Protocol of the Session on April 6, 2017

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN – Thomas Kreuzer (CSU): Selber nichts vorlegen, aber uns sagen, wir hätten zu wenig gemacht!)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Kollege Ganserer. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich eingangs eine grundsätzliche Feststellung tref

fen: Die Manipulation der Abgasreinigung ist alles andere als ein Kavaliersdelikt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie führt zum Erlöschen der Betriebserlaubnis für das Fahrzeug, wenn sich der Unternehmer damit auch noch einen günstigeren Mautsatz erschleicht, als er eigentlich zahlen müsste. Obendrein begeht er eine weitere Ordnungswidrigkeit. Beides können und wollen wir nicht gutheißen.

Nun zu den Inhalten und Details Ihres Dringlichkeitsantrags. Es ist schon erstaunlich: Da strahlt das ZDF Mitte Januar einen Beitrag aus, und kaum ist ein Vierteljahr ins Land gegangen, macht die CSU einen Dringlichkeitsantrag daraus. In der Zwischenzeit wurde dieser Beitrag des ZDF aber in Fachkreisen kontrovers diskutiert. Seit Mitte Januar legen Polizei und das Bundesamt für Güterverkehr – BAG – bei den Kontrollen den Fokus auf den Betrug mit AdBlueEmulatoren. Dem BAG, das für die Kontrolle der Lkw zuständig ist, sind entsprechende Fälle bekannt. Gleichzeitig betont das BAG aber gegenüber der Fachzeitschrift "trans aktuell", dass jeder Beleg für die im Fernsehbeitrag aufgestellte Behauptung, bis zu 20 % der Lkw würden den erforderlichen Zusatzstoff AdBlue nicht verwenden, fehle.

Das Online-Portal für Transport und Verkehr "Eurotransport.de" berichtet, dass nach Angaben des Schwerverkehrszentrums der Kantonspolizei in Uri in der Schweiz im Rahmen von intensiven Kontrollen insgesamt 630 Lkw auf AdBlue-Emulatoren geprüft worden sind. Nur bei 8 betroffenen Lkw wurden tatsächlich AdBlue-Emulatoren gefunden. Das sind die Fakten. Wenn die CSU unmittelbar nach der Ausstrahlung des Beitrags den Antrag eingebracht hätte, dann hätte man wenigstens sagen können, die CSU reagiert unmittelbar. So haben Sie aber weder schnell reagiert noch sachlich recherchiert.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist schon putzig, wenn die CSU versucht, sich mit dem Antrag als Retter des deutschen Speditionsgewerbes zu gerieren. Das deutsche Speditionsgewerbe leidet doch in erster Linie an dem Sozialdumping, das nach EU-Recht leider Gottes auch noch zulässig ist. Hier müssten wir gemeinsam ansetzen, hier müssten wir für Verbesserungen sorgen, um das deutsche Speditionsgewerbe zu stärken.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wie eingangs schon betont, werden wir den Betrug nicht dulden. Beim Lkw ist das aber kein Herstellerproblem, anders als bei den Diesel-Pkw. Seit mindes

tens zehn Jahren ist den in der Bundesregierung damit betrauten Personen eigentlich bekannt, dass Pkw die Grenzwerte bestenfalls auf dem Prüfstand erfüllen, im Realbetrieb die Abgaswerte aber deutlich höher sind. Schlussfolgerungen oder inhaltliche Konsequenzen aus dem Dieselskandal? – Absolute Fehlanzeige! Ihr zuständiger CSU-Bundesverkehrsminister Dobrindt macht hier auf "Minister Ahnungslos". Das ist doch eigentlich der Skandal und das politische Problem; da müssten wir dringend handeln.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wenn Ihnen saubere Luft, wenn Ihnen die Gesundheit der Menschen in unseren Städten wirklich am Herzen liegt, dann appelliere ich noch einmal dringend an Sie: Machen Sie endlich den Weg für die blaue Plakette frei, damit wir die Luftschadstoffe in unseren Städten wirkungsvoll und deutlich reduzieren können!

(Beifall bei den GRÜNEN)

Gegen den Betrug mit AdBlue-Emulatoren würde es schon reichen, wenn man verstärkt kontrollieren würde. Der Kollege von der SPD hat das bereits erwähnt. Das wäre Aufgabe der bayerischen Polizei. Auch der Bayerische Oberste Rechnungshof mahnt in seinem Jahresbericht 2015 verstärkte Verkehrskontrollen an und empfiehlt zur Steigerung der Kontrolldichte den Aufbau von stationären Kontrollstellen. Statt auf die Zuständigkeit des Bundes in der Frage zu verweisen, sollten Sie endlich Ihre Hausaufgaben machen und sich bei der Einrichtung von stationären Kontrollstellen mehr beeilen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die wirksame Kontrolle des Schwerlastverkehrs würde nämlich nicht nur gegen den AdBlue-Betrug helfen, sondern auch für deutlich mehr Sicherheit auf unseren Straßen sorgen.

Wir können dem Antrag, weil er nicht vollständig ist, nicht zustimmen. Wir werden uns daher der Stimme enthalten.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. – Mir liegen keine weiteren Wortmeldungen vor. Damit ist die Aussprache geschlossen. Wir kommen zur Abstimmung.

Wer dem Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 17/16316, dem Antrag der CSU-Fraktion, seine Zustimmung geben will, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind die CSU-Fraktion, die SPD und die Fraktion der FREIEN WÄHLER. Gegenstimmen bitte

ich anzuzeigen. Keine. Stimmenthaltungen? – Bei Stimmenthaltung der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN ist dieser Dringlichkeitsantrag angenommen.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, ich darf nun die Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen betreffend Kirchenasyl bekannt geben, zunächst das Ergebnis zum Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Christine Kamm und anderer und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) betreffend "Kirchenasyle achten und Recht auf Nächstenliebe respektieren, Ermittlungen gegen Pfarrerinnen und Pfarrer einstellen!", Drucksache 17/16315. Mit Ja haben 42 gestimmt, mit Nein 96, und es gab 3 Stimmenthaltungen. Damit ist dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 2)

Nun gebe ich das Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den nachgezogenen Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Alexandra Hiersemann, Franz Schindler und anderer und Fraktion (SPD) betreffend "Kirchenasyl", Drucksache 17/16337, bekannt. Mit Ja haben 45 gestimmt, mit Nein haben 82 gestimmt. Es gab 16 Stimmenthaltungen. Damit ist auch dieser Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

(Abstimmungsliste siehe Anlage 3)

Ich rufe auf:

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Doris Rauscher, Ilona Deckwerth u. a. und Fraktion (SPD) Familienpolitischer Verantwortung endlich gerecht werden: 10-Punkte-Programm "Familien stärken"! (Drs. 17/16317)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Katharina Schulze, Ludwig Hartmann, Thomas Gehring u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Familienpolitik in Bayern zukunftsgerichtet aufstellen (Drs. 17/16339)

und

Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Thomas Kreuzer, Ingrid Heckner, Joachim Unterländer u. a. und Fraktion (CSU) Bayern bleibt Familienland: Familien noch besser unterstützen! (Drs. 17/16340)

Ich eröffne die gemeinsame Aussprache und darf als Erster für die SPD-Fraktion Frau Kollegin Rauscher

das Wort erteilen. Bitte schön, Frau Kollegin. – Frau Kollegin, bitte noch einen Augenblick. Die SPD-Fraktion hat zu ihrem Antrag namentliche Abstimmung beantragt. Jetzt bitte, Frau Kollegin.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Pünktlich am vergangenen Sonntag, also am Wochenende, hat der CSU-Chef für Bayern die Familienpolitik entdeckt, wiederentdeckt, könnte man sagen, und zwar mit einem starken Maßnahmenpaket, mit starken familienpolitischen Offensiven. Bislang, zuletzt vergangene Woche, hörten wir hier im Hohen Hause dazu noch ganz andere Töne. Wir hörten, dass wir eine wirksame Familienpolitik in Bayern hätten, eine sehr bewährte Familienpolitik. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das scheint mir nun doch etwas unglaubwürdig. Hätte die CSU-Fraktion denn nicht schon lange Zeit gehabt, mit einem wirklich starken Paket für die Familien in die Offensive zu gehen?

(Beifall bei der SPD)

In den letzten dreieinhalb Jahren, den Wahlkampf davor ausgeklammert, ist hier aber nichts passiert. Nun muss der Chef das Thema zur Chefsache machen. Bayern muss nun anscheinend doch in die Offensive gehen.

(Gudrun Brendel-Fischer (CSU): Für den Bund, der Nachholbedarf hat!)

Jetzt, Frau Kollegin, nehmen Sie die Familienpolitik in den Fokus, nach dem Motto: Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern? Was interessiert mich mein Geschwätz aus dem Wahlkampf 2013? – Ich möchte in Erinnerung rufen: Damals kam der Vorschlag, das mittlere Kindergartenjahr finanziell zu entlasten und den Familien bei den Beiträgen entgegenzukommen. Das wurde versprochen. Nach der Wahl wurde es aber zurückgenommen. Bis heute haben wir keine Entlastung der Familien beim mittleren Kindergartenjahr.

(Beifall bei der SPD)

Es wurde auch angekündigt, eine Kinderkomponente beim Ehegattensplitting voranzutreiben. Doch auch dieses Versprechen hat die CSU nicht eingelöst. Es kamen nur Ideen, und diese Ideen holen Sie jetzt wieder aus der Mottenkiste und machen daraus eine Neuauflage. Warum? – Weil wir wieder einmal im Wahlkampf stehen. Wir haben hier im Hohen Haus in der laufenden Legislaturperiode, nicht lediglich im Wahlkampf, über Familienpolitik schon sehr häufig diskutiert. Vonseiten der SPD-Landtagsfraktion haben wir dazu ganze 61 Anträge rund ums Thema Kind und Familie eingebracht. Ganze 94 % dieser Anträge wur

den aber von der CSU-Landtagsfraktion abgelehnt, und zwar immer mit dem Verweis auf zu hohe Kosten.

(Beifall bei der SPD)

Jetzt aber verspricht Ihr Ministerpräsident ein Milliardengeschenk für Familien, ohne eine Gegenfinanzierung vorzulegen.

(Beifall bei der SPD)

An eigenen Anträgen hat die CSU-Fraktion gerade einmal eine Handvoll zu diesem Thema eingereicht, mehr nicht. Die Kompetenz der CSU liegt also – so muss ich feststellen – eher im Ablehnen von Anträgen als im Initiieren einer wirklichen Offensive für bayerische Familien. Wir haben in der Familienpolitik also nicht nur unterschiedliche Wege, sondern ich muss auch feststellen, dass vonseiten der CSU-Landtagsfraktion überhaupt nichts kommt. Sie gestalten nicht, sondern plappern nur die Slogans einiger Ihrer Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion nach: Bayern wäre doch das Wunderland für Familien, wir wären mit den familienpolitischen Leistungen doch so top. Das jedenfalls ist der O-Ton Ihres Kollegen Andreas Scheuer. Wir hören nichts anderes als Lobpreisungen von Ihnen. Da muss ich mich schon fragen, wieso jetzt ein Weckruf Ihres Parteichefs notwendig ist und wieso jetzt ein Milliardenprogramm für Familien aufgelegt werden muss, wenn in Bayern doch alles so wunderbar ist.

Dazu möchte ich ein paar Fakten für Bayern nennen, die belegen, dass Sie es schlichtweg versäumt haben, den Bedürfnissen der Familien in Bayern gerecht zu werden. Bei uns fehlen gut 33.000 Krippenplätze, um den Bedarf wirklich zu befriedigen. Aktuell fehlen uns fast 9.000 Erzieherinnen und Erzieher, um offene Stellen besetzen zu können, von einer Mehrung durch einen besseren Anstellungsschlüssel ganz zu schweigen. Nach wie vor werden die Kosten des Kita-Besuchs für die Eltern nicht reduziert. Das führt sogar so weit, dass sich manche Familien den KitaBesuch ihrer Kinder schlichtweg nicht leisten können. In der vergangenen Woche haben wir darüber gesprochen, dass in Bayern 140.000 Kinder in Armut leben. Der Anteil der in Armut lebenden Kinder steigt permanent. Da können Sie noch so oft andere Bundesländer erwähnen, auch in Bayern steigt der Anteil der Kinder in Armut nach wie vor an.

Der Anteil der berufstätigen Mütter in Teilzeit liegt bei knapp 76 %. In Verbindung mit der Tatsache, dass 85 % aller bayerischen Familien angeben, dass für sie Beruf und Familie nicht wirklich gut vereinbar seien, bedeutet das, dass ein großer Teil der Mütter gerne mehr arbeiten würden, es ihnen aber nicht möglich ist. Das ist wirklich ein schlimmes Armutszeugnis für die

Staatsregierung; denn auch über dieses Thema haben wir schon sehr häufig im Fachausschuss gesprochen.