Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Markus Rinderspacher, Dr. Thomas Beyer, Christa Naaß u. a. und Fraktion (SPD) Resonanzstudien: CSU muss zweckentfremdete Steuergelder in den Staatshaushalt zurückführen (Drs. 16/7106)
Dringlichkeitsantrag der Abgeordneten Margarete Bause, Thomas Mütze, Ulrike Gote u. a. und Fraktion (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Trennung von Staatsregierung und Partei Beratende Äußerung des ORH zu den sog. "Resonanzstudien" umsetzen! (Drs. 16/7115)
Bevor ich die Aussprache eröffne, mache ich Sie schon jetzt darauf aufmerksam, dass zu beiden Dringlichkeitsanträgen namentliche Abstimmung beantragt worden ist.
Ich eröffne die Aussprache. Erster Redner ist der Vorsitzende der SPD-Fraktion, Herr Kollege Rinderspacher.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit zwei Tagen haben wir es schriftlich: Der Bericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs bringt es mit an nicht mehr zu überbietender Deutlichkeit zum Ausdruck, dass sich die CSU über Jahre hinweg offensichtlich mit unverhohlener Dreistigkeit an der Staatskasse bedient, fast wie in einem Selbstbedienungsladen.
Diesmal geht es nicht nur um den Mangel an politischer Kultur, nicht um den Filz, den Herr Kollege Schmid bei einer CSU-Fraktionsklausur einmal zur Sprache bringen sollte und sich damit den Zorn des Ministerpräsidenten zugezogen hat. Es geht diesmal nicht um einen Vorgang, der mit den Worten "Hund’ sans scho" abgetan werden kann. Vielmehr geht es diesmal um den wissentlichen systematischen Steuermissbrauch.
Wir haben heute das Hohelied auf den bayerischen Staatshaushalt gesungen. Aber wie wenig Respekt die CSU vor öffentlichen Geldern hat, sehen wir gegenwärtig in der Person von Staatsminister Schneider. Ich halte es für bemerkenswert, dass er zur Vorbereitung seiner persönlichen Karriereplanung eine Gruppe - wohlgemerkt: nicht alle - von Medienräten einlädt und seine Karriereplanung vom Steuerzahler finanzieren lässt.
Es geht hier nur um ein paar hundert Euro. Aber es hat mehr als nur ein Gschmäckle, wenn man seine persönliche Karriere auf diese Art und Weise voranbringen möchte.
Wir wollen uns heute auf die Resonanzstudie konzentrieren. Denn jetzt ist es amtlich: Die Bayerische Staatsregierung hat über Jahre hinweg Meinungsumfragen in Auftrag gegeben, die sich streng am Parteiinteresse der CSU orientiert haben.
Die CSU hat offensichtlich nie damit gerechnet, dass diese Machenschaften jemals an das Licht der Öffentlichkeit geraten. Monatelang hat Staatsminister
Schneider deshalb geblockt und gemauert, wissend, dass das, was hinter dem dicken Gemäuer der Staatskanzlei auf Kosten des Steuerzahlers gemauschelt wurde, und zwar zugunsten seiner Partei, nicht nur unzulässig war, nicht nur nicht rechtens war, sondern - ich sage es noch deutlicher - möglicherweise auch strafbar war.
Um all das zu vertuschen, hat Herr Staatsminister Schneider die Öffentlichkeit monatelang unter Vorspiegelung falscher Tatsachen hinters Licht geführt. Er hat zuerst vertuscht und verdunkelt, dann wider besseres Wissen falsche Angaben gemacht. Es war ein Vertuschungskommando basierend auf Lug und Trug. Tatsächlich hat sich erst auf Druck der SPDVerfassungsklage Herr Staatsminister Schneider genötigt gesehen, die Wahrheit scheibchenweise offenzulegen.
In den Schneider/Seehofer-Studien wurden nicht etwa, wie von ihm gegenüber der bayerischen Öffentlichkeit in der Anfrage behauptet, Themen, Probleme oder Projekte abgefragt. Dies hatte er uns weismachen wollen. In den Schneider/Seehofer-Studien ging es nicht um landesspezifische Themen, sondern um die Analyse der Landtagswahl 2008.
Der ORH sagte: Das geht nicht. - Es ging um Wählerabsichten. Der ORH sagte: Das geht nicht. - Es ging um allgemeine Stimmungsindikatoren. Der ORH sagte: Das geht nicht. - Es ging um Zufriedenheit mit Regierung und Politikern sowie um Lösungskompetenzen im Parteienvergleich. Der ORH sagte: All das geht nicht. Es ging auch um Sympathiewerte des CSU-Chefs Seehofer und der CDU-Parteichefin Merkel. Der ORH sagte: All das geht nicht.
In den Schneider/Seehofer-Studien wurden auch Handlungsempfehlungen und Strategietipps abgegeben. Beispielsweise ist der CSU empfohlen worden, sich von Zeit zu Zeit immer wieder einmal von der Bundespolitik abzukoppeln und sich in der politischen Auseinandersetzung nicht nur auf SPD und GRÜNE zu fokussieren, sondern auch auf die FDP. Die FDP ist mittlerweile aber, wie wir wissen, Teil der Bayerischen Staatsregierung. Wir wissen heute besser, warum sich der CSU-Generalsekretär genötigt sah, die FDP-Kollegen als "Gurkentruppe" zu diskreditieren.
Die Schneider/Seehofer-Umfragen wurden nicht etwa, wie behauptet, im Kabinett erörtert. So hatte es der Staatsminister in seiner Antwort auf meine Anfrage wahrheitswidrig mitgeteilt. Die FDP hatte von diesen Umfragen offensichtlich überhaupt keine Kenntnis und überhaupt keine Ahnung. Schneiders Umfragen wur
den nicht wie behauptet den Ministerien zur Beratung zugeleitet. Schneiders Umfragen wurden auch nicht ressortübergreifend erörtert, wie er behauptet hatte.
Herr Minister, Sie sind gleich mehrfach dabei erwischt worden, wie Sie die bayerische Öffentlichkeit angelogen haben.
Es war heute schon häufig von Bundesländervergleichen die Rede. In jedem anderen Bundesland reicht diese Kette an Lügen nicht nur für einen, sondern für mindestens drei Rücktritte.
Es waren nämlich keine Fehlinformationen aus einer Nachlässigkeit heraus, oder weil es der Minister nicht besser wusste. Nein, Herr Schneider, Sie haben wiederholt systematisch und zum Zwecke der Verdunkelung gelogen. Deshalb haben Sie auf dieser Regierungsbank nichts mehr verloren. Und es dürfte auch kein Zufall sein, dass Sie da im Moment so einsam sitzen.
Der im Raum stehende Vorwurf ist erheblich: Staatskasse belasten, die eigene Parteikasse entlasten, und das mit System.
Der konservative Münchner Strafrechtler Peter Badura sagt - ich zitiere wörtlich -: "Eine Regierung darf nicht Öffentlichkeitsarbeit zu Parteizwecken betreiben."
Der renommierte Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim sagt - ich zitiere aus dem "Münchner Merkur" -: "Es spricht vieles dafür, dass es sich hier um einen Fall strafbarer Untreue handelt, weil Steuergelder zum Nachteil des Staates missbraucht wurden."
Diese Studien dienten nicht etwa der Planung der Regierungsarbeit. Sie waren nicht dazu gedacht, das Land nach vorne zu bringen, sondern sie sollten allein der Partei dienen, sie sollten die CSU voranbringen.
Dass es nicht um die Planbarkeit ging, hat Herr Staatsminister Schneider auch bei der Beantwortung meiner letzten Plenaranfrage vom 27. Januar einräumen müssen. Ich wollte wissen, was es mit diesen monatlichen demoskopischen Berichten zur Vorbereitung der Landtagswahl 2003 auf sich hatte. Da hatte sich die Staatsregierung monatliche Berichte geben lassen.
Der Verbleib der demoskopischen Berichte Februar bis Dezember 2003 lässt sich nicht mehr rekonstruieren. Die zuständigen Beamten haben bis heute mehrfach gewechselt. Anzumerken ist, dass demoskopische Untersuchungen rasch veralten und damit keine Relevanz mehr für die aktuelle Arbeit haben. Dies könnte eine Erklärung dafür sein, dass die Unterlagen nicht archiviert wurden.
Da hieß es damals, man wolle langfristige Entscheidungen vorbereiten. Jetzt wird aber eine Schlamperei offensichtlich, wenn es denn eine Schlamperei und keine Vertuschung war. Es ist keine Rede mehr davon, dass die Studien der "längerfristig angelegten Vorbereitung von Entscheidungen" dienen sollten, sondern sie waren nur "aktuell" verwertbar. Der ORH hat in diesem Zusammenhang unmissverständlich festgestellt: Auch Ministerpräsident a. D. Edmund Stoiber schreckte nicht davor zurück, die Bundestagswahl 2002 und seine Kanzlerkandidatur auf Steuerzahlerkosten vorbereiten zu lassen. Die bayerische Staatskanzlei fungierte 2001/2002 eindeutig als Wahlkampfzentrale. Die Umfrage zur Vorbereitung von Stoibers Kanzlerkandidatur im Januar 2002 ist mit fast 140.000 Euro mehr als vier Mal so teuer wie üblich. Sie beinhaltete im Übrigen fast ausschließlich bundespolitische Fragestellungen und allgemeine Stimmungsindikatoren sowie die Sonntagsfrage.
Der Staatshaushalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, darf nicht der Selbstbedienungsladen der CSU sein.
Deshalb wird die Christlich-Soziale Union heute aufgefordert, unverzüglich, das heißt ohne schuldhaftes Zögern, die Kosten von fast 600.000 Euro zuzüglich Zinsen für diese Wahlkampfstudien an den bayerischen Staatshaushalt zurückzubezahlen.
Der CSU-Parteichef muss infolge des ORH-Berichts nach § 23 b des Parteiengesetzes umgehend eine Selbstanzeige beim Bundestagspräsidium erstatten, haben wir es jetzt doch amtlich, dass die CSU offensichtlich einen falschen Rechenschaftsbericht in Berlin abgegeben hat. Die unverblümte Parteinahme der
Staatsregierung in Sachen Wahlkampfstudien stellt nämlich das Erbringen von geldwerten Leistungen im Sinne des § 26 des Parteiengesetzes für die CSU dar. Solche Leistungen sind im Rechenschaftsbericht zu dokumentieren. Bei unrichtigen Angaben im Rechenschaftsbericht ist eine Rückforderung des zweifachen Betrages der staatlichen Zuwendung gemäß § 31 b des Parteiengesetzes möglich.
Diese Selbstanzeige ist jetzt unumgänglich und notwendig; sie kann jedoch nicht mehr strafbefreiend wirken, da die SPD bereits im vergangenen Jahr die Vorgänge öffentlich gemacht hat, sie also bereits bekannt sind.
Herr Schneider hat die CSU-Machenschaften durchgeführt. Deshalb muss er unseres Erachtens sofort zurücktreten. Ein Minister, der lügt, und das mehrfach zielgerichtet und systematisch, ist in Bayern nicht tragbar.
Seiner Bewerbung als Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien ist damit ebenfalls die Grundlage entzogen. Jemand, der so wenig Respekt vor öffentlichen Geldern hat, jemand, der Parteiinteresse vor öffentliches Interesse stellt, ist für die Führung der bayerischen Medienaufsicht im privaten Bereich in Bayern denkbar ungeeignet.