Protocol of the Session on March 29, 2017

Herr Pfaffmann, was soll ich Ihnen noch sagen? Es gibt noch kein Gesetz, sondern nur einen Entwurf. Sie sind eben kein Jurist und haben das wieder einmal nicht verstanden, aber Sie reden darüber. Das kann man langsam nicht mehr hinnehmen.

(Beifall bei der CSU)

Tatsache ist, wir werden diesen Gesetzentwurf konstruktiv begleiten. Sie haben von einem "unseligen Gesetz" gesprochen. Jetzt könnte ich Ihnen das Wort

herumdrehen. Das tue ich aber nicht. Da haben Sie sich wahrscheinlich nur versprochen.

Es bleibt dabei: Wir wollen eine gesetzliche Lösung, die wir aber juristisch auf den richtigen Weg bringen müssen. Das werden wir konstruktiv begleiten, auch wenn Sie das nicht verstehen. Ich weiß, dass Ihnen das manchmal schwerfällt. Das habe ich persönlich schon erlebt.

(Beifall bei der CSU – Hans-Ulrich Pfaffmann (SPD): Herzlichen Glückwunsch!)

Danke schön. – Ich darf noch bekannt geben, dass die Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zu ihrem Dringlichkeitsantrag namentliche Abstimmung beantragt hat.

Wir fahren in den Wortmeldungen fort. Frau Kollegin Zacharias, jetzt sind Sie dran. Bitte schön.

(Von der Rednerin nicht au- torisiert) Frau Präsidentin, bei mir blinkt noch "Intervention". Ich bin aber jetzt dran. – Frau Präsidentin, Kolleginnen und Kollegen, Hohes Haus! Die Liebe zwischen Männern, die Liebe zwischen Frau und Mann und die Liebe zwischen zwei Frauen ist etwas Wunderbares. Die Liebe zwischen Menschen ist etwas Wunderbares. Hier sind wir uns wohl einig. Und vor Gott sind alle Menschen gleich. Herr Kollege Unterländer, das ist doch einer der Markenkerne der CSU: Vor Gott sind alle Menschen gleich, außer wenn es Ausnahmen gibt, nicht wahr, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CSU?

Die Liebe unter Männern ist im Dritten Reich unter den Nazis extremst verfolgt worden. Mehr als 50.000 Männer sind dafür verhaftet worden. Viele Tausend schwule Männer sind in KZs ermordet worden. Wenige dieser Männer haben flüchten können, und ganz ganz wenige dieser Männer leben heute noch.

1969 sind die Bestrafung, die Inhaftnahme und die Aberkennung von Pensionsansprüchen teilweise abgeschafft worden, und erst 1994 – der Kollege Hartmann hat das ausgeführt – ist Homosexualität in Deutschland komplett straffrei gestellt worden. Kolleginnen und Kollegen, bis 1994 haben Männer in diesem Land unter der Strafbarkeit gelitten, nicht nur persönlich und körperlich, sondern sie haben Abzüge bekommen, sie haben im Gefängnis gesessen. Sie wurden, wenn sie zum Beispiel eine Tankstelle überfallen hatten und dabei ihre Homosexualität herausgekommen ist, doppelt bestraft. Das muss man sich mal vorstellen! Das haben wir zugelassen. Das Menschenrecht ist mit Füßen getreten worden, und Sie, meine Damen und Herren, sind nun mit uns gemein

sam in der Situation, diesem Gesetzentwurf im Bund zuzustimmen. Natürlich müssen wir schwule Männer sofort und lieber vorgestern als morgen rehabilitieren. Ich selbst und meine Fraktion hätten uns das noch viel früher gewünscht, aber manchmal brauchen Dinge etwas länger, aber jetzt, Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, ist der Referentenentwurf auf dem Weg. Es ist richtig, dass wir erstens rehabilitieren, das heißt, uns nicht nur entschuldigen, sondern auch Nachteile ausgleichen, und dass wir zweitens Entschädigungen zahlen. Es sind davon nur noch wenige Männer betroffen. Deswegen müssen wir schnell handeln, um zu zeigen: Euch ist Unrecht getan worden. Deshalb finde ich es auch richtig, dass wir über Entschädigungszahlungen nachdenken.

Kollege Heike, Sie haben sich über den Kollegen Hartmann lustig gemacht, der aus dem Gesetzentwurf von 1962 zitierte. Wissen Sie was? Sie sind mit Ihrer Argumentation, auch was die Ehe für alle betrifft, weit im Mittelalter.

(Beifall bei der SPD, den GRÜNEN und den FREIEN WÄHLERN)

Brüstet euch nicht und argumentiert nicht mit 1962. Ihr seid sowas von vorgestern!

Ich möchte auch sagen, dass es nicht nur um Rehabilitierung und um Entschädigungszahlungen, sondern natürlich auch um Aufarbeitung geht. Wir brauchen dafür Forschung und wissenschaftliche Auseinandersetzung.

(Jürgen W. Heike (CSU): Na, na!)

Das, Kollege Heike, muss man öffentlich machen,

(Jürgen W. Heike (CSU): Machen wir doch!)

und nicht nur einfach klammheimlich ein Gesetz umsetzen. Wir müssen allen Menschen draußen erzählen, welches Unrecht dort geschehen ist. Insofern ist wunderbar, dass Bundesjustizminister Heiko Maas dies auf den Weg gebracht hat.

Kolleginnen und Kollegen von der CSU: Ihren Nachzieher zum Dringlichkeitsantrag werden wir ablehnen.

(Zurufe von der CSU: Oh! Oh!)

Konstruktive Begleitung! Herr Bausback, ich weiß schon, warum Sie das ablehnen, Herr Kollege. Es hat ein Gutachten gegeben, welches die Verfassungskonformität feststellt und sagt, es spreche nicht gegen die Möglichkeiten, die wir jetzt in der Gesetzgebung haben. Sie lehnen aus formaljuristischen Gründen ab.

Ich sage Ihnen aber auch, Kolleginnen und Kollegen, Gesetze werden für Menschen gemacht. Wenn man feststellt, dass ein Gesetz Unrecht war, dass damit die Menschenwürde mit Füßen getreten wurde, dann muss man das auch einmal eingestehen. Das hätten die Richter 1957 machen können, haben es aber nicht getan. Das war eine Schande. Jetzt muss man das ins Positive wenden und sagen: Jawohl, Rehabilitation und Entschädigung sind angezeigt.

Ihr zeitaufschiebendes Manöver, euer nachgezogener Dringlichkeitsantrag ist so – – Viele Worte fallen mir dazu ein. Wir werden ihn ablehnen. Ich finde klasse, dass uns die GRÜNEN im Bund unterstützen wollen, damit dieses Gesetz auf den Weg kommt.

(Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

Danke schön. – Nächster Redner ist der Kollege Streibl.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einem gewissen Dilemma. Das Ganze ist auch eine offene Wunde in unserem Rechtsstaat. Ich glaube, jeder hier sieht, dass man um eine Lösung ringen und nach ihr suchen muss; denn die Angelegenheit rührt natürlich an unser Verständnis von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Gerade in der heutigen Zeit, in der Demokratie und Rechtsstaat infrage gestellt werden, muss man hier sehr sensibel und vorsichtig vorgehen. Es waren eben Richter der Bundesrepublik Deutschland, die nach Recht und Gesetz gehandelt haben, nach Recht und Gesetz, das der Gesetzgeber damals gesetzt hatte. Diese Richter haben ihre Urteile nicht mit schlechtem Gewissen, sondern einfach nach dem Auftrag des Gesetzgebers gesprochen.

Da sich inzwischen die Lebenswirklichkeit und die moralischen Vorstellungen gewandelt haben, das heißt, die Realität in unserem Land geändert hat, zeigt sich ein anderes Bild. Wir haben hier immer wieder mit der Problematik gerungen und gesagt, wenn im Bund ein Gesetz vorgelegt würde, das einen Weg aufzeigt, dann würden und wollten wir uns dem nicht verschließen. Nun hat die Bundesregierung am 22. März einen Gesetzentwurf vorgelegt, der einen solchen Weg aufzeigt. Man muss diesen Weg natürlich vorsichtig gehen. Im Gesetzentwurf wird auch darauf hingewiesen, dass es immer schwierig ist, rückwirkend in die Rechtskraft von Gerichtsentscheidungen einzugreifen. Das berührt den Grundsatz der Gewaltenteilung sowie das Rechtsstaatsprinzip. Deshalb ist die Generalkassation nachkonstitutioneller Strafurteile durch den Gesetzgeber eine Maßnahme, die in einem Rechtsstaat besonderer Rechtfertigung bedarf. So heißt es in den Aus

führungen zum Gesetzentwurf. Hier wird auch auf das Bundesverfassungsgericht verwiesen.

Dass sich ein besonderer Rechtfertigungsgrund darstellt, kann man vielleicht daran sehen, dass sich die Grundrechts- und Verfassungsrealität mittlerweile gewandelt hat. Heute werden die Menschenrechte anders gesehen als noch vor 40 oder 50 Jahren. Wir sind dadurch plötzlich mit einer anderen Verfassungsrealität konfrontiert und sehen und erkennen die Urteile der Vergangenheit in diesem Lichte und müssen sie erklären. Insofern muss man sagen: Wenn man einen Weg fände, der heute empfundenes Unrecht wieder gutmachen könnte, sollte man diesen Weg gehen.

Meine Damen und Herren, letztlich sollte die Qualität eines Rechtsstaates ausmachen, dass man nicht blind ist und sagt, in einem Rechtsstaat könne kein Unrecht geschehen. Das stimmt nicht. Es können immer Fehler passieren, und es kann Unrecht passieren. Es geht darum, wie man mit Fehlern umgeht. In einer Demokratie sollte, um weiter voranzukommen, eine Fehlerkultur bestehen. Die Philosophin Hannah Arendt hat einmal gesagt, der Sinn der Politik sei die Freiheit. Darum geht es. Es geht um die Freiheit, wieder neu anzufangen, neue Wege zu gehen und neue Lösungen aufzuzeigen. Insofern werden wir in der Fraktion mehrheitlich beide Anträge unterstützen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Danke schön. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Claudia Stamm.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen! Bei diesem Thema könnte ich mich selbst zitieren, aber das macht man nicht. Ich habe an diesem Platz und in diesem Hohen Haus bereits vor vier Jahren gesagt: Ein demokratischer Rechtsstaat beweist seine Stärke eben darin, dass er Fehler der Vergangenheit in Gesetzgebung und Rechtsprechung korrigiert und den Opfern seiner Irrtümer Recht widerfahren lässt. Es bleibt ein Skandal, dass in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin Männer mit dem Stigma leben müssen, vorbestraft zu sein, weil sie schwul sind.

Das war vor vier Jahren. Warum sage ich das? – Ich will damit zeigen, wie lange es gedauert hat und wie lange es immer noch dauert, Herr Kollege Heike. Mit diesem Gesetzentwurf soll es endlich anders werden. Nichts anderes soll passieren, als dass schwulen Männern Recht geschehe. Das ist auch gut so; denn bislang geschieht ihnen Unrecht. Einen anderen volljährigen Menschen zu lieben, das kann nicht Unrecht sein. Deshalb, geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der CSU, ist es tatsächlich an der Zeit, mit Ihren

Sonntagsreden, die in diesem Fall Samstagsreden sind, weil der Christopher Street Day – CSD – normalerweise an einem Samstag stattfindet, endlich aufzuhören und diesen Reden Taten folgen zu lassen.

Wenn Politik in diesen Tagen eines sein muss, dann muss sie glaubwürdig sein. Politik muss mehr denn je glaubwürdig sein.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der CSU, sehr geehrter Herr Spaenle – leider ist er gerade hinausgegangen –, beim Münchner CSD in einem Wagen mit dem Slogan "Rehabilitierung für die 175er-Opfer" vorzufahren, hier im Landtag aber dem Antrag der GRÜNEN auf Rehabilitierung der Opfer nicht zuzustimmen, ist unglaubwürdig. Sie müssen sich jetzt entscheiden.

(Jürgen W. Heike (CSU): Das ist doch nicht wahr!)

Lesen Sie es im Plenarprotokoll nach. Das Spiel, in der Großstadt dafür zu sein, im Landtag aber alles zu blockieren, muss endlich ein Ende haben, und zwar aus zwei Gründen: Zum einen geht es um die Sache, zum anderen um Gerechtigkeit; schwulen Männern muss endlich Recht widerfahren. Es ist gut und gerecht, wenn Männer, die andere Männer liebten, nicht mehr als vorbestraft gelten.

Noch einmal ganz kurz die historischen Fakten, das eine oder andere wurde schon erwähnt. Der § 175 des Strafgesetzbuches, über den wir gerade reden, stellte gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Männern seit dem Jahr 1872 unter Strafe. Die Nationalsozialisten verschärften diesen Paragrafen im Jahr 1935. Von der Bundesrepublik wurde der § 175 ins Strafgesetzbuch übernommen. Ab 1969 galt der § 175 nur noch für Sex mit unter 21-Jährigen. Im Jahr 1994 – das haben wir vorhin gehört – ist er endlich ersatzlos gestrichen worden. Es war wirklich fällig, dass er gestrichen wurde; denn wer hätte gedacht, dass er erst so spät, nämlich 1994, gestrichen wird?

Zusammengefasst: Für schwule Männer war es ein langer Leidensweg. Dass es jetzt den Gesetzentwurf der Großen Koalition, zu der übrigens auch die CSU gehört, gibt, ist gut. Er hätte aber schon viel früher kommen müssen und auch können, wenn die Union nicht immer blockiert hätte. Die Entschädigungssummen, die der Gesetzentwurf enthält, sind viel zu niedrig. Eine echte Wiedergutmachung ist ohnehin nicht möglich – das ist mir auch klar –, aber es ist zu wenig Geld vorgesehen. Viele Sachverhalte wurden gar nicht berücksichtigt. Dass jemand wegen seiner Homosexualität angeklagt, zwar nicht verurteilt wurde, dann aber seinen Job verloren hat und dieser Knick in der Karriere eindeutig nachweisbar war, wird über

haupt nicht berücksichtigt. Kurz gesagt, liebe Kolleginnen und Kollegen der CSU: Diesem Antrag nicht zuzustimmen, wäre nicht gerecht. Ganz klar sei noch gesagt: Ich hoffe, dass Sie sich dann auch bei keinem CSD mehr blicken lassen.

Bitte bleiben Sie am Rednerpult, wir haben eine Zwischenbemerkung des Kollegen Heike.

Frau Kollegin Stamm, stimmen Sie mir zu, dass etwas in Ihrer Rede zum Schluss nicht ganz richtig war? Sie haben von Vorstrafen gesprochen. Ist Ihnen bekannt, dass die Vorstrafen nach § 175 StGB mittlerweile gelöscht sind?

Frau Stamm, Sie haben jetzt eine Minute Zeit zur Erwiderung.

Ich habe es rein akustisch nicht ganz verstanden. Es tut mir leid, Herr Heike.

Das kann passieren. Noch einmal: Sie haben davon gesprochen, dass die Menschen, die nach § 175 StGB verurteilt worden sind, noch als vorbestraft gelten. Das ist nicht der Fall. Vorstrafen nach § 175 sind gestrichen. Ist Ihnen das bekannt?

Bei dem Gesetzentwurf geht es darum, dass die "175er" rehabilitiert werden. Dieser Gesetzentwurf ist in Berlin mit Ihrer Stimme eingebracht worden. In diesem Gesetzentwurf steht übrigens, dass es pauschal möglich sein soll, die Urteile aufzuheben. Das haben Sie vorher auch anders dargestellt. Ich würde jetzt am liebsten folgende Gegenfrage stellen: Stimmen Sie mir zu, dass Sie es vorhin falsch dargestellt haben, dass das nicht möglich ist?

(Jürgen W. Heike (CSU): Das ist jetzt aber primitiv!)