Protocol of the Session on July 13, 2011

Vielen Dank, Frau Dr. Bulfon. - Ich bitte zu einer abschließenden Rede Herrn Staatsminister Heubisch ans Mikrofon.

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ungeachtet der Prominenz des im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Doktoranden muss ich den Vorfall nach klaren Richtlinien beurteilen. So wird es auch geschehen. Es geht zum einen um das Promotionsrecht der Universitäten, zum anderen um die Regeln zum Umgang mit wissenschaftlichem Fehlverhalten, die von der Wissenschaft selbst entwickelt wurden.

Die Universität Bayreuth hat sowohl die richtigen promotionsrechtlichen Konsequenzen gezogen als auch das Verfahren sorgfältig durchgeführt, das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft - es handelt sich hier nicht um einen bayerischen Sonderweg - bei Anhaltspunkten für wissenschaftliches Fehlverhalten empfohlen wird. Ich habe kurz nach Bekanntwerden der Vorwürfe gegen Herrn zu Guttenberg deutlich gemacht, dass wissenschaftliches Fehlverhalten weder toleriert noch bagatellisiert werden darf. Die Universität hat - das habe ich mir jedes Mal sehr genau angesehen - in diesem Sinne konsequent und transparent gearbeitet. Aufgrund des Ergebnisses glaube ich, dass die Selbstkontrolle der Wissenschaft funktioniert, außerdem aber auch das Prinzip der Ehrlichkeit. Diese ist eines der großen Prinzipien der Freiheit. Aber damit einher geht natürlich die Verantwortung in Verbindung mit der Ehrlichkeit. Dies fordere ich ein.

Ich bedauere zutiefst, dass diverse Fälle in Deutschland bekannt wurden, die diesen Regeln nicht mehr entsprechen.

Die hochschulrechtlichen Grundlagen sind also vorhanden. Die Promotionsordnung und das allgemeine Verwaltungsrecht sehen ausreichende Optionen vor, wissenschaftliches Fehlverhalten auch verfahrensrechtlich zu ahnden.

Das Promotionsrecht gehört zum Kernbereich wissenschaftlicher Betätigung der Universitäten. Ich glaube, dass zu starre Regeln die Wissenschaftsfreiheit einschränken würden. Ich darf dazu kurz zwei Beispiele anführen.

Vor einigen Jahren war die Verfassungsbeschwerde einiger Berliner Universitäten gegen eine Neuregelung des Promotionsrechts erfolgreich. Dort ging es unter anderem darum, einen auswärtigen Gutachter für eine Dissertation heranzuziehen und die unterschiedlich ausgestalteten mündlichen Prüfungen auf eine Verteidigung der Dissertation zu reduzieren. Beides konnte der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht standhalten.

Ich kann mir heute die Heranziehung eines ausländischen Gutachters sehr wohl vorstellen. Wir machen Evaluationen fast ausschließlich unter Beteiligung internationaler Gutachter. Ich glaube, da hat sich unser Rechtsempfinden weiterentwickelt.

Die Gefahren einer Bagatellisierung wissenschaftlichen Fehlverhaltens in der Öffentlichkeit sind mir bewusst. Es gibt auch bereits eine Erklärung zu den Standards akademischer Prüfungen vom März 2011. Sie wurde von den Professoren der Universität Bonn initiiert und inzwischen von mehr als 3.300 Hochschullehrerinnen und -lehrern unterzeichnet.

Auch diese Erklärung habe ich zum Anlass genommen, den Präsidenten der DFG zu bitten, einen bundesweiten Dialog zwischen Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen, aber auch von Vertretern anderer Gesellschaftsbereiche anzustoßen. Dabei ist es das Ziel, die DFG-Empfehlungen zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis konsequent umzusetzen und unserer Gesellschaft den Wert geistigen Eigentums in der Wissenschaft noch mehr als bisher bewusst zu machen.

Ich glaube, wir sind auf einem guten Weg. Aber wenn wir etwas verändern, sollten wir diesen Weg in der Bundesrepublik insgesamt beschreiten. Einzelvorschläge oder -umsetzungen von Hochschulen mögen in den Grundordnungen festzulegen sein. Aber die Generallinie wird sicher von Organisationen, zum Beispiel von der DFG, vorgegeben.

(Beifall bei der FDP und der CSU)

Uns liegen keine Wortmeldungen mehr vor. Daher schließe ich die Aussprache.

Wir schreiten zur Abstimmung. Der federführende Ausschuss für Hochschule, Forschung und Kultur empfiehlt auf Drucksache 16/8960 die Ablehnung des Dringlichkeitsantrags. Wer entgegen dem Ausschussvotum dem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. - Das sind die Fraktionen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, SPD und FREIEN WÄHLERN. Gegenstimmen bitte ich anzuzeigen. - Das sind die Fraktionen von CSU und FDP sowie Frau

Dr. Pauli. Enthaltungen? - Ich sehe keine. Damit ist der Dringlichkeitsantrag abgelehnt.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 28 auf:

Antrag der Abgeordneten Hubert Aiwanger, Florian Streibl, Dr. Hans Jürgen Fahn u. a. und Fraktion (FREIE WÄHLER) Zusätzliche und unabhängige Gutachter für kerntechnische Prüfungen zulassen (Drs. 16/8259)

Ich eröffne die Aussprache. Pro Fraktion werden fünf Minuten Redezeit gewährt. Als Ersten bitte ich Herrn Fahn ans Redepult.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben heute die Energiekommission offiziell beschlossen. Wir von den FREIEN WÄHLERN machen dabei mit, obwohl wir Kritik angebracht haben. Nachdem Kollege Thalhammer schon Vorschläge gemacht hat, meine ich, dass es auch um Fragen der Atomaufsicht gehen muss.

Es gibt ja schon einen Konsens: Atomausstieg bis 2022. Wir haben das als FREIE WÄHLER akzeptiert, obwohl der Ausstieg auch bis 2017 technisch machbar wäre; dazu gab es ein Gutachten aus dem Bundesumweltministerium.

Wir müssen in Deutschland also bis 2022 noch mit Störfällen rechnen. Unsere AKWs sind nach wie vor nicht gegen alle Flugzeugabstürze sicher. Es geht darum, größere Transparenz zu bekommen und verlorenes Vertrauen zurückzugewinnen.

Anlass unseres Antrags waren die Vorkommnisse um das AKW Grafenrheinfeld, das vor einigen Monaten in den Schlagzeilen war. Da gab es Zweifel und Fragen zu einem möglichen Riss, die von einem Abteilungsleiter oder von Wolfgang Renneberg vorgebracht, dann aber zurückgewiesen wurden. Dazu wurde dann immer wieder gesagt - auch von Umweltminister Söder -: Wir haben es schon zehntausendmal geprüft, haben aber nichts gefunden.

Dann wurde von dem Betreiber Eon bekannt gegeben, im Fall Grafenrheinfeld handle es sich um einen Mikroanriss mit einer maximalen Tiefe von 0,35 Millimeter. Das ist deutlich geringer, als bei den Ultraschallmessungen festgestellt wird.

Natürlich wurde uns mitgeteilt, der Riss sei sicherheitstechnisch unbedenklich und die Verlässlichkeit des Systems sei gewährleistet. Aber genau hier liegt das Problem. Man kann es glauben oder nicht glauben. Denn diese Äußerung stammt vom Betreiber. Der Betreiber hat natürlich - ich will ihm da aber nichts

direkt vorwerfen - die eigenen Interessen zu vertreten. Hätte es aber geheißen, das Öko-Institut Darmstadt oder das Umweltinstitut München hätten das Prüfungsergebnis mitgeteilt, dann wäre das Glaubwürdigkeitsproblem wahrscheinlich nicht aufgetreten. Die Presse sieht es inzwischen ähnlich. Im Fall Grafenrheinfeld ist weiterhin unklar, ob weitere Teile in den Anlagen existieren, die nicht den technischen Vorgaben entsprechen und daher die Sicherheit beeinträchtigen können.

Wir bedauern zum Beispiel auch, dass der SPD-Antrag zur Überprüfung der bayerischen Atomaufsicht vor einigen Wochen im Umweltausschuss abgelehnt wurde. Da ging es darum, dass bei der Internationalen Atomenergiekommission eine unabhängige Überprüfung aller bayerischen AKWs erfolgen sollte. Dies passierte schon 2008. Aber da ging es nur um den Bund und um Baden-Württemberg. Die Bayern waren bei verschiedenen Besprechungen dabei; mehr war es aber auch nicht.

Uns liegt das sechsseitige Gutachten vor. Daraus geht klar hervor, dass es eine zu große Nähe zwischen Gutachtern und Kraftwerksbetreibern gibt und dass deshalb erhebliche Zweifel an der Unabhängigkeit des TÜV geäußert werden. Gerade der TÜV Süd ist für Grafenrheinfeld zuständig. Umweltminister Söder lobte zwar immer wieder den TÜV Süd; aber in dem Gutachten von 2008, das uns vorliegt, steht klar, dass die Unabhängigkeit auch deshalb in Frage zu stellen sei, weil der Anlagenbetreiber die Sachverständigen finanziere.

Hier liegt ein wesentlicher Schwachpunkt der bayerischen Atomaufsicht. Wir benötigen deshalb hier unabhängige Gutachter.

In der Expertise des Umweltministeriums von 2008 gibt es noch verschiedene Details. Da wird der TÜV zur Problemlösung herangezogen. Es heißt, je mehr Sachverständige bzw. Betreiber Verantwortung übernähmen, desto mehr verliere auch ein staatlicher Kontrolleur seine Unabhängigkeit.

Es gibt auch Fälle, wo das Personal des AKW eine Begehung ohne den TÜV durchgeführt hat und der zuständige TÜV-Mitarbeiter das Begehungsprotokoll dennoch bestätigt hat.

Es gibt weitere verschiedene Verflechtungen zwischen TÜV Süd und Eon, zum Beispiel bei Projekten, die von diesen beiden auf dem Gebiet der Elektromobilität getragen werden. Außerdem wird von einer strategischen Partnerschaft zwischen TÜV Süd und Eon gesprochen.

Ihre Redezeit geht zu Ende.

Ich bin gleich am Ende.

Warum ist uns das wichtig? Wahrscheinlich wird die Koalition das, was wir wollen, ablehnen. Aber das macht uns nichts aus. Wir haben das vor der Energiewende hundertmal erlebt. Von einer Stunde auf die andere wurde dann aber eine andere Konzeption vorgetragen. Wir meinen, dass für die Energiewende inzwischen auch die Bevölkerung sensibilisiert ist. Sie ist in den letzten Wochen und Monaten kritischer geworden. Wir müssen alles tun, um die verlorene Glaubwürdigkeit der Parteien wieder zurückzugewinnen.

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist seit über einer Minute zu Ende.

Ein Satz noch. Die Bevölkerung will Transparenz und Offenheit, aber keine Vertuschung durch die Betreiber. Deshalb beantragen wir unabhängige Gutachter für die Atomkraftwerke.

(Beifall bei den FREIEN WÄHLERN)

Ich weiß, dass es schwierig ist, wenn man den Zeitablauf nicht vor Augen hat. Ich glaube Ihnen, dass Sie nicht mit Absicht überzogen haben. Wenn die Kolleginnen und Kollegen einverstanden sind, würde ich nach Ablauf von vier Minuten und dreißig Sekunden ein wenig hinunterhauchen, dass die Zeit zu Ende geht. Dann wissen Sie in etwa, wie die Sache steht. Wenn Sie damit einverstanden wären, würde ich es so machen. Sie sollen das nicht als Belästigung empfinden, sondern sich besser auf die Situation einstellen können.

Als Nächsten bitte ich Herrn Blume für die CSU nach vorne.

Frau Präsidentin, ich freue mich auf Ihre Zeichen, aber ich hoffe, dass ich die Zeit nicht ganz brauche. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Fahn, Sie haben uns heute wieder ein atompolitische Allerlei präsentiert.

(Beifall bei der CSU - Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Sie wissen es besser!)

Sie haben schnell alles zusammengetragen, was Ihnen in den letzten Wochen zum Thema Atompolitik über den Weg gelaufen ist. Sie haben es einmal durchgequirlt und dann hier abgelassen.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Oh mei, oh mei!)

Wir hatten über dieses Thema im Umweltausschuss lange diskutiert und dabei den Eindruck gewonnen, dass nach den Ausführungen des Umweltministeriums dazu alles gesagt war. Deswegen bin ich davon überrascht, dass Sie über dieses Thema heute noch einmal diskutieren. Wenn es der Sache hilft, tun wir es gerne. Ihrem Vorschlag, diese Fragen in der Energiekommission künftig auszuleuchten, können wir gerne nähertreten. Die Kollegen sind darüber sicherlich alle sehr erfreut.

Zur Sache: Herr Dr. Fahn, Sie tun in Ihrem Antrag so, als würde die Atomaufsicht völlig freihändig durchgeführt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Es scheint aber so zu sein!)

Wir haben die Bundesreaktorsicherheitskommission. Das ist Ihnen bekannt. Dort gibt es einen Ausschuss für druckführende Komponenten und Werkstoffe. In diesem Ausschuss sind die führenden Materialprüfungsinstitute der Republik versammelt. Die Bundesreaktorsicherheitskommission hat auch den Stresstest durchgeführt.

(Hubert Aiwanger (FREIE WÄHLER): Die haben auch bis Herbst gesagt, Isar 1 ist sicher!)

Ich habe bisher nicht viel Kritik an diesem Gremium gehört, auch nicht an der Zusammensetzung. Sie wissen selbst, dass das Gremium auch an den Untersuchungen in Grafenrheinfeld beteiligt war. Sie wissen außerdem, dass wir eine bayerische Kommission für Reaktorsicherheit haben, in der weitere sachverständige Gutachter versammelt sind, so zum Beispiel das Öko-Institut. Nur eine Nebenbemerkung, weil Sie so auf das Öko-Institut abfahren: Nicht jedes Institut, bei dessen Namen "Öko" vorne dransteht, hat automatisch mehr Glaubwürdigkeit als der TÜV Süd.

(Beifall bei der CSU)

Herr Kollege Blume, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hartmann?