Abstimmung über Verfassungsstreitigkeiten und Anträge, die gemäß § 59 Abs. 7 der Geschäftsordnung nicht einzeln beraten werden (s. a. Anlage 2)
Wir haben vorhin über die Listennummer 16 namentlich abgestimmt. Hinsichtlich der jeweiligen Abstimmungsgrundlagen mit den einzelnen Voten der Fraktionen zu den Verfassungsstreitigkeiten und den übrigen Anträgen verweise ich auf die vorliegende Liste.
Wer mit der Übernahme seines Abstimmungsverhaltens bzw. des jeweiligen Abstimmungsverhaltens seiner Fraktion entsprechend der aufgelegten Liste einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. Gegenstimmen? - Keine. Enthaltungen? - Auch keine. Dann übernimmt der Landtag diese Voten.
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Dr. Martin Runge, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Gegen den Temelin-Ausbau die EU-Kommission einschalten (Drs. 16/11864)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Erörterungstermin für den Temelin-Ausbau auch in Bayern ermöglichen (Drs. 16/11878)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Georg Schmid, Karl Freller, Dr. Otto Hünnerkopf u. a. und Fraktion (CSU), Thomas Hacker, Tobias Thalhammer, Dr. Andreas Fischer u. a. und Fraktion (FDP) Geplanter Ausbau des Kernkraftwerks Temelin formellen Erörterungstermin in Deutschland durchführen (Drs. 16/11879)
Ich eröffne die gemeinsame Aussprache. Erster Redner ist Herr Kollege Eike Hallitzky. Herr Kollege, Sie haben das Wort.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! 3.000 bayerische Bürgerinnen und Bürger haben gegen den Ausbau des Atomkraftwerks in Temelin Einwendungen erhoben. Unterstützt wurden sie dabei auch von den regionalen Landräten, von denen nicht einer den GRÜNEN, aber fast alle der CSU angehören. Von dort kam auch im letzten Herbst der dringende Wunsch, dass sich auch die Landesebene und die Bundesebene gegen den Ausbau von Temelin wehren, und von den Landräten der Landkreise entlang der Grenze kommt jetzt auch der Wunsch, diese Kritik und ihre Forderungen der EUKommission zu übermitteln, weil die Zeit drängt.
Bereits am 25.10. des letzten Jahres debattierten wir hier einen Antrag der GRÜNEN zu dieser Thematik, der zum Ziel hatte, dass sich die Bayerische Staatsregierung für eine faire Beteiligung aller bayerischen Bürgerinnen und Bürger an der Umweltverträglichkeitsprüfung starkmachen solle. Der Antrag wurde damals von den Regierungsfraktionen abgelehnt mit der Begründung - ich zitiere aus dem Protokoll "… die tschechische Seite dargelegt und versichert hat, bei den geplanten Blöcken auf höchste Sicherheitsstufen zu achten sowie die internationalen Standardübereinkommen und Verpflichtungen einzuhalten." Genau das macht Tschechien nicht.
Europäisches und internationales Recht erfordert die gleiche Behandlung und die Nicht-Diskriminierung aller europäischen Bürgerinnen und Bürger. Einschlägig sind die Aarhus-Konvention, die Espoo-Konvention und die EIA Directive. Nach diesen verbindlichen Rechtsgrundlagen steht den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern ein rechtlich verbindlicher Anhörungstermin in Bayern zu.
Diesen verweigert der tschechische Staat. Uns allen ist klar, eine bloße Info-Veranstaltung, wie sie Herr Necas "wegen der guten Beziehungen zu Deutschland" Frau Merkel in einem persönlichen Brief angeboten hat, hat nur Alibi-Charakter, weil die Ergebnisse keine Rechtswirksamkeit haben. Sie können nicht beklagt werden; eine solche Veranstaltung entspricht dem Rechtsstandard in keiner Weise.
Die GRÜNEN wollen mit ihrem Antrag - und ich will mit meiner Rede der Staatsregierung den guten Willen nicht absprechen - das Mögliche gegen den Ausbau von Temelin tun. Vielmehr bitten wir sie mit diesem Antrag darum, das Thema mit einer formellen Beschwerde gegen das geplante Vorgehen Tschechiens endlich bei der EU-Kommission vorzubringen und damit auf die europäische Ebene zu heben. Es handelt sich um europäisches Recht, das die tschechische Republik mit Füßen tritt.
Dabei wissen wir natürlich, dass es bei einem solchen Verfahren immer einen Rest an Unsicherheit geben wird.
Das darf uns aber nicht hindern, eine formelle Beschwerde einzulegen, weil wir erstens wissen, dass die eben zitierten Rechtsnormen nahelegen, dass eine solche Beschwerde sehr gute Chancen hat. Zweitens hat Tschechien wegen Nichtbeachtung der Rechtsgrundlagen schon einmal ein Vertragsverletzungsverfahren vor der EU-Kommission verloren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das AKW Temelin ist für Bayern sehr gefährlich. Legt man die Karte des Fallouts von Fukushima um das AKW von Temelin, weiß man, dass je nach Wind bei einem vergleichbaren Unfall zumindest ganz Südbayern dauerhaft unbewohnbar werden würde. Die Sicherheitskultur von CEZ, dem Betreiber von Temelin - dem größten Unternehmen in Tschechien, politisch gut vernetzt -, und die Sicherheitskultur der tschechischen Atomaufsicht sind beide keineswegs beispielhaft: Die Betreiber meinen, bei dem Ausbau soweit wie möglich gehen zu können. Nachdem es weit über 100 Störfälle gegeben hat, wurden weitere gar nicht mehr gemeldet. Die
Kette der Probleme reißt nicht ab. In den letzten zwei Jahren wurden wiederholt mangelhafter Strahlenschutz, mehrmaliges Abweichen von Betriebskontrollen, neunmal fremde Gegenstände, von denen niemand wusste, woher sie kamen, sechsmal alleine Verstrahlungen bei Personen, die dort arbeiten, festgestellt. Zudem ist bekannt, dass die Stresstests der tschechischen Regierung die schwächsten und dünnsten in ganz Europa waren.
Nun wird eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt, die europäischem und internationalem Recht widerspricht und ohne dass man überhaupt weiß, welche Atomreaktoren in Temelin gebaut werden sollen. Favorit ist bekanntermaßen ein tschechisch-russisches Konsortium.
Am Rande ist zu bemerken, dass wir darüber hinaus alle gemeinsam in der Pflicht sind, die auch in Tschechien mittlerweile massiven Zweifel an der Rentabilität von zwei neuen Atomreaktoren zu bestätigen. Die Aussage des CEZ-Generaldirektors Daniel Bene? lautet: "Ich kenne kein Atomprojekt auf der Welt, das ohne Staatsunterstützung gebaut wird." Das zum Thema billiger Atomstrom. Dass es unsere Pflicht ist, die Rentabilitätsüberlegungen dadurch zu untergraben, dass in Deutschland und Bayern das Gelingen der Energiewende auch für unsere Nachbarländer möglichst schnell und möglichst klar sichtbar wird, ist ohnehin klar. Heute steht aber auf dem Plan, was wir alles in die Wege leiten können, um den Ausbau auf rechtlichem Weg zu stoppen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte das Hohe Haus nachdrücklich um Zustimmung zu unserem Antrag. Mit dieser Zustimmung würden wir den Landräten, den Kreistagen entlang der tschechischen Grenze und der ostbayerischen Bevölkerung zeigen, dass wir im Landtag alles, was möglich ist, gegen den Ausbau von Temelin tun. Die GRÜNEN tragen deswegen selbstverständlich die Anträge der anderen Fraktionen mit. Zur Erklärung ist zu sagen, dass wir nur deshalb, weil unsere inhaltsgleiche Forderung im Oktober 2011 im Plenum von der Landtagsmehrheit abgelehnt wurde, diesen Text in unserem heutigen Antrag nicht wiederholt haben. Was Sie heute beantragen haben Sie uns damals abgelehnt. Insoweit freuen wir uns über den Lernprozess und stimmen dem Antrag von CSU und FDP sowie dem der FREIEN WÄHLER zu. Wir bitten Sie dringend um Zustimmung zu unserem Antrag, damit wir alles tun, was wir tun können.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Vorweg, lieber Kollege Hallitzky, wir sind uns hier im Hohen Hause alle einig: Der Ausbau von Temelin ist von uns nicht gewollt. Daran hat in der Vergangenheit niemand einen Zweifel gelassen. Richtig ist auch, darauf hinzuweisen, dass die Überlegungen und Planungen, den weiteren Ausbau des eher unsicheren Kernkraftwerks Temelin weiter voranzutreiben, nicht im Einklang mit dem stehen, was wir in Deutschland und Bayern auf den Weg zu bringen versucht haben.
Ich glaube, dass es aber auch wichtig ist, darauf hinzuweisen, dass die Risiken der Realisierung nicht zwingend gestiegen sind. Selbst der Betreiber, so war in den letzten Tagen zu lesen, hat inzwischen Zweifel. Das hat in der Tat damit zu tun, dass das Gelingen der Energiewende in Bayern die Rahmenbedingungen auf dem europäischen Energiemarkt verändert, unter denen investiert wird. Vor denselben Fragen und Schwierigkeiten, vor denen künftige Investoren bei bestimmten Arten von Kraftwerken stehen, werden auch Investoren in unseren Nachbarländern stehen. Deshalb ist Ihre Überlegung zu unterstreichen. Wir sollten aber keine Panik verursachen.
Die Zielsetzung Ihres Antrags, darauf hinzuwirken, dass in Deutschland ein formeller Erörterungstermin stattfinden kann, ist auch die Position der Staatsregierung bzw. der CSU. Das ist auch nichts Neues. Vor dem Bau der Blöcke 1 und 2 hat in Passau 2002 ein solcher stattgefunden. Das Begehren ist auch mehrfach untermauert worden, zuletzt beim Besuch des Bayerischen Ministerpräsidenten in der Tschechischen Republik, wo es eine in diese Richtung gehende Zusage gab, einen solchen Termin in Bayern durchzuführen. Zu unserem allgemeinen Bedauern hat sich nun leider herausgestellt: Die Tschechen verstehen unter Erörterung nicht Erörterung, sondern inzwischen nur noch Informationsveranstaltung. Und so war natürlich nicht gewettet.
Ich sage auch für unsere Fraktion ganz klar: Wir wollen hier keine rechtlich bedeutungslose Informationsveranstaltung; wir brauchen auch keine Veranstaltung zur Stimmungsverbesserung oder zur Gewissensberuhigung, sondern wir wollen eine echte Plattform im formellen Sinne, auf der die Sorgen, Nöte und Anliegen der Bevölkerung eingebracht werden können, und zwar mit der notwendigen formalen Qualität.
Deshalb müssen wir gemeinsam großes Interesse haben, eine Forderung nach dem Anhörungstermin entsprechend platzieren zu können. Aber - und jetzt kommt der Unterschied, lieber Herr Kollege Hallitzky -, das Ganze muss natürlich auch rechtlich durchsetzbar sein. Da muss man zunächst einmal darauf hin
weisen, dass eine formelle Beschwerde bei der EUKommission, wie Sie sie in Ihrem Antrag wünschen, nur von Mitgliedstaaten eingeleitet werden kann, aber nicht vom Freistaat Bayern. Die Bayerische Staatsregierung wäre hier also gar nicht antragsberechtigt.
Das Zweite ist: Eine solche Beschwerde muss sich auch an den richtigen Adressaten wenden. Natürlich kann die Bayerische Staatsregierung, wie sie das getan hat, appellativ wirken, aber wenn es um formelle Einflussnahme geht, um rechtliche Verbindlichkeit, dann ist natürlich der Bund in der Pflicht. Deswegen ist es notwendig und richtig, dass die Staatsregierung aufgefordert wird, gegenüber dem Bund auf ein entsprechendes Handeln zu dringen.
Eines muss man aber auch sagen: Bei Ihnen liest sich alles gut, auch die rechtlichen Grundlagen, die Sie angeführt haben, aber es lässt sich daraus leider nicht ableiten, dass die Pflicht zur Durchführung eines Erörterungstermins in Deutschland besteht. Es heißt in den von Ihnen angeführten Übereinkommen, dem Aarhus-Übereinkommen und der Espoo-Konvention, nur, es muss gleichberechtigt, gleichwertig eine Beteiligung gewährleistet sein. Das heißt aber nicht, dass eine solche Veranstaltung deshalb zwingend in Deutschland stattfinden muss. So etwas würden wir uns wünschen, ohne Frage, aber es lässt sich da keine entsprechende Pflicht ableiten.
Deswegen mache ich es kurz: Wir sollten, liebe Kolleginnen und Kollegen, keine falschen Erwartungen wecken. Wir sollten auch mit unseren Bemühungen nicht ins Leere laufen, aber wir sollten das, was wir tun können, mit einem starken Signal tun, nämlich den Bund und die Bundesregierung auffordern, gegenüber der tschechischen Regierung entsprechend tätig zu werden und darauf zu dringen, dass das, was hier im Raum steht, auch tatsächlich gemacht wird - unbeschadet dessen, dass die Realisierung von Temelin in den letzten Wochen und Monaten nicht zwingend wahrscheinlicher wurde. Das haben wir am Ende alle miteinander in der Hand, wenn wir zu einem Gelingen der Energiewende beitragen.
Danke schön, Herr Kollege Blume. Als Nächster hat das Wort Herr Kollege Dr. Hans Jürgen Fahn. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Tschechen werben derzeit um Verständnis für den Temelin-Ausbau. Wir in Bayern haben kein Verständnis für dieses Vorhaben. Deshalb müssen wir alles tun, damit dies verhindert
wird. Wir müssen kämpfen und alle Möglichkeiten ausnutzen, damit wir noch etwas erreichen. Wir haben im Oktober schon einmal im Plenum darüber gesprochen. Damals hatte der frühere Umweltminister Markus Söder unheimlich viele Hoffnungen geweckt, die er auch publiziert hat. Zum Beispiel hat er gesagt, wir benötigen größtmögliche Sicherheit, größtmögliche Transparenz; die weiteren Prüfungen müssen ohne Abstriche nach internationalen Vorgaben ablaufen; den Bürgern Bayerns muss die Möglichkeit gegeben werden, alle Einwände im Rahmen eines ordnungsgemäßen Anhörungsverfahrens umfassend in deutscher Sprache vorzubringen.
In einem Brief an seinen tschechischen Amtskollegen betonte Dr. Söder nochmals: "Sie haben zugesagt, auf bayerische Belange einzugehen." Herr Söder wollte auch im Rahmen einer größtmöglichen Transparenz Besuche der Bayerischen Kommission für Reaktorsicherheit vor Ort, in Temelin, durchsetzen. - Ob er es erreicht hat, weiß ich im Moment nicht. - Markus Söder sagte auch immer wieder: Das gibt mir Anlass zur Sorge.
Aber die Frage ist immer wieder: Was ist daraus geworden? In Prag, das wissen wir alle, setzt man noch immer einseitig auf Atomenergie und will die Einwände eben möglichst auf Sparflamme halten.
Deshalb, meine ich, ist der Antrag der GRÜNEN in der Zielrichtung schon richtig. Wir müssen alles tun, damit das verhindert wird.
Nun gibt es diesen Plan, es soll eine bedeutungslose Informationsveranstaltung in Deutschland geben. Die Tschechen sprechen von einer Informationsoffensive. Sie sprechen von Dialogforen. Aber diese Dialogforen sind selbst in Bayern nicht zielführend; das haben wir schon gemerkt: Die Dialogforen seitens des Kultusministeriums bei der Einführung der Mittelschule haben schließlich auch nicht viel gebracht. Es ist keine Diskussion auf Augenhöhe.
Das ist immer ganz wichtig. Wer konkrete Einwendungen hat, muss dann zu einem Erörterungstermin nach Tschechien fahren. Das bedeutet eine Fahrt von mehreren Hundert Kilometern. Da werden doch von den 3.000 Einwendungen nur ganz wenige übrig bleiben.
Das hat eigentlich mit gut nachbarschaftlicher Zusammenarbeit nichts zu tun. Da, meine ich, haben wir uns wieder über den Tisch ziehen lassen, und das muss sich ändern. Deswegen haben wir in unserem Antrag - dazu hat Herr Blume gar nichts gesagt; wir als FREIE WÄHLER haben nämlich auch einen Antrag
gestellt -, geschrieben: Es geht nicht nur um den Bund, sondern wir wollen auch eine Initiative der Bayerischen Staatsregierung; denn gerade wenn man ein Nachbar ist, sollte sich auch die Bayerische Staatsregierung im Rahmen ihrer Möglichkeiten dafür einsetzen, dass ein Erörterungstermin in Deutschland stattfindet, meine Damen und Herren. Wir wollen nicht nur sagen, der Bund muss es machen, vielmehr müssen wir auf allen Ebenen insgesamt aktiv werden.
Die Konventionen, die die GRÜNEN ansprechen, sind richtig. Da geht es um den Zugang zu Umweltinformationen. Darauf möchte ich nicht im Einzelnen eingehen. Aber wir sind uns alle sicher und alle, glaube ich, einer Meinung, dass diese geplanten unverbindlichen Informationsveranstaltungen auf keinen Fall auch den gesetzlichen Vorgaben dieser Konventionen entsprechen.