Protocol of the Session on April 5, 2011

Nicht nur Mittel für die Integration werden nicht bereitgestellt. Der Ministerpräsident hat heute so getan, als sei der Haushalt, den wir hier behandeln, ein Kraftpaket. Richtig ist: Es ist ein abgemagerter Haushalt, weitgehend saft- und kraftlos infolge schwarz-gelber Steuergeschenke und des Landesbankdesasters.

(Beifall bei der SPD - Lachen und Zurufe von der CSU und der FDP)

Es ist genau das eingetreten, liebe Kolleginnen und Kollegen, was Sie im vergangenen Jahr bereits befürchtet haben und was Sie jetzt krampfhaft kaschieren wollen, dass Sie nämlich den Haushalt nicht dichtkriegen. Das war schon Ihre Befürchtung im Jahr 2010. Wir erinnern uns noch, was für ein Schlingerkurs das innerhalb der Koalition war. Diesen Schlin

gerkurs hatten Sie, Herr Kollege Schmid, eröffnet: Befristet müsse der Freistaat Bayern gegebenenfalls in eine Neuverschuldung hineingehen. - So Georg Schmid laut "Süddeutscher Zeitung" vom 19. Mai. Sie wurden daraufhin von Horst Seehofer zurechtgewiesen. Wenn es richtig ist, was die Medien beschreiben, hieß es damals: Maul halten; das wird wirken.

(Zurufe von der CSU)

Auch Herr Hacker von der FDP sagte, wenn wir den Haushalt dieses Mal nicht dichtkriegen würden, müssten wir damit leben.

(Thomas Hacker (FDP): Und wir haben ihn dichtgekriegt, Herr Rinderspacher!)

Wir wissen, wie die Geschichte geendet hat: Dem Ministerpräsidenten ging es am Ende so wie einem Mann, der auf dem Weg zum Konkursrichter noch vom Geldbriefträger eingeholt wird: Erst die November-Steuerschätzung, dann die Haushaltsrechnung 2010 mit Haushaltsverbesserungen und schließlich noch die Rückzahlungen aus dem bundesstaatlichen Finanzausgleich.

(Thomas Hacker (FDP): Gute Maßnahme! Georg Schmid (CSU): Besser, er kommt! Schlechter ist, wenn er nicht kommt! - Weitere Zurufe von der CSU)

Fakt ist: Angeblich ist zwar Ihr Haushalt ein Kraftpaket, aber die Investitionsquote im Haushalt steigt nicht etwa, sondern sie fällt von 13,8 % auf 10,8 %.

(Georg Schmid (CSU): Das ist auch richtig so!)

Das ist eine der niedrigsten Investitionsquoten in der Haushaltsgeschichte des Freistaats Bayern.

(Beifall bei der SPD - Thomas Hacker (FDP): Konjunkturpakete sind Vergangenheit!)

Auch singen Sie, Herr Ministerpräsident, heute wieder das Hohelied des ausgeglichenen Haushalts. Aber die Menschen glauben Ihnen das nicht; denn eines ist doch klar: Durch das Versagen bei der Landesbank und von deren Aufsicht ist die Verschuldung des Freistaats in Ihrer Regierungszeit um 40 % angestiegen.

Insgesamt mussten 10 Milliarden Euro neue Kreditmarktschulden aufgenommen werden, um einen Zusammenbruch der Bayerischen Landesbank zu verhindern. 833 Euro neue Verbindlichkeiten waren das für jeden Bayern, pro Kopf, auf einen Schlag, vom Säugling bis zum Greis. Das Märchen vom ausgeglichenen Haushalt und dass Sie ihn dichtkriegen würden, glaubt Ihnen nun wirklich niemand mehr. Umge

rechnet auf die Jahre 2009 bis 2013 sind wir wegen der Krise der Landesbank jedes Jahr mit zwei Milliarden neuen Schulden dabei. Täglich zahlt der bayerische Steuerzahler - nach wie vor - 940.000 Euro nur an Zinsen für das Landesbank-Desaster.

(Zurufe von der CSU)

Wir streiten uns in den Landtagsausschüssen teilweise um Kleinstbeträge für soziale und Bildungseinrichtungen, die von den täglichen Zinszahlungen in Sachen Landesbankkredit um ein Vielfaches übertroffen werden. Bislang mussten die Steuerzahler in Bayern satte 456 Millionen Euro nur an Schuldzinsen für das von der CSU zu verantwortende Landesbankdesaster aufbringen. Die CSU-Schuldenuhr tickt weiter. Auch wenn der Untersuchungsausschuss vor Kurzem seine Arbeit abgeschlossen hat - die Probleme bleiben, und sie bleiben auch im bayerischen Staatshaushalt.

Meine Damen und Herren, der Untersuchungsausschuss hat schwere Fehler bei den Verantwortlichen, auch bei CSU-Verwaltungsräten, festgestellt. Jetzt stellen wir heute fest, dass ausgerechnet jener Mann, der es nun Schwarz auf Weiß hat - auch aus den eigenen Reihen wurde ihm ins Stammbuch geschrieben, dass er zu den Mitverantwortlichen für das Landesbank-Desaster zählt -, dass ausgerechnet Georg Schmid für die CSU heute hier im Hohen Hause das Wort ergreifen und die finanzpolitische Solidität seiner Partei darstellen soll.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

Wir sind wirklich gespannt, Herr Kollege Schmid, wie Sie Ihre Vorstellungen von finanzpolitischer Solidität am Beispiel Ihres persönlichen Wirkens hinsichtlich der Hypo Group Alpe Adria erläutern werden.

Die Lage ist weiterhin ernst. Die Landesbankaffäre überschattet nämlich nach wie vor die politische Kultur unseres Landes, und sie ist, wie dargestellt, auch eine schwere Hypothek für die finanzpolitische Handlungsfähigkeit des Freistaats in Gegenwart und Zukunft. Stellen wir die gesamten Landesbankzinszahlungen von 755 Millionen Euro im Doppelhaushalt Ihrem angeblichen "Aufbruch Bayern" entgegen, so kommen wir auf fast die gleiche Summe. Außerdem wird in vielen Bereichen gekürzt. Sie kürzen bei der Jugendarbeit in den Jugendverbänden, bei der Landesstelle für Schulsport, bei der Jugendhilfe, bei der Unterstützung behinderter Menschen in Bayern, bei der frühkindlichen Sprachförderung. Sie kürzen bei der Wohnraumförderung für Familien, bei der Städtebauförderung, insbesondere bei dem Programm "Soziale Stadt", Sie kürzen bei der Krankenhausförderung und beim Hochwasserschutz, Sie kürzen bei der Baudenkmalpflege, Sie kürzen bei den staatlichen

Museen und bei Bibliotheken und Archiven. Sie streichen wichtige Projekte bis zur Unkenntlichkeit zusammen, geben das Geld aber in Form von unverantwortlichen Steuergeschenken zum Beispiel den Hoteliers. Bis zum Ende des Jahres 2012 sind dies allein 180 Millionen Euro. Meine Damen und Herren, ich halte das für eine gegenüber dem Allgemeinwohl in Bayern unverantwortliche Politik.

(Beifall bei der SPD)

Und im Übrigen: Auch den Doppelhaushalt 2011/2012 können Sie eben nicht ohne neue Kredite ausgleichen. Vielmehr nehmen Sie Kredit auf beim eigenen Grundstockvermögen. Sie haben den Haushalt, meine Damen und Herren, eben nicht, wie im vergangenen Jahr angekündigt, "dichtgekriegt", wie Sie es formuliert haben. Die sogenannte rückzahlbare Ablieferung beim Grundstock beträgt im Jahr 2012 immer noch 582 Millionen Euro - eine finanzpolitische Notoperation. Auch mit Kulissenschieberei ist nicht zu verbergen: Sie verlagern in die Zukunft Kosten, die von unseren Kindern und Kindeskindern zu tragen sind.

Die Zuführungen in den Versorgungsfonds für die Pensionen unserer Beamten werden in den Jahren 2011 und 2012 eingefroren, und besonders interessant ist die Begründung für das Vorgehen. Heute haben wir hier die Lobgesänge des Bayerischen Ministerpräsidenten auf die Stärke unserer Wirtschaft und auf die boomende Konjunktur gehört; im Haushaltsgesetz liest sich das aber ganz anders. Dort heißt es - und das ist die Begründung dafür, dass es keine Zuführungen mehr in den Versorgungsfonds gibt -: "Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in Bayern ist gestört." - Ein wörtliches Zitat, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD - Zurufe bei den GRÜNEN: Ah!)

Damit wird die Aussetzung der Zuführungen an die Versorgungsrücklagen begründet.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Sehr verehrter Herr Finanzminister, würde man das als haushaltstechnischen Trick bezeichnen, wäre das nichts anderes als Schönrednerei.

(Beifall bei der SPD)

Gerade in diesem Punkt wird auf besondere Art und Weise deutlich, dass sich Ihr politisches Handeln eben nur auf die Gegenwart konzentriert, ohne Rücksicht auf das Morgen und Übermorgen und mit weitreichenden Folgen für die nächsten Jahrzehnte, nur

damit Sie selbst kurzfristig politisches Kapital daraus schlagen können. Mit dieser Politik üben Sie das Gegenteil von Generationengerechtigkeit; denn Ihre Zeche müssen am Ende unsere Kinder und Kindeskinder bezahlen. So viel steht fest.

Zur Rückschau in der Mitte der Legislaturperiode, meine sehr verehrten Damen und Herren, gehört es auch, an der einen oder anderen Stelle, wo es sich anbietet, die Staatsregierung einmal zu loben, und das will auch ich zumindest in einem Punkt tun.

(Georg Schmid (CSU): Heute ist Feiertag! - Zuruf von den GRÜNEN)

Wir Sozialdemokraten, Herr Ministerpräsident, halten es - und das ist auch keine Kritik, die in irgendeiner Form vergiftet wäre - für absolut begrüßenswert und für erfreulich, dass sich die politischen Beziehungen zu unserem Nachbarland Tschechien auch auf der Ebene der Regierungschefs offensichtlich normalisieren.

(Zurufe von der SPD)

Die 350 Kilometer lange gemeinsame Grenze zu unserem Nachbarn darf nicht länger trennen, sondern soll zunehmend verbinden. Wir bayerische Sozialdemokraten haben über viele Jahre hinweg gefordert, dass gerade auch der Bayerische Ministerpräsident endlich Brücken nach Prag bauen soll; Sie sind dieser Forderung nachgekommen. Wir haben gefordert, dass wir die Beziehungen zwischen unseren Ländern nicht nur endlich normalisieren, sondern eine vertiefte Partnerschaft anstreben, die die engen kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Bayern, Böhmen und Mähren zu neuer Blüte führt, zu einer mitteleuropäischen Zukunft, in der die Geschichte nicht länger trennt.

Wir fordern Sie auf, Herr Ministerpräsident, die neuen, sich verbessernden Gesprächskontakte auch auf das Thema zu lenken, das uns offensichtlich allen auf den Nägeln brennt, nämlich auf den Ausstieg aus der Atomenergie. Unsere Nachbarn im Osten sehen ihr tschechisches Atomkraftwerk in Temelin immer noch so, wie die CSU noch vor wenigen Wochen das bayerische Atomkraftwerk Isar 1 betrachtet hat.

Ich bin aber überzeugt, dass das Thema Temelin bei Ihrer nächsten Zusammenkunft mit dem tschechischen Ministerpräsidenten ein zentrales Thema sein sollte. In jedem Fall begrüßen wir ausdrücklich diesen erkennbaren, wenn auch überfälligen Kurswechsel im Verhältnis zu unseren tschechischen Nachbarn. Wir fordern Sie auf, die sich verbessernden Beziehungen mit vielen konkreten gemeinsamen bayerisch-tschechischen Projekten zu untermauern, und wir sichern

Ihnen zu: Sie haben dabei auch die Unterstützung der sozialdemokratischen Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Nichtsdestotrotz gibt es auch einige Themen, bei denen Schwarz-Gelb nicht auf einen Nenner kommt. Sie alle aufzuführen, würde heute den zeitlichen Rahmen sprengen. Ich nenne nur ein Beispiel: Gentechnik.

Der bayerische Wissenschaftsminister hat am Montag vergangener Woche auf dem Wissenschaftscampus in München-Martinsried für die Agrogentechnik in Bayern geworben. Nach Staatsminister Dr. Heubisch müsse man auch Freilandversuche mit genmanipulierten Pflanzen wieder aufnehmen, um keine angeblich negativen Folgen für die bayerische Wissenschaft und Wirtschaft hervorzurufen.

(Unruhe bei den GRÜNEN)

Wir kennen die tatsächliche Haltung der Bayerischen Staatsregierung zum Thema Agrogentechnik nicht; auch von Ihnen haben wir dazu noch kein deutliches Wort gehört. Und wenn doch, dann hätten Sie spätestens am letzten Montag Herrn Staatsminister Dr. Heubisch zurückpfeifen müssen, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD)

Als SPD formulieren wir ein klares Nein zur Agrogentechnik

(Zuruf von den GRÜNEN - Beifall bei der SPD)

und fordern die Staatsregierung auf, endlich dem Netzwerk der gentechnikfreien Regionen Europas beizutreten.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von den GRÜNEN)