, das sei zu wenig oder das sei gar nichts. Diese Beträge müssen wir auch in Relation zu den Bedürfnissen der Bürger innen und Bürger setzen, die wir ebenso im Fokus be halten müssen, um die Akzeptanz und den gesell schaftlichen Zusammenhalt nicht zu gefährden, sondern im Gegenteil zu stabilisieren und weiterzu entwickeln. Lassen Sie mich also auch diesen Punkt dementsprechend deutlich betonen. Dies haben wir festgelegt. Mitte des Jahres kommt dies auf den Prüf stand bzw. wird evaluiert, ob diese Zahlen, was den tatsächlichen Bedarf anbelangt, passen oder ob korri giert werden muss.
Es ist also beileibe nicht so, als würden unsere Kom munen mit den Kosten alleine gelassen. Der Freistaat Bayern weiß sehr wohl, was er an seinen Kommunen bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung hat. Wir werden unsere Kommunen weiterhin sehr en gagiert und kräftig unterstützen. Ich darf auf den Be trag im FAG verweisen, bei dem diese Kriterien eben falls eine Rolle spielen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Entscheidung, ob Jugendhilfeleistungen für junge Volljährige im Einzel fall erforderlich sind, obliegt dem Jugendamt.
Die Jugendhilfe ist eine kommunale Aufgabe im eige nen Wirkungskreis. Die Kommunen haben das Ruder selber in der Hand. Obwohl es sich um eine kommu nale Aufgabe im eigenen Wirkungskreis handelt, un terstützen wir, wie vorher gesagt, in diesem Haushalt mit einem dreistelligen Millionenbetrag.
Es kann aber auch nicht sein, dass Jugendhilfeleis tungen sozusagen als Selbstverständlichkeit erbracht werden, weil kein Wohnraum gefunden wird. Dies wäre falsch. Eine staatlich finanzierte Jugendhilfe ist kein Ersatz für Wohnraum. Es muss gelingen, die große Zahl junger Volljähriger in der Jugendhilfe zu reduzieren und sie im Rahmen einer "ambulanten" Betreuung nach Erreichen der Volljährigkeit in einem Übergangsmanagement in die Selbstbestimmung zu entlassen.
Wie sehen die Zahlen aus? – Derzeit werden rund 5.000 unbegleitete Minderjährige und über 4.500 Voll jährige von den bayerischen Jugendämtern versorgt. Ich nenne die Zahlen, damit Sie diese Größenord nung einmal gehört haben. Die Kommunen müssen auf Dauer zu einem vernünftigen Maß finden. Es han delt sich um Kapazitäten der Jugendhilfe. Diese Res sourcen, diese Gelder sind in erster Linie für Minder jährige gedacht. Auch das ist verantwortliches Handeln, liebe Kollegin Kamm.
Bei den älteren Unbegleiteten stehen Ziele wie gesell schaftliche, soziale und berufliche Integration und ihre baldige Selbstständigkeit im Vordergrund. Auch hierzu verweise ich auf Frau Kollegin Kaniber. Sie brauchen eine Begleitung auf Zeit. Von daher ist das vorgese hene koordinierte Übergangsmanagement eine richti ge Maßnahme. Dieses muss frühzeitig aufgebaut wer den, um die verschiedenen Akteure, von der Arbeitsagentur über Jobcenter bis hin zum gesamten Bereich der Schulen und der beruflichen Bildung, in eine gelingende Integration einzubeziehen.
Dies ist unser Ansatz. Von daher ist es notwendig, hier deutlich zu machen: Nur wenn ein erzieherischer Bedarf besteht, soll Jugendhilfe im Einzelfall auch für junge Volljährige geleistet werden können. Ansonsten ist dies im Rahmen eines Übergangsmanagements mit vielen Akteuren zu leisten.
Sehr geehrter Herr Staatssekretär, ich halte Sie für einen Menschen, der das Fürsorge system für Jugendliche sehr wohl zu schätzen weiß und unterstützt. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, Herr Staatssekretär, dass 80 % der Jugendlichen, die sehr spät in die Jugendhilfe kommen – vielleicht erst mit 16, weil sie so spät aus Familien geholt werden –, noch über den 18. Geburtstag hinaus Betreuung, Ein gliederungshilfe und Unterstützung brauchen. Die un begleiteten minderjährigen Jugendlichen – wir haben uns heute die Projekte angeschaut – sind sehr spät in unsere Kultur und in ein anderes Erziehungssystem gekommen und erfahren eine andere berufliche Un terstützung. Da haben wir viele Helfer.
Ist Ihnen bewusst, dass sich die kommunale Familie dafür entschieden hat, weil sie sagt: Nicht nur unsere Jugendlichen, sondern auch die jugendlichen Flücht linge brauchen weiter Unterstützung? Wir sind für wei che Lösungen. Man muss die Kommunen unterstüt zen. Letztendlich zahlen es die Kommunen; denn die Bezirke werden von den Kommunen finanziert. Sie
sagen, sie übernehmen eine staatliche Aufgabe für Jugendliche, die nicht hier aufgewachsen sind. Von den Jugendlichen über 16 Jahren, die in die Jugend hilfe kommen, brauchen, wie gesagt, noch über 80 % Betreuung. Warum soll es da anders sein? Warum haben Sie Bedenken, dass wir und Ihre Jugendämter und Ihre Unterstützungsfamilie keinen weichen Über gang hinbekommen? Warum übernehmen wir als Freistaat Bayern nicht die Verantwortung dafür?
Liebe Kollegin, ich denke ich habe dies ausgeführt. Wir übernehmen mit dem Anteil von rund 112 Millionen Euro sehr wohl Verantwortung, auch wenn es eine echte kommunale Aufgabe im eigenen Wirkungskreis ist. Das wird Mitte des Jahres evaluiert; ich sage das zum zweiten Mal.
Unsere Zielsetzung ist ganz klar: Es geht um das Zu sammenwirken vieler Akteure, die im letzten Jahr und in den letzten Monaten diese Strukturen erst aufge baut haben. Ich denke zum Beispiel an die Arbeits agenturen oder an die Jugendberufsagenturen. Dies ist, wenn Sie so wollen, die begleitende ambulante Aufgabe, hier durchaus auch noch im Übergang, was die volljährigen Jugendlichen mit 18 oder mit 19 Jah ren anbelangt, aber nicht mehr mit der intensiven er zieherischen Maßnahme wie noch bei den Minderjäh rigen.
Vielen Dank, Herr Staatssekretär. – Es liegen keine weiteren Wortmel dungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Ich darf bekannt geben, dass die CSUFraktion zu diesem Antrag namentliche Abstimmung beantragt hat.
Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Gabi Schmidt u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) In München nichts Neues: Grundrechte der Bediensteten des Europäischen Patentamts endlich sicherstellen! (Drs. 17/15259)
Ich eröffne die Aussprache und darf als erste Redne rin für die Fraktion der FREIEN WÄHLER Frau Kolle gin Schmidt bitten.
Werte Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir hatten fast den gleichen Antrag schon einmal vor über einem Jahr. Sie haben ihn im Ausschuss mit den Worten abgelehnt: Da passiert schon etwas, da ändert sich schon etwas. Wir hatten den Antrag jetzt wieder im Ausschuss und waren über die Haltung der CSU sehr verwundert, nachdem es um Grundrechtsverletzungen geht; denn 3.700 Be schäftigte – wirklich 3.700 –, die als Mitarbeiter im Europäischen Patentamt hier in München Gast sind, sind dort der Willkür ausgesetzt. Es gibt keine weitere Kontrollinstanz. Das System ging – das muss ich sagen – jahrelang gut und sieht jetzt ganz, ganz an ders aus. Wir verhalten uns hier nach dem Motto – Sie haben es schon oft gehört, und auch im Aus schuss war davon die Rede –: Augen zu und durch, das geht uns nichts an, die Menschen verdienen gut, und da ist uns völlig egal, wie man mit ihnen umgeht. Das kann nicht sein. Hier in Bayern gelten Arbeitneh merrechte, und es gelten Grundrechte; für keinen Lohn der Welt und für kein Geld der Welt aber ver äußert man seine Grundrechte. Ich denke, Herr Kolle ge, Sie würden das auch nicht machen.
Seit dem letzten Mal ist gar nichts passiert. Lieber Kollege Taubeneder, damals wurde uns gesagt, es werde etwas passieren, Sie würden nur deshalb ab lehnen, weil es schon etwas gibt. Von wegen! Die hol ländische Regierung hat vor drei Wochen festgestellt, dass in München Grundrechte verletzt werden. Ein Verfassungsrechtler spricht von einem türkischen Rechtssystem auf deutschem Boden. Einen EUBei tritt der Türkei lehnen Sie aber im Moment ab, wofür auch ich absolut bin. Auch der französischen Regie rung ist dieses Problem bewusst. Ein Senator und eine Staatssekretärin der französischen Regierung haben bemängelt, dass auf bayerischem Boden Grund und Arbeitnehmerrechte verletzt werden.
Liebe Herr Kollege Walter Taubeneder, Sie haben neulich gesagt, dass schon etwas umgesetzt worden ist und dass das Bundesverfassungsgericht geprüft hat, ob entsprechend unserem Grundgesetz verfah ren wird. Dann kam die Aussage – ich habe das Pro tokoll da –, dass das Handeln im Europäischen Pa tentamt im Wesentlichen unserem Grundgesetz entspricht. Darauf aber kamen die Punkte, bei denen das nicht der Fall ist: Demonstrationsverbot, Hausar rest bei Krankheit, keine Kommunikationsmöglichkei ten und keine mündliche Vertretung bei Berufsverfah ren. Es gibt keinen einstweiligen Rechtsschutz, es gibt keine zweite Instanz, es gibt keine mündlichen Verhandlungen, und es gibt kein rechtliches Gehör, was auch auf Bundesebene festgestellt worden ist.
Mitnichten ist, wie neulich im Ausschuss zitiert wurde, am 16. September vom Verwaltungsrat alles, was wir bemängelt hatten, umgesetzt worden. Der Verwal tungsrat hat es nicht umgesetzt. Die CSU hat richtig erweise gesagt – das ist das Einzige, was richtig war –, dass eine große Sozialkonferenz stattgefunden hat, um die Umstände dort zu ändern. Aber, lieber Walter Taubeneder, eines hat in der Aussage von Herrn Bat tistelli gefehlt – ich habe die Aussage eins zu eins ge funden –: dass die Gewerkschaften bewusst ausge sperrt wurden und dass die Mitarbeitervertretungen nicht eingeladen wurden. Was ist denn das für ein So zialgespräch, wenn nicht alle Sozialpartner am Tisch sitzen? – Dann ist es einfach für die Katz.
Eines möchte ich Ihnen noch auf Fränkisch mitgeben. Wie kann es denn sein, dass sich Bayern wiederum von einem kleinen Korsen vor Ort die Rechte wegneh men lässt? Wie kann es sein, dass Sie zuschauen, wenn ein Herr Battistelli Demonstrationen verbietet und Mitarbeitern mit Entlassungen droht? Wie kann es sein, dass sich Bayern nach alten und harten Wun den nach so langer Zeit wieder von einem Korsen vor führen lässt? – Lassen Sie sich das nicht bieten! Be reiten Sie ihm ein Waterloo und sagen Sie: Hier muss Schluss sein! Geben Sie das weiter an den Bund, der im Aufsichtsrat vertreten ist.
(Vom Redner nicht autori siert) Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kollegin nen und Kollegen! Wenn man das hört und den An trag der FREIEN WÄHLER liest, könnte man den Eindruck haben, als herrsche beim Europäischen Pa tentamt ein rechtsfreier Raum, in dem das Personal schutzlos der Willkür seines Managements ausge setzt und ausgeliefert wäre.
Ich denke, das ist schon ein bisschen überzogen. Der Antrag bezieht sich zudem auf eine Aufforderung der Mitgliedstaaten der Europäischen Patentorganisation an den Präsidenten des Europäischen Patentamts vom 16. März des vergangenen Jahres. Die in der Aufforderung genannten Tatsachen sind von der Ent wicklung schon längst überholt. Der Antrag lässt die Entwicklung im Europäischen Patentamt seit der Sozi alkonferenz vom 11. Oktober 2016 völlig außer Acht. Der Antrag berücksichtigt insbesondere nicht die Ent scheidungen verschiedener Gerichte, auch deutscher Arbeitsgerichte, zu Klagen der internationalen Ge werkschaft im Europäischen Patentamt, die Arbeitssi tuation im Europäischen Patentamt betreffend. Diese Klagen sind allesamt abgewiesen worden.
Zudem erweckt der Antrag den Anschein, als befände sich das Europäische Patentamt in einem permanen ten Zustand des Protests. Tatsächlich beteiligen sich weniger als 10 % der knapp 4.000 Münchner Be diensteten des Amts an der Demonstration.
Man kann das natürlich von der einen oder anderen Seite sehen. Ich sehe aber, dass 90 % schon eine klare Aussage sind. Des Weiteren verschweigt der Antrag, dass es in den letzten Jahren sehr wohl zahl reiche Verbesserungen gegeben hat, wie etwa die Verankerung des Streikrechts beim Europäischen Pa tentamt und die Einführung flexibler Arbeitszeiten und der teilweisen Heimarbeit, was vom Personal übri gens sehr gut angenommen wird. Über seine sehr guten Anstellungsbedingungen und das attraktive So zialpaket informiert das Europäische Patentamt übri gens auf seiner Webseite.
Nun zu den Zuständigkeiten. Die Zuständigkeit für die internen Regeln des Europäischen Patentamts und damit auch für das Arbeitsrecht liegt bei den Mitglied staaten der Europäischen Patentamtsorganisation, also nicht beim Bayerischen Landtag. Jeder Staat ist über seine stimmberechtigte Delegation im Aufsichts ratsgremium des Amtes, im Verwaltungsrat, vertreten. Für die Bundesrepublik liegt die Zuständigkeit beim Bundesministerium der Justiz. Der Justizminister ist also letztlich oberster Dienstherr.
Die Mitgliedstaaten sind damit für Entscheidungen auch zu jenen Regeln zuständig, die im Antrag kriti siert werden. Die Staaten sind über die Beratungen im Verwaltungsrat der Organisation direkt in diesen Pro zess eingebunden. So stelle ich mir das auch vor.
Für die arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen zwi schen Bediensteten und dem Amt ist letztinstanzlich das Verwaltungsgericht der Internationalen Arbeitsor ganisation in Genf zuständig. Es behandelt die Klagen von Mitarbeitern, die mit dem Ergebnis ihres internen Beschwerdeverfahrens nicht einverstanden sind. Die ses Recht haben sie; sie müssen sich aber vor Ge richt begeben. Durchschnittlich dauern die Verfahren 29 Monate – eine durchaus zumutbare Wartezeit. Bei deutschen Gerichten ist es ähnlich. Gerichtskosten haben die Mitarbeiter dabei übrigens nicht zu tragen.