Protocol of the Session on November 29, 2011

Besonders Eltern sorgen sich um die Gesundheit ihrer Kinder. Diese Ängste nehme ich sehr ernst, denn gerade unsere Kleinsten und Jüngsten brauchen besonderen Schutz. Deshalb unterstütze ich nachdrücklich eine Gesetzesinitiative Dänemarks für ein europaweites Verbot gesundheitsschädlicher Weichmacher - das habe ich auch in einer klaren Stellungnahme an die EU zum Ausdruck gebracht.

So das Staatsministerium für Soziales. Weiter heißt es in der Pressemitteilung:

Denn klar ist: Gefährliche Stoffe machen an den Ländergrenzen nicht halt!

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Unser Antrag hat eigentlich genauso gelautet wie diese Pressemitteilung des Staatsministeriums für Soziales. Unser Antrag hat gelautet:

Die Staatsregierung wird aufgefordert, sich für ein Verbot des Einsatzes von Phthalat-Weichmachern in Produkten einzusetzen …

Das haben wir gefordert. Wenn heute noch jemand gegen unseren Antrag stimmt, verstehe ich dieses Verhalten überhaupt nicht. Wenn Sie einigermaßen konsequent wären, müssten Sie unseren Antrag anders als in den Ausschüssen unterstützen. Der CSUAntrag, mit dem bis Mitte 2012 eine Studie gefordert wird, hat sich mittlerweile überholt. Wenn Sie sich ein bisschen an die parlamentarischen Regeln halten würden, müssten Sie heute den CSU-Antrag konsequenterweise ablehnen.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Bevor ich in der Aussprache weiterfahre, möchte ich mitteilen, dass die CSU-Fraktion für ihren Antrag 16/9786 namentliche Abstimmung beantragt hat.

(Zurufe von den FREIEN WÄHLERN und der SPD)

- Ich kann das nur so wiedergeben.

(Harald Güller (SPD): Hat der Zählappell der CSU zu wenige Abgeordnete ergeben?)

Ich habe das mitzuteilen, was man mir nach oben gibt. Gesundheitliche Schäden sind im Übrigen immer sehr ernst zu nehmen. Das gilt für uns alle. Kolleginnen und Kollegen haben mich draußen auch schon angesprochen, dass ich für ihre Gesundheit verantwortlich sei. Das, was ich hier machen würde, wäre auch schädlich. Das wollte ich nur einmal außerhalb der Tagesordnung anmerken. Jetzt darf ich Frau Kollegin Franke das Wort erteilen.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die chemische Industrie in Westeuropa produziert jährlich rund eine Million Tonnen Phthalate. Wir reden hier also nicht von Peanuts. Wir fordern mit unserem Antrag nicht das Verbot von Phthalaten, wie man meinen könnte, wenn man das Abstimmungsergebnis im Ausschuss anschaut. Wir fordern im ersten Punkt unseres Antrags lediglich das Allermindeste und Allernotwendigste, nämlich Information und Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher über diese gesundheitsgefährdenden Stoffe und den Hinweis auf Alternativen. Alternativen

sind Produkte, die ein Umweltzeichen wie zum Beispiel den Blauen Engel tragen. Daneben gibt es aber auch Alternativen stofflicher Art wie zum Beispiel Fliesen, Parkett, Kork, Linoleum oder Polyethylen statt PVC-Böden. Statt einer Vinyltapete könnte eine Papiertapete verwendet werden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, angesichts der in diesem Hohen Hause mittlerweile bekannten gesundheitlichen Gefährdung der Bevölkerung, insbesondere der Kinder und Jugendlichen, die von den PhthalatWeichmachern ausgeht, ist es völlig unverständlich, dass die Regierungskoalition es ablehnt, die Bevölkerung wenigstens über die Gefahren aufzuklären. Im Ausschuss haben Sie auf das Verbraucherinformationsportal verwiesen. Das wäre eine aktive Informationsbeschaffung. Die wäre aber nur möglich, wenn man schon weiß, dass Gefahr droht, oder wenn man es zumindest ahnt. Wenn es schon über die 2008 in Kraft getretene Chemikalienrichtlinie REACH nicht möglich war, die gefährlichen Phthalate aus dem Stoffkreislauf herauszuhalten, wenn die Verbesserung sich weiter hinzieht und selbst die LGL-Studie nach Ihren Aussagen noch nicht abgeschlossen ist, dann muss in der Zwischenzeit zumindest Gesundheitsund Verbraucherschutz in Form von Aufklärung und Information betrieben werden. Mir ist völlig unverständlich, mit welcher Begründung und mit welchem Recht Sie es zulassen, dass unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger sich unwissentlich mit gesundheitsschädigenden Stoffen umgeben.

Dass die Aufklärung nicht ausreichend ist, zeigen auch die genannten Zahlen. Eine Million Tonnen Phthalate landen nicht nur in der Industrie, sondern zum großen Teil direkt bei den Bürgerinnen und Bürgern. Diese eine Million Tonnen landen jährlich über den Stoffkreislauf auch in Boden, Wasser und Luft und vergiften zunehmend unsere Umwelt. Dort werden sie längere Zeit Schaden anrichten. Sie häufen sich von Jahr zu Jahr immer mehr an. Das können wir so weiter nicht hinnehmen. Ein Verbot dieser Stoffe ist natürlich überfällig. Dies aber nur am Rande.

Mit unserem zweiten Punkt fordern wir, die Richtlinien für das öffentliche Auftragswesen dahin gehend zu ändern, dass bei der Vergabe öffentlicher Aufträge die Verwendung von Produkten, die gesundheitsgefährdende Phthalate enthalten, untersagt wird. In den Umwelt- und Gesundheitsrichtlinien für das öffentliche Auftragswesen kann und muss dies ähnlich dem Verbot der Nutzung von nicht FSC-zertifiziertem Holz untersagt werden. Da ging es doch auch. Warum soll es hier nicht gehen? Da Bayerns Kommunen bei der Vergabe von Bau- und Ausstattungsleistungen gerade auch im besonders sensiblen Bereich von Schulen

und Kindergärten Auftraggeber sind, müssen die Ausschreibungsrichtlinien zwingend geändert werden.

Die Kommunen müssen mit gutem Beispiel vorangehen. Es ist mir unverständlich, wie Sie angesichts der erlangten Kenntnisse über die negativen Einwirkungen einiger Phthalate auf das Hormonsystem insbesondere von Kindern und die fruchtbarkeitsschädigende Wirkung unsere Forderung ablehnen können. Halten Sie es wirklich für notwendig, die Industrie derartig zu schützen und zu unterstützen, dass sie die nötigen Schritte für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung vernachlässigen? Ich halte das den unwissenden Bürgerinnen und Bürgern gegenüber für unverantwortlich. Wie wir vorher gehört haben, wollen Sie diese noch nicht einmal aufklären.

Zum Schluss möchte ich erwähnen, dass wir den Anträgen der FREIEN WÄHLER sowie der CSU und der FDP selbstverständlich zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Ich erteile Frau Kollegin Stierstorfer das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Untersuchung des Bundes für Umwelt und Naturschutz aus dem Jahr 2010, wonach bei 60 Kindertageseinrichtungen im Bundesgebiet eine hohe Belastung mit gesundheitsschädlichen Weichmachern festgestellt wurde, hat uns alle beunruhigt. Diese Stoffe wirken wie Hormone und können bei Kindern zu bleibenden gesundheitlichen Veränderungen führen. Das ist heute bereits angesprochen worden. Das Hormonsystem kann gestört sowie die Entwicklung von Kindern negativ beeinflusst werden. Außerdem können Atemwegsprobleme verstärkt werden. Diese sogenannten Phthalate oder Weichmacher findet man in Fußböden, Tapeten, Turnmatten, Tischdecken oder Möbelpolstern aus Kunststoff. Diese Veröffentlichungen weisen darauf hin, dass insbesondere in Kindertageseinrichtungen die Belastungen an Weichmachern sehr hoch sind. Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, gerade weil uns die Gesundheit unserer Kinder wichtig ist, haben wir dieses Thema aufgegriffen und uns bereits im zuständigen Fachausschuss für Umwelt und Gesundheit damit beschäftigt.

Vorweg zu den einzelnen Anträgen: Die Fraktion der GRÜNEN fordert in ihrem Antrag, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher und die Umwelt durch gezielte Kampagnen vor Weichmachern geschützt werden. Frau Kollegin, das ist sicherlich ein wichtiger und richtiger Punkt. Die Verbraucherinnen und Verbraucher haben jedoch bereits viele Möglichkeiten, sich über mögliche Schadstoffe zu informieren. In Bayern

steht dazu insbesondere das Verbraucherinformationssystem - VIS Bayern - zur Verfügung. Außerdem werden die allgemeinen Informationsportale zum Verbraucherschutz ständig aktualisiert und weiterentwickelt. Wir haben in Bayern doch mündige Verbraucherinnen und Verbraucher, die diese Netzwerke intensiv nutzen. Im virtuellen Informationszeitalter brauchen wir die von Ihnen geforderten Broschüren nicht mehr, da diese schnell veraltern und zusätzlich eine Menge Geld kosten. Im Falle der Weichmacher werden die bayerischen Kindertagesstätten per Newsletter über Möglichkeiten informiert, die Belastungen zu reduzieren. Die Weichmacherproblematik ist außerdem bereits Thema in vielen Veröffentlichungen auf Bundes- und Landesebene oder in der Tagespresse. Wir brauchen keine weiteren Broschüren. Sie sehen, die Bayerische Staatsregierung bzw. die zuständigen Fachstellen haben bereits gehandelt.

Zum zweiten Spiegelstrich des Antrags der GRÜNEN kann ich nur sagen, dass eine Änderung der Richtlinie für das öffentliche Auftragswesen, für die das Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie federführend zuständig ist, nicht erforderlich ist, da bei der Auftragsvergabe die Verwendung von Produkten, die mit dem Blauen Engel gekennzeichnet sind, bereits berücksichtigt wird. Bestimmte Bodenbeläge mit Weichmachern dürfen beispielsweise nicht verwendet werden. Der Antrag der GRÜNEN ist deshalb wenig zielführend. Die CSU-Fraktion lehnt diesen Antrag ab.

Die FREIEN WÄHLER fordern mit ihrem Antrag ein generelles Verbot von Phthalaten. Es gibt bereits eine Vielzahl von Verboten. Auf europäischer Ebene sind Verbote für bestimmte Weichmacher in der REACHVerordnung geregelt.

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Herrn Kollegen Dr. Vetter?

- Nein, Herr Dr. Vetter hat im Anschluss noch die Möglichkeit, sich zu äußern.

Diese EU-Verordnung soll die Verbraucher vor gefährlichen Chemikalien schützen. Die vier Weichmacher, über die wir reden, sind bereits Gegenstand von REACH. Die Untersuchung des Bundes für Umwelt und Naturschutz mit dem Titel "Weichmacher in Kindertagesstätten", die ich bereits angesprochen habe, geht zwar in die richtige Richtung, jedoch handelt es sich dabei um keine wissenschaftliche Studie mit aussagekräftigen Probe- und Analyseverfahren. Deshalb wurde das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit - LGL - beauftragt, eine Untersuchung zur Gesamtbelastung von Kindergartenkin

dern durch Weichmacher durchzuführen. Diese Ergebnisse werden uns 2012 vorliegen.

Nichtsdestotrotz wurde im Oktober im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit - die erste Sitzung war bereits früher - berichtet, dass es im Rahmen der REACH-Verhandlungen ein weiteres Dossier gibt, das sich mit diesem Thema auseinandersetzt - Herr Dr. Vetter - und wissenschaftliche Bewertungen liefert. Dieses Dossier wurde vom Mitgliedstaat Dänemark in Auftrag gegeben. Die Vertreterinnen der Staatsregierung haben anlässlich dieses Dossiers klar zum Ausdruck gebracht, dass auf der Grundlage der neuesten Untersuchungen dieses Dossiers zusammen mit dem LGL sofort gehandelt wird. Deshalb sind Ihre Unterstellungen nicht richtig.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Mit dem Dossier wurde festgestellt, dass die Belastungen durch Weichmacher vor allem durch die Nahrung, den Hautkontakt, den Hausstaub und die Hausluft aufgenommen werden. Deshalb wird vorgeschlagen, diese Weichmacher im Rahmen von REACH zu verbieten. Das Sozialministerium hat das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit gebeten, das noch einmal wissenschaftlich zu untermauern. Das ist erfolgt. Wir werden ein Verbot dieser vier Weichmacher unterstützen. Wir lehnen Ihren Antrag ab, da das Verbot über die vier Weichmacher bereits läuft. Wir unterstützen Dänemark. Wir unterstützen die Initiativen auf europäischer Ebene und fordern die Europäische Kommission auf, dementsprechend zu handeln.

(Zuruf der Abgeordneten Simone Tolle (GRÜNE))

Lieber Herr Dr. Vetter, ich kann mich noch sehr gut an Ihre Aussagen bei uns im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit erinnern. Sie haben anlässlich des Berichts des Ministeriums zu einer Gesetzesinitiative bemerkt, dass die Aussagen der beiden Vertreterinnen der Staatsregierung gezeigt hätten, dass dem Antrag der FREIEN WÄHLER nachgekommen werde. Die Brisanz sei erkannt. Es werde etwas getan. Und? Das machen wir. Das unterstützen wir. Die Presseerklärung hat das auch noch einmal verdeutlicht. Wir werden weitere Schritte unternehmen.

Unser Antrag ist nachhaltiger und weitergehender, weil wir die Staatsregierung auffordern, im Gesundheits- und Umweltausschuss einen Sachstandsbericht über den derzeitigen Stand der Umsetzung der dänischen Gesetzesinitiative und der Ergebnisse des LGL und die damit notwendigen präventiven Maßnahmen vor Ort zu geben.

Der dritte Punkt, der ansonsten außer Acht gelassen wird, ist, dass das Thema im Ausschuss für Umwelt und Gesundheit weiter behandelt wird und der Landtag die Möglichkeit bekommt, das schwierige Thema zielführend zu verfolgen. Der Antrag zeigt, dass wir die Ängste der Eltern um die Gesundheit ihrer Kinder sehr ernst nehmen.

(Beifall bei der CSU und der FDP)

Für eine Zwischenintervention: Herr Kollege Dr. Vetter, bitte.

Frau Kollegin Stierstorfer, Sie haben einen richtigen "Eiertanz" aufführen müssen.

(Georg Schmid (CSU): Das macht sie nie!)

Ich frage Sie konkret: Ist die Bayerische Staatsregierung für ein sofortiges, ein baldmöglichstes Verbot der Weichmacher insbesondere im Umfeld von Kindern, oder wollen Sie bis 2012 auf einen Bericht warten, wie es Ihrem Antrag entspricht? Wofür sind Sie eigentlich? Können Sie mir diese Frage beantworten?

Hätten Sie aufgepasst, würden Sie es wissen, Herr Dr. Vetter.

(Beifall bei der CSU - Dr. Karl Vetter (FREIE WÄHLER): Sagen Sie es noch einmal!)

Ich darf nun Herrn Kollegen Dr. Bertermann das Wort erteilen. Bitte schön, Herr Kollege.

(Zurufe von der CSU)

Herr Kollege Dr. Bertermann hat das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich fasse mich wegen der fortgeschrittenen Zeit kurz.

Entschuldigen Sie, Herr Kollege. Auch die Fraktion der FREIEN WÄHLER hat für Ihren Antrag auf Drucksache 16/8721 namentliche Abstimmung beantragt.