Das alles sind lauter solche Einzelmaßnahmen, auf die Sie einfach noch einmal genau schauen müssen. Wenn Sie etwas sehen wollen, werden Sie auch etwas sehen; nur: Sie wollen es nicht sehen. Das ist der Punkt!
Ich danke, Frau Kollegin Meyer. - Es ist immer schön, wenn sich die Fraktionen freuen, wenn ihre Rednerinnen oder Redner am Pult waren.
Folgendes: Wir sind mit der Aussprache zur Regierungserklärung noch nicht ganz zu Ende. Wir haben jetzt noch die Wortmeldungen der FREIEN WÄHLER, von Frau Gottstein mit 14:40 Minuten, und von den GRÜNEN mit 13:01 Minuten. Abschließend wird dann noch Frau Haderthauer das Wort ergreifen. Deswegen fahren wir jetzt fort. Bitte schön, Frau Gottstein.
Sehr verehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr verehrte Frau Staatsministerin! Ich zitiere die "Süddeutsche Zeitung", "Pa
Michael fährt morgens mit dem Rad in die Schule und nachmittags, nach dem Nachmittagsunterricht, ins Schwimmbad. Er wohnt einen Kilometer von der Schule entfernt. Das Schwimmbad liegt zwei Kilometer in der anderen Richtung von der Schule entfernt. Wie viele Kilometer fährt Michael?
Auch wenn diese Textaufgaben bei uns allen schon lange her sind: Also, er fährt einen Kilometer in die Schule,
dann fährt er ins Schwimmbad in der anderen Richtung. Das sind dann - eins und zwei ist drei - vier Kilometer; er fährt wieder zurück, sind sechs Kilometer.
- Genau! Die Aufgabe ist falsch. Er fährt einen Kilometer in die Schule, ist ein Kilometer. Wenn das Schwimmbad zwei Kilometer entfernt liegt in der anderen Richtung, hat er, wenn er ins Schwimmbad muss drei Kilometer, und eins und drei ist vier; zwei Kilometer zurück ist sechs. Okay? - Gut, danke. War kostenlose Nachhilfe.
Aber: Die Lösung ist verkehrt. Ich wollte natürlich meine Redezeit nicht auf Rechenkünste verschwenden, sondern: Es gab null Punkte. Die Mutter verwehrt sich und sagt: Ja, wieso null Punkte? - Die Lehrerin erklärt: Ja, jedes normale Kind geht doch mittags nach Hause, und deswegen sind es zwölf Kilometer.
Ich habe jetzt nicht recherchiert, ob das richtig ist. Es ist vom Kultusministerium niemand mehr da; ich gehe davon aus, das wird jetzt recherchiert.
Diese Aufgabe zeigt: Das Kind ist nämlich ein Hortkind und geht mittags nicht nach Hause. Hier ist mit Recht kommentiert: Mit so etwas rechnet die Mathematik im Jahr 2012 noch nicht. Ich kann einfach - Sozialbericht hin oder her - sagen: In der Wirklichkeit noch nicht angekommen!
In der Praxis ist eben ganz viel von dem, was wir heute hier gehört haben, jede Menge Zahlen dazu, was alles schon erreicht worden ist - und das möchten wir ja hier gar nicht angreifen in weiten Teilen -, noch nicht angekommen.
Sehr verehrte Frau Staatsministerin, Sie liefern heute eine hervorragende Analyse, geeignet für sehr viele Vorträge. Sie liefern doch teilweise mehr eine Sonntagspredigt, weil leider viel zu wenige politische Lösungen angeboten werden. Alles, was Sie zu Ihren Unterpunkten sagen, stimmt. Ich habe die Rede zweimal gelesen: Frauen im Berufsleben, segregierte Berufswelt, Gender pay gap oder, im Zusammenhang mit Familien: Lage von Familien, Lebensphasen der gelebten Familienverantwortlichkeit, Renten nach Lebensleistung, Familienarbeit muss ermöglicht werden. Nur: Wo sind die konkreten politischen Lösungen, wo ist die konkrete politische Umsetzung? Da haben wir leider nach wie vor nur ein großes Flickwerk.
Wir FREIEN WÄHLER fordern ganz klar von Ihnen erstens einmal eine bessere Transparenz bei den vielen, sicher durchaus lobenswerten Einzelprojekten Ihres Hauses: Vorkurs Deutsch, "Mama spricht Deutsch" "Elterntalk", "KoKi" - Koordinierende Kinderschutzstellen - usw. Gut, aber doch wenig transparent. Man braucht da schon einen Systembetreuer, einen Wegweiser, ähnlich vielleicht wie in der Schulberatung.
Also, ich denke - und ich weiß es von der Arbeit draußen -, bei vielen Eltern kommt es nicht an, wenn sie nicht zufällig von irgendjemandem informiert werden.
Wir mahnen zweitens bei all Ihrer Arbeit und Ihren Projekten mehr Verlässlichkeit an. Sie fordern diese Verlässlichkeit ja selber. Sie machen oft nur lobenswerte Anschubfinanzierungen, aber die große Gefahr ist: Nach ein, zwei Jahren verlaufen die Projekte im Sand, oder nur reiche Kommunen können sie durchhalten. Das ist uns zu wenig, und das ist zu wenig verlässlich.
Unsere dritte Forderung: Weg vom Gießkannenprinzip! Siehe KoKis; das ist eine gute Einrichtung. In meinem eigenen Landkreis können wir inzwischen feststellen: Wir haben später weniger Folgekosten, wenn wir hier in der Prävention arbeiten. In Oberbayern sind es 19 KoKis, in Unterfranken 4. Das ist das Zufallsprinzip, und das darf es nicht sein. So etwas muss flächendeckend und dann auch verpflichtend eingeführt
werden, und es darf letztendlich nicht dem einzelnen Landkreis überlassen werden, ob er so etwas machen will oder nicht. Weg vom Gießkannenprinzip!
Unsere vierte Forderung: Bitte weg vom Nebeneinander Ihres Hauses und des Kultusministeriums. - Da ist jetzt leider keiner da. - Sie, Frau Staatsministerin, haben vorhin gelobt, dass da zwei Staatssekretäre tätig sind. Ja, vielleicht täte es auch einer in diesem Zusammenhang? Wir haben ein Nebeneinander. Wir haben aus Ihrem Haus KiDZ - Kindergarten der Zukunft -, ist eine gute Sache gewesen. Momentan wird es nicht fortgeführt. Wir haben auf der anderen Seite die "Flexible Grundschule" - auch eine gute Sache. Aber warum müssen hier zwei Häuser an der gleichen Sache basteln? Das kann man etwas straffer führen. In dem Fall könnte man auch Synergieeffekte erzielen und müsste nicht in zwei Häusern mehr oder minder nebeneinander her arbeiten.
Genauso ist es mit dem Ganztags- oder HalbtagsHort. Das eine Haus hat Lösungen, das andere Haus hat Lösungen. Uns kommt es oft so vor, dass es nicht einmal abgesprochen ist. Das ist keine effiziente Arbeit.
Oder nehmen wir die Schulsozialarbeit. Da hätten wir den ersten Appell an Sie, Frau Ministerin - auch wenn Sie jetzt woanders sitzen; ich nehme Sie jetzt ganz fest in den Blick -: Lassen Sie doch Ihr Haus in diesem Zusammenhang nicht vom Kultusministerium missbrauchen!
Sie machen hier nach wie vor von der Gesetzesvorschrift her Jugendsozialarbeit als Einzelfall. Was jetzt an allen Ecken und Enden passiert, ist Schulsozialarbeit. Lassen Sie doch bitte das Haus, das momentan hier nicht vertreten ist, Schulsozialarbeit machen.
- Ja, doch, eine Ansprechpartnerin habe ich, und sie wird es ausrichten. Aber gut, vielleicht werden die Protokolle wenigstens nachgelesen. - Könnte ja sein!
Schulsozialarbeit ist vom Kultusministerium zu finanzieren; Sie handeln eigentlich laufend gesetzwidrig. Ich sage das hier an dieser Stelle nicht zum ersten
Mal. Der Schulsozialarbeiter hat sich um die Tutorensysteme, um die Streitschlichter, um das Betriebsklima, um alles Mögliche zu kümmern und soll und darf auch keine Einzelfallhilfe leisten. Er soll dem Schulleiter unterstellt und in die schulische Arbeit eingebunden sein. Die Jugendsozialarbeit hat nach wie vor Einzelfallhilfe zu sein, und zwar über das Jugendamt mit anderen datenrechtlichen Vorschriften. Hier gibt es ewige Baustellen, die letztlich schon irgendwie bearbeitet werden. Hier will das eine Haus am anderen sparen. Bitte nicht!
Natürlich könnte man an dieser Stelle wieder sagen, dass man für den ganzen Bildungsbereich vielleicht doch nur ein Ministerium andenken will. Eventuell wäre dieser Bereich in Ihrem Ministerium sogar besser angesiedelt als im Kultusministerium. Allerdings ich traue mir nicht zu, das endgültig zu beurteilen. Aber dieses Nebeneinander lehnen wir ab.
Unsere letzte Forderung: Kommen Sie bitte auch in diesem Bereich weg von dem Verfahren: in Bayern schön reden und im Bund nicht handeln.
Sie sagen selber, Sie hätten im Zusammenhang mit der Rente nach Lebensleistung ein Konzept entwickelt. Der Presse ist zu entnehmen, dass das Konzept mit der FDP noch nicht abgestimmt ist. Das ist mir eigentlich egal. In der Presse ist aber auch zu lesen, dass es dieses Konzept gibt. Wir als Opposition kennen es im Detail nicht. Hauptfrage: Kennt man es in Berlin? - Ich denke, der Ansatz, den Sie bieten, ist richtig: Lebensleistung, speziell Erziehungsleistung muss endlich anerkannt werden. Aber dann setzen Sie das bitte auch in Berlin um und durch.
Wir fordern im Sozialbereich, speziell auch bei der Arbeit Ihres Hauses, ganz klar mehr Transparenz, mehr Verlässlichkeit, weg vom Gießkannenprinzip, letztendlich weg von den Sonntagsreden hin zu konkretem politischen Handeln. Wir haben jede Menge Zahlen gehört. Aber was draußen bei den Bürgerinnen und Bürgern ankommt, ist in diesem Bereich noch viel zu wenig.
Vielen Dank, Frau Gottstein. - Zuletzt hat Frau Scharfenberg für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN das Wort. Bitte.